Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 12.02.2014, Az.: S 2 U 50/11

Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit bei einer Krankenschwester

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
12.02.2014
Aktenzeichen
S 2 U 50/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 14244
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2014:0212.S2U50.11.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Ziffer 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (= BKV) (hier: BK 2108).

Zur beruflichen Belastungssituation: Die im Jahr 1951 geborene Klägerin absolvierte von 1967 - 1972 eine Ausbildung zur Krankenschwester und war in diesem Beruf bis Januar 2008 - unterbrochen durch die Zeit von August 1980 bis Dezember 1981 - in unterschiedlichen Krankenhäusern tätig, zuletzt im Krankenhaus E ... Zu ihren Aufgaben gehörte das Lagern und Waschen von Patienten mit bis zu 150 kg Gewicht. Ihr letzter Arbeitstag war der 27.01.2008 (Bl. 31 der Akte des Beklagten (= BA)). Seit Februar 2008 bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Nach den - allerdings erst während des Klageverfahrens - unter Anwendung des Mainz-Dortmunder-Dosismodells (= MDD) durchgeführten Ermittlungen der Präventionsabteilung des Beklagten sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2108 erfüllt. Die Gesamtbelastungsdosis beträgt danach 17,7 MNh. Es wurde ausgeführt, dass damit die erforderliche Dosis von 8,5 MNh deutlich überschritten sei (Stellungnahme von Herrn F. vom 07.02. 2012, Bl. 45 f. der Akte des Sozialgerichts (= SG)).

Zur Entwicklung der Wirbelsäulenerkrankung: Rückenbeschwerden sind bei der Klägerin bereits seit Jahrzehnten bekannt. So bestand bspw. vom 10.12.1987 - 17.12.1987 Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnose "Lumboischialgie", ebenso vom 28.11.1996 - 11.12.1996 (Bl. 81, 74 BA). Gravierendere Probleme der Lendenwirbelsäule (= LWS) stellten sich im Jahr 2005 ein, wobei am 30.06.2005 "ein Bandscheibenvorfall im Segment L 3/4 mit Verlegung des rechten Neuroforamens und Verlagerung der Wurzel L 3 rechts" kernspintomographisch nachgewiesen wurde. Außerdem wurden "eine Pseudospondylolisthesis bei L 4/5 Grad I nach Meyerding und fortgeschrittene Facettengelenkhypertrophien mit daraus resultierenden Formaminalstenosierungen im Segment L 4/5" dokumentiert. Weiterhin wurden "mittelgradige Osteochondrosezeichen im lumbosakralen Übergang sowie in den basalen Thorakalsegmenten mit Betonung des Segments Th 11/12" beschrieben (Bl. 15, 16 BA). Am 25.07.2005 wurde der sequestrierte Vorfall im Segment L 3/4 operativ entfernt. (Bl. 35 f. BA). Am 12.01.2006 wurde wegen einer erneuten rechtsseitigen Lumboischialgie eine weitere Magnetresonanztomographie (= MRT) der LWS durchgeführt, wobei weiterhin das im Erstbefund genannte "Wirbelgleiten mit Protrusion und die Tangierung der Nervenwurzel L 5 beidseits" festgestellt wurde (Bl. 46/47 BA). Anlässlich einer weiteren MRT vom 06.03.2008 wird als neuer Befund "im Segment L 3/4 ein linksmediolateraler, subligamentärer Diskusprolaps mit deutlicher Bedrängung des Duralsacks und Tangierung der linken Nervenwurzel L 4" beschrieben. Vom 17.07.2008 - 13.08.2008 wurde in Trägerschaft der Deutschen Rentenversicherung eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt. In der abschließenden Bewertung wurde ausgeführt, dass die Tätigkeit als Krankenschwester nicht mehr leidensgerecht sei. Bei der Entlassung bestand Arbeitsunfähigkeit (Bl. 3 ff. BA).

Zum berufsgenossenschaftlichen Feststellungs- und Widerspruchsverfahren: Das berufsgenossenschaftliche Feststellungsverfahren wurde durch die ärztliche Berufskrankheitenanzeige von Frau G. vom 12.10.2009 eingeleitet. In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 20.03.2010 führte Dr. H. aus, dass bei der Klägerin kein belastungskonformes Schadensbild vorliegen würde, da von dem anlagebedingten Wirbelgleiten im Segment L 4/5 keine schädigungsrelevanten Einwirkungen einer beruflicher Belastung abgegrenzt werden könnten. Weitere Ermittlungen seien daher nicht erforderlich (Bl. 103 f. BA). Mit dieser Begründung lehnte der Beklagte mit dem Bescheid vom 31.03.2010 die Anerkennung einer BK 2108 ab (Bl. 109 BA). Im Widerspruchsverfahren wurden weitere Unterlagen, u. a. die für das Verfahren bei der gesetzlichen Rentenversicherung erstellten Gutachten, beigezogen (z. B. das orthopädisches Gutachten von Dr. I. vom 08.05.2009 und nervenärztliches Gutachten von Dr. J. vom 03.05.2009). In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.06.2010 vertrat Dr. H. die Auffassung, dass bei der Klägerin eine Konstellation C 5 der "Medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS" (abgedruckt in Trauma und Berufskrankheit 3/2005, 211 ff., hier: Konsensempfehlungen) vorliegen würde. Bei dem Wirbelgleiten im Segment L 4/5 würde es sich nicht um eine primär bandscheibenbedingte Erkrankung handeln. Nach den aktenkundigen Befundmitteilungen und dem Krankheitsverlauf nach der Bandscheibenoperation im Segment L 3/4 könne darüber hinaus die Krankheitsrelevanz dieses Befundes nicht als gesichert gelten. Nunmehr regte er jedoch eine Begutachtung an (Bl. 196 ff. BA). In dem Zusammenhangsgutachten vom 21.12.2010 gelangte Dr. K. ebenfalls zu dem Ergebnis, dass eine berufliche Entstehung der LWS-Erkrankung nicht wahrscheinlich sei. Er vertrat allerdings die Auffassung, dass bei der Klägerin eine Konstellation B 6 oder B 5 der Konsensempfehlungen vorliegen würde, da bei ihr sowohl im Bereich der Hals- als auch der Brustwirbelsäule (= HWS/BWS) ausgeprägte Bandscheibenschäden bestehen würden. Es sei somit von einem typischen, schicksalshaften Verschleiß der gesamten Wirbelsäule auszugehen (Bl. 247 BA). Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 23.03.2011 zurückgewiesen (Bl. 267 BA).

Zum Klageverfahren: Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 20.04.2011 beim Sozialgericht (= SG) Lüneburg Klage erhoben. Mit dem Beschluss des SG Lüneburg vom 05.12.2011 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet, um dem Beklagten Gelegenheit zu geben, die berufliche Belastungsdosis zu präzisieren. Dem ist der Beklagte durch die o. g. Stellungnahme seines Präventionsdienstes vom 07.02.2012 nachgekommen. In der gutachtlichen Stellungnahme vom 26.03.2012 hat Dr. K. an seinem Votum festgehalten.

Im Gutachten vom 22.04.2013 ist Dr. L. ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin eine Konstellation B 6 nach den Konsensempfehlungen vorliegt. Unter Bezugnahme auf das MRT vom 07.02.2011 müsse festgestellt werden, dass die Bandscheibenschäden an der HWS und der BWS mindestens gleichartig ausgeprägt seien, wie an der LWS. So würden ein zentraler, die Hinterkante überschreitender Prolaps mit Anbauten der Wirbelendplatten im Segment Th 6/7 und ein weiterer Prolaps im Segment Th 11/12 beschrieben. Bandscheibenprotrusionen seien darüber hinaus in den Segmenten C 4/5, C 5/6 und C 7/Th 1 vorhanden. Zusätzlich sei eine foraminale Enge im Segment C 4/5 und C5/6 mit einer möglichen Irritation der Nervenwurzel festgestellt worden (Bl. 91 SG Akte). Da insoweit in der medizinischen Wissenschaft kein Konsens für das Vorliegen einer BK 2108 bestanden habe, könne eine Anerkennung nicht erfolgen.

Mit einer Entscheidung im Wege des Gerichtsbescheids haben sich die Beteiligten einverstanden erklärt.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,

  1. 1.)

    den Bescheid des Beklagten vom 31.03.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 23.03.2011 aufzuheben,

  2. 2.)

    festzustellen, dass bei der Klägerin eine Berufskrankheit nach der Ziffer 2108 der Anlage 1 zur BKV vorliegt und den Beklagten zu verurteilen, Leistungen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Entscheidung lagen die Gerichtsakten sowie die Akten des Beklagten zugrunde. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig (§ 54 Abs. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nrn. 1, 3 SGG). Allerdings ist in Bezug auf den "auf die Gewährung von Leistungen" gerichteten Antrag zu beachten, dass eine solche Klage grundsätzlich unzulässig wäre (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 10. Aufl., § 130 Rz. 2a, § 55 Rz. 13b, m. w. N.). Eine auf eine Leistungsgewährung gerichtete Klage ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (= BSG) vielmehr nur dann zulässig, wenn der Unfallversicherungsträger über die Gewährung einer konkreten Leistung eine Verwaltungsentscheidung getroffen hat (BSG, Urt. v. 30.10.2007- B 2 U 4/06 R). Dies war jedoch hier nicht der Fall. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde vielmehr nur generell entschieden, dass bei der Klägerin keine BK 2108 vorliegt. Mit dem Passus, der die Ablehnung von Entschädigungsleistungen betrifft, wurde dabei nur zum Ausdruck gebracht, welche Folgerungen sich aus der Ablehnung der BK 2108 ergeben (vgl. BSG, Urt. v. 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R; Urt. v. 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R; BSG, Urt. v. 16.11.2005 - B 2 U 28/04 R). Nach der herrschenden juristischen Lehrmeinung ist allerdings der Antrag, der Klägerin - dem Grunde nach - Entschädigungsleistungen zu gewähren, als Antrag auf Feststellung einer Berufskrankheit auszulegen (Meyer-Ladewig, a. a. O., § 55 Rz. 13b, m. w. N.). Dem schließt sich die Kammer auch im vorliegenden Fall an.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, da eine BK 2108 nicht festgestellt werden kann.

Nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung kann nicht jede Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt werden. Gem. § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (= SGB VII) sind Berufskrankheiten vielmehr nur solche Krankheiten, welche in der Anlage 1 zur BKV im Einzelnen bezeichnet sind und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeiten erleiden (sog. Listenerkrankungen). Streitig ist hier nur eine BK 2108. Danach sind anerkennungsfähig:

"Bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlim- merung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."

Für die Anerkennung einer Berufskrankheit gelten in der gesetzlichen Unfallversicherung folgende Grundsätze: Während die gesundheitsschädlichen beruflichen Einflüsse (d. h. im konkreten Fall die arbeitstechnischen Voraussetzungen) und die Erkrankung als solche mit Gewissheit bewiesen werden müssen, ist für die Feststellung des Zusammenhangs zwischen den beruflichen Einwirkungen und dem Gesundheitsschaden (haftungsausfüllende Kausalität) ein hinreichender Grad von Wahrscheinlichkeit erforderlich. Dieser ist nach der Rechtsprechung erst dann erreicht, wenn bei einem vernünftigen Abwägen aller Umstände die auf eine berufliche Verursachung hinweisenden Faktoren deutlich überwiegen (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38). Eine Möglichkeit verdichtet sich erst dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, § 8 SGB VII, Rz. 10 ff.). Die reine Möglichkeit eines solchen Zusammenhangs ist daher für eine Anerkennung nicht ausreichend (BSG, Urt. v. 27.06. 2000 - B 2 U 29/99 R, S. 8 f.; Urt. v. 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R, S. 7 m. w. N.; Landessozialgericht (= LSG) Niedersachsen, Urt. v. 25.07.2002 - L 3/9/6 U 12/00, S. 6).

Bei Anwendung dieser Kriterien kann hier keine Berufskrankheit anerkannt werden. Zwar sind bei der Klägerin die arbeitstechnischen Voraussetzungen unstreitig erfüllt. Selbst bei Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen existiert jedoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Vermutung dafür, dass eine im Einzelfall vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS allein ursächlich oder wesentlich mitursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist (BSG, Urt. v. 18.11.1997 - 2 RU 48/96 = SGb 1999, 39 - 41; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 26.08.2008 - L 9 U 61/06, m. w. N.). Es sind insbesondere nicht die Grundsätze des Anscheinsbeweises anzuwenden (BSG, a. a. O). Zur Begründung der Ursächlichkeit im Rechtssinne bedarf es daher eines über die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen hinausreichenden positiven Nachweises einer überwiegenden berufsbedingten Verursachung im konkreten Einzelfall. Dieser kann nicht bereits dadurch erbracht werden, dass Umstände, die gegen eine Verursachung sprechen oder diese gar ausschließen, nicht vorliegen. Das bloße Fehlen solcher "Negativ-Kriterien" kann die Verursachung immer nur i. S. einer neutralen Beweislage zwar möglich, nicht aber wahrscheinlich machen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 26.08.2008 - L 9 U 61/06). Die Anerkennung einer BK 2108 ist vielmehr bei der Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität anhand der Kriterien "Lokalisation und Art der Degeneration an verschiedenen Wirbelsäulenabschnitten, konkurrierende Ursachen und Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit" zu beurteilen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 26.09.2008 - L 14 U 126/06).

Die Frage, unter welchen Umständen ein Schadensbild mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Belastung zurückzuführen ist, muss darüber hinaus nach dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand unter Zuhilfenahme medizinischer Erfahrungssätze festgestellt werden. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht. Dazu können einschlägige Publikationen, bspw. die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums oder Konsensusempfehlungen der mit der Fragestellung befassten Fachmediziner, herangezogen werden, sofern sie zeitnah erstellt oder aktualisiert worden sind und sich auf dem neuesten Stand befinden (BSG, Urt. v. 27.06.2006 - B 2 U 13/05 R). Auch die Dres. K. und L. haben - dem folgend - die o. g. Konsensempfehlungen als Ausgangspunkt ihrer Beurteilung gewählt. Denn bei diesen handelt es sich um auf dem aktuellen Stand befindende Empfehlungen der mit der einschlägigen Fragestellung befassten Fachmediziner, die den maßgebenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergeben (BSG, Urt. v. 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R).

Dr. L. hat die Wirbelsäulenerkrankung der Klägerin zutreffend in die Gruppe "B" der Konsensempfehlungen eingeordnet. Damit sind Konstellationen beschrieben,

in denen die bandscheibenbedingte Erkrankung das Segment L5/S1 und/oder L 4/5 betrifft und der Bandscheibenschaden sich bereits i. S. einer Chondrose 2.° oder höher und/oder i. S. eines Bandscheibenvorfalls manifestiert hat.

Bei der Klägerin liegt eine solche bandscheibenbedingte Erkrankung im Segment L 4/5 dergestalt vor, dass hier mit der MRT vom 30.06.2005 "eine Pseudospondylolisthesis bei L 4/5 Grad I nach Meyerding und fortgeschrittene Facettengelenkhypertrophien mit daraus resultierenden Formaminalstenosierungen im Segment L 4/5" dokumentiert wurden. In der MRT vom 12.01.2006 wurde weiterhin das im Erstbefund genannte "Wirbelgleiten mit Protrusion und die Tangierung der Nervenwurzel L 5 beidseits" festgestellt.

In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass Dr. L. keine sog. belastungsadaptiven Reaktionen i. S. v. sog. Begleitspondylosen, die als Indiz für eine berufliche Verursachung der Erkrankung dienen können, feststellen konnte. Das Schadensbild der Klägerin kann daher nicht in die Konstellation B 1 der Konsensempfehlungen eingeordnet werden, nach der eine berufliche Entstehung der Wirbelsäulenerkrankung wahrscheinlich wäre.

Ob hier eine Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen, nach der unter gewissen Voraussetzungen eine Anerkennung einer BK 2108 auch ohne Feststellung einer Begleitspondylose möglich ist, vorliegt, kann dahinstehen. Selbst beim Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen könnte eine Anerkennung nicht erfolgen, da das bei der Klägerin vorliegende Schadensbild in die Konstellation B 6 der Konsensempfehlungen einzuordnen ist. Darin werden

Konstellationen im Sinne der Klassifizierung B 2 erfasst mit der Besonderheit, dass die Bandscheibenschäden im HWS- und BWS-Bereich gleich stark ausgeprägt sind wie an der LWS.

Dr. L. hat nun unter Bezugnahme auf die MRT vom 07.02.2011 überzeugend dargestellt, dass die Bandscheibenschäden an der HWS und BWS mindestens gleichartig ausgeprägt sind wie an der LWS. So besteht im Segment Th 6/7 ein zentraler, die Hinterkante überschreitender Prolaps mit Anbauten der Wirbelendplatten. Ein weiterer Prolaps wurde im Segment Th 11/12 festgestellt. Bandscheibenprotrusionen sind darüber hinaus in den Segmenten C 4/5, C 5/6 C und C 7/Th 1 vorhanden. Hinzu kommt eine foraminale Enge in den Segmenten C 4/5 und C5/6 mit einer möglichen Irritation der Nervenwurzel (Bl. 91 SG Akte). Damit korrespondiert, dass auch Dr. K. ein fortgeschrittenes Verschleißleiden der HWS und BWS eruiert hat, welches insbesondere im BWS-Bereich einen ungewöhnlich hohen Ausprägungsgrad aufweist (Bl. 240 f., 242 BA). Auch er ist daher in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bandscheibenschäden im HWS- und BWS-Bereich zumindest gleichartig ausgeprägt sind wie an der LWS (Bl. 247 BA). Da bezüglich der Konstellation B 6 der Konsensempfehlungen in der medizinischen Wissenschaft kein Konsens für das Vorliegen einer BK 2108 besteht, kann eine Anerkennung nicht erfolgen (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 01.02.2007 - L 6 U 168/05; Beschl. v. 07.10.2010 - L 14 U 193/10).

Der Rechtsstreit konnte durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) entschieden werden, nachdem der Sachverhalt - soweit er für die Entscheidung von Bedeutung war - geklärt ist, die Beteiligten hierzu gehört wurden und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war. Sie haben sich mit dieser Entscheidungsform auch einverstanden erklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.