Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 26.03.2014, Az.: S 2 U 127/11

Anerkennung eines Arbeitsunfalls und von Unfallfolgen im Schulterbereich i.R.d. Tätigkeit als Kraftfahrer

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
26.03.2014
Aktenzeichen
S 2 U 127/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 22948
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2014:0326.S2U127.11.0A

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Unfälle i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII (Arbeitsunfälle) sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden führen. Ein Arbeitsunfall liegt somit nur dann vor, wenn dem Ereignis auch ein konkreter Gesundheitsschaden zugeordnet werden kann. Nach den Anerkennungsgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung sind für diesen Zuordnungsvorgang insbesondere die Art und Weise des Unfallhergangs im Wege des Vollbeweises nachzuweisen. Ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden kann darüber hinaus nur dann festgestellt werden, wenn dies hinreichend wahrscheinlich ist. Dies ist wiederum nur dann der Fall, wenn bei einem vernünftigen Abwägen aller Umstände die auf eine berufliche Verursachung hinweisenden Faktoren deutlich überwiegen. Eine Möglichkeit verdichtet sich erst dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden.

  2. 2.

    Es gibt keine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere.

  3. 3.

    Falls die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage verglichen werden muss, ist ein arbeitsunfallbedingter Gesundheitsschaden nur dann nicht anzunehmen, wenn die Krankheitsanlage so stark ausgeprägt ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedarf, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit oder in naher Zukunft die Erscheinung ausgelöst hätte. Nur in diesem Fall würde dem angeschuldigten Ereignis die Bedeutung einer rechtlich unwesentlichen Gelegenheitsursache zukommen, weil ein Versicherter grundsätzlich in dem Zustand geschützt ist, in dem er den Versicherungsfall erlitten hat.

Tenor:

  1. 1.

    Der Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 und der Widerspruchs-bescheid vom 29.09.2011 werden aufgehoben.

  2. 2.

    Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 30.05.2011 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

  3. 3.

    Es wird festgestellt, dass die Ruptur der rechtsseitigen Supraspi-natussehne und der rechtsseitigen Infraspinatussehne Folgen des Arbeitsunfalls vom 30.05.2011 sind.

  4. 4.

    Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die notwendigen außerge-richtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und von Unfallfolgen im Schulterbereich.

Der im Jahr 1954 geborene Kläger war seit Mai 2007 in einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten (Spedition) als Kraftfahrer beschäftigt (Bl. 1 der Akte der Beklagten (= UA)). Am 30.05.2011 erlitt er während der Arbeit einen rechtsseitigen Schulterschaden. Hinsichtlich des genauen Hergangs existieren unterschiedliche Darstellungen:

1.)

Nach den Angaben im Durchgangsarztbericht von Dr. G. vom 07.06.2011 verspürte der Kläger beim Nachziehen eines Wagenrades plötzlich Schmerzen in der rechten Schulter. Es wurde ausgeführt, dass der Kläger danach weitergearbeitet habe (Bl. 1 der Akte der Beklagten (= UA)).

2.)

Im Unfallberichtsheft ist unter dem 30.05.2011 eingetragen, dass sich der Kläger beim Nachziehen des Rades den rechten Arm verletzt hat (Bl. 29 der Akte des Sozialgerichts (= SG)).

3.)

Im Unfallbericht vom 21.07.2011 führte der Kläger aus, dass er die Radmuttern am Vor-derrad des Lkw mit einem Drehmomentschlüssel nachgezogen habe. Um sich den Vorgang zu erleichtern, habe er sich auf den aufgesetzten Drehmomentschlüssel gestellt. Mit der rechten Hand habe er sich an der Einstiegshilfe festgehalten. Dann sei er mit dem Fuß abge-rutscht. In diesem Moment habe es im rechten Schultergelenk geknackt. Diesen Vorfall habe er am nächsten Tag in das Unfallberichtsheft eingetragen (Bl. 5 UA).

4.)

Im Fragebogen der Beklagten hat der Kläger am 04.08.2011 erklärt, dass die Verletzung durch einen Zug am Arm seitlich erfolgt sei. Die Schmerzen seien sofort aufgetreten. Anfangs habe er das Schultergelenk noch belasten können, jedoch nicht mehr nach sieben Tagen. Er habe trotz Schmerzen mit nur 40 % der Belastbarkeit bis zur Operation am 26.07.2011 weiter-gearbeitet (Bl. 11 UA).

5.)

Im Bericht vom 05.08.2011 führte Dr. H. vom Krankenhaus I. aus, dass der Kläger an seinem Lkw ein Wagenrad nachgezogen habe und dabei auf dem Kreuzschlüssel gestanden sei. Er sei dabei ins Rutschen gekommen und habe sich mit der rechten Hand am Lkw festgehalten und einen heftig einschießenden Schmerz im rechten Schultergelenk gespürt (Bl. 14 UA).

6.)

In der Klagebegründung wurde ausgeführt, dass der Kläger am 30.05.2011 mit dem Fir-menfahrzeug zwecks eines Reifenwechsel in die Werkstatt gefahren sei. Danach habe er die Radmuttern am Vorderrad des Lkw mit einem Drehmomentschlüssel nachziehen wollen. Um sich den Vorgang zu erleichtern, habe er sich am linken Vorderrad mit dem rechten Fuß auf den Drehmomentschlüssel gestellt und sich mit der rechten Hand an der Einstiegshilfe zur Fahrertür festgehalten. Um den Drehmomentschlüssel zu bewegen, habe der Kläger dann mit dem rechten Fuß Druck ausgeübt und sein komplettes Körpergewicht dazu eingesetzt. Dann sei er mit dem rechten Fuß abgerutscht. Den folgenden Sturz habe er mit dem rechten Arm abgefangen, so dass er in den rechten Arm gefallen sei - i. S. einer starken Zugbelastung bei gewaltsamer Rotation des Armes. Es habe geknackt und der Kläger habe einen jähen Schmerz im rechten Oberarm verspürt. Hinzu sei ein bewegungsabhängiger Schmerz im rechten Oberarm gekommen.

7.)

Nach seinen eigenen Angaben gegenüber Dr. J. sei der Kläger nach dem Abrutschen des Fußes praktisch mit dem rechten Arm an der Einstiegshilfe des Lkw in der Luft gehangen. Nach dem Vorfall sei er weiter in den Hafen und dann zur Spedition gefahren, da seine Schicht zu Ende gewesen sei. Er habe dann erst einmal weitergearbeitet, weil er gedacht habe, sich eine Zerrung im Schultergelenk zugezogen zu haben.

8.)

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, dass das streitgegenständliche Ereignis beim Nachziehen der Radmuttern des Vorderrades auf der Beifahrerseite zugetragen habe. Der Drehmomentschlüssel habe sich zum Zeitpunkt des Ereignisses in einer der unteren Radmuttern befunden. Er sei sowohl mit dem rechten als auch mit dem linken Fuß auf dem Drehmomentschlüssel gestanden und sei dann mit beiden Füßen abgerutscht, wobei der Drehmomentschlüssel auf den Boden gefallen sei. Zeugen würden für diesen Vorgang nicht existieren.

Nach diesem Ereignis begab sich der Kläger wegen der Schulterbeschwerden erstmalig am 17.06.2011 zu Dr. G. in ärztliche Behandlung. In dessen Durchgangsarztbericht vom 07.06.2011 wurde ausgeführt, dass die Abduktion die Außenrotation schmerzhaft einge-schränkt sei. Eine Röntgenuntersuchung habe keine frischen Verletzungen, jedoch degenera-tive Veränderungen ergeben. Als Diagnose wurde "der Verdacht auf eine Läsion der Rotato-renmanschette" angegeben. Es wurde ausgeführt, dass kein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorgelegen habe (Bl. 1 UA).

Bei einer Magnetresonanztomographie (= MRT) vom 17.06.2000 wurden "eine Teilruptur des Ansatzbereichs der Infraspinatussehne und der Supraspinatussehne" festgestellt. Nach den Angaben von Dr. J. bestand im Supraspinatussehnenbereich keine vollständige Kontur-unterbrechung. Weiterhin zeigten sich "eine Arthrose des AC-Gelenks sowie ein Oberarmkopfhochstand" (Bl. 60 SG-Akte).

Am 26.07.2011 wurde der Kläger im Krankenhaus I. an der rechten Schulter operiert. Als Operationsdiagnosen wurden "eine ausgedehnte Rotatorenmanschettenruptur rechts mit Abriss der Supraspinatussehne und Teilen der Infraspinatussehne, eine AC-Ge-lenksarthrose und ein subacromiales Impingement durch Hakenacromion" angegeben. Im Bericht vom 05.08.2011 vertrat Dr. H. vom Krankenhaus I. die Auffassung, dass es sich bei dem Ereignis um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Durch das Abrutschen sei ein Sturz ausgelöst worden, den der Kläger mit seinem Arm abgefangen habe. Es hätten zwar degenerativen Veränderungen vorgelegen. Allerdings sei das geschilderte Ereignis geeignet gewesen, eine vorgeschädigte Rotatorenmanschette komplett abreißen zu lassen (Bl. 14 UA). In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.08.2011 wies Dr. K. darauf hin, dass zwischen dem Ereignis und der ersten ärztlichen Inanspruchnahme mehr als eine Woche liegen würde und dem Operationsbericht außerdem keinen verletzungsspezifischen Befunde zu entnehmen seien. Aus diesem Grunde sei ein Zusammenhang der Schulterschäden mit dem angeschuldigten Ereignis nicht erkennbar. Mit dem Bescheid vom 10.08.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 30.05.2011 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Hergang nicht geeignet gewesen sei, die Sehne zu verletzen. Bei der Operation sei außerdem eine Verschleißerkrankung der rechten Schulter bestätigt worden. Demgegenüber seien traumatische Veränderungen nicht gefunden wurden. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 29.09.2011 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 25.10.2011 beim SG Lüneburg Klage erhoben.

Am 15.02.2012 wurde magnetresonanztomographisch eine weitere Supraspinatussehnen-ruptur festgestellt, worauf am 08.03.2012 eine weitere Operation der rechten Schulter durch-geführt wurde.

In der mündlichen Verhandlung hat der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, Dr. J., ein Gutachten erstattet, nachdem er zuvor den Kläger am 17.02.2014 untersucht hatte. Darin ist er zu dem Ergebnis gelangt, dass unter Zugrundelegung des ihm gegenüber geschilderten Hergangs, bei dem das gesamte Körpergewicht mit dem rechten Arm abgefangen worden und eine entsprechende überfallartig eintretende Belastung der Rotatorenmanschette erfolgt sei, die geltend gemachten Gesundheitsstörungen im Schulterbereich mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen seien. Da es sich zu-nächst nur um eine Teilruptur der Rotatorenmanschette gehandelt habe, sei es auch plausibel, dass der Kläger mit dem verletzten Arm noch Restfunktionen habe ausüben kön-nen. Im Falle einer Teilruptur der Rotatorenmanschette sei ein sog. Fallarm nicht zwingend.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

  1. 1.

    1den Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 und den Widerspruchsbescheid vom 29.09.2011 aufzuheben,

  2. 2.

    festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 30.05.2011 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat,

  3. 3.

    festzustellen, dass die Ruptur der rechtsseitigen Supraspinatussehne und der rechtsseitigen Infraspinatussehne Folgen des Arbeitsunfalls vom 30.05.2011 sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Entscheidung wurden die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten zugrunde gelegt. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. § 54 Abs. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 SGG zulässig. Sie ist auch begründet, da die Beklagte zu Unrecht die Anerken-nung des Ereignisses vom 30.05.2011 sowie der geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen abgelehnt hat. Die angefochtenen Bescheide waren daher aufzuheben.

Nach § 8 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (= SGB VII) ist ein Arbeitsunfall ein Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit. Unfälle i. d. S. sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden führen. Anders als beim umgangssprachlichen Verständnis des Unfallbegriffs (der hier in etwa dem des Ereignisses entspricht) kann daher im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ein Arbeitsunfall aufgrund seiner Definition nur dann vorliegen, wenn dem Ereignis auch ein kon-kreter Gesundheitsschaden zugeordnet werden kann. Nach den Anerkennungsgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung sind für diesen Zuordnungsvorgang insbesondere die Art und Weise des Unfallhergangs im Wege des Vollbeweises nachzuweisen. Ein Zusammen-hang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden kann darüber hinaus nur dann fest-gestellt werden, wenn dies hinreichend wahrscheinlich ist. Dies ist nach der Rechtsprechung wiederum nur dann der Fall, wenn bei einem vernünftigen Abwägen aller Umstände die auf eine berufliche Verursachung hinweisenden Faktoren deutlich überwiegen (vgl. Bundessozi-algericht (= BSG) SozR 2200 § 548 Nr. 38). Eine Möglichkeit verdichtet sich erst dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer ande-ren Verursachung ausscheiden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Unfallversicherung, § 8 SGB VII, Rz. 10 m. w. N.).

Hinsichtlich des Hergangs geht die Kammer nach Abwägung aller Umstände davon aus, dass er sich so zugetragen hat, wie ihn der Kläger in der mündlichen Verhandlung bzw. zuvor schon bei Dr. J. geschildert hat. Demgegenüber wurde der Unfallhergang im Durchgangs-arztbericht von Dr. G. vom 07.06.2011 nach Auffassung der Kammer nur sehr verkürzt wiedergegeben, was der Situation geschuldet sein mag, dass in der Arztpraxis der Focus auf die Behandlung der Beschwerden gerichtet war. Der Kläger hat die Situation in seinem Unfall-bericht vom 21.07.2011 richtig gestellt, wobei die Kammer zwischen den vom Kläger bei unterschiedlichen Gelegenheiten selbst niedergelegten Angaben keine grundlegenden Wider-sprüche erkennen kann. Die Abweichungen in den einzelnen Schilderungen sind vielmehr als Ergänzung im Detail aufzufassen. Eine Zusammenhangsbegutachtung, bei der ein Verletzter ohne Behandlungsdruck i. d. R. genau zu dem Unfallhergang befragt wird, hat die Beklagte leider nicht durchgeführt. Der Kläger hatte daher erst im Rahmen der Begutachtung von Dr. J. bzw. in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit, den Vorgang im direkten Gespräch umfassend und anhand der überreichten Fotographien, zu schildern. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass weder das SGG noch die Zivilprozessordnung (= ZPO) eine Beweisregel in dem Sinne kennen, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG, § 286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben usw. zu würdigen. Denn der objek-tive Beweiswert einer Erklärung kann nicht allein nach dem zeitlichen Abstand von dem Ereig-nis, auf das sie sich bezieht, bestimmt werden (BSG, Urt. v. 14.03.1958 - 2 RU 126/56). Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalles und vor allem auch die Glaubwürdigkeit der die Erklärung abgebenden Personen zu würdigen. Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung kann das Gericht bzw. die Verwaltung den zeitlich früheren Aussagen aufgrund des Gesichts-punktes, dass sie von irgendwelchen versicherungsrechtlichen Überlegungen ggf. noch unbe-einflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren Aussagen zumessen, muss es aber nicht (vgl. BSG, Urt. v. 11.11.2003 - B 2 U 41/02 R).

Dr. J. hat nun überzeugend ausgeführt, dass unter Zugrundelegung des o. g. Hergangs, bei dem das gesamte Körpergewicht mit dem rechten Arm abgefangen wurde und eine ent-sprechende überfallartig eintretende Belastung der Rotatorenmanschette erfolgt ist, die gel-tend gemachten Gesundheitsstörungen im Schulterbereich mit der überwiegenden Wahr-scheinlichkeit auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen sind. Er hat weiterhin schlüssig dargestellt, dass im vorliegenden Fall das Fehlen eines sofortigen und völligen Funktionsver-lusts der rechten Schulter nicht gegen eine unfallbedingte Entstehung des Rotatorenman-schettenschadens spricht. Zwar kann i. d. R. eine Rotatorenmanschettenruptur nur dann auf ein Unfallereignis zurückgeführt werden, wenn sich im unmittelbaren Anschluss daran ein sog. Fallarm ausbildet. Da es sich, wie im MRT vom 17.06.2011 festgestellt, zunächst jedoch nur um eine Teilruptur der Rotatorenmanschette gehandelt hat, ist es plausibel, dass der Kläger mit dem verletzten Arm noch Restfunktionen ausführen konnte. Dr. J. hat schlüssig dar-gestellt, dass im Falle einer Teilruptur der Rotatorenmanschette, sei ein sog. ein Fallarm nicht zwingend ist.

In seiner Einschätzung wird Dr. J. auch durch Dr. H. bestätigt, der ebenfalls für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls votiert hat. Die von ihm festgestellten degenerativen Veränderungen können zu keinem anderen Ergebnis führen. Es sei darauf hingewiesen, dass selbst die Feststellung einer Degeneration der Rotatorenmanschette nicht automatisch dazu führen würde, das angeschuldigte Ereignis als wesentliche Ursache ausschließen zu können. Vielmehr muss hierzu auch das Stadium der Degeneration festgestellt werden (können). Falls die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage verglichen werden muss, ist nämlich nach höchstrichterlicher Recht-sprechung ein arbeitsunfallbedingter Gesundheitsschaden nur dann nicht anzunehmen, wenn die Krankheitsanlage so stark ausgeprägt ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedarf, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit oder in naher Zukunft die Erscheinung ausgelöst hätte (vgl. BSGE 62, 220, 222 [BSG 27.10.1987 - 2 RU 35/87], 223). Nur in diesem Fall würde dem angeschuldigten Ereignis die Bedeutung einer rechtlich unwesentlichen Gelegenheitsursache zukommen, weil ein Versicherter grundsätzlich in dem Zustand geschützt ist, in dem er den Versicherungsfall erlitten hat (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 27.06.2010 - L 8 U 1427/10). Da die Feststellung eines derartig ausgeprägten Vorschaden hier jedoch nicht mög-lich ist, kann auch der Einwand der sog. Gelegenheitsursache nicht greifen. Das Ereignis vom 16.03.2007 ist daher als Arbeitsunfall mit den Unfallfolgen "Ruptur der rechtsseitigen Supraspinatussehne und der rechtsseitigen Infraspinatussehne" anzuerkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.