Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 08.11.2002, Az.: 3 B 75/02
Auflage; Demonstration; Straßenverkehrsgefährdung; Streckenführung; Versammlung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 08.11.2002
- Aktenzeichen
- 3 B 75/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 41903
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 8 GG
- § 15 VersG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Gemeingebrauch und die bloße Leichtigkeit des Straßenverkehrs können Auflagen über die Gestaltungsfreiheit einer Versammlung (bestimmte Streckenführung, Verbot von Zwischendemonstrationen) nicht rechtfertigen. Anders ist es, wenn die Sicherheit des Straßenverkehrs betroffen ist. Stets sind die Verhältnisse des Einzelfalles maßgeblich.
Gründe
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine versammlungsrechtliche Verfügung.
Die Antragstellerin meldete am 17. Oktober 2002 zwei Versammlungen für den 11. November 2002 und den 13. November 2002 an. Die „Anti-Atom-Demonstration“ sollte danach jeweils um 15.00 Uhr beginnen und ca. 18.00 Uhr enden. Als Route wurde die Rote Straße – Am Sande – Bei der Johanniskirche – Altenbrückertorstraße – Bahnhofstraße – Lünertorstraße – Schifferwall – Reichenbachstraße – Bardowicker Straße – Ochsenmarkt – Am Markt – Große/Kleine Bäckerstraße – Am Sande – Rote Straße genannt. Als Teilnehmerzahl wurden ca. 500 Personen angegeben.
Nach Führung eines Kooperationsgespräches bestätigte die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 6. November 2002 die versammlungsrechtliche Anmeldung. Folgende Route wurde darin angegeben: a) Rote Straße – b) Am Sande – c) Bei der St. Johanniskirche – d) Altenbrückertorstraße – e) Schießgrabenstraße – f) Schifferwall – g) Reichenbachstraße – h) Reichenbachparkplatz Süd – i) Bardowicker Straße – j) Große Bäckerstraße – k) Kleine Bäckerstraße – l) Am Sande – m) Rote Straße. Des Weiteren ordnete die Antragsgegnerin an:
„II.
Zwischenkundgebungen in den oben genannten Straßenzügen c) bis einschließlich g) und im Straßenbereich Bardowicker Straße/Am Ochsenmarkt/An den Brodbänken werden nicht zugelassen.
Alternativ dürfen Sie Zwischenkundgebungen im Bereich Am Sande/Bei der St. Johanniskirche , auf dem Reichbachparkplatz Süd und im vorderen Bereich der Großen Bäckerstraße bzw. des Marktplatzes durchführen.
III.
Sollte die Teilnehmerzahl erheblich von Ihrer Anmeldung nach oben hin abweichen, behalte ich mir eine kurzfristige Änderung des Routenverlaufes vor.“
Die Antragsgegnerin ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an.
Die Antragsgegnerin legte gegen die Verfügung vom 6. November 2002 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist. Im Widerspruch wendet sich die Antragstellerin 1. gegen die Auflage, den Demonstrationszug entgegen der angemeldeten Route über den Parkplatz Am Reichenbachplatz statt über die Kreuzung Hamburger Straße/Reichenbachstraße zu führen, 2. gegen das Verbot, Zwischenkundgebungen auf der angemeldeten Demonstrationsroute abzuhalten, 3. gegen das Verbot, die Demonstrationsroute über die Strecke Am Ochsenmarkt, Rathaus, Große Bäckerstraße zu führen und an der nördlichen Seite des Marktes der Straße Am Ochsenmarkt zugewandt eine Zwischenkundgebung abzuhalten und 4. gegen den unbestimmten Vorbehalt, bei Erreichen einer nicht genannten Teilnehmerzahl in nicht genannter Weise die Routenführung zu ändern.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig. Insbesondere ist der Widerspruch als wirksam eingelegt zu betrachten, auch wenn Rechtsanwalt Plener , der den Widerspruch gefertigt hat, eine Vollmacht bislang nicht vorgelegt hat. Dass der Widerspruch im Namen der Antragstellerin erhoben worden ist, ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin in ihrem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ausdrücklich auf den Inhalt des Widerspruchs vom 7. November 2002 gegen den angefochtenen Bescheid Bezug nimmt.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Nach § 80 Abs. 1 VwGO hat ein Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung, so dass er in seiner Vollziehbarkeit gehemmt ist. Ein Verwaltungsakt darf jedoch trotz eines eingelegten Widerspruches etwa dann sofort vollzogen werden, wenn die Behörde – wie hier – die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse besonders anordnet (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 1 VwGO). Das Gericht kann jedoch auf Antrag die aufschiebende Wirkung wiederherstellen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Im Rahmen des § 80 VwGO hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung aufgrund der beiderseitigen Interessen zu treffen. Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes, überwiegt das Interesse des Rechtsschutzsuchenden, weil am Sofortvollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes ein öffentliches Interesse nicht besteht. Ist der angefochtene Verwaltungsakt demgegenüber offensichtlich rechtmäßig und besteht ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse, bleibt der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erfolglos.
Ausgehend von diesen Grundlagen ist das Begehren der Antragstellerin nur im tenorierten Umfang erfolgreich. Im übrigen ist die Verfügung der Antragsgegnerin vom 6. November 2002 offensichtlich rechtmäßig und besteht an der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung insoweit ein öffentliches Interesse.
Rechtsgrundlage der Regelung ist § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz – VersG -. Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
Durch diese Vorschrift wird das Grundrecht des Art. 8 GG, wonach alle Deutschen das Recht haben, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, eingeschränkt.
Die Antragsgegnerin ist aufgrund des aus Art. 8 Abs. 1 GG abzuleitenden Selbstbestimmungsrechtes des Veranstalters über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung (BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 – 1 BvR 233, 341/81 – BVerfGE 69, 315, 343) an der angefochtenen Auflage nicht gehindert. Aus dem Selbstbestimmungsrecht folgt nämlich nur, dass der Veranstalter sein Demonstrationsinteresse eigenständig konkretisieren darf. Kollidiert sein Grundrecht der Versammlungsfreiheit aber mit anderen Rechtsgütern, steht ihm nicht auch ein Bestimmungsrecht darüber zu, wie gewichtig diese Rechtsgüter in die Abwägung einzubringen sind und wie die Interessenkollision rechtlich bewältigt werden kann. Insoweit bleibt ihnen nur die Möglichkeit, seine Vorstellungen im Zuge einer Kooperation mit der Verwaltungsbehörde einzubringen (BVerfG, Beschl. v. 26.01.2001 – 1 BvQ 8/01 -). Mit anderen Worten: Veranstalter und Teilnehmer einer Demonstration haben nicht das ausschließliche, gleichsam souveräne Recht zur Bestimmung von Versammlungsort und –zeit. Den Behörden bleibt es überlassen, ihnen im Falle der Erfolglosigkeit von Kooperationsgesprächen im Wege der Auflage nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz gewisse Abweichungen von ihren ursprünglichen Wünschen zuzumuten. Hinzunehmen sind vor allem Abweichungen im Hinblick auf wesentliche Anforderungen des öffentlichen Straßenverkehrs (Herzog in Maunz/Dürig, GG, Komm., Stand: August 2000, Art. 8 RdNr. 79). In einem solchen Falle handelt es sich nicht um ein irgendwie geartetes Verbot der Versammlung oder der Demonstration, sondern lediglich um eine Beschränkung der Gestaltungsfreiheit: Die Versammlung muss dann an einem anderen Ort stattfinden (Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, 12. Aufl. 2000, § 15 RdNr. 36).
Bei einer beschränkenden Auflage – wie der vorliegenden Verfügung über die Gestaltungsfreiheit der Versammlung – ist ebenso wie bei einem Verbot der Versammlung Voraussetzung, dass nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz direkt. Es müssen mit anderen Worten erkennbare Umstände dafür vorliegen, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, was nachweisbare Tatsachen als Grundlage der Gefahrenprognose voraussetzt, bloße Vermutungen reichen insoweit nicht aus (BVerfG, Beschl. v. 21.04.1998 – 1 BvR 2311/94 – NVWZ 1998 S. 834). Die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit hat insgesamt nur dann zurückzutreten, wenn eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter notwendig ist. Bloße Belästigungen werden Dritte im allgemeinen ertragen müssen.
Im Hinblick auf Belange des Straßenverkehrs folgt aus alledem: Verkehrsbehinderungen, die mit einer Versammlung oder einem Demonstrationszug unvermeidlich verbunden sind, sind grundsätzlich hinzunehmen. Der Gemeingebrauch und die bloße „Leichtigkeit des Verkehrs“ hat keinen Vorrang vor dem Versammlungsrecht (BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83 u.a. -, BVerfGE 73, 206, 249 f.; Herzog a.a.O., Art. 8 RdNr. 60, 96; Dietel/u.a. a.a.O § 15 RdNr. 110). Auf der anderen Seite kann auch nicht gelten, dass im Zweifel die Versammlungsfreiheit Vorrang vor dem Straßenverkehr hat; dies gilt vor allem dann wenn es nicht um die bloße „Leichtigkeit“ des Verkehrs, sondern um die „Sicherheit“ des Verkehrs geht – die nicht gefährdet ist, wenn der Straftatbestand des § 315 b StGB erfüllt ist – und über die verkehrsrechtlichen Belange eines reibungslosen Individualverkehrs hinaus weitere Aspekte der öffentlichen Sicherheit zu beachten sind, wie etwa die Gewährleistung von Notfallfahrten durch Polizei, Rettungsdienste und Feuerwehr. Stets sind die Verhältnisse des Einzelfalles maßgeblich, wobei bei den verkehrsrechtlichen Belangen die Rangordnung der Straße zu berücksichtigen ist sowie die Dirigierbarkeit und Umleitbarkeit des Verkehrs.
Das Verbot von Zwischenkundgebungen in den in der Verfügung genannten Straßenzügen c) bis einschließlich g) ist nicht zu beanstanden. Dabei geht es der Antragstellerin ausweislich der Begründung ihres Widerspruchs darum, zwei fünfminütige Zwischenkundgebungen im Bereich der Scharf- und im Bereich der Scholzekreuzung abzuhalten. Weitere Standorte von Kundgebungen hat die Antragstellerin in ihrem Widerspruch nicht erwähnt.
Bei dem Straßenzug Schießgrabenstraße/Schifferwall handelt es sich um einen der verkehrsstärksten Straßenabschnitte in Lüneburg. Der Antragstellerin ist nicht verwehrt worden, ihren Aufzug durch diesen Straßenzug zu führen, wodurch allein der Verkehr schon erheblich behindert werden wird. Diese Behinderungen hat die Antragsgegnerin jedoch als hinnehmbar angesehen. Aus dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin und den von ihr überreichten Unterlagen (Internet-Ausdrucken) ergibt sich jedoch, dass mit länger andauernden Blockaden dieses Hauptverkehrsweges gerechnet werden muss. Aus mehreren Internet-Aufrufen verschiedener Anti-Castor-Gruppierungen zu Demonstrationen und Veranstaltungen in Lüneburg ist deutlich erkennbar, dass z.B. mit Aktionen wie „Frühsport auf Straßen und Plätzen, Zirkeltraining im Berufsverkehr, Intervalltraining“ beabsichtigt ist, den Straßenverkehr möglichst nachhaltig zu stören. Auch wenn die Antragstellerin selbst sich hieran nicht beteiligen sollte, so muss doch mit hoher Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass die Teilnehmer der von ihr geplanten Demonstrationen in erheblicher Zahl diesen Aufrufen folgen werden. Wird der Aufzug durch die Zwischenkundgebungen gestoppt, besteht die Gefahr, dass Demonstrationsteilnehmer entsprechende Aktionen vornehmen und dadurch der Straßenverkehr über die bloßen fünf Minuten hinaus längerfristig auf unbestimmte Zeit blockiert würde. Abgesehen davon, dass derartige Blockaden von Verkehrswegen - unabhängig von ihrer strafrechtlichen Würdigung als eventuelle Nötigung - nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt sind, wäre in diesem Fall ein behinderungsfreier Notfalldienst durch Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr nicht mehr gewährleistet. Insbesondere die Feuerwehr könnte in südliche Richtung nicht mehr problemlos ausrücken. Auch die Sicherheit des Verkehrs wäre dann gefährdet. Es würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem langandauernden Verkehrschaos kommen. Dieses würde nicht vermieden werden können, weil der Verkehr nicht sinnvoll umgeleitet werden könnte.
Nicht zu beanstanden ist darüber hinaus, dass der Demonstrationszug entgegen der angemeldeten Route über den Parkplatz am Reichenbachplatz statt über die Kreuzung Bardowicker Straße/Reichenbachstraße zu führen ist.
In der Anmeldung ist in der Beschreibung der Route u.a. die Reichenbachstraße angegeben. Zudem ist dem Protokoll über das Kooperationsgespräch am 28. Oktober 2002 und der angefochtenen Verfügung zu entnehmen, dass vor der Bezirksregierung in der Reichenbachstraße von der Antragstellerin ebenfalls eine fünfminütige Zwischenkundgebung geplant ist.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin den Kundgebungsort und die Demonstrationsroute von der Reichenbachkreuzung auf den Reichenbachparkplatz Süd verlegt hat. Denn bei der Reichenbachstraße im Bereich der Kreuzung am Reichenbachplatz handelt es sich um einen der verkehrsreichsten Knoten der Stadt mit einem täglichen Verkehrsaufkommen von 40.000 bis 50.000 Fahrzeugen. Die Kreuzung ist von zentraler Bedeutung für den Verkehr in Lüneburg und um Lüneburg herum. Der Straßenverkehr von den Gemeinden westlich Lüneburgs zu den Gemeinden ostwärtig von Lüneburg verläuft wie der Gegenverkehr im Wesentlichen über diese Kreuzung. Auch der Verkehr von den westlichen Gemeinden zu den nördlichen Gemeinden verläuft über diese Kreuzung unter Fortführung der Bockelmannstraße . Auch für den Nord-Süd-Verkehr ist dieser Platz von großer Bedeutung. So verläuft etwa ein großer Teil des Verkehrs von Bardowick nach Melbeck über die Hamburger Straße, Vor dem Bardowicker Tore, Reichenbachplatz, Schießgrabenstraße, Berliner Straße, Uelzener Straße. Für den innerstädtischen Bereich gilt im Wesentlichen nichts anderes. Auch hierfür ist der Kreuzungsbereich unverzichtbar. Die Kreuzung ist zu den verkehrsspitzen Zeiten, insbesondere am Morgen und am Nachmittag gerichtsbekannter Maßen stark frequentiert, so dass an dieser Stelle stets mit erheblichem Rückstau und Wartezeiten zu rechnen ist. Zwar würde eine nur fünfminütige Kundgebung auch in diesem Bereich aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs möglicherweise noch hinnehmbar sein. Angesichts der im Internet angekündigten Aktionen, die - wie oben ausgeführt - befürchten lassen, dass der Straßenverkehr über diesen Zeitraum hinaus lahm gelegt wird, ist es gerechtfertigt, dass stattdessen als Ort der Kundgebung der Reichenbachparkplatz Süd festgelegt worden ist. Dieser befindet sich genau gegenüber der Bezirksregierung und auch noch in deren Rufweite, so dass die Kundgebung noch in unmittelbarer Nähe der Behörde stattfinden kann. Ausgehend von diesem Kundgebungsort ist die Festlegung der weiteren Route auf dem direkten Wege zur Bardowicker Straße naheliegend. Der Reichenbachparkplatz Süd ist auch geeignet, den Demonstrationszug aufzunehmen und zur Bardowicker Straße hinzuleiten. Zwar handelt es sich bei ihm um einen Parkplatz. Dieser soll jedoch für die Zeit der angekündigten Aufzüge nach den Angaben der Polizei und der Antragsgegnerin von Fahrzeugen freigehalten werden.
Die Verfügung erweist sich jedoch als rechtswidrig, soweit verboten worden ist, den Aufzug von der Bardowicker Straße aus über die Straßen Am Markt/Am Ochsenmarkt um den Marktplatz herum fortzusetzen und eine Kundgebung im Bereich des gesamten Marktplatzes durchzuführen. Behinderungen, die die Sicherheit des Verkehrs nicht gewährleisten würden, sind gerade hier nicht ersichtlich. Es handelt sich hier um eine Fußgängerzone bzw. verkehrsberuhigte Zone. Besondere Verkehrsbehinderungen sind hier nicht zu befürchten. Bardowicker Straße bzw. die Straße Am Ochsenmarkt werden allenfalls nur kurzzeitig begangen werden, bevor sich die Demonstranten auf dem Marktplatz sammeln. Diese dadurch entstehenden kurzzeitigen Verkehrsbehinderungen müssen hingenommen werden, das gilt auch, soweit dieser Bereich von Fahrzeugen des ÖPNV benutzt wird. Angesichts der zeitlichen Ausrichtung der Veranstaltungen ist auch nicht damit zu rechnen, dass der Aufzug die Eingänge von Amts- und Landgericht unzumutbar blockieren werden. Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, dass die vor dem Rathaus zur Verfügung stehende Fläche durch eine Baumaßnahme nur erheblich eingeschränkt nutzbar ist, so ist jedenfalls in dem nutzbaren Bereich die Durchführung des Aufzuges bzw. einer Kundgebung als zulässig zu erachten. Die Kammer geht davon aus, dass die Polizei für die Einhaltung des notwendigen Sicherheitsabstandes sorgen wird. Die damit verbundenen Behinderungen sind von der Antragstellerin hinzunehmen.
Soweit die Antragsgegnerin jedoch für den 13. November 2002 die Routenführung im Bereich des Marktplatzes eingeschränkt hat, erweist sich dies als rechtmäßig. Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass an dem Nachmittag auf dem Marktplatz für den jährlich, diesmal am 14. November 2002, in Lüneburg stattfindenden Martinimarkt bereits im Vorfeld umfangreiche Aufbauarbeiten stattfinden werden. Es muss damit gerechnet werden, dass bereits einzelne Fahrgestelle und Buden auf dem Marktplatz und an der anliegenden Fläche aufgestellt sein werden. Darüber hinaus sind Behinderungen durch die im Rahmen des Aufbaus anfahrenden Fahrzeuge zu erwarten. Angesichts dieser Vorbereitungen für den Martinimarkt ist davon auszugehen, dass der Marktplatz nicht zusätzlich eine Kundgebung mit über 500 Personen aufnehmen kann. Der Verweis auf den vorderen Bereich der Großen Bäckerstraße bzw. des Marktplatzes ist daher rechtmäßig.
Soweit die Antragsgegnerin sich in der Verfügung vorbehalten hat, dass dann, wenn die Teilnehmerzahl erheblich von der Anmeldung nach oben hin abweichen sollte, sie sich eine kurzfristige Änderung des Routenverlaufes vorbehalte, ist dies nicht als eigenständige Regelung zu verstehen, sondern lediglich als Hinweis auf die allgemeine Rechtslage. Nach § 15 Abs. 2 Versammlungsgesetz kann die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug auflösen, wenn sie nicht angemeldet sind, wenn von den Angaben der Anmeldung abgewichen oder den Auflagen zuwider gehandelt wird oder wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot gegeben sind. Zu den Angaben in der Anmeldung gehören dabei auch die voraussichtliche Zahl der Teilnehmer an der Versammlung. Mit Punkt III. der Verfügung ist folglich lediglich auf die Handlungsmöglichkeiten nach dem Versammlungsgesetz hingewiesen worden, so dass es auf dessen „Bestimmtheit“ bei der hier vorzunehmenden Prüfung nicht ankommt. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin nunmehr konkretisiert, dass eine „erhebliche Überschreitung“ bei Erreichen einer Obergrenze von 800 Teilnehmern anzunehmen ist.