Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 11.11.2002, Az.: 3 B 76/02
Erlass einer Allgemeinverfügung über eine räumliche und zeitliche Beschränkung des Versammlungsrechts innerhalb eines Korridors für den Castor-Transport; Beschränkung des Versammlungsrechts; Voraussetzungen für ein Rechtsschutzbedürfnis; Versammlung gegen einen Castor-Transport; Sitzblockade der Schienenstrecke
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 11.11.2002
- Aktenzeichen
- 3 B 76/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 11641
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2002:1111.3B76.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- Bezirksregierung Lüneburg - 26.10.2002
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO
- § 42 Abs. 2 VwGO
- § 15 Abs. 1 VersG
Verfahrensgegenstand
Versammlungsrecht
Prozessführer
Initiative X-1000mal quer,
vertreten durch Herrn ...
Prozessgegner
Bezirksregierung ...
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 3. Kammer -
am 11. November 2002 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg vom 26. Oktober 2002 - räumliche und zeitliche Beschränkung des Versammlungsrechts innerhalb eines Korridors für den Castor-Transport - wiederherzustellen, wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
- 2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Bezirksregierung Lüneburg als Antragsgegnerin hat am 26. Oktober 2002 eine Allgemeinverfügung über eine räumliche und zeitliche Beschränkung des Versammlungsrechts innerhalb eines Korridors für den Castor-Transport erlassen. Dabei hat sie in Ziffer I. ihrer Verfügung ab dem 9. November 2002, 0.00 Uhr, unangemeldete öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge und in Ziffer II. ab dem 11. November 2002, 8.00 Uhr, alle öffentlichen Versammlungen bis zum 20. November 2002, 24.00 Uhr, in einem bestimmten räumlichen Bereich untersagt. Weiter ist in Ziffer III. geregelt, dass die Verbote spätestens außer Kraft treten, sobald der Castor-Transport vollständig in das umzäunte Gelände des Zwischenlagers eingefahren ist; im Übrigen würden Streckenabschnitte freigegeben, wenn diese nicht mehr für den Transport benötigt werden.
Die Antragstellerin hat am 10. November 2002 Anfechtungsklage gegen die Allgemeinverfügung erhoben und gleichzeitig vorläufigen Rechtsschutz begehrt. Am 11. November 2002 hat sie ferner bei der Antragsgegnerin Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung eingelegt.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann keinen Erfolg haben.
Der nach § 80 VwGO zu beurteilende Antrag ist unzulässig, aber auch unbegründet.
Angesichts der Eilbedürftigkeit des vorliegenden Verfahrens wird nicht zu Lasten der Antragstellerin berücksichtigt, dass der Eilantrag bislang nicht unterschrieben vorliegt und es demnach gegenwärtig noch an der erforderlichen Schriftform fehlt.
Die Antragstellerin hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO beantragt.
Nach § 123 Abs. 5 VwGO besteht die Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO jedoch nicht in den Fällen des § 80 VwGO. Hier ist der Sofortvollzug der Allgemeinverfügung im besonderem öffentlichen Interesse angeordnet worden. Widerspruch und Klage haben daher nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, dass auch im Falle der Einlegung eines Rechtsbehelfs die räumliche und zeitliche Beschränkung des Versammlungsrechts vollziehbar bleibt. Es liegt demnach ein Fall des § 80 VwGO vor. Statthafte Antragsform ist hier mithin ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder - nach Abschluss des Vorverfahrens - Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, mit dem Ziel, den Vollzug der betreffenden Verfügung außer Kraft zu setzen. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht zulässig.
Zugunsten der Antragstellerin ist der gestellte Antrag deshalb in einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO mit dem Ziel der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres inzwischen eingelegten Widerspruchs umgedeutet worden (ohne Durchführung des nach §§ 68 ff. VwGO zwingend vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens ist die Anfechtungsklage unzulässig und kann mithin auch nicht ihre aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden).
1.
Der Antrag ist unzulässig, weil die Antragsbefugnis fehlt. Entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO ist ein Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Um sogenannte Popularanträge auszuschließen, ist die mögliche Verletzung eigener Rechte zu fordern.
Die Antragstellerin begründet ihre Beschwer durch die Allgemeinverfügung damit, dass sie "mehrere Versammlungen im Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung Lüneburg für den Zeitraum vom 10.11. bis 20.11.2002 angemeldet" habe.
Dieser Vortrag ist nicht geeignet, ein Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag zu begründen. Ein Rechtsschutzbedürfnis könnte nur dann bejaht werden, wenn im Bereich der Allgemeinverfügung, d.h. innerhalb des "Korridors" die Durchführung von Versammlungen durch die Antragstellerin konkret zu erwarten wäre. An dieser hinreichenden Konkretisierung fehlt es. Die Durchführung von Versammlungen und die Bestätigung einer Anmeldung ist stets eine Sache des Einzelfalls. Hierzu gehören u.a. Kooperationsgespräche. Die Antragstellerin hat nichts dafür vorgetragen, dass Anmeldeverfahren und Kooperationsgespräche mit Bediensteten der Antragsgegnerin erkennbar aussichtslos wären und die Antragstellerin deshalb "schon jetzt" ein offenkundiges Interesse daran hätte, die Allgemeinverfügung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Vor allem fehlt es aber überhaupt an Anhaltspunkten für eine konkret geplante Veranstaltung innerhalb der zeitlichen und räumlichen Beschränkungen der Versammlungsfreiheit durch die Allgemeinverfügung. Die Antragstellerin hat hierzu nichts vorgetragen. Nach den Angaben der Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung sind die meisten der von der Antragstellerin angemeldeten Versammlungen bestätigt worden. Lediglich eine in den räumlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung fallende Versammlung am 12. November 2002 vor dem Verladekran in ... ist nicht bestätigt worden. Die Antragstellerin hat hierauf jedoch nicht reagiert, so dass nicht erkennbar ist, ob sie überhaupt noch an diesem "Vorhaben" festhält; jedenfalls hat sie diese Veranstaltung nicht in der hier vorliegenden Antragsbegründung erwähnt.
Die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Verfügung "auf Vorrat", ohne dass eine bestimmte nach Ort und Zeit konkretisierte Versammlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, würde das in § 42 Abs. 2 VwGO zum Ausdruck kommende Erfordernis einer subjektiven Betroffenheit und die Konkretheit einer Beschwer zugunsten eines allgemeinen Überprüfungsrechts verwaltungsbehördlicher Entscheidungen aufgeben.
2.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist darüber hinaus auch unbegründet. Die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 26. Oktober 2002 ist rechtmäßig.
Nach § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist. Durch diese Vorschrift wird das Grundrecht des Art. 8 GG, wonach alle Deutschen das Recht haben, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, eingeschränkt.
Die von der Antragsgegnerin geregelte räumliche und zeitliche Beschränkung des Versammlungsrechts innerhalb des Korridors für den Castor-Transport lässt sich auf § 15 Abs. 1 VersG stützen.
Die Antragsgegnerin ist für den Erlass der Allgemeinverfügung zuständig, da sie sich gemäß § 102 Abs. 1 NGefAG zur zuständigen Versammlungsbehörde erklärt hat.
Der Erlass einer Allgemeinverfügung und ihre öffentliche Bekanntmachung gemäß §§ 35 Satz 2, 41 Abs. 3 VwVfG sind gerechtfertigt. Grundsätzlich hat die Versammlungsbehörde nur die Befugnis, Verbote im Einzelfall auszusprechen, da nach dem Gesetz die zuständige Behörde nur "die" Versammlung oder "den" Aufzug verbieten kann. Da bei dem Castor-Transport jedoch mit einer Mehrzahl nur lose verbundener Veranstalter und einzelner Demonstrantengruppen ohne besondere eigene innere Struktur gerechnet werden muss, ist es nicht möglich, jedem einzelnen Teilnehmer oder Veranstalter gegenüber zuvor eine Einzelverfügung bekannt zu geben. Dies rechtfertigt ein allgemeines Versammlungsverbot in Form einer Allgemeinverfügung.
Die Allgemeinverfügung ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Es sind erkennbare Umstände, d.h. Tatsachen, Sachverhalte und sonstige Einzelheiten gegeben, die eine unmittelbare Gefährdung begründen. Die Antragsgegnerin hat in der angefochtenen Allgemeinverfügung zu Recht angenommen, dass die Erfahrungen aus den Castor-Transporten 1995, 1996, 1997 und 2001 die Annahme rechtfertigen, dass auch bei dem bevorstehenden Castor-Transport eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter - Blockaden von Abschnitten der Transportstrecke, Eingriffe in den Bahn- und Straßenverkehr, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen - besteht. Hinsichtlich des Castor-Transports vom März 2001 und November 2001 werden eine Vielzahl von Rechtsgüterverletzungen aufgezählt, die hier im Einzelnen nicht wiederholt zu werden brauchen. Ferner werden zahlreiche Indizien aufgeführt, die auch bei dem nunmehr bevorstehenden Transport für mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Rechtsgüterverletzungen sprechen.
Wenn die Antragstellerin in diesem Zusammenhang darauf hinweist, sie selbst habe die Rechtsverletzungen in der Vergangenheit nicht zu verantworten und wolle sich auch bei dem bevorstehenden Castor-Transport in den nächsten Tagen friedlich verhalten, so kommt es hierauf nicht an: Denn die Allgemeinverfügung hat nicht nur die Antragstellerin zur Adressatin, sondern alle Demonstrationsteilnehmer, d.h. eine unbestimmte Vielzahl potentieller Adressaten. Es kommt deshalb auf eine Gesamtbetrachtung an, d.h. ob aus dem Kreis aller Teilnehmer von Demonstrationen und sonstigen "Aktionen" entlang der Transportstrecke eine unmittelbar Gefahr der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu erwarten ist.
Hiervon muss aber bei diesem Castor-Transport in gleicher Weise wie bei den vergangenen Castor-Transporten ausgegangen werden. Auch dieses Mal muss damit gerechnet werden, dass sich aus zunächst friedlichen Versammlungen rechtswidrige Blockadeaktionen entwickeln, Nötigungen, Körperverletzungen und Gefährdungen des Schienen- und Straßenverkehrs begangen werden.
Es ist weiter zulässig, dass die Antragsgegnerin als Versammlungsbehörde ihre Verfügung nicht nur aus Situationen begründet, in denen Rechtsgütergefährdungen von Versammlungen selbst ausgehen, sondern auch aus solchen Situationen begründet, in denen Dritte aus Anlass der Versammlung zu Störern werden. Eine Behörde hat zwar zunächst gegen jene vorzugehen, die sich nicht im Rahmen der angemeldeten friedlichen Versammlung bewegen, sondern Rechtsgüter Dritter verletzen wollen. Das Gebot, Kräfte gegen die Störer direkt einzusetzen, steht jedoch unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit solcher Kräfte. Die tatsächlichen Verhältnisse anlässlich der letzten Castor-Transporte haben gezeigt, dass ein eingegrenztes Vorgehen gegen Störer, insbesondere auch ihre Trennung von friedfertigen Demonstranten häufig nicht wirksam möglich war. Zudem stellt die Begleitung eines Castor-Transports angesichts der langen Transportstrecke und der großen Zahl angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen und sonstiger "Aktionsformen" mit zum Teil vielen, aber teilweise auch wenigen Teilnehmern, die gerade deshalb (bei ungemeldeten Veranstaltungen) entlang der langen Strecke schwer zu "orten" und polizeilich zu begleiten sind, eine außergewöhnlich komplexe polizeiliche Aufgabe dar. Diese Aufgabe ist nur durch die Hinzuziehung des Bundesgrenzschutzes und einer großen Zahl von Polizeikräften anderer Bundesländer (beim bevorstehenden Transport ca. 10.000 Einsatzkräfte) zu bewältigen, die jedoch nicht in unbegrenzter Zahl zur Verfügung stehen. Es kommt - wie das Bundesverfassungsgericht formuliert hat (Beschl. v. 26.03.2001 - 1 BvQ 15/01 -, NJW 2001, S. 1411) - zu einem "polizeilichen Notstand", der es rechtfertigt, einschränkend auf die Modalitäten der Versammlungsdurchführung einzuwirken, um den polizeilichen Schutzauftrag umfassend und wirksam erfüllen zu können. Auch wenn in diesem Jahr möglicherweise mit weniger Demonstranten zu rechnen ist als bei den vergangenen Transporten, so haben sich doch die geschilderten Schwierigkeiten, die mit der Transportstrecke selbst und der Vielzahl möglicher Veranstaltungen entlang dieser Strecke verbunden sind, nicht geändert. Auch ergibt sich aus den von der Antragsgegnerin in der Verfügung angeführten "derzeitigen Indizien", dass sich die Schwierigkeit der Aufgabenstellung für die Polizei nicht in einem Maße geändert hat, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines polizeilichen Notstandes entfallen wären.
Im übrigen ergibt sich auch aus den von der Antragstellerin vorgetragenen Punkten, die sich auf die Teile der Gefahrenprognose der Antragsgegnerin beziehen, die die Antragstellerin selbst betreffen, nicht, dass von ihr keine die Allgemeinverfügung rechtfertigende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeht. Vielmehr ergibt sich gerade aus dem Vortrag der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren deutlich, dass sie - wie schon bei den Castor-Transporten im März und im November 2001 - auch diesmal wieder möglichst lang dauernde Blockaden der Transportstrecke mit einer möglichst breiten Beteiligung "der wendländischen Bevölkerung" und "aus dem Rest der Welt" plant. Die Antragstellerin betont an verschiedenen Stellen ihrer Antragsbegründung, dass sie durch große gewaltfreie Sitzblockaden die Transportstrecke versperren wolle und gerade diese Form des Widerstandes neben anderen Handlungsmöglichkeiten - u.a. Demonstrationen auf der Transportstrecke - weiterhin ihre Hauptaktionsform sein solle und sie zur Anleitung hierfür auch selbst eine kleine Blockadefiber herausgeben habe. Auch bestätigt sie, dass sie im März 2001 bei Wendisch Evern derartige große Sitzblockaden organisiert habe und sich hieran "1200 Aktivistinnen von X-tausendmal quer" beteiligt hätten.
Soweit mit diesen Sitzblockaden die Schienenstrecke betroffen ist, sind sie von vornherein nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt und stellen sie eine nicht hinzunehmende Verletzung der öffentlichen Sicherheit dar. Denn eine Sitzblockade auf den Schienen einer dem öffentlichen Eisenbahnverkehr dienenden Schienenstrecke stellt zumindest einen Verstoß gegen die Eisenbahnbau- und Betriebsordnung - EBBO - dar und kann darüber hinaus auch als Transportgefährdung gemäß § 315 StGB strafbar sein (vgl. hierzu den Beschluss der 7. Kammer des erkennenden Gerichts v. 22.03.2001, - 7 B 11/01 -, bestätigt durch den Beschl. des Nds. OVG v. 23.03.2001 - 11 MA 1128/01 - und den Beschl. des BVerfG v. 26.03.2001 - 1 BvQ 15/01 - a.a.O.). Der Verstoß gegen die EBBO und gegen § 315 StGB durch derartige Blockaden ist nicht durch das Versammlungsrecht gerechtfertigt (BVerfG, Beschl. v. 12.03.1998 - 1 BvR 2165/96 -).
Aber auch die dauerhafte Blockade von Straßen ist rechtswidrig und nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt (VGH Mannheim, B. v. 19.02.2000 - 1 S 414/00 -, NVwZ 2000, 1201; Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, 12. Aufl., § 15 Rdnrn. 117 ff m.w.N.). Eine dauerhafte Blockade - wie beispielsweise die mehrere Tage dauernde "Trecker - Blockade" im März 1997 in Splietau - kann zudem einen unzulässigen Eingriff in die Grundrechte Dritter aus Art. 2, 12 und 14 GG (hier in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG) darstellen. Denn das Recht der die Castorbehälter im Rahmen ihrer Gewerbebetriebe befördernden Unternehmen, der DB-Cargo sowie der DB AG, kann in gleicher Weise Schutz beanspruchen, wie das der Antragstellerin. Ein Vorrang des Versammlungsrechts vor deren Rechten ist grundsätzlich nicht statuiert, vielmehr wird der Bereich der verfassungsrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit dort verlassen, wo nicht mehr geistige Auseinandersetzung, die Artikulierung gegensätzlicher Standpunkte im Meinungskampf und Kundbarmachung des Protestes als solche durchgeführt werden sollen, sondern wo die Aktionen darauf angelegt sind, dass durch zielgerichtete Ausübung von Zwang Dritte in rechtlich erheblicherweise daran gehindert werden sollen, ihre geschützten Rechtsgüter zu nutzen, ihnen vielmehr der eigene Wille aufgezwungen werden soll (BGH, Urt. v. 04.11.1997 - VI ZR 348/96 -, NJW 1998, 377).
Die Antragstellerin liefert mit den von ihr in der Vergangenheit und auch für den bevorstehenden Transport organisierten Sitzblockaden Indizien, die maßgeblich die Gefahrenprognose der Antragsgegnerin stützen und von ihr daher zu Recht in der angefochtenen Allgemeinverfügung berücksichtigt worden sind.
Schließlich wird diese Prognose bereits (teilweise) durch die "aktuelle" Entwicklung bestätigt, wie die Antragsgegnerin an Hand von verschiedenen Beispielen - einschließlich einer Sitzblockade mit "Traktorenbeteiligung" im Anschluss an eine Veranstaltung der Antragstellerin am 10. November 2002 auf der Transportstrecke (...) zwischen ... und ... - in ihrer Antragserwiderung aufgezeigt hat. Die Antragsgegnerin verweist in diesem Zusammenhang auch zu Recht darauf, dass die einzelnen Veranstaltungen und "Aktionsformen" nicht isoliert betrachtet werden können, sondern es durchaus Absprachen zwischen den einzelnen Anti-Atom-Gruppierungen und Initiativen gibt, die auch über die Medien verbreitet worden sind, und diese Gruppierungen auch tatsächlich zusammenwirken.
Unter Berücksichtigung der unmittelbaren Gefährdung der Sicherheit und Ordnung bei Durchführung von Versammlungen und Aufzügen innerhalb des direkten Transportbereichs - Schiene und Straße - sind die Regelungen der Allgemeinverfügung auch verhältnismäßig. Denn die Allgemeinverfügung verbietet nicht die Durchführung von Versammlungen anlässlich des Castor-Transports, sondern beschränkt die Versammlungen für einen bestimmten Zeitraum in örtlicher Hinsicht. Die Allgemeinverfügung nimmt einen die Transportstrecke auf Schiene und Straße und den Verladebahnhof umrahmenden Korridor vom ansonsten unbeschränkt bleibenden Versammlungsrecht aus. Auf diese Weise wird das Recht zur Bestimmung des Ortes einer Versammlung beschränkt. Die Grenzen, die durch Bedeutung und Gewicht der verfassungsrechtlich gewährleisteten Versammlungsfreiheit gezogen sind, werden hinreichend beachtet. Die Symbolkraft der Veranstaltungen und die durch sie erregte öffentliche Aufmerksamkeit werden nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn die Demonstranten ihr Anliegen gegen die Atomkraft außerhalb des Transportkorridors zum Ausdruck bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.03.2001, a.a.O.).
Ein öffentliches Interesse für die sofortige Vollziehbarkeit der Allgemeinverfügung ist gegeben, es ist auch hinreichend begründet worden (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.