Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 20.11.2002, Az.: 1 A 204/00

Arbeitgeber; Arbeitsvertragsrichtlinie; Besoldung; Familienzuschlag; Ortszuschlag; Tarifvertrag; Öffentlicher Dienst

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
20.11.2002
Aktenzeichen
1 A 204/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43712
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

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Der Kläger begehrt die Auszahlung des vollen Ortszuschlages an sich sowie eine entsprechende Nachzahlung vom 1. Januar 1995 an.

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Er war als Regierungsoberinspektor im Ausbildungszentrum des Grenzschutzpräsidiums Nord in W tätig. Mit seinem Schreiben vom 15. März 2000 beantragte er unter Bezug auf eine Mitteilung des Arbeitgebers seiner Ehefrau - des „Hauses Niedersachsen“ (Fachkrankenhaus für Abhängigkeitskranke) - vom 10. März 1998, derzufolge das Krankenhaus ab 1.1.1995 eine „rein privatrechtliche Gesellschaft“ sei, ihm nunmehr den vollen Familienzuschlag bzw. „Ortszuschlag“ (und nicht nur den um die Hälfte gekürzten Zuschlag) auszuzahlen und die seit 1.1.1995 fehlenden Ortszuschlagsbeträge nachzuzahlen; denn die vorgenommenen Kürzungen seines Ortszuschlages seien nicht besoldungskonform.

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Mit Bescheid vom 18. April 2000 lehnte das Aus- und Fortbildungszentrum W / Grenzschutzpräsidium Nord diesen Antrag mit der Begründung ab, die Ehefrau des Klägers erhalte einen Ortszuschlag der Stufe 1 und den Unterschiedsbetrag zwischen Stufe 1 und 2 zur Hälfte, was als Anlehnung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes zu werten sei. Vor allem aber habe das „Haus Niedersachsen“ am 19. August 1996 (einmalig) Fördermittel nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze erhalten, die sich über die Nutzungsdauer von 25 Jahren auflösten. Auch eine solche einmalige Förderung sei im Rahmen von § 40 Abs. 7 BBesG als eine “Beteiligung“ der öffentlichen Hand zu betrachten.

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Zur Begründung seines Widerspruchs trug der Kläger vor, gemäß § 40 Abs. 6 S. 3 BBesG seien hier zwei Voraussetzungen kumulativ erforderlich, nämlich zum einen, dass ein Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts angewendet werde, und zum andern, dass Zuschüsse gewährt würden. Der Arbeitgeber seiner Ehefrau wende jedoch - trotz Ähnlichkeiten - nicht einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts an, da ganz erhebliche Unterschiede bestünden; er gehe auch selbst nicht davon aus, öffentlicher Dienst zu sein; vielmehr sei er nur nach § 52 AO als gemeinnützig anerkannt. Die 2. Voraussetzung fehle deshalb, weil an das „Haus Niedersachsen“ keine Zuschüsse iSd § 40 Abs. 6 S. 3 BBesG geflossen seien: Der nur einmal gezahlte Zuschuss gehöre nicht dazu.

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Dieser Widerspruch wurde durch den Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2000 mit der Begründung zurückgewiesen, beim „Haus Niedersachsen“ handele es sich um einen „sonstigen Arbeitgeber“ iSv. § 40 Abs. 6 BBesG, der allerdings nur dann dem öffentlichen Dienst gleichgestellt sei, wenn die vom Kläger angesprochenen beiden Voraussetzungen erfüllt seien. Da der BAT vom „Haus Niedersachsen“ nicht unmittelbar angewendet werde, komme es darauf an, ob dort ein Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts zum Zuge komme. Das sei der Fall, weil der Ehefrau des Klägers mit Rücksicht auf ihre Heirat ein entsprechender Zuschlag wie sonst im öffentlichen Dienst gezahlt werde. Die ansonsten bestehenden Unterschiede bezüglich Weihnachtsgeld, Urlaub und Mitbestimmungsverfahren seien nicht entscheidend. Auch die weitere Voraussetzung liege vor. Denn das „Haus Niedersachsen“ habe eine einmalige Finanzzuweisung, einen „Zuschuss“, nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 KHG erhalten, der sich als Förderung mit Landesmitteln darstelle. Dass es sich dabei um nur eine einmalige Förderung handele, die über mehrere Jahre aufgelöst werde, sei nach 40.7.4 VwVBBesG unerheblich. Somit sei das „Haus Niedersachsen“ dem öffentlichen Dienst gleichgestellt.

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Zur Begründung seiner am 28. Juni 2000 beim Verwaltungsgericht Stade erhobenen Klage, die durch Beschluss dieses Gerichts vom 17. Juli 2000 an die Kammer verwiesen worden ist, trägt der Kläger vor, er habe Anspruch auf die volle Auszahlung des Orts- bzw. Familienzuschlages, weil der Darstellung im Widerspruchsbescheid nicht gefolgt werden könne. Seine Ehefrau sei nicht bei einem sonstigen Arbeitgeber iSv § 40 Abs. 6 BBesG beschäftigt. Es fehle schon an einem Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts wie im öffentlichen Dienst. Der Arbeitgeber seiner Ehefrau wende lediglich die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes an, die jedoch gerade nicht einem Tarifvertrag gleichstünden (so BAG AP Nr. 1 zu § 7 AVR, Caritasverband). Die bezahlungsferneren Regelungen (Staffelung der Kündigungsfristen, Unkündbarkeit nach längerer Beschäftigung usw.) stellten sich - neben anderen Unterschieden (Urlaubsanspruch, Weihnachtsgeld, Personalvertretung) - als gravierende Abweichungen dar. Auch der Auffassung, ein einmaliger Zuschuss reiche aus, um den Arbeitgeber schon dem öffentlichen Dienst gleichzustellen, könne mit Rücksicht auf § 28 BBesG und den dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften nicht gefolgt werden. Mit der Auslegung der Beklagten würden nur fiskalische Gründe verfolgt, was jedoch nicht statthaft sei, wie das VG Köln (15 K 2095/88) entschieden habe.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid des Aus- und Fortbildungszentrums Nord (AFZ N) über die Versagung des vollen Familienzuschlages vom 18. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2000 aufzuheben und dem Kläger den vollen Ortszuschlag rückwirkend seit dem 1. Januar 1995 und fortlaufend auszuzahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Ansicht, die Ehefrau des Klägers sei in einem Fachkrankenhaus beschäftigt, das in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH geführt werde, wo ihr - ähnlich wie im öffentlichen Dienst - ein Familienzuschlag gezahlt werde. Damit stehe dem Kläger nur der um die Hälfte gekürzte Familienzuschlag der Stufe 1 zu. Mit Blick auf § 40 Abs. 6 BBesG reiche es aus, wenn wesentlich gleiche Regelungen wie im öffentlichen Dienst angewendet würden, was hier der Fall sei. Denn das „Haus Niedersachsen“ wende die nach § 40 Abs. 1 BBesG geltenden Regelungen über die Stufen des Familienzuschlages bei der Vergütung seiner Arbeitnehmer u. Arbeitnehmerinnen an. Zudem habe sich das Land an der Finanzierung des Fachkrankenhauses beteiligt, wobei es auf die Art dieser Finanzierung im Einzelnen nicht ankomme. Der Hinweis des Klägers auf § 28 BbesG gehe fehl, da dort an einen völlig anderen Tatbestand angeknüpft werde.

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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung des vollen Ortszuschlages.

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1. .Dahinstehen kann hier, ob und ggf. in welchem Umfange angesichts des am 28. Juni 2000 beim Verwaltungsgericht Stade gerichtlich geltend gemachten Nachzahlungsanspruch ab 1. Januar 1995 inzwischen eine Verjährung eingetreten ist. In Betracht kommen hier die Frist des § 195 BGB n.F., wonach die regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre beträgt, und die Frist des § 197 BGB n. F., wonach Ansprüche in 30 Jahren verjähren, es sei denn, es handelt sich um regelmäßig wiederkehrende Leistungen (§ 197 Abs. 2 BGB n.F.). Höchstrichterlich geklärt ist, dass beamtenrechtliche Ansprüche auf rückständige Dienst- und Versorgungsbezüge der kurzen Verjährung nach altem Recht (4 Jahre) unterliegen (vgl. BVerwG, Buchholz 232 § 155 BBG Nr. 8), ebenso der Anspruch eines Beamten auf Unfallausgleich (vgl. BVerwG, Buchholz 239.1 § 35 BeamtVG Nr. 3). Dagegen hat das Bundesverwaltungsgericht für Ansprüche auf Rückzahlung überzahlter Besoldungs- oder Versorgungsbezüge die kurze Verjährung ausgeschlossen (vgl. BVerwGE 66, 251 / 252).

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All das kann hier jedoch offen bleiben, weil der Kläger schon dem Grund nach keinen Nachzahlungsanspruch für den geltend gemachten Zeitraum hat.

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2. Es handelt sich beim Arbeitgeber der Ehefrau des Klägers, dem „Haus Niedersachsen“, nämlich um einen „sonstigen Arbeitgeber“ im Sinne von § 40 Abs. 6 BBesG. Denn es werden in diesem Fachkrankenhaus

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wenigstens die Familienzuschläge oder Sozialzuschläge betreffenden Teile eines derartigen Tarifvertrages oder die entsprechenden Vorschriften des BBesG (angewandt)

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oder doch zumindest

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eine diesen Vorschriften vergleichbare Regelung (angewandt).

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Angesichts dieser sehr weiten Gesetzesfassung, die darauf abhebt, ob zumindest - was dann schon ausreicht - eine speziell nur den Familienzuschlägen „vergleichbare“ Regelung angewandt wird, ist dem Kläger nicht zu folgen, wenn er meint, auch die „bezahlungsfernen Regelungen“ müssten im wesentlichen mit den Regelungen des öffentlichen Dienstes (BBesG, Tarifvertrag) übereinstimmen. Eine solche Gesamtbetrachtung des maßgeblichen Vertrages ist dem BBesG fremd. Gerade der Bezug nur auf Familienzuschlags-„Teile“ eines Tarifvertrages (bzw. entsprd. BBesG-Regelungen) zeigt, dass eine Anlehnung an den öffentlichen Dienst und seine Regelungen nach Auffassung des Gesetzgebers schon sehr früh erfolgen soll, nämlich schon dann, wenn nur die Familienzuschlagsregelungen denen des öffentlichen Dienstes gleichen. Im Übrigen braucht auch nur eine diesen Vorschriften „vergleichbare Regelung“ tatsächlich angewandt werden. Das nun ist hier jedoch der Fall, wovon auch der Kläger ausgeht. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Arbeitgeber der Ehefrau des Kläger nur die Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes anwendet und diese einem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes nicht gleichstehen. Denn die Rechtsqualität der „vergleichbaren“ Regelungen spielt im Rahmen des § 40 Abs. 6 BBesG keine Rolle. Entscheidend ist nur die Vergleichbarkeit und Ähnlichkeit der tatsächlich angewandten Regelungen. Eine solche aber liegt hier vor.

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Auch der von den Beteiligten diskutierte einmalige Zuschuss ist Anlass und Grund dafür, dass es sich beim Arbeitgeber der Ehefrau des Klägers um einen „sonstigen Arbeitgeber“ im Sinne des BBesG handelt. Hierbei räumt der Kläger selbst ein, dass die Auffassung in Rechtsprechung und Literatur für ihn ungünstig sei, da schon einmalige Zuschüsse die Rechtsfolgen auslösen, denen der Kläger entgegen tritt. Er versucht diese Rechtsfolgen jedoch mit Verweisen auf § 28 BBesG und die dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften zu widerlegen. Insoweit ist der Hinweis der Beklagtenseite völlig richtig, dass § 28 BBesG einen anderen Sachkomplex betrifft (S. 4 d. Schrifts. v. 24.4.2002), der mit den hier streitigen Fragen nichts zu tun hat.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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Gründe, die Berufung gem. § 124 a iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO zuzulassen, liegen hier vor.