Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.04.2013, Az.: 10 WF 105/13

Anforderungen an die Entstehung einer Einigungsgebühr im Sorgerechtsverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
08.04.2013
Aktenzeichen
10 WF 105/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 42486
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0408.10WF105.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 22.02.2013

Fundstellen

  • FamRZ 2014, 1938
  • JurBüro 2013, 638-639
  • MDR 2013, 1286
  • RENOpraxis 2013, 200

Amtlicher Leitsatz

Wird ein Antrag auf Zuweisung der gesamten elterlichen Sorge allein auf den antragstellenden Elternteil nach im Anhörungstermin erteilter privatrechtlicher Vollmacht hinsichtlich einzelner Regelungsbefugnisse durch den anderen Elternteil nicht weiterverfolgt, die Sache vielmehr von beiden Eltern ohne Einigung über die Verfahrenskosten für erledigt erklärt, steht dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers keine Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV RVG zu.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Amtsgericht Hannover vom 1. März 2013 wird der Beschluss des Amtsgerichts- Familiengericht - Hannover vom 22. Februar 2013 geändert.

Auf die Anschlusserinnerung des Bezirksrevisors bei dem Amtsgericht Hannover vom 21. Januar 2013 wird unter Zurückweisung der Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter vom 21. Dezember 2012 die aus der Landeskasse an den beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten zu zahlende Vergütung auf 544,43 € festgesetzt.

Der Verfahrensbevollmächtigte hat der Landeskasse den überzahlten Betrag von 206,91 € zu erstatten.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind nicht miteinander verheiratete Eltern des am ... 2010 geborenen Kindes D. S.. Sie üben die elterliche Sorge für das Kind aufgrund einer gemeinsamen Sorgeerklärung vom 5. Oktober 2010 gemeinsam aus. Seit der Trennung der Beteiligten versorgt die Kindesmutter das Kind. Diese beantragte im August 2012 bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Hannover durch ihren später im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten das alleinige Sorgerecht für D.. In dem von dem Amtsgericht am 30. November 2012 abgehaltenen Anhörungstermin wurde im Hinblick auf die im April 2013 bevorstehende Stationierung des Kindesvaters bei der Bundeswehr eine Vollmachtserteilung durch den Kindesvater erörtert. Der Kindesvater erteilte der Kindesmutter sodann zu Protokoll eine Vollmacht, Angelegenheiten für das Kind D. betreffend Kindergartenangelegenheiten, Schulangelegenheiten sowie Gesundheitsfürsorge und Vermögenssorge allein zu regeln. Anschließend erklärten die Beteiligten laut Protokollniederschrift, "dass sich die Sorgerechtsangelegenheit im Übrigen im Hinblick auf die Einigung hinsichtlich der Vollmachtserteilung erledigt hat." Das Amtsgericht entschied mit Beschluss vom 13. Dezember 2012 [Bl. 30 d. A.] nach übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten des Verfahrens und hob diese gegeneinander auf. Mit einem weiteren am selben Tag ergangenen Beschluss setzte das Amtsgericht den Verfahrenswert auf 3.000 € fest.

Der beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter beantragte daraufhin die Festsetzung der ihm aus der Landeskasse zu zahlenden Vergütung [Bl. 36 d. A]. Hierbei machte er auch eine Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 VV RVG nach dem festgesetzten Verfahrenswert von 3.000 € in Höhe von (netto) 189 € geltend und gab an, bereits Gebühren für Beratungshilfe von 99,96 € erhalten zu haben, die er in Höhe von 41,65 € von der begehrten Gesamtsumme von 810,99 € absetzte. Die Kostenbeamtin des Amtsgerichts Hannover setzte die Kosten mit Beschluss vom 18. Dezember 2012 mit Ausnahme der Einigungsgebühr und ohne Abzug der anteiligen Gebühren für Beratungshilfe auf 586,08 € fest [Bl. 36/37 und 40 d. A.]. Zur Begründung führte sie aus, die Einigungsgebühr sei nicht angefallen. Beantragt worden sei die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge. Der Kindesvater habe in Teilbereichen eine Vollmacht erteilt und die Beteiligten hätten die Sorgerechtsangelegenheit für erledigt erklärt. Damit liege keine Einigung vor. Gegen die die Festsetzung der Einigungsgebühr versagende Entscheidung legte der Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter Erinnerung ein. Der Bezirksrevisor bei dem Amtsgericht Hannover trat der Erinnerung mit ausführlicher Begründung, dass eine Einigungsgebühr nicht entstanden sei, entgegen und legte Anschlusserinnerung [Bl. 50 d. A.] ein mit dem Antrag, die dem beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zustehende Vergütung unter Abzug der anteiligen Beratungshilfegebühr auf lediglich 544,43 € festzusetzen sowie den überzahlten Betrag von 41,65 € wieder einzuziehen, da in dem Festsetzungsbeschluss vom 18. Dezember 2012 die gemäß Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG vorzunehmende hälftige Anrechnung der im Wege der Beratungshilfe erhaltenen Geschäftsgebühr von 70 € auf die im Sorgerechtsverfahren angefallene Verfahrensgebühr unterblieben sei. Nachdem die Kostenbeamtin sowohl der Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten als auch der Anschlusserinnerung des Bezirksrevisors nicht abgeholfen hatte, setzte die Familienrichterin des Amtsgerichts mit Beschluss vom 22. Februar 2013 [Bl. 57 d. A.] unter Zurückweisung der Anschlusserinnerung die Vergütung einschließlich der Einigungsgebühr von 189 € Netto unter Anrechnung von 35 € gemäß Nr. 2503 VV RVG auf die Verfahrensgebühr nebst Terminsgebühr, Auslagen und Umsatzsteuer auf 769,34 € fest und sprach dem Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter unter Anrechnung bereits angewiesener Gebühren von 586,08 € eine Restgebühr von 183,26 € zu, die bereits zur Zahlung an den Verfahrensbevollmächtigten angewiesen wurde. Das Amtsgericht führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, dass eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG entstanden sei. Der Kindesvater habe im Termin nach Erörterung des Sorgerechtsantrags der Kindesmutter in Teilbereichen Handlungsvollmacht erteilt, woraufhin die Kindeseltern ausdrücklich erklärt hätten, dass sich die Sorgerechtsangelegenheit im Hinblick auf die Einigung hinsichtlich der Vollmachtserteilung erledigt habe. Damit hätten die Kindeseltern zum Ausdruck gebracht, dass der Kindesvater der Kindesmutter Vollmacht erteilt und sie im Gegenzug die Geltendmachung des weiteren Sorgerechtsantrags nicht mehr verfolgt und sich das Verfahren dadurch erledigt habe. Eine vertragliche Bindung liege vor, weswegen die Einigungsgebühr angefallen sei. Die Wirksamkeit der Vollmacht sei nicht von einer gerichtlichen Genehmigung abhängig.

Gegen den ihm am 1. März 2013 zugestellten amtsrichterlichen Beschluss legte der Bezirksrevisor bei dem Amtsgericht Hannover am selben Tag zunächst fristwahrend Beschwerde ein, die er nach Akteneinsicht am 19. März 2013 begründete. Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 i. V. m. 1003 VV RVG nicht angefallen ist. Eine Einigung in der Sache selbst, nämlich hinsichtlich der Regelung der elterlichen Sorge, sei unzweifelhaft nicht erfolgt. Dem Protokoll lasse sich auch nicht entnehmen, dass die Beteiligten vor der Vollmachtserteilung die Abrede getroffen hätten, dass die Kindesmutter ihren Sorgerechtsantrag für den Fall der Vollmachtserteilung durch den Kindesvater zurücknimmt oder für erledigt erklärt, sondern die Erklärungen seien unabhängig voneinander erfolgt.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt. Die Einzelrichterin hat die Sache dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II.

Die nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 - 8 RVG zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors ist begründet. Eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 i. V. m. Nr. 1003 VV RVG ist im vorliegenden Fall nicht entstanden.

1. Eine Einigungsgebühr entsteht nach Nr. 1000 Absatz 1 Satz 1 VV RVG für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. In Kindschaftssachen ist Absatz 1 Satz 1 gemäß Nr. 1000 Abs. 5 Satz 3 VV RVG auch für die Mitwirkung an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, entsprechend anzuwenden. Ein Einigungsvertrag über die Beendigung des Sorgerechtsverfahrens ist im Sinne der zitierten Vorschrift nicht zustande gekommen. Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausgeführt hat, haben die Beteiligten weder eine Einigung über die gesamte elterliche Sorge getroffen noch ist aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich, dass vor der Vollmachtserteilung des Kindesvaters zwischen den Beteiligten vereinbart worden war, dass die Kindesmutter für den Fall einer Vollmachtserteilung ihren Sorgerechtsantrag für erledigt erklären würde. Vielmehr ist aufgrund der Sitzungsniederschrift davon auszugehen, dass die Möglichkeit einer Vollmachtserteilung durch das Gericht im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage angesprochen wurde und der Kindesvater daraufhin die Vollmacht erteilte, ohne dass es zuvor eine Vereinbarung der Beteiligten über die weitere Verfahrensweise gab. Die anschließende übereinstimmende Erledigungserklärung ist keine Einigung im Sinne der Vorschrift, weil es sich bei der Erledigungserklärung der Kindesmutter und der Zustimmung des Kindesvaters nicht um eine gemeinsame Erklärung im Sinne einer Vereinbarung, sondern um beiderseits abgegebene Verfahrenserklärungen handelt (vgl. dazu Gerold-Schmidt/Müller-Rabe, RVG 20. Auflage, VV 1000 Rn. 35). Eine bloße Einigung der Beteiligten über die Vollmachtserteilung hätte außerdem die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG nicht entstehen lassen, weil sie nicht den eigentlichen Verfahrensgegenstand der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge erledigte. Die Kindesmutter hätte ihren Antrag auch nach dem Erhalt der nur auf Teilbereiche erstreckten Vollmacht aufrechterhalten können.

Gegen das Entstehen einer Einigungsgebühr spricht zudem der Umstand, dass das Amtsgericht nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Beteiligten gemäß §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG noch durch zu begründenden Beschluss über die Kosten des Verfahrens zu befinden hatte, während das Entstehen einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 i. V. m.1003 Abs. 2 VV RVG gerade voraussetzt, dass durch die Vereinbarung eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wird oder die Entscheidung der getroffenen Vereinbarung folgt.

2. Es ergibt sich damit ohne die Einigungsgebühr ein Vergütungsanspruch des Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter wie folgt:

Verfahrenswert: 3.000 €

Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG

245,70 €

abzüglich hälftige Gebühr für Beratungshilfe

35,00 €

Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG

226,80 €

Pauschale gem. Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Zwischensumme

457,50 €

zzgl. 19 % Umsatzsteuer

86,93 €

Endsumme

544,43 €

Da an den Verfahrensbevollmächtigten bereits 586,08 € + 183,26 € = 751,34 € angewiesen worden sind, liegt eine Überzahlung von 206,91 € (751,34 € - 544,43 €) vor. Den Betrag von 206,91 € hat der Verfahrensbevollmächtigte der Landeskasse zu erstatten.