Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 11.04.2013, Az.: 17 WF 74/13

Zuständigkeit der Familiengerichte für vermögensrechtliche Streitigkeiten unter geschiedenen Ehegatten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
11.04.2013
Aktenzeichen
17 WF 74/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 35433
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0411.17WF74.13.0A

Fundstellen

  • FamFR 2013, 303
  • FamRB 2013, 250
  • FamRZ 2014, 66-67

Amtlicher Leitsatz

Der Zuständigkeit des Familiengerichts unterfallen auch der Streit zwischen geschiedenen Ehegatten über einen Gesamtgläubigerausgleich betreffend dem Nießbrauch an einer Immobilie, die sie während der Ehezeit im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihren Sohn übertragen haben, sowie Verfahren auf Erstattung eines von einem Ehegatten vereinnahmten Lebensversicherungsguthabens, das dem anderen Ehegatten zusteht.

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf die Gebührenstufe bis 2.500 € festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten über die Zuständigkeit des Familiengerichts.

2

Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Ihre am 15. August 1969 geschlossene Ehe ist seit dem 28. Februar 2012 rechtskräftig geschieden. Sie leben seit Juli 2009 voneinander getrennt.

3

Der Antragsteller ist psychisch erkrankt. Von Anfang Februar 1998 bis zum 28. Februar 2009 ist die Antragsgegnerin mit wechselnden Aufgabenkreisen zur Betreuerin des Antragstellers bestellt worden. Durch Beschluss vom 28. Juli 2009 des Amtsgerichts - Vormundschaftsgericht - Celle (25 XVII N 380) ist die Antragsgegnerin als Betreuerin entlassen und stattdessen ein Berufsbetreuer bestellt worden.

4

Die Beteiligten sind ideelle Miteigentümer der von ihnen bewohnten Immobilie D...weg 20 in B.. Die Antragsgegnerin bewohnt die Erdgeschosswohnung, der Antragsteller wohnt im Obergeschoss. Auf dem Grundstück errichteten die beteiligten Eheleute während der Ehezeit den Anbau D...weg 20a, den sie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihren Sohn übertrugen. Der Sohn der Beteiligten erzielt aus der Vermietung von zwei Mieteinheiten im Obergeschoss des Anbaus D...weg 20a Einkünfte in Höhe von monatlich 570 €. Durch notarielle Urkunde vom 3. April 1996 gewährte der Sohn der Beteiligten seinen Eltern als Gesamtberechtigte ein lebenslängliches unentgeltliches Nießbrauchsrecht. Im Hinblick auf das Nießbrauchsrecht leitete er seine Mieteinnahmen in Höhe von 570 € an die Antragsgegnerin weiter.

5

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Hälfte des vereinnahmten Mietzinses für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 20. Mai 2012. Für die Zeit ab 21. Mai 2012 ist ein Verfahren auf Zahlung nachehelichen Unterhalts bei dem Amtsgericht Celle (23 F 23109/12 UE) noch anhängig, in dem die Mieteinkünfte ab 21. Mai 2012 berücksichtigt werden.

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Darüber hinaus begehrt der Antragsteller von der Antragsgegnerin die Auszahlung eines Restbetrages aus einem von ihm unterhaltenen Lebensversicherungsvertrag.

7

Die A.-Lebensversicherung AG hat am 1. Mai 2008 eine Versicherungsleistung in Höhe von 22.547,98 € an den Antragsteller zur Auszahlung gebracht. Die Antragsgegnerin hat unter Vorlage ihres Betreuerausweises veranlasst, dass der Betrag auf ein auf ihren Namen lautendes Konto bei der D.-Bank, später C.-Bank, ausgezahlt wurde. Während des Zusammenlebens der Beteiligten legte sie das Geld im eigenen Namen bei der A.-Bank sowie der V.-Bank an. Am 9. November 2009 überwies die Antragsgegnerin 21.363,73 € an den Betreuer des Antragstellers. Der Antragsteller macht geltend, dass 1.184,25 € aus der Lebensversicherungsleistung zu wenig an ihn ausgezahlt worden seien. Die Antragsgegnerin wendet ein, dass sie weitere 2.400 € an den Antragsteller bereits gezahlt habe, so dass er insgesamt mehr als den Lebensversicherungsbetrag zurück erhalten habe.

8

Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Rechtsweg zum Familiengericht für zulässig erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich um eine sonstige Familiensache gemäß § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG handele.

9

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie trägt vor, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Teilhabe an den Mieteinnahmen für zwei Wohnungen aus einem behaupteten schuldrechtlich begründeten Nießbrauchsrecht sowie einen Schadensersatzanspruch wegen einer behaupteten Pflichtverletzung der Antragsgegnerin als Betreuerin geltend mache. Zwischen den geltend gemachten Ansprüchen und der Trennung beziehungsweise Scheidung der Beteiligten sei kein inhaltlicher Zusammenhang gegeben.

10

II.

Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG statthafte sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. In der Sache führt die sofortige Beschwerde nicht zum Erfolg.

11

Zu Recht geht das Amtsgericht im vorliegenden Fall davon aus, dass es sich um eine sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG handelt. Danach sind Verfahren, die Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung betreffen, sonstige Familiensachen.

12

Der Begriff des Zusammenhangs hat sowohl eine inhaltliche als auch eine zeitliche Komponente (BT-Drucks. 16/6308, S. 262). Nach der Intention des Gesetzgebers sollte insbesondere die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten außerhalb des Güterrechts den Familiengerichten zugewiesen werden. Beispielhaft genannt sind Verfahren wegen Auseinandersetzung einer Miteigentumsgemeinschaft oder Auflösung einer Innengesellschaft der Ehegatten, über Streitigkeiten wegen Gesamtschuldnerausgleich oder Rückgewähr von Zuwendungen oder über die Aufteilung von Steuerguthaben (BT-Drucks. 16/6308, S. 263).

13

Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung des sogenannten großen Familiengerichts bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen, oder die in engem Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stehen, den Familiengerichten zuweisen (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2012, XII ZB 652/11, FamRZ 2013, 281-283 [zitiert nach juris]). Dem Familiengericht soll es möglich sein, alle durch den sozialen Verband von Ehe und Familie sachlich verbundenen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden. Ordnungskriterium ist dabei allein die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand (BT-Drucks. 16/6308, S. 169). Daher sollen im Grundsatz alle vermögensrechtlichen Rechtsstreitigkeiten, deren Ergebnis für den Unterhalts- oder Zugewinnausgleichsprozess von Bedeutung sein können, in die Zuständigkeit des Familiengerichts fallen.

14

Dementsprechend besteht zwischen dem von dem Antragsteller geltend gemachten Anspruch auf Gesamtgläubigerausgleich ein inhaltlicher Zusammenhang mit Trennung und Scheidung im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG. Die Beteiligten waren während ihrer Ehe gemeinsam Eigentümer des Anbaus D...weg 20a, den sie auf ihren Sohn übertragen haben. Der Anbau befindet sich auf dem Grundstück, welches ihnen weiterhin gemeinsam gehört und auf dem sich das Haus D...weg 20 befindet, welches ihnen auch als Ehewohnung gedient hat. Der Antragsteller begehrt die Hälfte der von der Antragsgegnerin vereinnahmten Mietzahlungen für die Zeit ab Juli 2009, mithin für die Zeit nach der Trennung der Beteiligten. Die Mietzinszahlungen sind auch Gegenstand des Verfahrens auf nachehelichen Unterhalt, welches noch nicht abgeschlossen ist. Die rechtliche Bewertung der von der Antragsgegnerin vereinnahmten Mietzinszahlungen kann Auswirkungen auf die Unterhaltsberechnung in dem Verfahren 23 F 23109/12 UE des Amtsgerichts Celle haben, denn der Antragsteller berücksichtigt ab dem 21. Mai 2012 Mieteinkünfte der Antragsgegnerin in Höhe von 570 € in seiner Unterhaltsberechnung. Aus alledem ergibt sich ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem geltend gemachten Gesamtgläubigerausgleich und der Trennung beziehungsweise Scheidung der Ehe.

15

Ein sachlicher Zusammenhang mit Trennung und Scheidung ist auch gegeben, soweit der Antragsteller einen angeblichen Differenzbetrag zwischen der Ablaufleistung des Lebensversicherungsvertrages und der Überweisung an den Antragsteller geltend macht. Verfahren, die Ausgleichs- oder Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Kontoverfügungen sowie Schadensersatzansprüche zwischen Ehegatten betreffen, fallen grundsätzlich unter § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG (Prütting/Helms/Heiter, FamFG, 2. Aufl., § 266 Rdn. 54). Das gilt auch für Verfahren, die Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, z.B. wegen unberechtigter Verfügung über Vermögensgegenstände des Ehepartners betreffen (Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl., § 266 FamFG Rdn. 12).

16

Der Lebensversicherungsvertrag des Antragstellers bei der A.-Lebensversiche-rung AG war zum 1. Mai 2008 abgelaufen, mithin während noch intakter Ehe. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Eigenschaft als Betreuerin des Antragstellers durch Erklärung vom 17. April 2008 bewirkt, dass die A.-Lebensversicherung AG die Ablaufleistung auf ihr Konto gezahlt hat. Die Antragsgegnerin hat den von ihr vereinnahmten Betrag auch nach dem Ende der Betreuung im eigenen Namen verwaltet, so dass es insoweit - zumindest auch - um die dauerhafte wirtschaftliche Entflechtung der Eheleute geht, für die grundsätzlich das Familiengericht zuständig ist.

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Lediglich ergänzend ist zu berücksichtigen, dass sich die Antragsgegnerin mit dem Hinweis auf zwei weitere Zahlungen in einer Gesamthöhe von 2.400 € verteidigt. Hierzu trägt der Antragsteller wiederum vor, dass die Antragsgegnerin von seinem Konto Ausgaben auch für sich selbst getätigt habe und ihm deshalb mindestens 2.400 € geschuldet habe. Es geht also ersichtlich auch um die Einnahmen und Ausgaben der Eheleute, woraus sich ein sachlicher Zusammenhang zu Trennung und Scheidung ergibt.

18

Der Umstand, dass die Antragsgegnerin die Auszahlung der Ablaufleistung in ihrer Eigenschaft als Betreuerin bewirkt hat, steht einer Zuständigkeit des Familiengerichts hier nicht durchgreifend entgegen. Sofern sich ein Schadensersatzanspruch des Antragstellers aus der Art und Weise der Betreuertätigkeit der Antragsgegnerin ergeben sollte, ist das Familiengericht nach § 17 Abs. 2 S. 1 GVG befugt, das Verfahren auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt zu entscheiden.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

20

Für den Wert des Beschwerdeverfahrens ist grundsätzlich ein Bruchteil des Hauptsachewertes maßgeblich, wobei eine Größenordnung von etwa 1/3 bis 1/5 in Betracht kommt (BGH NJW 1998, 909, 910). Der Senat bemisst den Wert für das Beschwerdeverfahren hier mit 1/5 des Hauptsachewertes.