Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.04.2013, Az.: 16 VA 1/13

Feststellung des Eingangsstempels eines Antrags auf Erlass des Mahnbescheids

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
22.04.2013
Aktenzeichen
16 VA 1/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 39792
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0422.16VA1.13.0A

Fundstellen

  • BauR 2014, 145-147
  • NJW 2013, 1971

In der Justizverwaltungssache
R. M., ...,
Antragstellerin,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...
gegen
Amtsgericht Uelzen - Zentrales Mahngericht -, vertreten durch den Direktor
des Amtsgerichts, Rosenmauer 2, 29525 Uelzen,
Antragsgegner,
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden
Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ... am 22. April 2013
beschlossen:

Tenor:

Es wird festgestellt, dass das Eingangsdatum des Mahnbescheidsantrages zum Mahnverfahren AG Uelzen 13-8301428-0-3 vom 2. Januar 2013 auf den 29. Dezember 2012 zu korrigieren ist.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin sind aus der Staatskasse zu erstatten.

Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Am 28. Dezember 2012 gab der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin bei der Filiale O. der Deutschen Post AG einen an das Amtsgericht Uelzen - Zentrales Mahngericht - gerichteten Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides auf. Mit dem Einlieferungsbeleg erhielt der Prozessbevollmächtigte eine Identifikationsnummer, anhand derer eine Sendungsverfolgung möglich war. Diese - per Internet durchgeführte - Sendungsverfolgung brachte folgendes Ergebnis: "Die Sendung wurde am 29.12.2012 zugestellt".

Das Amtsgericht Uelzen bedient sich des "Bring-Services" der Deutschen Post AG, d. h.: Sämtliche Schriftstücke, die an das Zentrale Mahngericht gerichtet sind, werden in ein bei der Deutschen Post AG befindliches Postfach eingelegt und Montag bis Freitag einmal täglich (vormittags) von Mitarbeitern der Deutschen Post AG in der Wachtmeisterei des Zentralen Mahngerichts abgeliefert. Ausgenommen von dieser Regel sind - neben den Samstagen und Sonntagen - die Feiertage und die sonstigen dienstfreien Tage.

Dies führte zum Jahreswechsel 2012/2013 dazu, dass letztmalig am Freitag, den 28. Dezember 2012 vormittags die im Postfach des Mahngerichts eingegangenen Schriftstücke an das Mahngericht weitergeleitet wurden. Hingegen erfolgte am 29. Dezember 2012 (Samstag), am 30. Dezember 2012 (Sonntag) und am 1. Januar 2013 (Neujahr) ebenso wenig eine Auslieferung wie am Montag, den 31. Dezember 2012, weil dieser Tag (Silvester) gem. § 2 NdsArbZVO sowie § 6 TV-L in der Niedersächsischen Justiz dienstfrei ist. Der Mahnbescheidsantrag der Antragstellerin wurde daher erst am 2. Januar 2013 bei der Wachtmeisterei des Zentralen Mahngerichtes eingeliefert und dort mit dem Eingangsstempel des nämlichen Datums (2. Januar 3013) versehen.

Die Antragstellerin, die eine Forderung zum Gegenstand des Mahnbescheidsantrages gemacht hatte, die mit Ablauf des 31. Dezember 2012 der Verjährung unterlag, begehrt die Korrektur des Eingangsdatums des von ihr gestellten Mahnbescheidsantrages vom 2. Januar 2013 auf den 29. Dezember 2012, weil sie neben der Verjährungsproblematik nunmehr fürchtet, die Rechtsschutzversicherung werde wegen des Eingangsdatums des Mahnbescheidsantrages die Erteilung der Deckungszusage ablehnen.

Das Amtsgericht Uelzen als Antragsgegner vertritt die Ansicht, dass der Antrag erst am 2. Januar 2013 eingegangen sei, weil er erst an diesem Tag in den räumlichen Dienstbereich des Zentralen Mahngerichts gelangt sei. Die Nutzung des "Bring-Services" der Deutschen Post AG sei organisatorisch nicht zu beanstanden, was sich auch aus einer Stellungnahme des Niedersächsischen MJ vom 28. April 2008 ergebe. Zur Fristwahrung sei der beim Zentralen Mahngericht vorhandene "Nachtbriefkasten" zu nutzen; zudem bestehe die Möglichkeit der elektronischen Übermittlung per Online-Mahnantrag.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG ist statthaft, insbesondere form- und fristgerecht beim Oberlandesgericht erhoben, vgl. § 26 EGGVG. Bei der Anbringung des Eingangsstempels handelt es sich auch um einen Justizverwaltungsakt i. S. d. § 23 Abs. 1 EGGVG (vgl. hierzu Zöller/Lückemann, ZPO, 29. Aufl., Rn. 12 zu § 23 EGGVG).

Die Antragstellerin besitzt auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag. Es mag zwar sein, dass über die Frage der Verjährung des Anspruchs der Antragstellerin bzw. dessen Hemmung durch rechtzeitige Stellung des Mahnantrages (§ 204 BGB) im kontradiktorischen Verfahren entschieden wird, jedoch reicht vorliegend allein die Besorgnis der Antragstellerin, die Rechtsschutzversicherung werde wegen des Datums des Eingangsstempels die Deckungszusage für einen entsprechenden Rechtsstreit nicht erteilen, aus, um ihr ein rechtliches Interesse am vorliegenden Verfahren zuzubilligen.

Der Antrag ist auch begründet. Die Anbringung des Eingangsstempels auf dem Mahnbescheidsantrag ist kein bloßer Selbstzweck oder reines Verwaltungsinternum, sondern hat unmittelbare Rechtswirkung sowohl für den Antragsteller als auch für den im Antrag bezeichneten Gegner. Denn da gem. § 167 ZPO - der im Mahnbescheidsverfahren den § 693 Abs. 2 ZPO a. F. ersetzt hat - bereits mit dem Eingang eines Antrages auf Erlass des Mahnbescheides die Verjährung des im Antrag bezeichneten Anspruches - bei Vorliegen der Voraussetzungen der Norm im Übrigen - gehemmt wird, kommt dem Eingangsstempel insoweit erhebliche Indizwirkung zu. Denn regelmäßig weist der Eingangsstempel eines in den Herrschaftsbereich eines Gerichtes gelangten Schriftstückes aus, wann dies geschehen ist.

In den Herrschaftsbereich des Zentralen Mahngerichtes war der Antrag vorliegend aber nicht erst mit der Ablieferung durch den Bring-Service der Deutschen Post AG bei der Wachtmeisterei gelangt, sondern bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem er in das Postfach des Zentralen Mahngerichtes eingelegt worden war. Denn "eingegangen" i. S. d. § 167 ZPO ist der Antrag nicht erst bei Kenntnisnahme oder körperlicher Entgegennahme durch Bedienstete des Zentralen Mahngerichts, sondern bereits dann, wenn er derart in den Machtbereich des Gerichts gelangt ist, dass der Zugriff Unbefugter regelmäßig ausgeschlossen werden kann. Hiervon ist bei der Einlegung in ein - hierfür vom Empfänger ausdrücklich vorgehaltenes - Postfach auszugehen. Ob das Postfach an diesem Tag tatsächlich geleert - oder wie hier nicht geleert - wird, ist unerheblich. Denn auch bei Einlegung in den Nachtbriefkasten oder bei elektronischer Übermittlung hätte vor dem 2. Januar 2013 kein Mitarbeiter des Zentralen Mahngerichts von dem Antrag tatsächlich Kenntnis erlangt. Der jeweils auf dem Antrag befindliche Zeitstempel hätte lediglich dokumentiert, wann der Antrag in den Nachtbriefkasten eingelegt oder elektronisch übermittelt worden ist.

Den nämlichen Nachweis hat die Antragstellerin aber vorliegend dadurch geführt, dass über die Sendungsverfolgung der Deutschen Post AG dokumentiert ist, wann der Antrag - nämlich am 29. Dezember 2012 - in das Postfach des Zentralen Mahngerichtes eingelegt worden ist. Damit ist aber der Eingang beim Mahngericht nicht erst am 2. Januar 2013 - wie dies der angebrachte Eingangsstempel ausweist -, sondern bereits am 29. Dezember 2012 erfolgt. Der vorliegende Fall ist im Ergebnis nicht anders zu behandeln, als die Fallgestaltung, in der die Antragstellerin am 29. Dezember 2012 zwei Anträge in Uelzen beim Amtsgericht in die vorhandenen Briefkästen eingeworfen und dabei einen in den Nachtbriefkasten und einen in den gewöhnlichen - ohne Zeitstempel - Briefkasten getan hätte. Stünde der Einwurf fest, würde niemand auf den abwegigen Gedanken kommen, der in den Nachtbriefkasten eingeworfene Antrag wäre am 29. Dezember 2012 der andere Antrag hingegen erst am 2. Januar 2013 beim Mahngericht eingegangen.

Kosten: § 30 EGGVG, § 30 KostO.