Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.10.2004, Az.: 8 LA 72/04
Altersrente; Altersrentenzuschlag; Anwalt; Anwartschaft; berufsständisches Versorgungswerk; Bezugsberechtigung; Ehe; Ehegatte; Gleichbehandlung; Hinterbliebenenrente; Hinterbliebener; Kind; Rechtsanwalt; Rechtsanwaltsversorgung; Rechtsanwaltsversorgungswerk; Rente; Tod; Todesfall; Versorgungsrisiko; Versorgungswerk; Zuschlag
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.10.2004
- Aktenzeichen
- 8 LA 72/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 51030
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 18.02.2004 - AZ: 5 A 523/02
Rechtsgrundlagen
- Art 3 Abs 1 GG
- Art 6 Abs 1 GG
- § 12 Abs 4 S 1 RAVersorgSa ND
- § 17 RAVersorgSa ND
- § 18 RAVersorgSa ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein bei Erreichen des Rentenalters verheiratetes Mitglied erhält nach § 12 Abs. 4 Satz 1 der Satzung für das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte keinen Zuschlag zu seiner Altersrente.
Gründe
Der Berufungszulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt worden ist und im Übrigen auch nicht vorliegt.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf. Daher ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert wird, warum diese Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren (vgl. Senatsbeschl. v. 29.9.2004 - 8 LA 226/04 -; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 124 Rn. 30, 53 ff., m. w. N.).
Diesen Anforderungen genügt der Berufungszulassungsantrag schon deshalb nicht, weil darin keine als grundsätzlich klärungsbedürftig anzusehende Frage konkret bezeichnet wird.
Sollte der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam halten, ob einem Altersrentner ein Zuschlag gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 der Satzung für das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte (RVS) in Höhe von 20 % der festgesetzten Altersrente auch dann (vorübergehend) zu gewähren ist, wenn der Altersrentner bei Beginn der Altersrente zwar verheiratet ist, seiner Ehefrau wegen der “Wartezeit“ in § 17 Satz 2 RVS aber im Falle seines Versterbens vor Ablauf einer Ehedauer von drei Jahren kein Anspruch auf Witwenrente zustünde, so kommt auch dieser Frage keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Es ist schon nicht ersichtlich, dass diese sehr spezielle Fragestellung von allgemeiner Bedeutung ist. Nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten hat es nämlich eine vergleichbare Konstellation in den letzten 20 Jahren nicht gegeben. Jedenfalls ist die Frage auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens zu verneinen.
§ 12 Abs. 4 Satz 1 RVS bestimmt: "Steht bei Beginn der Altersrente fest, dass keine Leistungen an sonstige rentenbezugsberechtigte Personen zu gewähren sind, so erhält das versorgungsberechtigte Mitglied einen Zuschlag in Höhe von 20 % zu der festgesetzten Altersrente.“
Der Altersrentner soll also den Zuschlag als Ausgleich dafür erhalten, dass der Beklagte keine Rentenleistungen an Hinterbliebene des Altersrentners gewähren muss. Dieser Sinn und Zweck der Regelung kommt allerdings im Wortlaut von § 12 Abs. 4 Satz 1 RVS nur ungenau zum Ausdruck. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Wortlaut der Bestimmung in zweifacher Hinsicht klarzustellen ist. So kann es bei Beginn der Altersrente keine sonstigen rentenbezugsberechtigten Personen geben. Als solche kommen nämlich nur zum Bezug von Hinterbliebenenrente gemäß §§ 16 ff. RVS berechtigte Ehegatten und Kinder in Betracht. Diese sind jedoch erst im Todesfalle des Altersrentners rentenbezugsberechtigt. Die Hinterbliebenen als sonstige Personen im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 1 RVS können daher nicht bereits zu Beginn der Altersrente rentenbezugsberechtigt sein. Ihre Rentenbezugsberechtigung bezieht sich vielmehr auf den Zeitpunkt nach dem Tode des Altersrentners. Ob aber im späteren Todesfalle des Altersrentners ein zum Bezug von Witwen- oder Witwerrente nach § 17 RVS berechtigter Ehegatte oder ein nach § 18 RVS zum Bezug von Voll- oder Halbwaisenrente berechtigtes Kind noch lebt, kann im Wortsinne zum Zeitpunkt des Beginns der Altersrente nicht feststehen. Denn auch ein Altersrentner kann noch heiraten und seiner Ehefrau nach Maßgabe des § 17 RVS dadurch im späteren Todesfall einen Anspruch auf Witwenrente vermitteln. Gleiches gilt für das spätere Hinzutreten von Kindern, die nach § 18 RVS zum Bezug von (Halb-)Waisenrente berechtigt sind. Sollte auch diese theoretische Möglichkeit, dass nach Beginn der Zahlung einer Altersrente noch weitere im Todesfalle des Altersrentners zum Bezug von Hinterbliebenenrente berechtigte Personen hinzutreten, ausreichen, um die Zahlung des Zuschlages auszuschließen, so könnte er nie gewährt werden. Diese Möglichkeit besteht nämlich grundsätzlich immer. Um zu verhindern, dass die Norm "leer läuft", kann daher die Zuschlagsgewährung nicht davon abhängig sein, dass auszuschließen ist, im späteren Todesfalle des Rentners seien zum Bezug von Hinterbliebenenrente nach §§ 16 ff. RVS berechtigte Personen vorhanden. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist vielmehr darauf abzustellen, wie wahrscheinlich es nach allgemeiner Lebenserfahrung ist, dass im Todesfalle des Altersrentners zum Bezug von Hinterbliebenenrente nach §§ 16 ff. RVS berechtigte Personen nicht vorhanden sind.
§ 12 Abs. 4 Satz 1 RVS ist daher wie folgt zu verstehen: "Ist bei Beginn der (Zahlung einer) Altersrente anzunehmen, dass im Todesfalle des Altersrentners keine Leistungen an sonstige rentenbezugsberechtigte Personen zu gewähren sind, so erhält das versorgungsberechtigte Mitglied einen Zuschlag in Höhe von 20 % zu der festgesetzten Altersrente".
Wie das Verwaltungsgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, ist die Annahme, im Todesfalle des Altersrentners seien keine Leistungen an Hinterbliebene zu gewähren, aber bereits dann ausgeschlossen, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt zu Beginn der Gewährung der Altersrente anzunehmen ist, dass es solche Personen geben kann. Dies wiederum setzt nicht voraus, dass der Altersrentner bereits zum Beginn des Bezuges seiner Altersrente eine Ehefrau oder Kinder hat, die in seinem Todesfalle unmittelbar nach Beginn der Altersrentenzahlungen zum Bezug von Hinterbliebenenrente nach §§ 16 ff. RVS berechtigt wären. Hätte der Satzungsgeber dies gewollt, so hätte er - wie dies etwa in § 15 Abs. 7 der Alterssicherungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen der Fall ist - darauf abgestellt, ob solche Personen zum Zeitpunkt des Beginns der Gewährung von Altersrente bereits vorhanden sind. Stattdessen ist vorliegend maßgebend, ob in einem späteren Todesfalle Rentenleistungen an Hinterbliebene zu gewähren sind. Damit will der Satzungsgeber die Gewährung des Zuschlages auch dann ausschließen, wenn Personen vorhanden sind, die zwar beim Tode des Altersrentners unmittelbar nach Beginn seiner Altersrentenzahlungen noch nicht rentenbezugsberechtigt wären, es aber bei einem späteren Todeszeitpunkt sein können. Wenn solche Personen konkret, insbesondere namentlich bestimmt werden können, so kann nicht mehr angenommen werden, dass im Todesfalle des Altersrentners keine Leistungen an sonstige rentenbezugsberechtigte Personen zu gewähren sind; der streitige Altersrentenzuschlag kann dann also nicht gewährt werden. Dies wiederum ist etwa der Fall, wenn - wie hier - der Altersrentner bei Beginn der Altersrentenzahlung bereits verheiratet ist. Denn in diesem Fall ist seine Ehefrau als nach § 17 Satz 1 RVS witwenrentenanwartschaftsberechtigte Person namentlich zu bestimmen. Ob bei Beginn der Altersrentenzahlungen die dreijährige Wartefrist des § 17 Satz 2 RVS - danach besteht zunächst kein Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente, wenn die Ehe nach Vollendung des 60. Lebensjahres oder nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Mitgliedes geschlossen wurde und nicht mindestens drei Jahre bestand - bereits verstrichen ist, ist danach unerheblich. Die Gewährung des streitigen Zuschlags von 20 % ist dementsprechend ebenfalls ausgeschlossen, wenn etwa bei Beginn der Altersrentenzahlungen abzusehen ist, dass der Altersrentner noch Vater eines Kindes werden wird. Denn dann ist anzunehmen, dass ein zukünftig nach § 18 RVS zum Bezug von Waisenrente berechtigtes Kind vorhanden sein kann.
Für die Annahme des Klägers, der streitige Zuschlag sei in solchen Fällen zumindest bis zum Entstehen der Anwartschaft auf Hinterbliebenenrente nach §§ 16 ff. RVS zu gewähren, bietet bereits der Wortlaut der Bestimmung keinen Anhaltspunkt. Dies widerspräche ferner dem Sinn und Zweck der Regelung. Der Zuschlag ist ein Ausgleich dafür, dass der Beklagte keine Rentenleistungen an Hinterbliebene des Altersrentners gewähren muss. Der Zuschlag soll nur gewährt werden, wenn voraussichtlich keine Hinterbliebenenrenten zu gewähren sind. Damit wäre es unvereinbar, den Zuschlag auch dann, und sei es nur vorübergehend, zu gewähren, wenn der Altersrentner bei Beginn der Rentenzahlungen verheiratet ist und daher für den Beklagten das konkrete Risiko besteht, im späteren Todesfalle des Altersrentners an dessen Ehefrau Witwenrente gemäß § 17 RVS zu leisten.
Dem Verwaltungsgericht ist auch darin zu folgen, dass der so verstandene § 12 Abs. 4 Satz 1 RVS mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist. Dieser verbietet lediglich, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln, hindert den Normgeber aber nicht daran, sich für eine von mehreren mit dem Willkürverbot vereinbare Regelungen zu entscheiden (vgl. Senatsbeschl. v. 5.11.2003 - 8 LA 169/03 - unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschl. v. 2.10.1991 - 1 BvR 1281/91 -, NVwZ-RR 1992, 384; BVerwG, Urt. v. 28.11.2002 - 2 CN 2/01 -). Für die in § 12 Abs. 4 Satz 1 RVS getroffene Regelung gibt es einen sachlichen Grund, sie ist daher nicht willkürlich. Der sachliche Grund, in den o.a. Fällen keinen Zuschlag zur Altersrente gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 RVS zu zahlen, besteht in dem Risiko für das Versorgungswerk, im Todesfalle des Altersrentners Hinterbliebenenrente leisten zu müssen. Dies gilt auch dann, wenn sich herausstellt, dass sich dieses Versorgungsrisiko nicht verwirklicht hat (vgl. Senatsbeschl. v. 5.11.2003 - 8 LA 169/03 - ). Da immer unsicher ist, ob etwaige Ehegatten und Kinder des Altersrentners diesen überleben und im Todesfalle zum Bezug von Hinterbliebenenrente nach Maßgabe der §§ 16 ff. RVS berechtigt sind, war der Satzungsgeber auch nicht verpflichtet, eine Sonderregelung für die Fälle vorzusehen, in denen der Bezug einer Hinterbliebenenrente von weiteren Voraussetzungen - wie vorliegend einer dreijährigen Ehedauer nach § 17 Satz 2 RVS - abhängig ist.
Die in § 12 Abs. 4 Satz 1 RVS getroffene Regelung widerspricht auch nicht dem nach Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Ehe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 72 GKG i.V.m. § 17 Abs. 3 GKG a. F., der nach ständiger Rechtsprechung des Senats auf Leistungen von berufsständischen Versorgungswerken entsprechend anwendbar ist (vgl. Senatsbeschl. v. 23.7.2004 - 8 ME 155/04 - m. w. N.). Danach ist grundsätzlich der dreifache Jahresbetrag der streitigen Leistung maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Letzteres ist hier der Fall. Der Kläger verlangt den streitigen Zuschlag für 22 Monate, nämlich von März 2001 bis zum Dezember 2002. Der demnach maßgebende Gesamtbetrag der von ihm für den o.a. Zeitraum geforderten Leistung beträgt 3.241,40 EUR.