Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.10.2004, Az.: 13 ME 422/04
Beschwerde; Förderbedarf; Förderschule; Gehörstörung; Integrationskonzept; regionales Integrationskonzept; sonderpädagogischer Förderbedarf; Sprachheilklasse; Sprachheilschule; Sprachstörung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.10.2004
- Aktenzeichen
- 13 ME 422/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50746
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 20.08.2004 - AZ: 1 B 27/04
Rechtsgrundlagen
- § 68 SchulG ND
- § 146 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Auch bei Bestehen eines "regionalen Integrationskonzepts" kann die Zuweisung eines Schülers oder einer Schülerin in eine Förderschule notwendig sein. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn erheblicher Förderbedarf bereits festgestellt worden ist.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit umfassender Begründung zu Recht stattgegeben. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses in vollem Umfang und sieht insoweit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO von einer weiteren Darstellung der Gründe ab. Lediglich zur Klarstellung ist in der Tenorierung dem Einwand der Antragsgegnerin Rechnung zu tragen, wonach der Unterricht in der Sprachheilklasse der Regenbogenschule erfolgt und nicht durch sie selbst. Im Rahmen des § 68 NSchG obliegt der Bezirksregierung allerdings die Zuweisung an diese Schule.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung im übrigen nicht.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass im Falle der Antragstellerin sonderpädagogischer Förderbedarf besteht. Die Förderschullehrerin E. ist in ihrem umfassenden Beratungsgutachten zur Vorbereitung der Entscheidung über die Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs vom 4. Mai 2004 zu dem zusammenfassenden Ergebnis gekommen, dass der Förderbedarf bei der Antragstellerin im sprachlichen und auditiven Bereich sehr umfänglich ist. Sie benötige außerdem Förderung in der Konzentration. Im Übrigen wird auf das genannte Gutachten (S. 72 ff. der Verwaltungsvorgänge) Bezug genommen. Das Abschlussgutachten des Sprachheilkindergartens hat daneben die Einschulung der Antragstellerin in eine Sprachheilklasse ausdrücklich empfohlen. Die schulärztliche Untersuchung der Antragstellerin hat zwar keine Bedenken gegen ihre Einschulung im Jahre 2004 ergeben, aber aus ärztlicher Sicht ebenfalls einen wesentlichen sonderpädagogischen Förderbedarf wegen ihrer Sprachstörungen und eingeschränkter Merkfähigkeit empfohlen. Angesichts dieser unterschiedlichen Feststellungen mit jedoch gleichgelagertem Ergebnis drängt sich auch dem Senat die Auffassung auf, dass der sonderpädagogische Förderbedarf eher im Rahmen einer Sprachheilklasse erfüllt werden kann, als im Rahmen des in F. eingerichteten regionalen Integrationskonzepts. Im Rahmen dieses Konzepts ist der Einsatz der Förderschullehrkräfte - jedenfalls in der 1. Klasse - ersichtlich nicht auf Schülerinnen und Schüler mit bereits festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf gerichtet, sondern ist durch Diagnostik, Erstellung von Förderplänen, Fördermaßnahmen und Beratung der Grundschullehrkräfte vor allem auch in präventiver Hinsicht gekennzeichnet. Er betrifft den sonderpädagogischen Förderbedarf in den unterschiedlichen Schwerpunkten Lernen, emotionale und soziale Entwicklung oder Sprache, also nicht speziell den die Antragstellerin betreffenden letztgenannten Bereich. Im Fall der Antragstellerin ist jedoch, worauf ihr Prozessbevollmächtigter zutreffend hinweist, ein spezieller, vor allem im sprachlichen Bereich bestehender, sehr umfänglicher oder wesentlicher sonderpädagogischer Förderbedarf bereits festgestellt worden. Die Antragsgegnerin räumt in ihrer Begründung selbst ein, dass im Ausnahmefall unter Abwägung der Förderungsmöglichkeiten einer Schülerin oder eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Förderung in einer Förderschule als Förderort notwendig erscheinen kann. Auch das Bestehen eines integrativen Konzepts schließt es nach § 68 Abs. 1 Satz 2 NSchG nicht aus, dass eine Verpflichtung des Schülers oder der Schülerin zum Besuch der Förderschule dann besteht, wenn die notwendige Förderung in einer Schule einer anderen Schulform nicht gewährleistet ist. In einem derartigen Fall ist das grundsätzlich bestehende Ermessen der Antragsgegnerin eingeschränkt. Im vorliegenden Verfahren drängt sich diese Annahme entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin aber auf. Dabei ist ihrem Einwand zuzustimmen, dass den Äußerungen des Sprachheilkindergartens und der Schulärztin nicht das Gewicht beizumessen ist, wie es jedoch gerade dem vorliegenden Beratungsgutachten der Förderschullehrerin E. zukommt. Auffällig ist, dass dieses Gutachten entgegen der sonst üblichen Verwaltungspraxis nicht zu einer eindeutigen Einschulungsempfehlung kommt. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, aber auch die Begründung der Beschwerde durch die Antragsgegnerin sprechen dafür, dass dem eingerichteten regionalen Integrationskonzept absoluter Vorrang eingeräumt werden soll. Damit wird die Antragsgegnerin jedoch der Regelung des § 68 Abs. 1 NSchG in den Fällen nicht gerecht, in denen ein erheblicher sonderpädagogischer Förderbedarf bereits festgestellt worden ist. Von einem derartigen Fall geht der Senat im Einklang mit dem Verwaltungsgericht hier aber aus, so dass der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben muss.