Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.10.2004, Az.: 4 ME 469/04
Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe; Verpflichtung zur Hilfe zum Lebensunterhalt durch Übernahme rückständiger Miete
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.10.2004
- Aktenzeichen
- 4 ME 469/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 34864
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2004:1026.4ME469.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 25.10.2004 - AZ: 7 B 6038/04
Rechtsgrundlagen
- § 123 Abs. 3 VwGO
- § 920 Abs. 2 ZPO
- § 15a Abs. 1 S. 2 BSHG
- § 166 VwGO
- § 114 ZPO
Fundstellen
- BtMan 2006, 45
- FEVS 2005, 254-255
- NVwZ-RR 2005, VI Heft 2 (amtl. Leitsatz)
- NVwZ-RR 2005, 637-638 (Volltext mit amtl. LS)
- NZM 2005, 385-386 (Volltext mit amtl. LS)
- ZfF 2006, 163
- ZfSH/SGB 2004, 746-748
- info also 2006, 41 (Kurzinformation)
- info also 2005, 187
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 4. Senat -
am 26. Oktober 2004
beschlossen:
Tenor:
Das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird eingestellt, soweit die Beteiligten es übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben. Insoweit ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 7. Kammer - vom 25. Oktober 2004 unwirksam. Im Übrigen wird auf die Beschwerde der Antragsteller der Beschluss des Verwaltungsgerichts geändert: Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern Hilfe zum Lebensunterhalt durch Übernahme der rückständigen Miete für die im Erdgeschoss gelegene Wohnung {D.} Straße 88 in {E.} in Höhe von 1.311, 95 EUR darlehnsweise zu gewähren. Die Antragsgegnerin wird ferner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, sich bis spätestens zum 26. Oktober 2004 gegenüber der Vermieterin, der Grundstücksgemeinschaft {F.} & Partner, Inhaber Herr {G.} und Herr {H.}, {I.} Straße 2, {J.}, schriftlich zur Befriedigung der Mietrückstände zu verpflichten. Soweit das Verfahren die Übernahme von Mietzahlungsrückständen betrifft, wird den Antragstellern für das Verfahren erster Instanz und für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Willenborg aus Hannover beigeordnet. Die weiter gehende Beschwerde der Antragsteller wegen Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens, soweit es den Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft, hat die Antragsgegnerin zu tragen. Soweit das Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe betrifft, werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1.
Hinsichtlich der Übernahme der laufenden Unterkunftskosten in Höhe von 610,37 EUR monatlich ab dem 1. September 2004 ist das Verfahren, nachdem die Beteiligten es übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und der Beschluss des Verwaltungsgerichts insoweit für unwirksam zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
2.
Soweit die Antragsteller die darlehnsweise Übernahme der Mietrückstände in Höhe 1.311,95 EUR im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung begehrt, ist die Beschwerde begründet.
Die Antragsteller haben danach für den mit der Beschwerde weiter verfolgten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt auf Übernahme von Mietrückständen gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Nach § 15a Abs. 1 Satz 2 BSHG soll eine solche Hilfe auf Übernahme der Mietrückstände gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft notwendig und gerechtfertigt ist und ohne die Hilfe Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Nach der für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung liegen diese Voraussetzungen vor. Zwar ist eine Übernahme der Mietrückstände regelmäßig nur dann notwendig und gerechtfertigt, wenn zu erwarten ist, dass die Wohnung durch die Hilfegewährung auf Dauer gesichert werden kann. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass im Einzelfall auch die Gewährung einer Hilfe notwendig und gerechtfertigt ist, wenn die Wohnung für einen bestimmten Zeitraum erhalten werden soll und andernfalls Wohnungslosigkeit droht (vgl. Beschluss des Senats vom 10. März 1982 - 4 B 37/82 -, FEVS 32, 184).
Vorliegend ist die Übernahme der Mietrückstände notwendig und gerechtfertigt, um die Wohnung für die Dauer der Suche einer sozialhilferechtlich angemessenen Wohnung zu sichern.
Dabei unterliegt es keinen Bedenken, dass die derzeitige Wohnung der Antragsteller mit monatlichen Unterkunftskosten in Höhe von 610,37 EUR zuzüglich Heizkosten sozialhilferechtlich nicht angemessen ist. Der Senat geht davon aus, dass bei einem Drei-Personen-Haushalt in {E.} für eine vor 1966 bezugsfertige Wohnung Unterkunftskosten bis zur Höhe von 462,- EUR (Kaltmiete einschließlich Nebenkosten) sozialhilferechtlich angemessen sind (zur Bestimmung der sozialhilferechtlichen Angemessenheit von Unterkunftskosten vgl. Urteil des Senats vom 28. Juli 2004 - 4 LC 386/03 -, V.n.b.). Es ist daher weiter davon auszugehen, dass die Antragsteller gehalten sind, sich um eine sozialhilferechtlich angemessene Wohnung zu bemühen. Diesbezüglich hat die Antragsgegnerin ihre Bereitschaft erklärt, für die Dauer von sechs Monaten die tatsächlichen Unterkunftskosten im Rahmen der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt zu berücksichtigten.
Es wäre von der Antragsgegnerin indes widersprüchlich, zum einen den Antragstellern für die Suche einer angemessenen Wohnung eine bestimmte Frist einzuräumen und zum anderen die drohende Wohnungslosigkeit vor Ablauf dieser Frist wegen der sozialhilferechtlichen Unangemessenheit der jetzigen Wohnung hinzunehmen. Dies führte dazu, den Antragstellern die sozialhilferechtlich gebotene Möglichkeit, sich um angemessenen Wohnraum zu bemühen, tatsächlich zu versagen. Es ist in der Rechtsprechung des Senats aber geklärt, dass einem Hilfeempfänger für die Suche nach einer angemessenen Wohnung in der Regel ein Zeitraum von sechs Monaten einzuräumen ist (vgl. Beschluss des Senats vom 9. Oktober 2000 - 4 L 1386/00 -, V.n.b. mit weiteren Nachweisen und Beschluss des Senats vom 11. August 2003 - 4 ME 310/03 -, V.n.b.).
Aufgrund der anhängigen Räumungsklage vor dem Amtsgericht Hannover droht den Antragstellern vor Ende des für die Suche einer angemessenen Wohnung eingeräumten Zeitraumes Wohnungslosigkeit. Der Senat kann nicht davon ausgehen, dass im Rahmen der Räumungsklage den Antragstellern eine Räumungsfrist (§ 721 ZPO) gewährt wird, die der o.a. Frist zur Suche einer angemessenen Wohnung entspricht. Im Hinblick hierauf ist aus den bisherigen Unterlagen nicht ersichtlich, ob und wann die für die Antragsgegnerin handelnde Landeshauptstadt Hannover die Antragsteller darauf hingewiesen hat, dass die Wohnung sozialhilferechtlich unangemessen sei und sich die Antragsteller um eine günstigere Wohnung bemühen müssten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die drohende Räumung der Wohnung aus anderen Gründen nicht vor Ablauf der Frist zur Suche einer angemessenen Wohnung erfolgen wird.
Auch die sonstigen Umstände lassen die begehrte Hilfe nicht als ungerechtfertigt erscheinen. Die Mietrückstände für die Monate Juni (teilweise) bis August 2004 beruhen im Wesentlichen darauf, dass die Antragstellerin zu 1. erkrankte und der damalige Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht vollständig zahlte und die Krankengeldzahlungen erst verspätet erfolgten. Insoweit spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragstellerin zu 1. unverschuldet in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist. Zu berücksichtigen ist weiter, dass diese Mietrückstände nicht sehr hoch sind und nach den vorliegenden Unterlagen die Antragsteller bisher hinsichtlich ihrer Miete noch nicht in ähnliche Schwierigkeiten geraten sind.
Die Antragsgegnerin ist daher im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Hilfe zum Lebensunterhalt durch Übernahme der Mietrückstände in Höhe von 1.311,95 EUR darlehnsweise zu gewähren und nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB eine entsprechende Verpflichtungserklärung gegenüber dem Vermieter abzugeben.
3.
Die Beschwerde der Antragsteller wegen der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist hinsichtlich der Übernahme der rückständigen Mietzahlungen begründet. Das Verfahren hat insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten (§§ 166 VwGO, 114 ZPO). Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen. Im Übrigen ist die Beschwerde wegen Prozesskostenhilfe zurückzuweisen; insoweit wird auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2004 verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
4.
Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO). Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat die Antragsgegnerin zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO, 161 Abs. 2 VwGO). Über die außergerichtlichen Kosten des für erledigt erklärten Teils des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Hier ist entspricht es billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten des für erledigt erklärten Teils Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen, weil sie dem Begehren der Antragsteller nach Anhängigkeit des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes insoweit entsprochen hat. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens wegen Prozesskostenhilfe werden nicht erstattet (§ 166 VwGO in Verbindung mit §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Dr. Berthold
Hüsing