Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.10.2004, Az.: 2 ME 1174/04

Anspruch eines Beamten auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm übertragenen Amtes im funktionellen Sinn; Möglichkeit der Änderung des dienstlichen Aufgabenbereichs durch organisatorische Maßnahmen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.10.2004
Aktenzeichen
2 ME 1174/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 19870
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2004:1013.2ME1174.04.0A

Fundstellen

  • DVP 2006, 214-215
  • FStBay 2005, 576-578
  • NVwZ-RR 2005, 124 (Volltext mit amtl. LS)
  • NdsVBl 2005, 72-73
  • RiA 2005, 141-142

Amtlicher Leitsatz

Zur Verpflichtung einer Beamtin, im Rahmen einer Organisationsänderung in einer Landkreisverwaltung einstweilen eine unterwertige Beschäftigung hinzunehmen.

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet.

2

Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, bis zu einer Entscheidung in einem noch anhängig zu machenden Klageverfahren - bzw. bis zum Ablauf eines Monats nach einer Entscheidung über die Bewerbung der Antragstellerin um den Dienstposten der Leiterin des Amtes 40 - die Antragstellerin mit allen Funktionen einer Amtsleiterin des früheren Amtes 65 auszustatten und insbesondere die Antragstellerin und das ihr nachgeordnete Sachgebiet "Hochbau" unmittelbar dem zuständigen Dezernenten zu unterstellen. Der Senat macht sich die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu eigen und verweist auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Mit Rücksicht auf das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren ist Folgendes nochmals bzw. ergänzend zu bemerken:

3

Der Senat ist bei der in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ebenso wie das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass für die Frage, ob der Antragsgegner berechtigt war, die von der Antragstellerin angegriffenen organisatorischen Maßnahmen zu treffen, die von der Rechtsprechung und der Literatur zur Umsetzung von Beamten entwickelten Maßstäbe gelten. Vorläufiger Rechtsschutz könnte deshalb nicht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, sondern lediglich gemäß § 123 Abs. 1 VwGO gewährt werden (vgl. Beschl. des Senats v. 12.12.2003 - 2 ME 388/03 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 21.12.2000 - 2 M 82/00 -, NVwZ-RR 2001, 455 [OVG Mecklenburg-Vorpommern 16.02.2001 - 2 M 4/01]; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 20.7.1999 - 4 S 1117/99 -, zitiert nach juris). Insoweit fehlt es jedoch an der Glaubhaftmachung des erforderlichen Anordnungsanspruchs (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

4

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 22.5.1980 - 2 C 30.78 -, BVerwGE 60, 144, 150 f. [BVerwG 22.05.1980 - 2 C 30/78]; Urt. v. 28.11.1991 - 2 C 41.89 -, BVerwGE 89, 199, 201 f.) [BVerwG 28.11.1991 - 2 C 41/89] und des beschließenden Senats (Beschl. v. 12.12.2003, a.a.O.; Beschl. v. 21.7.1998 - 2 M 2825/98 -) hat der Beamte keinen Anspruch auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm übertragenen Amtes im funktionellen Sinn (Dienstposten). Er muss vielmehr eine Änderung seines dienstlichen Aufgabenbereichs durch Umsetzung oder andere organisatorische Maßnahmen, nach Maßgabe seines Amtes im statusrechtlichen Sinn hinnehmen. Danach kann der Dienstherr aus jedem sachlichen Grund den Aufgabenbereich des Beamten verändern, solange dem Beamten ein amtsangemessener Aufgabenbereich verbleibt. Besonderheiten des bisherigen Aufgabenbereichs des dem Beamten übertragenen Amtes, wie zum Beispiel der Vorgesetztenfunktion, der Mitarbeiterzahl, der Beförderungsmöglichkeiten, der Funktionsbezeichnung und einem mit dem bisherigen Dienstposten tatsächlich oder vermeintlich verbundenen besonderen gesellschaftlichen Ansehen, kommt keine das Ermessen des Dienstherrn bei der Änderung des Aufgabenbereichs des Amtes einschränkende Wirkung zu. Die Ermessenserwägungen des Dienstherrn können daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Allgemeinen nur daraufhin überprüft werden, ob sie durch einen Ermessensmissbrauch maßgebend geprägt sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.5.1980 und 28.11.1991, a.a.O.; Beschl. d. Sen. v. 12.12.2003 und 21.7.1998, a.a.O.; Beschl. v. 25.3.2002 - 2 L A 3484/01 -; vgl. ebenso VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.6.2003 - 4 S 929/01 -, IÖD 2003, 220, und Beschl. v. 20.7.1999, a.a.O.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 21.12.2000, a.a.O.).

5

Ausgehend von diesen Grundsätzen dürfte der Dienstposten, den die Antragstellerin seit der Eingliederung des ehemaligen Amtes 65 in das Amt 40 wahrnimmt, allerdings voraussichtlich nicht mehr ihrem statusrechtlichen Amt (Bauoberrätin, Besoldungsgruppe A 14) entsprechen. Denn die von der Arbeitsgruppe "Stellenbewertung" des Antragsgegners im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens am 15. September 2004 vorgenommene vorläufige Stellenbeschreibung hat ergeben, dass der Dienstposten nur noch nach der Besoldungsgruppe A 13 zu bewerten ist. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch jedenfalls zurzeit nicht den Erlass der von der Antragstellerin beantragten einstweiligen Anordnung. Denn die Antragstellerin ist aufgrund der Übergangssituation, die durch die von dem Antragsgegner vorgenommene Organisationsänderung in der Landkreisverwaltung eingetreten ist, kraft der ihr dem Dienstherrn gegenüber obliegenden Treuepflicht, bei deren Erfüllung sie auf das Wohl der Allgemeinheit bedacht zu nehmen hat (§ 61 Abs. 1 Satz 2 NBG), auch bei Berücksichtigung der ihr vom Dienstherrn geschuldeten Fürsorgepflicht (§ 87 NBG) verpflichtet, die voraussichtlich gegebene unterwertige Beschäftigung im Interesse des Gelingens der auch auf Einsparungen gerichteten Organisationsänderung jedenfalls derzeit hinzunehmen. Das Ziel der Organisationsänderung, die Verwaltungsabläufe durch die Straffung der Behördenorganisation zu optimieren und langfristig eine Kostensenkung zu erreichen, rechtfertigt es, dem Antragsgegner insoweit eine besonders weitgehende organisatorische Gestaltungsfreiheit einzuräumen (vgl. ebenso VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.6.2003, a.a.O.). Demgegenüber sind die von der Antragstellerin hinzunehmenden Nachteile für eine gewissen Zeit zumutbar. Die Antragstellerin hatte zuvor zwar die Funktion einer Amtsleiterin inne, während sie nach der Organisationsänderung nur noch die Funktion einer Sachgebietsleiterin wahrnimmt; sie hat in fachlicher Hinsicht jedoch im Wesentlichen die selben Aufgaben wie vor der Organisationsänderung zu erfüllen. Es kommt hinzu, dass der Unterschied in der Wertigkeit der Dienstposten nach den Besoldungsgruppen A 14 und A 13 lediglich eine Besoldungsgruppe beträgt und deshalb auch von daher unter den besonderen Bedingungen der von dem Antragsgegner beschlossenen Verwaltungsreform der Antragstellerin jedenfalls derzeit zuzumuten ist (vgl. ebenso VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.6.2003, a.a.O.).

6

Angesichts des Umstandes, dass der Rechtsanspruch der Antragstellerin auf eine ihrem statusrechtlichen Amt gemäß der Besoldungsgruppe A 14 angemessene Beschäftigung nach der vorläufigen Stellenbeschreibung der Arbeitsgruppe "Stellenbewertung" des Antragsgegners vom 15. September 2004 zurzeit voraussichtlich nicht erfüllt wird, wird der Antragsgegner allerdings gehalten sein, die Antragstellerin bei nächster Gelegenheit auf einen frei werdenden A 14-Dienstposten umzusetzen oder ihr zusätzliche Aufgaben zuzuweisen, die die Anhebung des jetzigen Dienstpostens auf einen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 14 zulassen.

7

Der mit der Beschwerde hilfsweise verfolgte Antrag, die mit dem Hauptantrag begehrte Regelung befristet bis zum Vorliegen einer Dienstpostenbewertung für den Dienstposten des Amtsleiters des neuen Amtes 40 und des Sachgebietsleiters "Hochbau" zu treffen, geht ins Leere, weil die genannten Dienstposten mittlerweile von der Arbeitsgruppe "Stellenbewertung" des Antragsgegners bewertet worden sind. Im Übrigen könnte die Antragstellerin, selbst wenn die Dienstposten noch nicht bewertet worden wären, die mit dem Hilfsantrag begehrte Regelung nicht beanspruchen, weil ihr aus den zum Hauptantrag angeführten Gründen auch insoweit ein Anordnungsanspruch nicht zusteht.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

9

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG (i.d.F. des KostRMoG v. 5.5.2004, BGBl. I S. 718).