Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.10.2004, Az.: 1 KN 274/03

Abwägung; Abwägungsfehler; Abwägungsgebot; allgemeines Wohngebiet; Antragsbefugnis; Bebauungsplan; Erschließung; Immissionsschutz; Lärmbeeinträchtigung; Lärmschutz; Lärmschutzgutachten; Normenkontrolle; passiver Lärmschutz; privater Belang; Verkehrsführung; Verkehrslärm; Zumutbarkeit; Zunahme des Verkehrs; öffentlicher Belang

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.10.2004
Aktenzeichen
1 KN 274/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50817
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zunahme von Verkehrslärm als abwägungserheblicher Belang

2. Die Gemeinde muss das Ausmaß des hinzutretenden Lärms sowie die Möglichkeit anderer Verkehrsführung auch dann in die Abwägung einstellen, wenn nach den bisherigen planerischen Festsetzungen eine Zunahme des Verkehrs zwar vorherzusehen war, jedoch Alternativen der Verkehrsführung bestehen.

Tatbestand:

1

Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. ... „H.“ der Antragsgegnerin mit der Begründung, die darin festgesetzte Verkehrsführung setze sie unzumutbar starkem Lärm aus.

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Die Antragsteller zu 1) und 2) sind Eigentümer des Grundstücks Am B. 2 und der Antragsteller zu 3) ist Eigentümer des Grundstücks Am B. ... in der Gemeinde I.. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des im Juni 2000 rechtsverbindlich gewordenen Bebauungsplans Nr. ... „J.“. An den schließt der Bebauungsplan Nr. ... „H.“ unmittelbar östlich an. Nördlich grenzen beide Plangebiete an den „S. Weg“. An das Gebiet des Bebauungsplans Nr. ... grenzt wiederum östlich das Gebiet des überwiegend bereits ausgenutzten Bebauungsplans Nr. ... „H. F.“. Das Gebiet des Bebauungsplanes Nr. ... wird im Inneren durch die ringförmig verlaufende Straße Am B. erschlossen; diese geht nach Süden von dem S. Weg ab. Das Grundstück der Antragsteller zu 1) und 2) liegt im westlichen Knie von S. Weg und der Straße Am B.. Das Grundstück des Antragstellers zu 3) liegt leicht nach Norden versetzt gegenüber der Stelle, an der der Bebauungsplan Nr. ... in Form eines Stutzens die Weiterführung der Straße Am B. nach Osten vorsieht. Das Gebiet des hier angegriffenen Bebauungsplanes Nr. ... soll im Wesentlichen über diesen Stutzen erschlossen werden.

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Am 7. August 2002 fasste der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin den Beschluss, den Bebauungsplan Nr. ... „H.“ aufzustellen. Am 14. November 2002 beriet er über die vorliegenden Planentwürfe, insbesondere hinsichtlich der verschiedenen Erschließungsvarianten für das dort geplante allgemeine Wohngebiet. Am 12. Dezember 2002 wählte der Bauausschuss der Antragsgegnerin die sogenannte Variante C aus, die eine Erschließung des Gebiets im Wesentlichen über die Straße Am B. durch das Gebiet des Bebauungsplanes Nr. ... vorsieht, und lehnte gleichzeitig seine direkte Anbindung an den S. Weg ab. Ebenfalls am 12. Dezember 2002 beschloss der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin die öffentliche Auslegung und die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2002 erhoben neben weiteren Anliegern die Antragsteller Einwendungen gegen die geplante Anbindung des neuen Baugebiets über die Straße Am B.. Mit Aushang vom 2. Januar 2003 und Bekanntmachung im Amtsblatt vom 9. Januar 2003 wurde die öffentliche Auslegung für die Zeit vom 16. Januar 2003 bis 17. Februar 2003 bekannt gemacht. Am 16. Januar 2003 fand eine öffentliche Bürgerbeteiligung statt, in deren Verlauf die Antragsteller und weitere Anlieger der Straße Am B. ihre Bedenken gegen die Erhöhung der Verkehrsbelastung durch den Verkehr aus dem Gebiet des Bebauungsplanes Nr. ... geltend machten. Mit Schreiben vom 1. Februar 2003 und 9. Februar 2003 machten die Antragsteller weitere schriftliche Einwendungen geltend. In seiner Stellungnahme vom 17. Januar 2003 wies der Landkreis K. unter anderem auf Bedenken hinsichtlich der Erschließung und Verkehrsanbindung des Baugebietes über die Straße Am B. sowie die Möglichkeit hin, das Plangebiet über den östlich anschließenden Bebauungsplan Nr. ... anzubinden. In seiner Sitzung vom 29. April 2003 beriet der Verwaltungsausschuss über die eingegangenen Anregungen und Bedenken und kam zu dem Ergebnis, die Belastung der Straße Am B. sei durch die Anwohner hinzunehmen. Sie sei dadurch eingeschränkt, dass 11 Grundstücke direkt an die Straßen S. Weg und H. F. angrenzten; nur die verbleibenden Grundstücke würden über den B. angebunden. Darüber hinaus sei den Anwohnern der Straße Am B. die verkehrliche Erschließung des Baugebietes bereits durch die Festsetzung der Straße im Bebauungsplan Nr. ... bekannt gewesen. Am 8. Mai 2003 beriet der Rat der Antragsgegnerin über die Anregungen und Bedenken und beschloss den Bebauungsplan als Satzung. Mit Schreiben vom 11. Juni 2003 wurden die Einwender über das Ergebnis benachrichtigt. Am 19. Juni 2003 machte die Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. ... „H.“ bekannt.

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Der Bebauungsplan Nr. ... setzt ein allgemeines Wohngebiet fest, das nach dem Aufteilungsvorschlag der Gemeinde ca. 31 Baugrundstücke vorsieht, von denen etwa 6 Grundstücke im südlichen Bereich nach den Festsetzungen auch mit Doppelhäusern bebaut werden können. Im Übrigen ist offene Bebauung mit Einzelhäusern vorgesehen. Im Süden des Gebiets ist eine öffentliche Grünfläche festgesetzt. Dieser Bereich grenzt an den Parkplatz einer südlich gelegenen Diskothek und einen Schießstand. Im Hinblick auf die von dem Parkplatz der Diskothek ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen ist ein Immissionsschutzgutachten angefertigt worden, das zur Begründung des Bebauungsplans genommen worden ist. Dieses empfiehlt neben dem bereits vorhandenen 4 m hohen Lärmschutzwall, der aufgrund der Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. ... bereits errichtet worden ist, zusätzlich passiven Lärmschutz im südlichen Bereich des Wohngebiets. Die textliche Festsetzung Nr. 5 (Immissionsschutz) bestimmt dazu, zum Schutz vor unzumutbarem Lärm müssten die den Emissionen zugewandten Seiten von Wohngebäuden - Außenbauteile von Aufenthaltsräumen (§ 43 NBauO) ein bestimmtes Schalldämmmaß aufweisen. Schlafräume sind an der der Emission zugewandten Gebäudeseite von Wohngebäuden nicht zulässig. Zusätzlich sind an der der Emission zugewandten Gebäudeseite von Wohngebäuden innerhalb der Ruheräume Fenster zu installieren, welche auch im geschlossenen Zustand eine hinreichende Lüftung zulassen.

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Soweit die im Plangebiet gelegenen Grundstücke nicht über den S. Weg sowie über die im Plangebiet Nr. ... verlaufenden Straße H. F. erschlossen werden, erhalten sie ihre Erschließung durch die Fortsetzung der Straße Am B.. Diese führt von Westen in das Gebiet des Bebauungsplanes Nr. ... hinein, biegt etwa in seiner Mitte nach Norden ab und mündet in einen Platz, in dessen Mitte eine ovale öffentliche Grünfläche liegt. Von dieser geht nach Norden ein Fuß- und Radweg ab, der nach etwa 60 m in den S. Weg mündet. Als Grünordnungsmaßnahmen sind die Grünfläche im Süden des Gebietes sowie ein Pflanzstreifen von 5 m Breite an der westlichen und östlichen Grenze des Plangebietes festgesetzt.

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Die westlich und östlich an das Plangebiet angrenzenden Bereiche der Bebauungspläne Nr. ... „J.“ und Nr. ... „L.“ weisen ebenfalls allgemeines Wohngebiet aus. Der Flächennutzungsplan der Gemeinde stellt auch für Bereiche nördlich des S. Wegs Wohngebiet dar. Im Jahre 1993 hatte sie ein städtebauliches Zielkonzept „L.“ aufgestellt, das eine Erschließung der 3 südlich des S. Wegs gelegenen Baugebiete nur über den im Westen verlaufenden Kassebrucher Weg vorsah und keine Anbindung an den S. Weg. Bereits mit der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. ... wurde von diesem Konzept abgewichen und im Hinblick auf die Erschließung von Flächen nördlich des S. Wegs der Ausbau dieser Straße geplant (S. 11 und 14 der Begründung zum Bebauungsplan Nr. ...).

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Am 30. September 2003 haben die Antragsteller den Normenkontrollantrag und gleichzeitig einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (1 MN 273/03) gestellt. Das Eilverfahren hat sich erledigt, nachdem die Antragsgegnerin zugesagt hatte, die Grundstücke beiderseits des geplanten Stichwegs zwischen der inneren Erschließungsstraße und dem S. Weg nicht zu verkaufen, um eine eventuelle Umplanung nicht unmöglich zu machen.

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Zur Begründung ihres Normenkontrollantrags tragen die Antragsteller vor, dass sie durch die gewählte Erschließungsvariante eine unzumutbare Verkehrszunahme aufgebürdet erhielten. Der Bebauungsplan sei schon deshalb nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, weil ihnen sowie weiteren Anwohnern dieser Straße in den öffentlichen Sitzungen der Gremien wie auch in der frühzeitigen Bürgerbeteiligung am 16. Januar 2003 kein ausreichendes Gehör gewährt worden sei. Der Plan verstoße daneben aber auch gegen das Abwägungsgebot. Dies zeige sich schon daran, dass eine Begründung für die gewählte Verkehrsführung nicht erkennbar sei.

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Die Antragsteller beantragen,

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den Bebauungsplan Nr. ... „H.“ vom 8. Mai 2003 für unwirksam zu erklären.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

13

Zur Begründung verweist sie darauf, dass jedes Mitglied des Rates die schriftlichen Einwendungen der Antragsteller und ihrer Nachbarn zur Kenntnis genommen habe. Die Erschließung der Baugrundstücke in den Gebieten der Bebauungspläne Nrn. ... und ... begegne keinen Bedenken, weil diese insgesamt nur ca. 60 Baugrundstücke umfassten und die Belastungsgrenze des Straßentyps nach Tabelle 20 der Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen erst bei etwa 200 Wohnungen erreicht werde. Um den frühzeitig bekannt gewordenen Einwendungen gerecht zu werden, habe man beschlossen, etwa 7 Grundstücke unmittelbar vom S. Weg und 3 weitere vom Baugebiet Nr. ... „H. F.“ aus zu erschließen, so dass nur etwa 20 Grundstücke verblieben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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II. Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gegeben. Die Antragsteller sind zwar nicht als Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet unmittelbar durch den Plan betroffen. Ihre Grundstücke sind jedoch durch die Zunahme des Verkehrs aus dem Gebiet des Bebauungsplanes Nr. ... unmittelbar den Planauswirkungen ausgesetzt. Das Grundstück der Antragsteller zu 1) und 2) liegt an der Einmündung der Straße Am B. in die Straße S. Weg, das Grundstück des Antragstellers zu 3) unmittelbar gegenüber der Einmündung der Straße Am B. in das Gebiet des Bebauungsplanes Nr. .... An beiden Grundstücken wird der Verkehr aus und zu dem Gebiet des Planes Nr. ... vorbeilaufen. Damit sind sie in ihrem Interesse betroffen, von einer Überlastung der ihr Grundstück erschließenden Straße und einer Erhöhung der Verkehrs- und Lärmbelastung verschont zu bleiben (BVerwG, Beschl. v. 28.11.1995 - 4 NB 38/94 -, BRS 57 Nr. 41; Beschl. v. 18.3.1994 - 4 NB 24/93 -, BRS 56 Nr. 30; Beschl. v. 6.12.2000 - 4 NB 59/00 -, NVwZ 2001, 431). Für die Antragsteller zu 1) und 2) stellt sich diese Situation nicht etwa deshalb anders dar, weil ihr Grundstück am „Eingang“ des Baugebietes liegt und auch an den S. Weg angrenzt. Die Antragsteller zu 1) und 2) mussten trotz dieser Lage nicht damit rechnen, dass an ihrem Grundstück mehr Verkehr vorbeilaufen wird, als an den im „Inneren“ des Baugebiets liegenden Grundstücken. Denn abgesehen von der Straße S. Weg, die eine Sammelstraßenfunktion für die angrenzenden Wohngebiete inne hat, führt die Straße B. nur in das Gebiet des Bebauungsplanes Nr. ... und kann allenfalls in das bis dahin noch nicht überplante Gebiet des Bebauungsplanes Nr. ... weitergeführt werden. Deshalb unterscheidet sich die Lage für das Grundstück der Antragsteller zu 1) und 2) nicht von der anderer Anlieger an der Straße B..

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Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.

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Der Bebauungsplan leidet entgegen dem Vorbringen der Antragsteller nicht an formellen Mängeln. Selbst wenn die Antragsteller während der frühzeitigen Bürgerbeteiligung im Januar 2003 nicht ausreichend zu Wort gekommen wären oder die dort vorgebrachten Argumente nicht ausreichend gewürdigt worden wären, würde dies nicht zu einem Formfehler führen. Der Rat der Antragsgegnerin hat bei seiner abschließenden Beschlussfassung die schriftlichen Einwendungen der Antragsteller und ihrer Nachbarn beachtet und, wie sich aus dem zur Anlage des Protokolls der Ratssitzung genommenen Beschlussvorschlag ergibt, auch in seiner Abwägung berücksichtigt. Im Übrigen hängt die Gültigkeit des Bebauungsplanes nicht davon ab, ob das Verfahren über die frühzeitige Bürgerbeteiligung richtig durchgeführt worden ist. § 3 Abs. 1 BauGB wird in § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht genannt.

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Der Plan ist jedoch nicht abwägungsgerecht. Nach § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen öffentliche und private Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Bei der Zusammenstellung und Gewichtung der abwägungserheblichen Belange sind alle der Planung zugrunde liegenden öffentlichen und privaten Interessen ebenso wie die entgegenstehenden zu berücksichtigen und entsprechend ihrer Bedeutung zu gewichtigen (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301).

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Die Antragsgegnerin hat in ihrer Beratung und Beschlussfassung zwar die Einwendungen der Anlieger der Straße Am B. zur Kenntnis genommen, in ihrer Abwägung allerdings allein darauf verwiesen, dass die geplante Erschließung des Baugebietes dem Zielkonzept von 1993 entspreche und darüber hinaus die Bewohner des Gebietes des Bebauungsplanes Nr. ... mit einer Erschließung über die Straße Am B. rechnen mussten, da die Verbindung zu dem östlich angrenzenden Baugebiet bereits in diesem Plan angelegt war. Nicht in ihre Abwägung eingestellt hat die Antragsgegnerin dagegen, welcher Lärm durch die Zunahme des Verkehrs zu erwarten ist und wie hoch die Zunahme des Verkehrs sein wird. Zwar kann die Berücksichtigung einer planbedingten Zunahme von Verkehrslärm entbehrlich sein, wenn die betroffenen Interessen nicht mehr als geringfügig betroffen sind (BVerwG, Beschl. v. 19.2.1992 - 4 NB 11/91 -, NJW 1992, 2844). Die Antragsgegnerin hat in diesem Zusammenhang aber weder das zu erwartende Verkehrsaufkommen noch eine etwa zu erwartende Zunahme des Lärmpegels konkret festgestellt und auf die Zumutbarkeit für die betroffenen Anlieger überprüft. Auf eine solche Feststellung konnte aber nicht allein im Hinblick auf die Tatsache, dass die Anlieger der Straße Am B. mit einer solchen Situation rechnen mussten, verzichtet werden. Immerhin ist im Vergleich mit dem derzeitigen Zustand mit einer Verdoppelung des Fahrzeugaufkommens zu rechnen. Aus dem Baugebiet Nr. ... werden etwa 33 Grundstücke über den B. erschlossen, deren Bewohner das Grundstück der Antragsteller zu 1) und 2) passieren. Das Grundstück des Antragstellers zu 3) dürften die Anlieger aus etwa 8 Grundstücken passieren, da dieses „am Ende“ des Baugebietes liegt. Im angegriffenen Bebauungsplan sind nach dem in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen Aufteilungsplan der Antragsgegnerin 31 Baugrundstücke vorgesehen. Davon grenzen maximal 7 Baugrundstücke unmittelbar an den S. Weg und 1 Baugrundstück unmittelbar an die Straße H. F. an. Folglich müssen 23 Grundstücke ausschließlich über die Straße Am B. erschlossen werden und damit die Grundstücke der Antragsteller passieren. Hinzu kommt, dass 6 Grundstücke für die Bebauung mit Doppelhäusern vorgesehen sind, was zu einer weiteren Erhöhung führt. Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Erhöhung des Lärmpegels geringfügig ist, jedoch sind insoweit keinerlei Überlegungen angestellt, so dass hierzu keine Erkenntnisse vorliegen. Die Tatsache, dass eine Erhöhung des Verkehrsaufkommens aufgrund der vorhandenen Planung zu erwarten war, kann zur Folge haben, dass die Abwägung gerechtermaßen zu einem Zurückstellen der Belange der betroffenen Nachbarn führt (BVerwG, Beschl. v. 18.3.1994 - 4 NB 24/93 -, BRS 56 Nr. 30). Diese Überlegung allein kann jedoch ein Zurückstellen der nachbarlichen Belange nicht schlechthin und einen Verzicht auf jede weitere Abwägung der betroffenen Interessen rechtfertigen. Denn das Gewicht des von den Antragstellern geltend gemachten Interesse bestimmt sich nicht allein von den konkreten Auswirkungen, welche eine Steigerung des Verkehrsaufkommens zur Folge hätte. Es kommt vielmehr auch darauf an, welches Gewicht den Gesichtspunkten zukommt, von denen sich die Antragsgegnerin bei der Wahl für die Plan gewordene Verkehrsführung hat leiten lassen. In diesem Zusammenhang fällt zu ihren Lasten unter anderem auf, dass der Bebauungsplan Nr. ... die Möglichkeit einer Anbindung des Plangebietes des Bebauungsplanes Nr. ... an die Straße „H. F.“ im Gebiet des Bebauungsplans Nr. ... ebenfalls vorsieht. Schon deshalb war für die Bewohner des Plangebietes des Bebauungsplans Nr. ... die ausschließliche Anbindung des neuen Gebiets an die Straße B. nicht als einzige Lösung vorhersehbar. Auch diese Alternative der Verkehrsführung hätte die Antragsgegnerin in ihrer Abwägungsentscheidung berücksichtigen müssen. Außerdem sind die Argumente, welche für die so großzügig dimensionierte Verkehrsbinnenfläche mit eingeschlossener Grünanlage streiten könnten, so gewichtig nicht. Ohne wesentliche Aufgabe des Plankonzepts könnte die Antragsgegnerin stattdessen den nach Norden weisenden Ast der neuen Erschließungsanlage in unveränderter Stärke und als Straße begradigt bis zum S. Weg durchführen und dabei auf diese platzartige Ausweitung verzichten.

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Das Verkehrskonzept von 1993, auf das sich die Antragsgegnerin in der Begründung zum Bebauungsplan bezieht, steht einer abweichenden Verkehrsführung nicht entgegen, denn von diesem ist die Antragsgegnerin bei der Aufstellung der übrigen Pläne für dieses Gebiet bereits abgewichen. Der Gesichtspunkt der Doppelerschließung von Grundstücken, der in den Beratungen über die Ausgestaltung der Binnenerschließung des Plangebietes eine gewichtige Rolle spielte, würde bei einer direkten Anbindung an den S. Weg ebenfalls nicht entgegenstehen. Die Verkehrsführung würde deshalb nicht in ihrem grundsätzlichen Konzept berührt. Der derzeit vorgesehene Fuß- und Radweg verbindet bereits den S. Weg mit der inneren Erschließungsstraße. Durch seinen Ausbau zu einer Straße würde sich die Erschließungslage der Grundstücke nicht wesentlich ändern. Die Aufteilung der Grundstücke wurde nicht in ihrem Grundgefüge verändert, da die an den Fuß- und Radweg angrenzenden Grundstücke zwar etwas verkleinert, aber damit nicht schlechthin wegen ihrer dann zu geringen Größe „unbebaubar“ würden. Auch der Verzicht auf eine ohne Verbindung zum S. Weg notwendige Wendeschleife und die damit verbundene Grünfläche liegt nicht außerhalb des Gesamtplanungskonzepts und kann im Rahmen einer sorgfältigen Abwägung mitbehandelt werden. Der Verzicht auf die Grünfläche könnte etwa im Hinblick auf eine Reduzierung der Gesamtstraßenfläche zu einem zusätzlichen „Bauplatz“ führen. Damit wäre beispielsweise eine Möglichkeit gegeben, eventuellen finanziellen Bedenken der Antragsgegnerin zu begegnen, die gegen den Ausbau der Fuß-/Radweg-Verbindung zum S. Weg als Straße sprechen könnten.

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Der Fehler im Abwägungsvorgang ist im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB a.F. beachtlich und offensichtlich, weil er sich aus dem Aufstellungsvorgang ergibt. Er ist auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Denn nach den Umständen des Falles bestand die Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin eine andere Variante der Planung mit der Anbindung an den S. Weg gewählt hätte.

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Die Regelung der inneren Erschließung des Baugebiets erweist sich dagegen nicht als bedenklich. Der Plan setzt zwar östlich der inneren Erschließungsstraße eine bebaubare Fläche fest, die nicht weiter durch Erschließungsstraßen aufgegliedert ist. Hierzu äußerte der Landkreis im Rahmen der Anhörung der Träger öffentlicher Belange mit Schreiben vom 17. Januar 2003 Bedenken. Dem erwiderte die Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme jedoch zu Recht, dass sie die Grundstücke selbst vermarkte und deshalb die Regelung der Zufahrten jeweils steuern könne. Im Hinblick auf die geringe Größe des Gebiets und damit die Zahl der über „private Zufahrten“ zu erschließenden Grundstücke sowie die schließlich im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens bestehende Kontrollmöglichkeit liegt darin kein Mangel.

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Bedenken hinsichtlich der Festsetzungen zum Lärmschutz gegenüber dem südlich des Baugebiets gelegenen Parkplatz der Diskothek bestehen nicht. Im Zuge des Planaufstellungsverfahrens ist von der Antragsgegnerin ein Lärmschutzgutachten eingeholt worden und in den Festsetzungen des Bebauungsplans umgesetzt worden. Zwar ist damit nicht die Lärmbeeinträchtigung für die Freiflächennutzung erfasst. Die Antragsgegnerin hat diesen Punkt jedoch in der Abwägung berücksichtigt und darauf verwiesen, dass die Freiflächennutzung in den Abendstunden nicht tangiert sei, weil die Lärmbeeinträchtigungen ausschließlich von der Parkplatznutzung ausgingen und diese erst in den frühen Morgenstunden zu erwarten sei. Dabei handele es sich um einen Zeitpunkt, zu dem mit einer Nutzung der Freiflächen nicht mehr zu rechnen sei, so dass Lärmschutz für die Schlafräume hier ausreichend sei. Diese Erwägungen rechtfertigen sich hier aus der besonderen Lage des Einzelfalls.