Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 01.09.2022, Az.: 7 U 274/22
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 01.09.2022
- Aktenzeichen
- 7 U 274/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 41905
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 22.04.2022 - AZ: 6 O 34/21
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 22. April 2022 gegen die Beklagte zu 2 durch Teil-Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Ihnen wird Gelegenheit zur Stellungnahme und zur eventuellen Rücknahme der Berufung aus Kostengründen bis zum 30. September 2022 gegeben.
Den Beklagten zu 1 und 3 wird eine Frist zur schriftlichen Erwiderung auf die Berufungsbegründung gemäß § 521 Abs. 2 ZPO bis zum 30. September 2022 gesetzt.
[Gründe]
I.
1. Bei den Ansprüchen der Kläger gegen die Beklagte zu 2 handelt es sich um einen von den Ansprüchen gegen die Beklagte zu 3 als Herstellerin des Motors und die Beklagte zu 1 als Verkäuferin rechtlich und tatsächlich abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst die Berufung hätte beschränken können. Den Ansprüchen liegt nicht derselbe Lebenssachverhalt zugrunde (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2021 - VIII ZR 378/19, juris Rn. 10 f.).
2. Nach vorläufiger Beurteilung liegen hinsichtlich der Beklagten zu 2 die Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vor, insbesondere hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
a) Die Kläger haben keinen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte zu 2.
aa) Sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 19 mwN).
bb) Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, juris Rn. 19).
cc) Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung kann auch durch mehrere Personen gemeinschaftlich (§ 830 BGB) in der Weise begangen werden, dass sie durch ihre jeweiligen Tatbeiträge - sei es auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten - an der Verwirklichung eines gemeinsamen Tatplans mitwirken. Die Voraussetzungen für eine gemeinschaftliche Begehung einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Danach verlangt die Beteiligung neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern; objektiv muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist. Für den einzelnen Beteiligten muss ein Verhalten festgestellt werden, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützt hat und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutsverletzung gerichteten Willen getragen war, wobei es auf die rechtliche Unterscheidung der Beteiligungsform nicht ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2019 - V ZR 244/17, BGHZ 221, 229 Rn. 46).
Da sich die ausdrückliche Verabredung der Beteiligten zu der Vornahme einer sittenwidrigen Handlung oder eine ausdrückliche Zusage eines Beteiligten zur Hilfeleistung nur ausnahmsweise feststellen lassen wird, genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast, wenn er ausreichende Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass eine derartige Abrede getroffen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2019 - V ZR 244/17, BGHZ 221, 229 Rn. 47).
dd) Nach diesen Grundsätzen ist weder eine eigene sittenwidrige Schädigung der Beklagten noch ihre Beteiligung an der von einer ihrer Tochtergesellschaften begangenen Handlung schlüssig dargelegt.
(1) Eine eigene vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Beklagten ist nicht ersichtlich. Die Beklagte ist weder Herstellerin des Motors noch des Fahrzeugs. Das Landgericht hat festgestellt (LGU 8 Abs. 2), dass es sich bei der Beklagten zu 2 um eine reine Holdinggesellschaft handelt, die das Basisfahrzeug weder entwickelt, produziert noch in den Verkehr gebracht habe. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO gebunden. Anhaltspunkte dafür, dass diese Feststellungen unrichtig wären, zeigt die Berufung nicht auf; solche Anhaltspunkte sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Vielmehr tragen die Kläger selbst vor, dass sich aus der EG-Übereinstimmungsbescheinigung ergebe, dass Hersteller des Basisfahrzeugs die Beklagte zu 3 sei. Letztlich sehen sie die Beklagte zu 2 nicht deshalb als Hersteller an, weil diese die Fahrzeuge tatsächlich produziere, sondern weil sie verantwortlich die Geschicke des Gesamtkonzerns lenke (GA I 106 f.). Dabei geht es jedoch nicht um die Frage, ob die Beklagte zu 2 das Fahrzeug selbst hergestellt und in Verkehr gebracht hat, sondern ob ihr das Handeln der Beklagten zu 3 zuzurechnen ist.
Auch aus der US-amerikanischen Anklageschrift oder dem Untersuchungsbericht des Kraftfahrtbundesamtes, in welchen die Beklagte als Herstellerin bezeichnet wird, geben nichts dafür her, dass die Beklagte an der Implementierung der Motorsteuerungssoftware in irgendeiner Weise beteiligt gewesen wäre. Denn eine Beschreibung des insoweit maßgeblichen Verhaltens der Beklagten findet sich nicht. So heißt es etwa in der Wiedergabe der Anklageschrift lediglich, dass F. Fahrzeuge hergestellt, importiert, verkauft, zum Verkauf angeboten, in den Verkehr gebracht, in die Vereinigten Staaten ausgeliefert oder importiert oder eine dieser Handlungen veranlasst habe. Damit ist lediglich der abstrakte Tatbestand umschrieben, nicht jedoch die konkreten Handlungen benannt, die allein eine Subsumtion ermöglichen. Nichts anderes gilt für die Angabe des Kraftfahrtbundesamtes. Dass die F. die Fahrzeuge nicht tatsächlich hergestellt hat, tragen die Kläger - wie bereits ausgeführt - selbst vor.
(2) Aber auch eine Beteiligung im Sinne von § 830 BGB an einer von der Beklagten zu 3 begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung ist im Ergebnis nicht schlüssig dargelegt. Die Kläger stützen ihren Anspruch darauf, dass Einsatz und Entwicklung der unzulässigen Motorsteuerung auf Weisung der F. erfolgt sei. Diese wollen sie im Wesentlichen daraus herleiten, dass Personenidentität der Vorstände bestanden und die Motorsteuerung bei allen Fahrzeugen des Konzerns Anwendung gefunden habe sowie aus der Selbstdarstellung der Beklagten, die sich nicht als reine Finanzholding aufführe. Anders als die Kläger meinen, trifft die Beklagte zu 2 weder die Beweislast noch auch nur eine sekundäre Darlegungslast in diesen Fragen. Diese setzt voraus, dass zumindest Anhaltspunkte bestehen, die eine Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen möglich erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 72/21, juris Rn. 21). Der Vortrag der Kläger erschöpft sich aber in Spekulationen und Mutmaßungen.
(a) Unbehelflich sind zunächst Ausführungen dazu, ob sich die Beklagte als reine Holding betätigt oder daneben andere Gesellschaftszwecke verfolgt. Insoweit haben die Kläger zwar vorgetragen, dass das tägliche Geschäft in bestimmten Staaten der USA von einem Konzernleitungsausschuss geführt worden sei, dem neben der F. auch Mitglieder der F. angehört hatten. Auch wird zitiert, dass die Beklagte die Fahrzeuge hergestellt oder in die USA importiert habe oder eine solche Handlung zumindest veranlasst habe. Für den europäischen und speziell den deutschen Markt besagt dies jedoch nichts. Insoweit meinen die Kläger lediglich, dass es auf der Hand liege, dass es einen solchen Konzernleitungsausschuss auch im Verhältnis zu anderen Tochtergesellschaften geben müsse. Zum Beleg dieser Annahme nehmen die Kläger auf die Konzernstruktur bei der Audi AG Bezug. Warum die Struktur einer fremden - noch dazu nach anderem (deutschen) Recht organisierten - Firma einen Schluss auf die Organisation der Beklagten ermöglichen soll, erschließt sich indes nicht.
(b) Auch aus den - in erster Instanz vorgelegten - Jahresberichten der Beklagten können die Kläger nichts zu ihren Gunsten herleiten. In diesen wird eine Übersicht des Gesamtkonzerns und der Beteiligung an sämtlichen Tochterfirmen gegeben. Dies besagt jedoch nichts über die Einbindung des Mutterkonzerns in Entscheidungen der einzelnen Tochterfirmen. Gleiches gilt für den EU Prospekt. Hingegen findet sich kein Vortrag dazu, dass die F. Entscheidungen hinsichtlich des Herstellungsprozesses für ihre Tochterfirmen getroffen oder zumindest beeinflusst hätte, was ein Anhaltspunkt für die angebliche strategische Manipulationsentscheidung darstellen könnte.
(c) Den Klägern hilft auch die Rechtsprechung zur konzernübergreifenden Haftung in VW-Fällen nicht weiter. In den dortigen Fällen sind sowohl die Mutter- als auch die Tochtergesellschaft Hersteller von Fahrzeugen. In Frage steht die Haftung für eine eigene Tat, die auch darin liegen kann, einen fremden Motor in dem eigenen Fahrzeug zu verbauen, wenn Kenntnis über die Implementierung unzulässiger Abschalteinrichtungen besteht. Darum geht es hier nicht. Wie ausgeführt stellt die Beklagte zu 2 weder Fahrzeuge noch Motoren her.
(d) Auf die Personenidentität der Vorstände kommt es nicht maßgeblich an. Diese ändert an der haftungsrechtlichen Trennung der verschiedenen Firmen nichts. Die Personenidentität stellt auch keinen Anhaltspunkt dafür dar, dass die strategische Entscheidung zur Verwendung - unterstellt - unzulässiger Abschalteinrichtungen bei der Beklagten getroffen worden wäre. So wird zwar zu einzelnen Vorstandsmitgliedern auf diverse Berichte verwiesen, wonach etwa M. eine ungewöhnlich große Machtfülle gehabt und zentrale Entscheidungen von ihm gefällt und umgesetzt worden seien. Dabei handelt es sich aber um eine bloße Wertung, konkreten Sachvortrag vermag sie nicht zu ersetzen. Die Kläger müssten vielmehr solche Entscheidungen der Organe der Beklagten zu 2 darlegen, die eine Einflussnahme auf strategische Entscheidungen bei der Beklagten zu 3 darstellen, insbesondere Einzelheiten der Fahrzeug- oder Motorenentwicklung betreffen. Daran fehlt es.
Daran ändert es auch nichts, dass verschiedene Personen - etwa S.K. - während ihrer Tätigkeit bei der Beklagten zu 3 für die Produktion der Fahrzeuge verantwortlich gewesen sein sollen. Selbst wenn dieser für die Implementierung von unzulässigen Abschalteinrichtungen verantwortlich war oder davon zumindest wusste - wofür die Kläger allerdings lediglich anführen, dass er der für die Produktion Verantwortliche gewesen sei; Vortrag zu konkreten Anhaltspunkten, die eine Kenntnis belegen könnten, haben die Kläger nicht gehalten -, folgt hieraus nichts für eine Tatbeteiligung der Beklagten zu 2. Im Gegenteil legen die Kläger damit dar, dass eine eventuelle Manipulation bereits vor dessen Wechsel zu der Beklagten zu 2 im Gange war. Einen Anhaltspunkt für eine Strategieentscheidung der Beklagten zu 2 ergibt sich hieraus, wie auch aus dem Vortrag zu den weiteren namentlich genannten Mitarbeitern, nicht. Auch insoweit halten die Kläger keinen Vortrag zu konkreten Anhaltspunkten für eine Kenntnis unzulässiger Abschalteinrichtungen.
b) Schadensersatzsprüche gegen die Beklagte zu 2 im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Fahrzeugerwerb auf anderer Grundlage als § 826 BGB kommen nicht in Betracht.
a) Insbesondere haftet die Beklagte mangels Täuschung und Stoffgleichheit nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 25 mwN).
b) Auch eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) 715/2007 scheidet aus. Das gilt auch in Ansehung der Schlussanträge des Generalanwalts R. vom 2. Juni 2022 in der Rechtssache C-100/21 (ECLI:EU:C:2022:420). Dabei kann offen bleiben, ob der hier gegen die Beklagte zu 2 erhobene Anspruch auf wirtschaftliche "Rückabwicklung" in den Schutzbereich der genannten Vorschriften in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG fällt. Der Generalanwalt schlägt vor, die Richtlinie 2007/46 dahin auszulegen, dass sie die Mitgliedstaaten verpflichtet, vorzusehen, dass ein Erwerber eines Fahrzeugs einen Ersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller hat, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist (Schlussanträge des Generalanwalts vom 2. Juni 2022 in der Rechtssache C-100/21, Rn. 65). "Hersteller" in diesem Sinne ist nach Art. 3 Nr. 27 Richtlinie 2007/46/EG die Person oder Stelle, die gegenüber der Genehmigungsbehörde für alle Belange des Typgenehmigungs- oder Autorisierungsverfahrens sowie für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich ist. Das ist, wie die Kläger unter Verweis auf die EG-Übereinstimmungsbescheinigung vortragen, nicht die Beklagte zu 2.
II.
Die Beklagte zu 3 wird darauf hingewiesen, dass eine etwaige Haftung aus §§ 826, 31 BGB nicht mit der Begründung verneint werden kann, die erteilte EG-Typgenehmigung bestätige verbindlich, dass unzulässige Abschalteinrichtungen nicht vorhanden seien. Die EG-Typgenehmigung entzieht die Frage, ob in der Motorsteuerung des Fahrzeugs der Kläger unzulässige Abschalteinrichtungen implementiert sind, entgegen ihrer und der Ansicht des Landgerichts nicht der Prüfung durch das Gericht. Die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde ist an der objektiven Rechtslage und nicht an der Bewertung der Behörde zu messen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 82). Die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG zulässig ist, unterliegt daher einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung ohne Bindung an eine Tatbestandswirkung (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 80-82; Beschlüsse vom 9. Mai 2022 - VIa ZR 312/21 und vom 23. Mai 2022 - VIa ZR 433/21, jew. juris).
Entgegen der Ansicht des Landgerichts trägt auch die Untätigkeit der italienischen Behörden keinen Rückschluss auf eine fehlende Täuschung im Genehmigungsverfahren. Zwar kann die nachträgliche Billigung durch die zuständige Behörde ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Hersteller - falls er die zugrundeliegende Rechtsauffassung teilte - ohne Bewusstsein der Rechtswidrigkeit und mithin nicht sittenwidrig gehandelt hat. Bei einer evident unzulässigen Abschalteinrichtung gilt dies jedoch nicht. Der Schluss auf ein im Hause des Herstellers vorhandenes Bewusstsein der Unzulässigkeit in Bezug auf eine Abschalteinrichtung ist bei evident unzulässigen Abschalteinrichtungen gerechtfertigt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 - VII ZR 252/20, juris Rn. 16). Denn die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände lagen offen zutage. Entlasten könnte dann - wenn überhaupt - nur eine ausdrückliche Anfrage unter genauer Darlegung der Funktionsweise vor oder bei Beantragung der Typgenehmigung, wozu die Beklagte keinen Vortrag gehalten hat.
III.
Die Beklagte zu 1 hat sich hinsichtlich des Vorhandenseins von unzulässigen Abschalteinrichtungen zulässigerweise mit Nichtwissen erklärt (GA I 146 f.). Entgegen ihrer Ansicht bietet der Vortrag der Kläger jedoch hinreichende Anhaltspunkte für die Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen. Insoweit dürfte der von den Klägern angebotene Beweis zu erheben sein.
Ausreichend ist der Vortrag auch hinsichtlich der Unmöglichkeit der Nacherfüllung. Mit Schriftsatz vom 23. Februar 2022 (GA II 287 ff.) haben die Kläger näher zur Unmöglichkeit der Nachlieferung sowie der Nachbesserung vorgetragen. Sie haben das Vorhandensein sowie die Tauglichkeit eines etwaigen Softwareupdates in Abrede genommen sowie ausgeführt, dass eine Umrüstung auf einen anderen Motor mit SCR-Katalysator aus baulichen Gründen bei dem Fahrzeug nicht möglich sei.
Insoweit genügt das Bestreiten der Beklagten nicht. Entgegen ihrer implizit geäußerten Auffassung beurteilt sich die Frage der Behebbarkeit eines Mangels nach den Erkenntnissen im Zeitpunkt des Rücktritts bzw. hier der Minderung (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 242/16, juris Rn. 14; sowie allgemein für den maßgeblichen Zeitpunkt für ein dauerndes oder vorübergehendes Leistungshindernis Urteil vom 4. Mai 2022 - XII ZR 64/21, juris Rn. 20). Auf welche Weise die von dem Kläger behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen - deren Vorhandensein vorausgesetzt - im Zeitpunkt des Minderungsverlangens behebbar gewesen wären, benennt sie jedoch nicht. Eine Erklärung mit Nichtwissen ist unzulässig, weil es ihren Pflichtenkreis aus § 439 BGB betrifft. Von der Beklagten ist - weil die Kläger mit der Unmöglichkeit eine negative Tatsache behaupten - ein qualifiziertes Bestreiten zu verlangen.