Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 22.09.2022, Az.: 5 U 142/21
Schadensersatzanspruch des Hauptunternehmers gegen den Subunternehmer wegen mangelhafter Werkleistungen; Ersatz eines Mangelfolgeschadens
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.09.2022
- Aktenzeichen
- 5 U 142/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 70793
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 08.07.2021 - AZ: 5 O 364/19
Rechtsgrundlagen
- § 631 BGB
- § 634 Nr. 4 BGB
- § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B
In dem Rechtsstreit
W. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer F.W., ...,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro W. & R., ...,
Geschäftszeichen: ...
gegen
R. GmbH + Co. KG, vertreten durch die R. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer
M. R., ...,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro G., H., B. & Partner, ...,
Geschäftszeichen: ...
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 24. August 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterinnen am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. Juli 2021 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Zinsausspruch teilweise geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 311.123,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Dezember 2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht als Hauptunternehmerin gegen die Beklagte, ihre Subunternehmerin, Schadensersatz mit der Behauptung geltend, wegen mangelhafter Werkleistungen der Beklagten habe sie sich mit ihrer Auftraggeberin, der Bauherrin, zur Abwendung von Gewährleistungsansprüchen vergleichsweise auf eine Zahlung von 300.000 € einigen müssen.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das landgerichtliche Urteil (Blatt 469 ff.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Verden, Aktenzeichen 5 O 364/19, teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 8. Juli 2021 (5 O 364/19) zurückzuweisen.
Die Beiakten 4 OH 9/15 Landgericht Verden lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf deren Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch - bis auf die Höhe des zuerkannten Zinssatzes - ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung der Vergleichssumme in Höhe von 300.000 € sowie der Gutachterkosten verurteilt.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz dieses Schadens gemäß §§ 631, 634 Nummer 4, 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B zu.
1.
Es handelt sich um einen Anspruch auf Ersatz eines Mangelfolgeschadens. Die Klägerin als Auftraggeberin hat gegen die Beklagte als ihrer Auftragnehmerin nicht nur einen (primären) Gewährleistungsanspruch wegen der Mängel am Gewerk selbst, sondern auch auf Ersatz des Schadens, der der Klägerin dadurch entstanden ist, dass sie sich mit ihrer Auftraggeberin wegen der mangelhaften Werkleistung der Beklagten vergleichsweise auf Zahlung von 300.000 € einigte.
a) Die Werkleistung der Beklagten war mangelhaft, § 633 Abs. 2 BGB.
aa) Dies nimmt die Beklagte dem Grunde nach nicht in Abrede, sondern wendet insoweit lediglich u.a. ein, es seien nicht sämtliche Flügel des Bauvorhabens betroffen, eine Sanierung aller Außenputzflächen gerade nicht erforderlich. Der Sachverständige habe das falsche Flächenmaß zugrundegelegt. Die Flächen des Bauteils F seien mangelfrei.
Auch der von ihr privat beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. O. kommt in seinen Stellungnahmen vom 2. und 3. März 2017, (Blatt 600 ff., 672 ff. d. BA) zu dem Ergebnis mangelhafter Leistungen, jedoch mit einem deutlich geringeren Sanierungsaufwand.
bb) Im Übrigen hat das Landgericht verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass die Leistung der Beklagten in großem Umfang mangelbehaftet ist [siehe dazu unten 1. c) bb) (1) und (2)]. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, denn es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit begründen.
b) Die Beklagte hatte ihr Nachbesserungsrecht verloren, bevor die Klägerin sich mit ihrer Bauherrin einigte. Bereits mit Datum vom 29. September 2014 (Blatt 27, 48 der Beiakten) setzte die Klägerin der Beklagten unter Hinweis auf bestimmte Mangelerscheinungen Fristen. Auch das Abnahmeprotokoll vom 9. Oktober 2014 enthält solche.
Angesichts des durchgehenden Bestreitens, ihre Leistungen zeigten (erhebliche) Mängel, wäre eine weitere Fristsetzung zudem reine Förmelei, § 281 Abs. 2, § 323 Abs. 2 Nummer 1, § 636 BGB.
c) Der Vergleichsschluss der Klägerin mit ihrer Auftraggeberin war - als durch die Mängel herausgeforderte, wirtschaftlich vernünftige Reaktion - angemessen und auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
aa) Bei der Frage, ob die Klägerin berechtigt ist, die aus dem Vergleichsschluss resultierenden Kosten an die Beklagte "weiterzugeben", ist auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses abzustellen. D.h., es ist zu fragen, ob der Entschluss der Klägerin, sich mit der Bauherrschaft zu einigen, adäquat kausal auf die Mängel an dem Gewerk der Beklagten zurückzuführen sind und der Vergleichsschluss nach dieser Maßgabe angemessen war. Es kommt mithin nicht im Einzelnen darauf an, ob und welche Flächen in welchem Maß (Oberputz oder auch Unterputz?) tatsächlich betroffen waren, welcher Beseitigungsaufwand tatsächlich erforderlich gewesen wäre und ob die Bauherrin die Mängel zwischenzeitlich tatsächlich hat beseitigen lassen oder dies nicht beabsichtigt.
Nach dieser Maßgabe ist die Klägerin berechtigt, sich wegen der gesamten Kosten des Vergleichs bei der Beklagten "schadlos" zu halten. Entscheidend ist, dass die Klägerin dieses Prozesses auf der Grundlage der im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten und Stellungnahmen davon ausgehen musste, die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen - die gesamte Fassade sei zu erneuern - hätten in einem streitigen Verfahren zwischen ihr und ihrer Auftraggeberin Bestand, und zwar gleichermaßen hinsichtlich der Feststellungen zu den Baumängeln als auch hinsichtlich der Höhe der Mangelbeseitigungskosten.
Eine solche Annahme der Klägerin war berechtigt. Eine Beweiserhebung darüber, dass die Mängel und damit die Sanierungskosten - angeblich - deutlich geringer ausgefallen wären, als dies der gerichtlich beauftragte Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren ermittelt hatte, wäre erst dann geboten, wenn sich aus Sicht der Klägerin dieses Prozesses etwa hätte aufdrängen müssen, dass die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen fehlerhaft gewesen wären. Dies ist jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil: Das Landgericht hat sich mit überzeugender, detaillierter und sorgfältiger Begründung den Feststellungen des Sachverständigen angeschlossen. Der Senat tritt diesen Erwägungen bei.
Unter Beteiligung der Beklagten (Streithelferin der hiesigen Klägerin) wurde in dem vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren (4 OH 9/15 LG Verden) umfangreich unter Beteiligung mehrerer Sachverständiger der Frage nachgegangen, ob und in welchem Umfang die Leistungen der hiesigen Beklagten mangelhaft sind und welcher Sanierungsaufwand erforderlich ist. Dem Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens hat die Klägerin nachvollziehbarer Weise entnommen, dass auch in einem Hauptsacheverfahren zwischen ihr und der Bauherrin festgestellt wird, dass die Leistungen der hiesigen Beklagten, und damit - im Verhältnis zur Haupt-Auftraggeberin - auch die Leistungen der hiesigen Klägerin in großem Umfang mangelhaft sind. Die Umstände, die zu einer solchen Einschätzung führen mussten, waren der Beklagten bekannt. Sie war nicht nur an dem selbständigen Beweisverfahren als Streithelferin beteiligt, unstreitig fanden nach der mündlichen Erläuterung der Gutachten am 8. Juni 2017 vor dem Landgericht Verden (Sitzungsprotokoll Blatt 788 ff der BA) auch Gespräche zwischen den Hauptbeteiligten statt, nämlich zwischen der Klägerin und der Haupt-Auftraggeberin einerseits und den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits andererseits zur Frage einer einvernehmlichen Erledigung.
bb) Abgesehen davon hätten die Einwendungen der Beklagten auch in der Sache keinen Erfolg:
(1) Das Landgericht hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass die Leistung der Beklagten gravierend mangelbehaftet ist, weil nicht nur der Oberputz die gerügten Erscheinungen aufweist, sondern auch die Gefahr besteht, dass der Unterputz - jedenfalls in Teilen - ebenfalls auszubessern ist. Der gerichtlich bestellte Sachverständige St. hat sich im selbständigen Beweisverfahren mit sämtlichen bis dahin geäußerten Einwendungen auseinandergesetzt, insbesondere auch mit denen aus dem Privatgutachten des Sachverständigen O.. Dessen Feststellungen waren (und sind) insgesamt nicht geeignet, die tragenden Erwägungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen zu erschüttern. Zum einen nennt der Sachverständige O. seine Feststellungen "einstweilig", zum anderen räumt er selbst ein, dass der von ihm vorgeschlagene Egalisierungsanstrich die Risse nur kaschiert. Darauf musste sich die Bauherrin nicht einlassen. Zudem entspricht ein solcher Anstrich nicht dem Vertragssoll.
Der gerichtlich beauftragte Sachverständige hat dagegen überzeugend ausgeführt, auch der Unterputz entspreche nicht den vertraglichen Vorgaben, er halte es gleichwohl nicht für ratsam, ihn komplett zu entfernen, weil dadurch weitere Probleme auftreten könnten.
Das Landgericht hat sich mit den Einwendungen der Beklagten detailliert, sorgfältig und plausibel auseinandergesetzt und nachvollziehbar ausgeführt, dass und warum es den Angaben des gerichtlich bestellten Sachverständigen St. folgt. Der Senat tritt den Erwägungen des Landgerichts bei.
(2) In dem selbständigen Beweisverfahren ist im Rahmen der mündlichen Erläuterung des Gutachtens (Sitzungsprotokoll vom 8. Juni 2017, Blatt 788 ff. BA = Blatt 174 ff.) ausdrücklich über die Fläche gesprochen worden; der Sachverständige nennt sie "genau genommen 3400 m2" (Blatt 177). Einen Vorhalt der Beklagten dazu gab es nicht und wäre auch näher zu erläutern gewesen, denn die Fläche ergibt sich aus dem Leistungsverzeichnis (3400 m2), das den Arbeiten der Beklagten zugrunde lag.
In ihrer Klageerwiderung, auf die die Beklagte sich in ihrer Berufungsbegründung bezieht, hat sie sich darauf beschränkt, (schlicht) zu bestreiten, dass die Mängel die Fassaden aller Flügel betreffen sollten. Eine Konkretisierung nimmt sie in der Klageerwiderung nicht vor, sondern wiederholt ihre Einwendungen aus dem selbständigen Beweisverfahren.
Das Landgericht hat den Vortrag der Beklagten hierzu in dem Schriftsatz vom 3. Juni 2021 (Blatt 417 ff.) zu Recht nicht berücksichtigt. Der Beklagten war Schriftsatznachlass gewährt worden auf neuen Vortrag der Klägerin in dem Schriftsatz vom 8. April 2021 (Blatt 320 ff.) Darin nimmt die Klägerin zu den Hinweisen des Landgerichts Stellung und wendet sich gegen den Vortrag der Beklagten, zum Beispiel zur Verjährung und zum Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens.
Die Beklagte versucht, den Schriftsatznachlass dazu zu verwenden, statt in der Klageerwiderung erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung konkrete Einwendungen gegen das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens vorzubringen. Dieses Vorhaben scheitert. Denn das zu Recht gemäß § 296 a ZPO zurückgewiesen Vorbringen ist "neu" im Sinne des § 531 Abs. 2 Nummer 3 ZPO. Warum es der Beklagten nicht hätte möglich sein sollen, ihre Einwendungen früher geltend zu machen, ist nicht dargetan.
Auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Präklusion von neuem Vorbringen nach vorangegangenem selbständigen Beweisverfahren möglich ist, kommt es hier nicht an, denn die Beklagte hat Einwendungen vorgebracht, die im Rahmen von Ergänzungsgutachten und einer mündlichen Erläuterung "abgearbeitet" wurden.
(3) Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte aufgrund der Interventionswirkung der Streitverkündung die Feststellungen im selbständigen Beweisverfahren (Aktenzeichen 4 OH9 /15, Landgericht Verden) gegen sich gelten lassen muss. Insoweit macht sich der Senat die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Verden im angefochtenen Urteil zu eigen, die die Beklagte mit der Berufung nicht weiter angegriffen hat.
cc) Entgegen der Ansicht der Beklagten stand dem Vergleichsschluss der Klägerin nicht die geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Frage, ob der Besteller wegen eines Mangels Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten fordern kann, entgegen.
Wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, drohte der Klägerin jedenfalls eine Inanspruchnahme auf einen Kostenvorschuss in Höhe von rund 330.000 € brutto. Die damit verbundene "Chance" der Klägerin, von der Bauherrin nachträglich eine Abrechnung über den Vorschuss verlangen zu können und auf einer Verwendung des Vorschusses für die Mangelbeseitigung binnen einer angemessenen Frist bestehen zu können, bewertet der Senat wirtschaftlich nicht als derart gewichtig, dass die Entscheidung der Klägerin, sich in einer Höhe von 300.000 € zu vergleichen, als unvernünftig anzusehen ist. Im Gegenteil bewahrte die Klägerin sich selbst (und im Ergebnis auch die Beklagte) durch den Abgeltungsvergleich zugleich auch vor etwaigen Nachforderungen.
Daneben hat die Klägerin hinreichend deutlich gemacht, dass von Seiten der Bauherrin zusätzlich ein deutlich höherer Schadensersatzanspruch drohte, nämlich neben den reinen Sanierungskosten der entgangene Gewinn, wenn während der Zeit der Sanierung das Gebäude nicht bewohnbar ist. Ob dabei die von der Bauherrin gegenüber der Klägerin behaupteten Erlösausfälle in einem Umfang von über 2 Million € zutreffend ermittelt waren, kann dahingestellt bleiben. Denn die Vergleichssumme liegt bereits unter den Bruttosanierungskosten und lediglich ca. 20.000 € über den vom Sachverständigen ermittelten Nettosanierungskosten in Höhe von 279.602 €. Dass tatsächlich während der Sanierung des Gebäudes, das als psychiatrische Klinik genutzt wird, ein vorübergehender Nutzungsausfall einzelner Flügel des Gebäudes drohte, war keineswegs von der Hand zu weisen und von der Klägerin bei den Vergleichsverhandlungen als ernsthafte weitere Schadensfolge zu berücksichtigen.
Im Ergebnis war es der Klägerin unter diesen Umständen nicht zuzumuten, gleichsam zugunsten der Beklagten einen teuren Prozess zu betreiben mit ungewissem Ausgang und dabei Gefahr zu laufen, außer den Sanierungskosten Prozesskosten und Mangelfolgeschäden ersetzen zu müssen.
Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es der Beklagten unbenommen war, den gesamten Kostenanfall dadurch zu verhindern, dass sie zeitnah nach den Mängelanzeigen ihre Leistungen sach- und fachgerecht nachbessert.
d) Soweit die Beklagte bestreitet, die Bauherrin habe von der Vergütung einen Betrag in Höhe von 300.000 einbehalten, hat auch dieser Angriff keinen Erfolg. Die Klägerin hat den schriftlichen Vertrag zwischen der Bauherrin und ihr zu den Einbehalten (Blatt 188 ff.) und den Vergleich (Blatt 200 ff.) vorgelegt. Für die Schadensberechnung ist es irrelevant, ob die Beklagte 300.000 € an die Bauherrschaft gezahlt hat oder ob sie in dieser Höhe keinen Werklohn erhalten hat. Die Beklagte behauptet nicht die Unechtheit dieser Urkunden, die damit die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit genießen. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass es sich bei diesen Vereinbarungen etwa um eine "schriftliche Lüge" handeln würde.
Die Beklagte ist auch dem Vortrag der Klägerin nicht entgegengetreten, dass die Parteien nach dem Erörterungstermin im selbständigen Beweisverfahren Vergleichsgespräche führten und zwar jeweils die Bauherrin mit der Klägerin und die Beklagte mit der Klägerin. Die Ausgangslage war der Beklagten damit bekannt, sodass konkretere Einwendungen erforderlich wären, um darzutun, dass und warum die 300.000 € sich entgegen den vertraglichen Vereinbarungen nicht auf die Putzarbeiten beziehen sollen.
e) Die von der Klägerin angesetzten Rechtsanwaltskosten sind nicht überhöht. Insoweit bezieht sich die Beklagte auf die Argumente in ihrer Klageerwiderung vom 16. März 2020 (Blatt 296). Hier differenziert die Beklagte jedoch nicht nach den einzelnen Rechnungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Anlagenkonvolut K 17 = Blatt 219 ff.). Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägervertreter Gebühren abgerechnet hätten, deren Gebührentatbestände nicht angefallen oder deren Streitwert überhöht wäre. Das hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, der Senat tritt den dortigen Erwägungen bei.
Auch mit dem Einwand, die Klägerin habe sich zu Unrecht auf eine Kostenaufhebung geeinigt, dringt die Beklagte nicht durch. Angesichts des drohenden Gesamtanspruchs, dem sich die Klägerin gegenübersah, ist die Kostenaufhebung nicht nur für die Klägerin, sondern - erst recht - für die Beklagte günstig.
2. Der Beklagten steht über den von der Klägerin bereits anerkannten Betrag in Höhe von 54.036,56 € kein weiterer Werklohn zu.
a). Ein solcher Anspruch war, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, in der Klageerwiderung nicht schlüssig dargetan. In ihrer Klageerwiderung behauptet die Beklagte schlicht eine noch offene Hauptforderung in Höhe von 83.197,88 €, ohne dies mit Tatsachenvortrag zu untermauern (Blatt 297). Da die Beklagte ausdrücklich erklärt hat, sie behalte sich die Möglichkeit einer etwaigen Aufrechnung vor (Blatt 298), muss sie eine solche im Anschluss ausdrücklich erklären, wenn der Vorbehalt entfallen und mit einem angeblich weiteren Werklohnanspruch aufgerechnet werden soll.
b). Zutreffend hat das Landgericht die weiteren Ausführungen zu einer offenen Restwerklohnforderung im Schriftsatz vom 3. Juni 2021 gemäß § 296a ZPO als präkludiert angesehen. Der Beklagten war zwar Schriftsatznachlass gemäß § 283 ZPO zu einem Schriftsatz der Klägerin vom 8. April 2021 gewährt worden; dieser Schriftsatz enthielt jedoch keine Ausführungen zur Gegenforderung der Beklagten. Das Vorbringen im nicht nachgelassenen Schriftsatz ist deswegen in der Berufungsinstanz als neues Vorbringen zu behandeln. Gründe für eine Zulassung des Vorbringens gemäß § 531 Abs. 2 ZPO sind nicht vorgetragen.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch weiterhin ein Großteil der geltend gemachten Positionen nicht hinreichend substantiiert dargetan ist: In den ersten beiden Positionen akzeptiert die Beklagte die Kürzungen. Hinsichtlich der Position 10.0240 legt die Beklagte nicht dar, welche Arbeiten zusätzlich auf Anordnung der Klägerin ausgeführt sein sollen. Die Stundenzettel liegen nicht vor. Um welche "zusätzlichen bzw. nochmaligen" Arbeiten es sich handeln soll, ist nicht zu verstehen. Bei einem "nochmaligen" Abkleben müsste dargetan werden, dass es sich nicht um Nachbesserungsarbeiten handelt, die nicht gesondert zu vergüten sind. Ohne Darstellung, um welche Arbeiten genau es geht, ist gerade nicht zu entscheiden, ob sie zu vergüten sind, weil der in Rechnung gestellte Umfang erforderlich war. Hinsichtlich der Positionen 10.02 51-10.02 57 hat die Klägerin ersichtlich den angesetzten Einheitspreis beanstandet. Dazu verhält sich der Vortrag der Beklagten jedoch nicht.
Zur Position 10.0258 soll eine Kostenbelastung "im Vertragsverhältnis mündlich besprochen" worden sein. Da der Vortrag diesbezüglich nicht nachgelassen war, handelt es sich um neuen Vortrag in der Berufungsinstanz und eine Aufrechnung ist an § 533 ZPO zu messen. Dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. Eine Zulassung ist gerade nicht sachdienlich, weil hierzu Beweis zu erheben wäre und der Rechtsstreit im Übrigen entscheidungsreif ist.
Zur Position 20.0 ist nicht dargetan, warum die Klägerin und die Bauherrin eine werksseitige Eintönung zusätzlich zu bezahlen hätten. Die Behauptung genügt nicht, es sei "im Vorhinein durch diverse Musterlegungen für die A. und das Krankenhaus entwickelt und festgelegt" worden.
In Position 6.1 macht die Beklagte entgangenen Gewinn wegen einer Reduzierung des Auftragsumfangs geltend und bezieht sich dabei auf eine Anlage B3 (Blatt 464), der man nichts dergleichen entnehmen kann. Im Übrigen gilt das soeben gesagte (§ 533 ZPO) entsprechend.
Dementsprechend fehlt auch jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin Verzugszinsen aus der Schlussrechnung der Beklagten schulden sollte.
3. Dass die Forderung der Klägerin nicht verjährt ist, greift die Beklagte mit ihrer Berufung nicht an. Die Ausführungen des Landgerichts hierzu treffen zu. Da die Parteien eine Verjährungsfrist von vier Jahre und zwei Monaten vereinbarten, die Abnahme in 2015 erfolgte und Klage bereits im Jahr 2019 erhoben wurde, kommt es auf die Hemmung durch die Streitverkündung im selbstständigen Beweisverfahren nicht mehr an. Im Übrigen hat das Landgericht zutreffend ausgeführt., dass §§ 66 ff ZPO auch für das selbständige Beweisverfahren gelten.
4. Da die Beklagte eine zulässige Berufung eingelegt hat, ist von Amts wegen zu beachten, dass die Zinsforderung der Klägerin nicht 9 Prozentpunkte über Basiszinssatz beträgt, weil es sich nicht um eine Entgeltforderung, sondern um einen Schadensersatzanspruch handelt (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 288 Rn. 8, § 286 Rn. 27). Es bleibt daher bei 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz.
Auf die Berufung der Beklagten war das landgerichtliche Urteil daher nur hinsichtlich der Höhe des Zinssatzes zu korrigieren und sie im Übrigen zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.