Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.09.2022, Az.: 6 W 100/22

Beschwerde gegen einen Ausschließungsbeschluss; Aufgebot zum Zwecke der Ausschließung von Nachlassgläubigern; Fehlende Angabe des Gericht als Adressat einer Anmeldung als schwerer Verfahrensfehler; Notwendiger Mindestinhalt eines Aufgebots

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.09.2022
Aktenzeichen
6 W 100/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 32161
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2022:0905.6W100.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Peine - 02.06.2022 - AZ: 18 II 39/21

Fundstellen

  • ErbR 2023, 227-228
  • FamRZ 2023, 1079
  • NJW-RR 2022, 1663
  • NJW-Spezial 2022, 680
  • ZEV 2023, 81-82

Amtlicher Leitsatz

Fehlt im Aufgebot entgegen § 434 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FamFG das Gericht als Adressat der Anmeldung, leidet das Aufgebot an einem schweren Verfahrensfehler und ist auf Beschwerde der Ausschließungsbeschluss mitsamt Aufgebot aufzuheben.

Der Hinweis im Aufgebot auf § 434 FamFG ist ungenügend.

Tenor:

Auf die Beschwerde wird der Ausschließungsbeschluss des Amtsgerichts vom 2. Juni 2022 einschließlich des diesem zugrunde liegenden Aufgebots vom 19. Januar 2022 aufgehoben.

Das Amtsgericht hat das Aufgebotsverfahren erneut durchzuführen.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 2 ist Rechtsanwältin und vom Amtsgericht zur Nachlassverwalterin bestimmt worden. Mit Schreiben an das Amtsgericht vom 15. November 2021 hat sie einen Antrag auf Aufgebot der Nachlassgläubiger und Erlass eines Ausschlussbeschlusses gestellt. Dem Antrag ist als Anlage 2 ein "Gläubigerverzeichnis bekannter Gläubiger" beigefügt. Unter der laufenden Nummer 10 ist die Beteiligte zu 1 mit einem Betrag von 18.978,79 € aufgeführt.

Unter dem 19. Januar 2022 hat das Amtsgericht das Aufgebot zum Zwecke der Ausschließung von Nachlassgläubigern erlassen. Darin heißt es:

"In der Aufgebotssache

(...)

hat die Antragstellerin als Nachlassverwalterin das Aufgebot zum Zwecke der Ausschließung von Nachlassgläubigern hinsichtlich des Nachlasses des (...) beantragt.

Die Gläubiger des vorbezeichneten Nachlasses werden gemäß §§ 434, 458, 459 FamFG aufgefordert,

spätestens bis zum 12.04.2022

ihre Rechte als Nachlassgläubiger anzumelden, da sie andernfalls von den Erben Befriedigung nur insoweit verlangen können, als sich nach Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger noch ein Überschuss ergibt. Das Recht, vor den Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnisse und Auflagen berücksichtigt zu werden, bleibt unberührt."

Das Aufgebot wurde öffentlich bekannt gemacht.

Unter dem 2. Juni 2022 erfolgte der Ausschließungsbeschluss. Die Beteiligte zu 1 ist in der Aufstellung der Gläubiger, die ihre Rechte angemeldet haben, nicht enthalten. Der Beschluss wurde der Beteiligten zu 1 unter dem 11. Juni 2022 zugestellt.

Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1, erhoben mit Anwaltsschriftsatz vom 4. Juli 2022. Nach Kenntnis von der Aufforderung zur Forderungsanmeldung habe sich eine Mitarbeiterin der Beteiligten zu 1 mit der Antragstellerin, der Beteiligten zu 2, telefonisch in Verbindung gesetzt.

Mit Beschluss vom 22. Juli 2022 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Eine Forderungsanmeldung der Beteiligten zu 1 sei bei Gericht nicht eingegangen. Adressat der Anmeldung sei das Gericht, welches das Aufgebot erlassen habe. Eine Anmeldung der Forderung an anderer Stelle und auch bei der Beteiligten zu 2 genüge nicht.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 58 FamFG statthaft (s. BT-Drucks. 16/6308 S. 295 re. Sp.) und zulässig. Sie ist auch begründet.

1. Allerdings verkennt die Beteiligte zu 1, worauf bereits das Amtsgericht insoweit zutreffend hingewiesen hat, dass die Anmeldung bei der Nachlassverwalterin ungenügend ist, sondern zwingend gegenüber dem Gericht zu erfolgen hat, § 434 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FamFG (s. a. Keidel-Zimmermann, FamFG, 20. Aufl., § 438 Rn. 2 und § 459 Rn. 1).

2. Es kommt darauf aber letztlich nicht an, weil das Aufgebot an einem schweren Verfahrensmangel leidet, der zur Aufhebung des Ausschließungsbeschlusses und weiter dazu führt, dass das Aufgebotsverfahren erneut durchzuführen ist (s. a. OLG Frankfurt, 20 W 360/16, Beschluss vom 6. März 2018; OLG Braunschweig, 3 W 68/21, Beschluss vom 26. Januar 2022, juris). Dass das Aufgebot mit zu überprüfen ist, ergibt sich schon daraus, dass das Aufgebot selbst als bloße Zwischenentscheidung nicht selbstständig anfechtbar ist, § 58 Abs. 2 FamFG.

Den zwingend notwendigen Mindestinhalt des Aufgebots ("In das Aufgebot ist insbesondere aufzunehmen...") bestimmt § 434 Abs. 2 Satz 2 FamFG. Dort geht es in Nr. 2 nicht nur, wie die Legaldefinition am Ende von Nr. 2 glauben machen könnte, um den Anmeldezeitpunkt. Dabei ist freilich einzuräumen, dass jedenfalls in erheblichen Teilen der Kommentarliteratur tatsächlich nur auf den Zeitpunkt und nicht auf den Adressaten als Inhalt von Nr. 2 eingegangen wird (so noch Keidel-Zimmermann, a. a.O., 19. Aufl., § 434 Rn. 11 (anders in der 20. Aufl.), ebenso MüKo-Dörndorfer, FamFG, 3. Aufl., § 434 Rn. 18; Bumiller-Harders-Schwamb, FamFG, 12. Aufl., § 434 Rn. 5; Haußleiter, FamFG, 2. Aufl., § 434 Rn. 6). Zum Mindestinhalt gehört vielmehr auch die Bestimmung des zutreffenden Adressaten der Anmeldung; in das Aufgebot ist zwingend auch aufzunehmen die Aufforderung, die Ansprüche und Rechte "bei dem Gericht" anzumelden.

Dieser Teil des Aufgebots ist nicht entbehrlich. Die Neuregelung des Aufgebotsverfahrens im FamFG sollte die Rechtsmittelmöglichkeiten verbessern (BT-Drucks. a.a.O.). Das Gegenteil geschieht, wenn den Betroffenen ungeachtet der weitreichenden Wirkung des Ausschließungsbeschlusses nicht klargemacht wird, dass die Anmeldung zwingend gegenüber dem Gericht stattfinden muss. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass Gläubiger geneigt sein können, eine Anmeldung gegenüber dem Antragsteller, hier der Nachlassverwalterin, als ausreichend anzusehen.

Die Formulierung im Aufgebot des Amtsgerichts ist ungenügend, weil dort lediglich auf § 434 FamFG, dessen Inhalt aber nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann, Bezug genommen ist.

Ein Blick in den Bundesanzeiger hat dem Senat dabei die Erkenntnis verschafft, dass es bei den Amtsgerichten keine einheitliche Praxis gibt. Meist wird der Adressat genannt, mitunter sogar mit der Anschrift des Gerichts. Andere Gerichte "verzichten" auf die Angabe des Gerichts als Adressaten, was insbesondere deswegen bedenklich erscheinen muss, weil insoweit meist Textbausteine zum Einsatz gelangen dürften mit der Folge, dass dann in allen Aufgebotsverfahren sich derselbe Mangel wiederholen dürfte.

3. Das Amtsgericht wird das Aufgebotsverfahren zu wiederholen haben. Soweit Gläubiger ihre Forderungen im Aufgebotsverfahren bereits angemeldet haben, bedarf es schon aus Gründen des Vertrauensschutzes keiner neuerlichen Anmeldung (ebenso OLG Frankfurt, a.a.O.).

III.

Für die erfolgreiche Beschwerde fallen Gerichtskosten nicht an (§ 25 Abs. 1 GNotKG).