Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 23.03.2011, Az.: 5 A 3663/09
Widerruf der Zulassung eines Krankenhauses als Weiterbildungsstätte; Krankenhaus als Weiterbildungsstätte für das Gebiet Neurologie bei tatsächlichem Schwerpunkt auf dem Gebiet Geriatrie
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 23.03.2011
- Aktenzeichen
- 5 A 3663/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 13450
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2011:0323.5A3663.09.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 NVwVG
- § 49 Abs. 1 VwVfG
- § 49 Abs. 2 S. 1 VwVfG
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf der Zulassung des von ihr betriebenen Krankenhauses als Weiterbildungsstätte für das Gebiet Neurologie.
Die Klägerin - eine AG - ist Trägerin der Psychosomatischen Fachklinik C.. Die neurologische Abteilung der im Herbst 1987 eröffneten Klinik ist nicht im D. Krankenhausplan aufgenommen.
Die Abteilung Neurologie hatte im Jahr 1988 eine Kapazität von 40 Betten. Die Krankheitsstatistik wies seinerzeit 338 ICD-Diagnosen im Bereich Neurologie auf. Die Abteilung für Neurologie der Fachklinik wurde mit Bescheid des seinerzeit zuständigen D. Sozialministers vom 31.08.1989 als Weiterbildungsstätte für Ärzte in dem Gebiet Neurologie zugelassen. In dem Bescheid wurde der Widerruf vorbehalten für den Fall, dass die an eine Weiterbildungsstätte für Ärzte zu stellenden Anforderungen, insbesondere die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 Heilkammergesetz a.F. - HKG -, nicht mehr gewährleistet seien. Die Abteilung Neurologie beschäftigt gleichzeitig bis zu drei Weiterbildungsassistenten.
Weiterbildungsermächtigter im Gebiet Neurologie im Umfang von sechs Monaten war seit 1989 Dr. med. E., seit 1998 die Neurologin F. und aufgrund des Antrages vom 19.06.2008 seit dem 07.05.2008 der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. G., wiederum im Umfang von sechs Monaten. Im Zusammenhang mit diesem Weiterbildungsermächtigungs-Erteilungsverfahren wurde von der Beklagten angekündigt, dass die Weiterbildungsstättenzulassung überprüft werde. Im Rahmen der Überprüfung legte die Geschäftsführung der Fachklinik mit Datum vom 27.05.2008 die Krankheitsstatistik 2006 vor und führte aus, dass im Jahr 2006 190 neurologische Fälle behandelt worden seien. Dabei habe es sich nicht um Nebendiagnosen, sondern um Krankheitsbilder gehandelt, die mit speziell zugeschnittenen Therapieprogrammen, beispielsweise aus dem Bereich der neurologischen Schmerztherapie oder Therapieprogrammen für neuro-orthopädische Erkrankungen, behandelt würden. Es seien 214 EEG-Untersuchungen durchgeführt worden. Pro Woche würden 3,7 Fälle mit neurologischen Krankheitsbildern behandelt. Ein besonderes Augenmerk liege auf der Durchführung einer adäquaten Pharma-Kotherapie, auch im Bereich der geriatrischen Syndrome. Es werde ein Schlaf-Apnoe-Screening inklusive MESAM-Untersuchung bereitgehalten. Verhaltensneurologische Grundlagen könnten sehr gut vermittelt werden. Bei den gelegentlich vorkommenden hereditären Krankheitsbildern könnten sicherlich auch Grundlagenkenntnisse im Gebiet gewonnen werden. In der Hirntoddiagnostik könnten theoretische Kenntnisse vermittelt werden. Gleiches gelte für die intensivmedizinische Basisversorgung.
Die Beklagte holte zu der Frage, ob die Voraussetzungen für die Zulassung als Weiterbildungsstätte (noch) vorliegen, eine Kurz-Stellungnahme von Dr. med.h. in I. vom 21.02.2009 und die ausführliche gutachterliche Stellungnahme des Professor Dr. med. J., vom 04.05.2009 ein. Der letztgenannte Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass die Zulassung der Klinik als Weiterbildungsstätte im Gebiet Neurologie unverzüglich widerrufen werden müsse, weil zahlreiche wichtige neurologische Weiterbildungsinhalte in der Fachklinik nicht vermittelt werden könnten.
Mit Bescheid vom 07.08.2009 widerrief die Beklagte die Zulassung der Abteilung für Neurologie der Psychosomatischen Fachklinik C. als Stätte für die Weiterbildung von Ärzten im Gebiet Neurologie mit der Begründung, die Zulassung setze voraus, dass Patienten in so ausreichender Zahl und Art behandelt würden, dass sich die Weiterzubildenden mit den typischen Krankheiten des Gebiets vertraut machen könnten, Personal und Ausstattung vorhanden seien, die den Erfordernissen der medizinischen Entwicklung Rechnung trügen und regelmäßig gebietsübergreifend beratende und unterstützende Tätigkeit ausgeübt werde. Seit der Zulassung der Weiterbildungsstätte im Jahr 1989 habe sich die Bettenzahl in der Abteilung Neurologie von 40 auf 20 halbiert. Bei den Patienten lägen lediglich 100 bzw. nach Angaben der Klägerin 190 Nebendiagnosen im Gebiet Neurologie im Jahr vor. Diese seien zum größten Teil der ambulanten Diagnostik zuzuordnen. Pro Woche würden nur drei bis vier Patienten neurologisch behandelt.
Die Begutachtung durch Professor K. habe ergeben, dass allenfalls im geringen Umfang primär neurologische Erkrankungen behandelt würden, im Übrigen lediglich Nebendiagnosen primär psychosomatischer Erkrankungen. Fast 80 Prozent des Krankenguts beträfen die Diagnosegruppen Kopfschmerz, Schlafapnoe und Wirbelsäulenerkrankung, während wichtige neurologische Krankheitsbilder wie Hirninfarkt, Hirnblutung, Meningoenzephalitis, Subarachnoidalblutung, Hirntumor, Sinusthrombose, Hydrozephalus und Polyradikulitis sowie Verletzung von Gehirn und Rückenmark vollständig fehlten und die Krankheitsbilder Multiple Sklerose, Morbus Parkinson und Polyneuropathie nur sehr vereinzelt vertreten seien. Die neurologische Intensivmedizin und die Hirntoddiagnostik fehlten in der Klinik und könnten nur theoretisch nicht erlernt werden. Die gebietsbezogene Tumortherapie, die Palliativmedizin, neurologisch-geriatrische Syndrome und die Grundlagen hereditärer Krankheitsbilder könnten gleichfalls praktisch in der Klinik nicht erlernt werden. Es fehlten wichtige neurologische Hilfs- und Funktionsuntersuchungen. 5 EMG-/NLG- und 5 Dopplersonographieuntersuchungen bei völligem Fehlen von EP-Untersuchungen seien absolut inadäquat. Für jede Methode müsse der Weiterbildungsassistent 200 selbstständige Untersuchungen nachweisen. Lumbalpunktionen, wovon 100 Untersuchungen nachzuweisen seien, kämen pro Jahr einmal in der gesamten Fachklinik vor. In der Neurosonographie könne der diagnostische Mindeststandard ohne Duplexsonographie ebenfalls nicht erlernt werden.
Die Zahl der behandelten Patienten und die Anzahl der Diagnosen seien bereits 1989 gering gewesen. Seither seien die Zahlen aber weiter zurückgegangen, was unter Ermessensgesichtspunkten für den Widerruf der Zulassung als Weiterbildungsstätte spreche. Für das Erreichen des Weiterbildungszieles sei eine hinreichende Strukturqualität erforderlich. Werde diese - wie hier - nicht gewährleistet, verliere die Facharztweiterbildung an Qualität, was sich zum Nachteil der Patienten auswirken und deren Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit tangieren könne. Es sei berücksichtigt worden, dass die Weiterbildungszeit auf nur sechs Monate befristet sei und die Weiterbildungsassistenten noch andere Klinikzeiten absolvierten. Eine so kurze Weiterbildungszeit mache aber nur Sinn, wenn in der Klinik Spezialkenntnisse vermittelt würden, welche die Weiterbildung abrundeten. Das sei bei den in der Statistik herausragenden Diagnosegruppen Kopfschmerz, Schlafapnoe und Wirbelsäulenerkrankung nicht der Fall, denn die Behandlung dieser Erkrankungen könnte auch in anderen Weiterbildungsstätten erlernt werden. Wegen der geringen Patientenzahl und der geringen Untersuchungszahlen sei es in der Klinik der Klägerin für die Assistenten nicht möglich, in den Untersuchungen Routine zu gewinnen. Es sei nicht sichergestellt, dass sie sich ganztägig mit neurologischen Fragestellungen beschäftigen könnten. Aus diesen Gründen habe der Vorstand der Beklagten den Widerruf der Zulassung der Weiterbildungsstätte beschlossen. Der Bescheid wurde am 10.08.2009 zugestellt.
Die Klägerin hat dagegen am 08.09.2009 Klage erhoben. Sie trägt vor, vor der Klageerhebung hätte ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden müssen. Die gutachterliche Stellungnahme des Professor K. beträfe eine Zulassung zur Weiterbildung im vollen Umfang, also für 60 Monate. An eine Weiterbildungsstätte, für die die Weiterbildungsermächtigung nur für sechs Monate erteilt werde, seien weniger strenge Maßstäbe anzulegen. Die Zulassung als Weiterbildungsstätte müsse jedenfalls für sechs Monate ausgesprochen werden und damit der Weiterbildungsermächtigung des die Weiterbildung durchführenden Arztes entsprechen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten über den Widerruf der Zulassung als Weiterbildungsstätte im Gebiet Neurologie vom 07.08.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert, eine zeitliche Verknüpfung der Ermächtigung zur Weiterbildung mit der Zulassung als Weiterbildungsstätte sei in L. nicht möglich, selbst wenn es eine derartige Verwaltungspraxis in anderen Landesärztekammern geben sollte. Es würden in der Klinik der Klägerin weder Patienten in ausreichender Zahl noch mit ausreichender Bandbreite an neurologischen Erkrankungen behandelt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge - Beiakten A - H -.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, ohne dass zuvor ein Vorverfahren durchzuführen war (§ 8 a Ab s. 1 Nds. AG). Sie ist aber nicht begründet.
Die Abteilung Neurologie des von der Klägerin betriebenen psychosomatischen Krankenhauses erfüllte zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung die Voraussetzungen für die Zulassung als Weiterbildungsstätte im Gebiet Neurologie nicht. Der Widerruf der Zulassung ist unter Ermessensgesichtspunkten rechtmäßig ergangen und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für den Widerruf der Zulassung der Abteilung Neurologie der Psychosomatischen Fachklinik C. als Weiterbildungsstätte ist § 1 Abs. 1 NVwVG i.V.m. § 49 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 VwVfG. Gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste. Bei der gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin erteilten Zulassung als Weiterbildungsstätte, für die im Jahr 1989 noch der Niedersächsische Sozialminister sachlich zuständig gewesen war, handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Der Widerruf darf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG erfolgen, wenn er durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Die Beklagte hat bei ihrer Ermessensentscheidung über den Widerruf der Stättenzulassung vom 07.08.2009 berücksichtigt, dass auch aufgrund des Widerrufsvorbehalts, wie er in dem Ausgangsbescheid enthalten ist, keine freie Widerruflichkeit des begünstigenden Verwaltungsakts vorliegt. Vielmehr muss dieser durch zulässige gesetzgeberische Ziele gerechtfertigt sein. Nur aus Gründen, die im Rahmen der Zwecke liegen, die in den Rechtsvorschriften vorgezeichnet sind, aufgrund derer der Verwaltungsakt erlassen wurde, kommt der Widerruf in Betracht (Kopp/Ramsauer, VwVfG, Komm. 10. A., § 49, Rdnr. 34). Außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, d.h. ein Widerruf ist rechtswidrig, wenn der Behörde auch ein milderes Mittel zur Verfügung steht (BVerwG, U. v. 16.09.1975 - I C 44.74 -, a. S. Bd. 49, 160, 168).
Die Weiterbildungsstättenzulassung vom 31.08.1989 enthält den Vorbehalt zum vollständigen oder teilweisen Widerruf für den Fall, dass die an eine Weiterbildungsstätte für Ärzte zu stellenden Anforderungen, insbesondere die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 HKG, nicht mehr gewährleistet sind. § 45 Abs. 3 HKG wurde mit Wirkung ab dem 30.06.1996 durch die sprachlich geringfügig abweichende, inhaltlich aber gleich gebliebene Regelung in § 48 Abs. 2 HKG ersetzt. Hiernach und nach § 7 der hierauf beruhenden Weiterbildungsordnung der Ärztekammer L. (WBO) ist - neben weiteren nicht streitigen Vorgaben - Voraussetzung für die Zulassung als Weiterbildungsstätte, dass 1. Patientinnen und Patienten in so ausreichender Zahl und Art behandelt werden, dass sich die Weiterzubildenden mit den typischen Krankheiten des jeweiligen Gebiets oder Teilgebiets vertraut machen können, 2. Personal und Ausstattung vorhanden sind, die den Erfordernissen der medizinischen Entwicklung Rechnung tragen, und 3. regelmäßig gebiets- oder teilgebietsübergreifend beratende und unterstützende Tätigkeit (sog. Konsiliartätigkeit) ausgeübt wird.
Die Beklagte hat unter Berücksichtigung des Gutachtens von Prof. K., Chefarzt der Abteilung Neurologie an der M., vom 04.05.2009 zu Recht angenommen, dass die in dem Widerrufsvorbehalt genannten Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Nr. 1 HKG (früher § 45 Abs. 3 Nr. 1 HKG) bei der Abteilung Neurologie der psychosomatischen Fachklinik C. nicht gegeben sind. Nach der Einschätzung des Gutachters behandelt die Klink nicht oder nur im geringen Umfang primär neurologische Erkrankungen. Dabei bezieht er sich auf die Krankheitsstatistik der Abteilung Neurologie aus dem Jahr 2006. Es gehe augenscheinlich um ein sehr spezielles, ausgewähltes Krankengut, denn fast 80% aller Fälle seien den Diagnosegruppen Kopfschmerz, Schlafapnoe oder Wirbelsäulenerkrankung zuzuordnen. Wichtige neurologische Krankheitsbilder und neurologische Notfälle wie Hirninfarkt, Hirnblutung, Meningoenzephalitis, Subarachnoidalblutung, Hirntumor, Sinusthrombose, Hydrozephalus und Polyradikulitits sowie Verletzungen von Gehirn und Rückenmark fehlten völlig. Multiple Sklerose, Morbus Parkinson oder Polyneuropathie kämen nur sehr vereinzelt vor. Daher könnten sich Weiterzubildende nicht mit den typischen Krankheiten des Gebietes Neurologie vertraut machen. Seit 1988 habe die Zahl neurologischer Diagnosen von 338 auf 190 weiter abgenommen. Auch sei die Zahl der Betten in der Neurologieabteilung von 40 auf 20 reduziert worden. Es könnten wichtige Weiterbildungsinhalte wie der Erwerb von Kenntnissen in der gebietsbezogenen Tumortherapie, der palliativmedizinischen Behandlung von Patienten, in der neurologischen Intensivmedizin und in der Hirntoddiagnostik nicht gelernt werden. Das beträfe auch Kenntnisse in neurologisch-geriatrischen Syndromen, in den Grundlagen hereditärer (vererblicher) Krankheitsbilder und der intensivmedizinischen Basisversorgung. Zudem könnten wichtige neurologische Hilfs- und Funktionsuntersuchungen nicht vermittelt werden. Insgesamt 5 EMG-/NLG- und 5 Dopplersonographieunteruschungen bei völligem Fehlen von EP-Untersuchungen seien für eine Weiterbildungsstätte absolut inadäquat. Für die wichtigste Hilfsuntersuchung in der Neurologie - die Lumbalpunktion - ergäben sich kaum Indikationen, sodass neurologische Punktionstechniken nicht erlernt werden könnten. Im Jahr 2006 sei in der gesamten Fachklinik nur eine Lumbalpunktion vorgenommen worden. Bei einer derart extrem geringen Untersuchungsfrequenz könnten wichtige Hilfs- und Funktionsuntersuchungen nicht einmal kennengelernt, geschweige denn erlernt werden. Auch in der Neurosonographie erfülle die Klinik, da sie die Duplexsonographie nicht anbiete, nicht den diagnostischen Mindeststandard.
Das Gutachten beruht auf einer eingehenden und nach bewährten wissenschaftlichen Methoden durchgeführten Beurteilung der Gegebenheiten, ist widerspruchsfrei, eindeutig und nachvollziehbar. Die Sachkunde des Verfassers als Chefarzt einer neurologischen Abteilung eines Akutkrankenhauses steht außer Zweifel und ist von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen worden. Die dagegen vorgetragenen Einwände überzeugen nicht. So hat Dr. med. G. für die Klägerin mit Schriftsatz vom 19.06.2008 zwar vorgetragen, dass es sich bei den 190 Diagnosen im Zeitraum 2006 keinesfalls um Nebendiagnosen gehandelt habe. Dem steht aber entgegen, dass Dr. med. G. im Rahmen seines Weiterbildungs-Ermächtigungsverfahrens auf die entsprechende Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 13.08.2007 erläutert hatte, es handele sich "grundsätzlich um Nebendiagnosen von hoher Wertigkeit mit speziell zugeschnittenen Therapieprogrammen, beispielsweise aus dem Bereich der neurologischen Schmerztherapien für neuro-orthopädische Erkrankungen." Allein diese hohe Wertigkeit der neurologischen Diagnosen hatte der Weiterbildungsbefugte Dr. med. G. mit seiner Einschätzung vom 19.06.2008 offenbar erneut zum Ausdruck bringen wollen, nicht hingegen aber die Krankheitsdiagnosen aus der Krankheitsstatistik 2006 von "Nebendiagnosen" zu "Primärdiagnosen" umstufen wollen. Denn er hatte sich auch in dem letztgenannten Schreiben auf die "speziell zugeschnittenen Therapieprogramme" berufen.
Des Weiteren hat die Klägerin im Rahmen der Überprüfung der Stättenzulassung darauf hingewiesen, dass im Jahr 2006 214 EEG-Untersuchungen durchgeführt worden seien, pro Woche 3,7 Fälle neurologischer Krankheitsbilder behandelt worden seien, bei neuroradiologischen und neuro-orthopädischen Fragestellungen die Zusammenarbeit mit der Abteilung des N. erfolge und eine Kooperation mit dem Rehabilitationszentrum O., stattfinde. Dabei könnten in regelmäßigen Fallbesprechungen unter Auswertung von Computertomographien und Kernspintomographien sehr gut Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten auf dem Gebiet der Neurologie vermittelt werden. Für den Erwerb von Kenntnissen u.a. in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen eigne sich die Psychosomatische Fachklinik C. in besonderer Art. Gleiches gelte für den Erwerb von Kenntnissen u.a. auf dem Gebiet der Sozialmedizin, für die Chefarzt Prof. Dr. med. P. eine einjährige Weiterbildungsermächtigung besitze und eine eigene Abteilung Sozialtherapie existiere. Auf eine adäquate neurologische Arzneimitteltherapie werde besonderen Wert gelegt. Das gelte auch für die adäquate Pharmakotherapie im Bereich der geriatrischen Syndrome. Im Bereich kognitiver Störungen oder bei Polyneuropathien könnten umfangreiche Kenntnisse gewonnen werden. Sie wies auf die Möglichkeit, Grundlagenkenntnisse im Bereich Schlaf-Apnoe-Screening inkl. MESAM-Untersuchung zu erwerben, hin. Für Grundlagen der Verhaltensneurologie und der medizinischen Neuropsychologie eigne sich die Klinik in besonderer Weise. Sonstige Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten, z.B. in der gebietsbezogenen Tumortherapie, palliativmedizinischen Betreuung, bei hereditären Krankheitsbildern, in der intensivmedizinischen Basisversorgung, könnten theoretisch vermittelt werden.
Diese Einlassung der Klägerin steht mit der Begutachtung des Prof. K. über die Eignung der Abteilung Neurologie der Fachklinik C. als Weiterbildungsstätte für die Facharztkompetenz Neurologie nicht im Widerspruch. Die neurologische Abteilung der Klinik vermag nach der Einschätzung des Gerichts neurologische Kenntnisse im Zusammenhang mit psychosomatischen Erkrankungen durchaus zu vermitteln; sie mag hierzu sogar im besonderen Maße geeignet sein, wie die Klägerin hervorhebt. Im Hinblick auf diesen Schwerpunkt der Klinik, die sich als "Spezialklinik für Verhaltenstherapie" bezeichnet, hat die neurologische Abteilung aber offenbar kaum mehr als Assistenz- und Konsiliarfunktion für die anderen Abteilungen. Das folgt aus der Krankheitsstatistik für das Jahr 2006, die lediglich neurologische Nebendiagnosen aufführt, aber auch aus den Angaben auf der homepage der Klägerin über die Fachklinik Q. Ein neurologischer Arbeitsbereich ist hierin nicht ausdrücklich erwähnt und es sind, worauf auch Prof. K. in seinem Gutachten hingewiesen hat, so gut wie keine neurologischen Erkrankungen im Behandlungsangebot aufgeführt. Neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose werden laut Krankheitsstatistik 2006 lediglich vereinzelt und als Nebendiagnose behandelt.
Die Einschätzung der Beklagten, dass die Abteilung aufgrund dieser sehr eingeschränkten neurologischen Fragestellung in dem breiten Spektrum neurologischer Erkrankungen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten weitgehend nur theoretisch und damit entgegen § 48 Abs. 2 Nr. 1 HKG (§ 45 Abs. 3 Nr. 1 HKG alt) praktisch gerade nicht vermitteln kann, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Es ist nicht sichergestellt, dass eine Weiterbildungsassistentin oder ein Weiterbildungsassistent sich ganztägig mit neurologischen Fragestellungen beschäftigten kann und in den für das Gebiet unabdingbaren Untersuchungen Routine gewinnen kann. Die Kurzbeurteilung des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychologie Dr. med. R. vom 21.02.2009, wonach 90% der aufgelisteten Fälle dem ambulanten Sektor, und zwar neurologisch-psychiatrischen Praxen zuzuordnen seien, steht der Einschätzung inhaltlich nicht entgegen. Dabei streitet nicht zugunsten der Klägerin, dass die Weiterbildungsassistenten für den Erwerb des Facharztes für Neurologie noch weitere Weiterbildungsstationen durchlaufen, sie für die Zulassung zur Facharztprüfung insgesamt 60 Monate Weiterbildungszeit aufweisen müssen, und zwar mindestens 24 Monate stationärer neurologischer Patientenversorgung und zusätzlich mindestens sechs Monate intensivmedizinischer Versorgung neurologischer Patienten (Abschn. B Nr. 19 WBO vom 27.11.2004, in Kraft am 01.05.2005, zul. geänd. zum 01.02.2010). Denn es wäre nicht ausgeschlossen, dass auch andere Weiterbildungsstätten, bei denen die grundlegende Eignung zur Weiterbildung aufgrund eines (nur noch) stark eingeschränkten Weiterbildungsspektrums in Frage steht oder nur noch grenzwertig vorhanden ist, von Ärzten im Rahmen ihrer Weiterbildung durchlaufen würden und damit die Qualität der Facharztausbildung insgesamt Schaden nehmen könnte - oder aber die Prüfungsreife der Facharztkandidaten nicht erreicht würde, was ihr Recht auf Chancengleichheit nach Art. 3 GG tangieren könnte. Schließlich könnte dies die für Weiterbildungsassistenten nachteilige Folge haben, dass die vorgeschriebene Weiterbildungszeit verlängert werden müsste, weil die spezifisch neurologischen Richtzahlen für die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden innerhalb der Weiterbildungszeit nicht erreicht werden konnten.
Es kann offen bleiben, ob der Ausgangsbescheid nicht bereits von Anfang an rechtswidrig war, weil auch im Jahr 1989 nach Maßgabe der vorgelegten Krankheitsstatistik 1988 nur ein eingeschränktes neurologisches Patientengut vorhanden war, wenngleich die seinerzeit doppelt so hohe Bettenzahl in der neurologischen Abteilung der Klinik und die wesentlich höhere Diagnosezahl, die seinerzeit (wohl) Primärdiagnosen beinhaltete, dagegen sprechen könnten. Das bedarf keiner Entscheidung, weil auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt widerrufen werden kann (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Komm. z. VwVfG, 7. A., § 49 Rdnr. 6).
Die Beklagte hat in ihre Ermessenserwägungen eingestellt, dass die Weiterbildungszeit auf sechs Monate befristet ist und die Weiterbildungsassistenten noch an andere Kliniken wechseln müssen. Sie hat dazu ausgeführt, dass eine so kurze Weiterbildungszeit aus Bildungsgesichtspunkten allenfalls dann Sinn macht, wenn in der Klinik Spezialkenntnisse vermittelt werden, welche die Weiterbildung abrunden. Die drei in der Krankheitsstatistik dominanten Diagnosegruppen könnten auch in anderen Weiterbildungsstätten erlernt werden. Aus diesen Ausführungen ergibt sich allerdings nicht eindeutig, ob damit von der Beklagten die Möglichkeit der Begrenzung der Zulassung der Fachklinik als Weiterbildungsstätte im Gebiet Neurologie auf sechs Monate geprüft wurde oder ob generell die Eignung der - aus der Sicht der Beklagten unzureichenden - neurologischen Abteilung zur als Weiterbildungsstätte geprüft und verneint wurde. Das bedarf indes keiner weiteren Abklärung, denn eine Begrenzung der Zulassung auf einen Zeitraum von sechs Monaten kommt aufgrund der Rechtsnatur der Zulassung und der Gesetzessystematik in § 48 HKG ohnehin nicht in Betracht.
Weiterbildungsstätten sind gemäß § 37 Abs. 3 HKG (auch § 7 WBO) u.a. die als Weiterbildungsstätten zugelassenen Einrichtungen der medizinischen Versorgung, über deren Zulassung die Ärztekammer entscheidet. Sie können zugelassen werden, wenn sie die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 und 3 HKG für ein Gebiet oder Teilgebiet erfüllen. Es handelt sich bei der Zulassung um einen an den Krankenhausträger gerichteten Dauerverwaltungsakt, der von einem Trägerwechsel unabhängig ist. Voraussetzung einer Zulassung als Weiterbildungsstätte ist, dass die Weiterbildung grundsätzlich möglich ist, d.h. dass die Einrichtung in einem Gebiet oder einem Teilgebiet zumindest eine Grundqualität aufweist, welche generell hinreichende ganztägige Weiterbildungsmöglichkeiten eröffnet. Liegt diese und liegen auch die in § 48 Abs. 3 HKG aufgeführten weiteren Voraussetzungen vor, erfolgt regelmäßig eine zeitlich unbefristete Zulassung. Nur wenn die Weiterbildungsstätte offenkundig nur für eine bestimmte Zeit betrieben wird, z.B. die Schließung einer entsprechenden Krankenhausabteilung abzusehen ist, kann im Einzelfall eine Befristung zulässig sein (Narr, Ärztliches Berufsrecht, Bd. 1, W 129 und W 132), nicht hingegen wegen der nur eingeschränkten Weiterbildungsmöglichkeit.
Die Weiterbildungsmöglichkeit bedarf der Konkretisierung im Ermächtigungsverfahren (Befugnisverfahren). Diese Trennung in den §§ 48, 49 HKG erscheint sinnvoll, weil die Verantwortung für die Ausstattung der Weiterbildungsstätte im stationären Bereich in erster Linie beim Krankenhausträger und nicht bei dem weiterbildungsbefugten Arzt liegt. Die Zulassung als Weiterbildungsstätte ist, da sie die generelle Eignung der jeweils betroffenen Einrichtung zur Weiterbildung von Ärzten betrifft, nicht jedoch die Ausbildungskapazität der Einrichtung, der Ermächtigung gegenüber vorgreiflich (hierzu neigend auch Hess VGH, U. v. 12.03.1996 - 11 UE 2853/94 -, Nr. 27, 31, NJW 1997, 1653-1665). Sind Patientendurchgang und / oder personelle und apparative Ausstattung nur eingeschränkt vorhanden, kann dieses Problem dadurch gelöst werden, dass die Zulassung als Weiterbildungsstätte für mehrere Einrichtungen gemeinsam erteilt wird, wenn diese die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 HKG nur gemeinsam erfüllen (§ 48 Abs. 4 HKG).
Da eine Schließung der Abteilung Neurologie der Psychosomatischen Fachklinik C. nicht im Raum steht, kommt eine zeitliche Begrenzung der Stättenzulassung nicht in Betracht. Ein teilweiser Widerruf der Stättenzulassung brauchte daher in die Ermessenserwägungen der Beklagten nicht einbezogen zu werden. Auch war eine Zulassung als Weiterbildungsstätte für mehrere Einrichtungen nicht Gegenstand der Widerrufsentscheidung.
Die Beklagte hat bei ihrer Ermessensentscheidung Vertrauensschutzgesichtspunkte der Klägerin zwar nicht ausdrücklich mit einbezogen. Gleichwohl ist die Entscheidung rechtmäßig, da - wie ausgeführt - die tatsächlichen Voraussetzungen für die Zulassung als Weiterbildungsstätte nicht mehr vorliegen. Der von der Beklagten herangezogene rechtliche Gesichtspunkt des Verlustes der Qualität der Facharztweiterbildung bei einer nicht mehr vorliegenden generellen Weiterbildungseignung in einem Gebiet ist ein rechtlicher Belang von einem herausragenden Gewicht. Er tangiert die Grundrechte künftiger Patienten auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und führt dazu, dass eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben ist, d.h. die Stättenzulassung widerrufen werden musste.
Da die Widerrufsvoraussetzungen für die Stättenzulassung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO nach Maßgabe des im Ausgangsbescheid enthaltenen Widerrufsvorbehalts vorliegen, kann offenbleiben, ob nicht auch die Widerrufsvoraussetzungen nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG - Widerruf eines Verwaltungsakts wegen geänderter Sach- und Rechtslage - gegeben sind. Der Prüfung, ob der Bescheid ursprünglich rechtmäßig war und nachträglich wegen Wegfalls der Voraussetzungen für die Zulassung als Weiterbildungsstätte rechtswidrig geworden ist, bedarf es daher nicht.
Die Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG wurde gewahrt, da erst nach vollständiger Kenntnis aller Tatsachen von der Rechtswidrigkeit des Bescheides die Frist in Lauf gesetzt wird (grundlegend Beschluss des Großen Senates des Bundesverwaltungsgerichts v. 19.12.1984 - 1.84 und 2.84 -, BVerwGE 70, 356 und [...]; Kopp/Ramsauer, Komm. z. VwVfG, 10. A., § 49, Rdnr. 59). Dieser Zeitpunkt lag erst vor, als das Gutachten des Prof. K. vom 04.05.2009 vorlag und der Beklagten die Defizite der Weiterbildungsmöglichkeiten in der Abteilung Neurologie in der Psychosomatischen Fachklinik C. eindeutig und nachvollziehbar vor Augen geführt worden waren.