Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.03.2011, Az.: 10 A 4180/09

Alarmanlage; Alarmierung; Fehlalarm; Gleichheitssatz; Kostenschuldner; Verfassungsmäßigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.03.2011
Aktenzeichen
10 A 4180/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45106
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Kosten eines Polizeieinsatzes aufgrund eines Fehlalarms.

Die Klägerin ist Halterin eines PKW VW Touran mit dem amtlichen Kennzeichen …... Am 31.03.2009 gegen 23:30 Uhr meldete ein Anwohner der (A) Straße in (B) bei der Polizei einen akustischen Alarm an dem PKW. Als zwei Polizeibeamte bei dem PKW eintrafen, fanden sie den Fahrer, Herrn (C), vor, der angab, der Alarm sei durch einen technischen Defekt ausgelöst worden.

Nach Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte von der Klägerin mit Bescheid vom 31.08.2009 auf Grundlage des Kostentarifs Nr. 108.1.3.2.1 der Anlage zur Allgemeinen Gebührenordnung für das ungerechtfertigte Alarmieren der Polizei durch eine Überfall- und Einbruchmeldeanlage mit Fahrzeugeinsatz am 31.03.2009 um 23:30 Uhr Gebühren in Höhe von 112 EUR.

Die Klägerin hat am 30.09.2009 Klage erhoben. Sie macht zum einen geltend, die Alarmierung sei nicht durch eine Alarmanlage erfolgt, sondern durch eine unbeteiligte Person; es sei also der Kostentarif 108.1.3.1.1 anzuwenden. Im Übrigen begegne es erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Kostentarif 108.1.3.2.1 nicht nach je angefangener halber Stunde differenziere und nicht dem Kostentarif für Fälle der unberechtigten Alarmierung durch eine Person entspreche. Zum anderen trägt die Klägerin vor, der Fahrer des PKW, Herr (C), habe nach der Alarmauslösung telefonisch die bereits von dem Anwohner benachrichtigte Polizei davon informiert, dass er sich wieder bei dem PKW befinde und keine Polizeibeamten kommen müssten. Die dennoch eintreffenden Beamten habe er auf seinen Anruf verwiesen, worauf einer der Polizisten sinngemäß geantwortet habe, es habe sich dann ja erledigt; es werde nichts weiter kommen. Damit habe der Beamte konkludent erklärt, es würde keine Gebührenerhebung folgen. Hierauf habe sie sich verlassen und den elektronischen Speicher der Alarmanlage nicht rechtzeitig auslesen lassen. Eigene Feststellungen hätten die Beamten nicht getroffen. Der Alarm an dem PKW sei leicht auszulösen, es reiche bereits ein Rütteln am Fahrzeug.

Die Klägerin beantragt,

den Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 31.08.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und erwidert, die Klägerin habe als Anlagenbetreiberin das Einschreiten der Polizei i.S.d. § 5 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes veranlasst. Ob der Polizeieinsatz konkret nützlich gewesen sei, sei unerheblich. Als Veranlasserin habe die Klägerin die Kosten des Polizeieinsatzes zu tragen; es bestehe nach § 1 NVwKostG eine Kostenerhebungspflicht, so dass eine Ermessenentscheidung nicht möglich sei. Die Gebührenhöhe sei durch den Verordnungsgeber vorgegeben und auf 112 EUR für jedes eingesetzte Fahrzeug festgesetzt. Die Gebührenbemessung erfolge als Durchschnitt der entstehenden Kosten bei einer vergleichbaren Art von Fällen. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung würden nicht die Kosten eines einzelnen Einsatzes konkret ermittelt. Würden die Kosten genau ermittelt, würde der hierdurch erforderlicher Mehraufwand zu einer höheren Gebührenbelastung führen. Von einer überhöhten Forderung könne daher nicht ausgegangen werden.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung sind die §§ 1, 2, 5 Abs. 1, 13 und 14 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes (NVwKostG) i.V.m. § 1 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (AllGO) und der Tarifstelle Nr. 108.1.3.2.1 der Anlage zur AllGO in der zur Vorfallszeit gültigen Fassung. Danach waren zum Zeitpunkt des Polizeieinsatzes am 31.03.2009 für das ungerechtfertigte Alarmieren der Polizei durch eine Überfall- oder Einbruchmeldeanlage mit Fahrzeugeinsatz für jedes eingesetzte Fahrzeug Gebühren in Höhe von 112,00 EUR zu erheben.

Die Beklagte ist von der zutreffenden Tarifstelle in der zur Vorfallszeit gültigen Fassung der Anlage zur AllGO ausgegangen. Hier wurde zwar die Polizei durch eine natürliche Person angerufen, die den Alarm am PKW der Klägerin gehört hatte, die Person reagierte damit aber nur auf das akustische Signal der Alarmanlage und brachte dieses der Polizei zur Kenntnis. Nach Buchstabe a) der Anmerkung zur Tarifstelle Nr. 108.1.3 der Anlage zur AllGO richtet sich die Gebühr nach der Tarifstelle Nr. 108.1.3.2, wenn lediglich das Auslösen einer Alarmanlage mitgeteilt wird. Diese Regelung ist nicht zu beanstanden. Der Sachverhalt ist nämlich nicht anders zu bewerten als der Fall, in dem die Alarmanlage direkt mit der Polizei verbunden ist - was bei Anlagen an Immobilien nicht selten ist - oder in dem die Polizei etwa bei einer Streifenfahrt den Alarm bemerkt. Denn es fehlt an einer im Fall einer Alarmierung durch eine Person i.S.d. Tarifstelle Nr. 108.1.3.1 typischen eigenen Wertung des Gesamtsachverhalts. Über den Grund dafür, dass die Alarmanlage ausgelöst wurde, kann die Person regelmäßig keine Auskunft geben; sie meldet letztlich nur, dass sie ein Signal der Anlage bemerkt hat.

Auch konnte die Beklagte von einem ungerechtfertigten Alarm ausgehen. Es kommt nicht darauf an, ob die Polizeibeamten eigene Feststellungen zur Ursache des Alarms getroffen haben. Nach Buchstabe b) der Anmerkung zur Tarifstelle Nr. 108.1.3. ist eine Alarmierung in den Fällen des 108.1.3.2 ungerechtfertigt, wenn die Polizei keinen Grund für ein polizeiliches Einschreiten feststellt, es sei denn, die oder der Verfügungsberechtigte weist Tatsachen nach, die die Annahme rechtfertigen, dass die Alarmauslösung berechtigt war. Eine solche Umkehr der Beweislast ist nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.08.1991 - 8 C 37/90 - Juris). Vorliegend hat die Klägerin keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der Alarm berechtigt war. Das Gegenteil ist der Fall; sie hat nämlich geltend gemacht, die Alarmanlage werde schon durch ein bloßes Rütteln an dem Fahrzeug ausgelöst. Soweit ihr Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, die Klägerin habe die Ursache des Alarms nicht ermitteln können, weil sie den elek-tronischen Speicher der Alarmanlage wegen der Auskunft der Einsatzbeamten, die Sache sei erledigt, nicht rechtzeitig habe auslesen lassen, ist schon nicht dargetan und erkenntlich, welche Ergebnisse ein Auslesen des Speichers gebracht hätte und ob diese im konkreten Fall geeignet wären, den Beweis eines berechtigten Alarms zu führen. Im Übrigen begründete dieser Vortrag allenfalls einen Amtshaftungsanspruch, der aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Der streitgegenständliche Bescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Tarifstelle Nr. 108.1.3.2.1 gegen höherrangiges Recht verstößt und deshalb nichtig ist.

Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Tarifstelle Nr. 108.1.3.2.; insbesondere verstößt die Tarifstelle nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet es der allgemeine Gleichheitssatz, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln (BVerfGE 74, 9, 24 [BVerfG 18.11.1986 - 1 BvL 29/83]), und verpflichtet die Grundrechtsadressaten, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Verschiedenheit und Eigenart ungleich zu behandeln (so bereits BVerfGE 1, 14, 52 [BVerfG 23.10.1951 - 2 BVG 1/51]; st. Rspr.). Behandelt der Gesetzgeber Sachverhalte ungleich, verlangt der Gleichheitssatz, dass eine daraus folgende unterschiedliche Behandlung von Personengruppen sich sachbereichsbezogen auf einen vernünftigen oder sonst wie einleuchtenden Grund von hinreichendem Gewicht zurückführen lässt (BVerfGE 103, 310, 318, m.w.N.). Insbesondere bei Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber auch befugt, zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren, ohne allein wegen damit verbundener Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (BVerfGE 103, 310, 319, m.w.N.). Eine Typisierung genügt allerdings nur dann dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wenn mit ihr verbundene Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 103, 310, 319 [BVerfG 04.04.2001 - 2 BvL 7/98], m.w.N.).

Ein sachlicher Grund, zwischen einer Alarmierung durch eine Person und einer Alarmierung durch eine Alarmanlage zu differenzieren, wie es der Verordnungsgeber mit den Tarifstellen Nr. 108.1.3.1 und Nr. 108.1.3.2 tut, liegt schon darin, dass die Fehleranfälligkeit von Alarmanlagen hoch ist und es aus diesem Grund zu zahlreichen unberechtigten Alarmierungen kommt, während dies nicht im gleichen Maße für die Alarmierung durch eine Person gilt. Anders als eine Alarmanlage kann eine Person nämlich einen Lebenssachverhalt selbständig bewerten, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer unberechtigten Alarmierung der Polizei erheblich sinkt.

Auch im Hinblick auf die Bedürfnisse der Massenverwaltung, die nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG bei der Ausgestaltung von Gesetzen und Verordnungen berücksichtigt werden dürfen, ist die Ungleichbehandlung der beiden Sachverhalte gerechtfertigt. Die Anzahl der Fälle eines Fehlalarms durch eine Alarmanlage ist nämlich ungleich höher als die eines Fehlalarms durch eine Person; diese Einschätzung des Gerichts hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Die Festsetzung einer einfachen Pauschale für die Gebührenerhebung nach Tarifstelle Nr. 108.1.3.2 verringert den mit diesen Massenverfahren verbundenen Verwaltungsaufwand. Demgegenüber kann die Gebührenberechnung etwas genauer ausfallen, wenn nur wenige Fälle zu behandeln sind, wie es bei der Anwendung von Tarifstelle Nr. 108.1.3.1 der Fall ist. Die daraus für den Kostenschuldner folgende Ungleichbehandlung ist auch nicht sehr intensiv, weil die Gebührenunterschiede im Einzelfall nicht bedeutend sind.

Aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin zur Erhebung einer Feuerwehrbenutzungsgebühr vom 11.11.2009 (- 1 A 244.08 -, juris), auf die der Klägervertreter sich stützt, ergibt sich nichts anderes. Das Verwaltungsgerichts Berlin hat darin eine Bestimmung der landesrechtlichen Gebührenordnung für Feuerwehreinsätze, nach der bei der Gebührenbemessung An- und Abfahrtszeiten "angemessen" zu berücksichtigen seien, wegen Verstoßes gegen das abgabenrechtliche Bestimmtheitsgebot für nichtig erklärt. Eine vergleichbare Regelung enthält die Tarifstelle Nr. 108.1.3.2 nicht. Sie ist auch nicht aus anderen Gründen unbestimmt.

Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Heranziehung der Klägerin zu den Kosten des Polizeieinsatzes liegen vor.

Die Klägerin ist Kostenschuldnerin i.S.d. Verwaltungskostenrechts. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 NVwKostG werden für Amtshandlungen in Angelegenheiten der Landesverwaltung Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, wenn die Beteiligten zu der Amtshandlung Anlass gegeben haben. Der Veranlasser ist Kostenschuldner, § 5 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG. Veranlasser im Sinne des Verwaltungskostenrechts ist derjenige, dem gegenüber die Verwaltung im Rahmen einer den Leistungsgegenstand betreffenden Rechtsbeziehung eine für den Veranlasser rechtlich relevante und insofern individuell zurechenbare und damit zu entgeltende Leistung erbringt (vgl. BVerwGE 109, 272, 276; Loeser/Barthel, Niedersächsisches Verwaltungskostengesetz, Stand August 2010, § 1 Anm. 5.1.2). Nach ständiger Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts gilt dies dann, wenn der Betroffene den Tatbestand willentlich gesetzt hat und der Tatbestand unmittelbar Anlass für die Amtshandlung gewesen ist. Nicht erforderlich ist dagegen, dass die Amtshandlung von dem Betroffenen willentlich herbeigeführt worden ist (Nds. OVG, Beschl. v. 13.07.2000 - 11 L 312/00 -, juris m. w. N.). Nach diesem Maßstab ist die Klägerin dadurch Veranlasserin der gebührenpflichtigen Polizeihandlung geworden, dass sie eine Alarmanlage in ihrem PKW installiert und diese auch nicht abgeschaltet hat, sofern dies technisch möglich ist. Ob die Klägerin im konkreten Fall einen Polizeieinsatz wünschte oder nicht, weil sie bzw. der Fahrer des PKW bereits wusste, dass der Alarm unberechtigt war, ist damit unerheblich.

Der Gebührenerhebung steht auch nicht entgegen, dass die am 31.03.2009 eingesetzten Polizeibeamten gegenüber dem Fahrer des PKW geäußert haben sollen, die Sache habe sich erledigt. Die Gebührenerhebung erfolgt von Gesetzes wegen und steht nicht zur Disposition der Einsatzbeamten.

Schließlich kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, der Fahrer des PKW, Herr (C), habe bei der Polizeidienststelle angerufen und mitgeteilt, es müssten keine Beamten kommen, bevor diese eingetroffen seien. Einen Anlass für einen Erlass der Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung (§ 11 Abs. 1 NVwKostG) setzt dieser Vortrag nicht. Aufgrund der Meldung eines Anwohners der (A) Straße von dem Alarm an dem PKW der Klägerin hatte die Polizei Anlass, Beamte zu dem Vorfallsort zu schicken, um eigene Ermittlungen anzustellen. Auf den Anruf von Herrn (C) musste sie davon nicht absehen, weil schon nicht klar war, ob dieser Anruf von einem Berechtigten kam.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.