Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 01.03.2011, Az.: 13 A 5084/10

Kürzung; Mindestversorgung; Versorgungsausgleich; Versorgungsbezüge

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
01.03.2011
Aktenzeichen
13 A 5084/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45099
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger, ein pensionierter Beamter des Landes Niedersachsen, wendet sich gegen die Kürzung seiner Versorgungsbezüge aufgrund eines Versorgungsausgleichs.

Mit Urteil des Amtsgerichts Celle vom 20.06.2006 wurde der Kläger von seiner ersten Ehefrau geschieden. In dem Scheidungsurteil ist zugunsten der Ehefrau ein Versorgungsausgleich geregelt.

Der Kläger trat zum 01.02.2007 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand. Mit Bescheid vom 07.02.2007 setzte der Rechtsvorgänger der Beklagten die Kürzung gemäß § 5 VAHRG aus, weil der Kläger seiner geschiedenen Ehefrau zum Unterhalt verpflichtet war.

Ende des Jahres 2009 teilte die geschiedene Ehefrau mit, dass sie ab 01.01.2010 in Vollzeit arbeiten werden und damit ihr Unterhaltsanspruch entfalle.

Mit Bescheid vom 21.12.2009 kürzte daraufhin das damals zuständige NLBV ab 01.01.2010 gemäß § 57 BeamtVG aufgrund des Versorgungsausgleichs die Versorgungsbezüge des Klägers.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Anfang Februar beantragte der Kläger die Aussetzung der Kürzung nach den §§ 35, 36 VersAusglG. Diesen Antrag lehnte das NLBV mit Bescheid vom 02.02.2010 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2010 zurück.

Ebenfalls unter dem 27.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid des NLBV vom 29.01.2010 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 29.09.2010 zugestellt.

Am 27.10.2010 hat der Kläger Klage erhoben.

Er verweist auf seine wirtschaftlich schwierige Lage und meint, es müsse in die Entscheidung eingestellt werde, dass die Ursachen seiner vorzeitigen Dienstunfähigkeit im dienstlichen Bereich gelegen hätten, es sich bei seinem Herzinfarkt um einen indirekten Dienstunfall gehandelt habe.

Der Kläger beantragte zunächst wörtlich

den Bescheid der Beklagten vom 27.09.2010 über die Zurückweisung seines Widerspruches vom 22.01.2010 aufzuheben.

Weiter schreibt der Kläger, er beantrage, die Kürzung seiner Versorgungsbezüge gem. § 57 BeamtVG auszusetzen, hilfsweise den Bescheid vom 21.12.2009 aufzuheben.

Mit dem am 25.02.2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 26.02.2011 beantragt der Kläger nunmehr wörtlich,

ihm die amtsunabhängige Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 BeamtVG in Höhe von derzeit monatlich 1.397,32 € zu gewähren, ohne eine Kürzung nach § 87 BeamtVG durchzuführen,

hilfsweise,

eine Kürzung der Versorgungsbezüge nach § 57 BeamtVG nur in Höhe bis zum Erreichen der amtsunabhängigen Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 BeamtVG durchzuführen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Sie tritt der Klage entgegen.

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.

Das Gericht versteht das ursprüngliche Begehren des Klägers dahingehend, dass er - obwohl er dann die Formulierung „Aussetzung“ verwendete - Klage erheben wollte und nicht etwa stattdessen oder daneben einen Eilantrag gestellt hat. Er hat seine Rechtsmittelschrift nur mit „Klage“ überschrieben und sich gegen die Einstufung seines Begehrens lediglich als Klage durch das Gericht auch nicht weiter gewandt.

Außerdem versteht das Gericht das Klagebegehren dahingehend, dass der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 21.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2010 begehrt. Nach dem ausdrücklichen Vorbringen des Klägers ist nur der Bescheid vom 21.12.2009 und der dazugehörige Widerspruchsbescheid Gegenstand der Klage. Gegen den Bescheid vom 02.02.2010 hat der Kläger keine Klage erhoben.

Mit Schriftsatz vom 26.02.2011 hat der Kläger seine Klageanträge umgestellt. Versteht man sein Begehren dahingehend, dass er nur eine geringere Kürzung nach § 57 BeamtVG (und zwar auf den Betrag der Mindestversorgung) begehrt, so wäre darin lediglich eine Teilklagerücknahme der ursprünglichen Klage zu sehen. Geht es dem Kläger aber um Zahlung der Mindestversorgung von 1.397,32 € unabhängig von der Kürzung seiner „normalen“ Versorgungsbezüge, könnte der umformulierte Klageantrag bereits unzulässig sein, weil insoweit kein Vorverfahren durchgeführt wurde.

Das Gericht versteht hier aber das Vorbringen nach Würdigung aller Umstände so, dass der Kläger meint, jedenfalls eine Kürzung über den durch § 14 Abs. 4 BeamtVG (in der Ende 2006 geltenden Fassung) vorgegebenen Betrag der Mindestversorgung hinaus sei aufgrund dieser Vorschrift rechtswidrig. Nach dieser Auslegung wendet er sich weiterhin gegen den Bescheid vom 21.12.2009, die Klage ist nicht unzulässig geworden.

Die so verstandene Klage ist mithin zwar zulässig, jedoch unbegründet.

Rechtsgrundlage ist nach wie vor das Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG), jedoch nicht in der aktuellen, sondern in der Ende 2006 geltenden Fassung. § 108 BeamtVG bestimmt, dass für die Beamten der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts das Beamtenversorgungsgesetz in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung gilt, soweit es nicht durch Landesrecht ersetzt wurde. In Niedersachsen ist das BeamtVG bislang nicht durch Landesrecht ersetzt worden.

§ 57 Abs. 1 BeamtVG (in der o.g. Fassung) bestimmt, dass, wenn Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden sind, nach Wirksamkeit dieser Entscheidung die Versorgungsbezüge des verpflichteten Ehegatten nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften um den nach Absatz 2 oder 3 der Vorschrift berechneten Betrag gekürzt werden.

Das Familiengericht Celle hatte mit Urteil vom 20.06.2006 den Kläger zum Ausgleichspflichtigen bestimmt. Die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgänger ist an die Gesetzesvorschriften gebunden. Das Beamtenversorgungsgesetz lässt insoweit keinen Ermessensspielraum. Die Beklagte muss das Gesetz vollziehen. Auf die wirtschaftliche Situation des betroffenen Ruhestandsbeamten kommt es nicht an. Fehler in der Berechnung des Kürzungsbetrages sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht gerügt.

Wie der Kläger selbst einräumt - er empfindet dies allerdings als ungerecht - kommt für ihn auch nicht das sog. Pensionistenprivileg in Betracht. Zwar wird nach § 57 Abs. 1 S. 2 BeamtVG 2006 das Ruhegehalt, das der verpflichtete Ehegatte im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich erhält, erst gekürzt, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente zu gewähren ist. Der Gesetzgeber stellt hier aber darauf ab, dass zum Zeitpunkt des Versorgungsausgleiches der Beamte sich bereits im Ruhestand befindet und eine Pension erhält. Die Differenzierung ist sachgerecht. Wird zu Lasten eines im aktiven Dienst sich befindlichen Beamten ein Versorgungsausgleich durchgeführt, kann sich dieser - weil er eben die volle Besoldung erhält und nicht die geringeren Versorgungsbezüge, sich noch besser auf die spätere Kürzung einstellen (z.B. entsprechende Vorsorgemaßnahmen ergreifen) als dies ein Beamter könnte, der sich bereits im Ruhestand befindet und sich mit der weitaus geringeren Versorgung begnügen muss. Härten, die sich etwa dadurch ergeben, dass die aktive Dienstzeit eines Beamten schon recht zeitig nach dem Versorgungsausgleich endet, sind durch diese pauschalierende Betrachtung bedingt und müssen hingenommen werden.

Nach § 5 des bis zum 31.08.2009 gültigen und hier noch anzuwendenden Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG), der im Rahmen der Entscheidung über die Kürzung nach § 57 BeamtVG zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.02.2008 - BVerwG 2 C 44.07 -; Juris, Kümmel-Ritter Beamtenversorgungsgesetz, Loseblattsammlung § 57 Rn. 19) werden die Versorgungsbezüge nach § 57 Abs. 1 S. 1 BeamtVG 2006 zwar auch nicht gekürzt, solange der Berechtigte aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Rente erhalten kann und er gegen den Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt hat oder nur deshalb nicht hat, weil der Verpflichtete zu Unterhaltsleistungen wegen der auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Kürzung seiner Versorgungsbezüge außerstande ist. Es müssen aber - dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung des § 5 Abs. 1 VAHRG "solange der Berechtigte aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Rente erhalten kann und er gegen den Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt hat" - beide Voraussetzungen vorliegen (vgl. ebenso BVerwG, Urteil vom 28.02.2008, - BVerwG 2 C 44.07 -, Juris Rn. 6 mit weiteren Nachweisen; Kümmel-Ritter, Beamtenversorgungsgesetz, Loseblattsammlung § 57 Rn. 127). Dies ist hier unstreitig nicht der Fall. Es steht dem Kläger frei, sich an (Landtags-)Abgeordnete seines Vertrauens zu wenden, um eine Änderung der für niedersächsische Beamte bzw. Ruhestandsbeamte geltenden Vorschriften zu erreichen. Das Gericht ist jedoch ebenso wie die Beklagte an das Gesetz gebunden und kann sich nicht über den geltenden Wortlaut der Vorschriften hinwegsetzen.

Nach § 57 Abs. 1 BeamtVG kommt es weiter nicht darauf an, aus welchem Grund ein Beamter zum Versorgungsempfänger wurde. Die Frage der Gewährung eines Unfallruhegehaltes nach § 36 BeamtVG ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Im Übrigen liegt auch keine Anerkennung eines Dienstunfalls vor, der zur Dienstunfähigkeit des Klägers geführt hat. Die Frage einer Aussetzung nach den §§ 35,36 VersAusglG ist ebenfalls nicht Gegenstand dies Verfahrens.

Aber der Verweis auf § 14 Abs. 4 BeamtVG kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Das VG Wiesbaden hat dazu in seinem Urteil vom 12.06.2007 - 6 E 478/07 - (zit. n. juris) ausgeführt:

„…Soweit die Kürzung dazu führt, dass die Versorgungsbezüge des Klägers nunmehr geringer sind als der in § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG vorgesehenen Mindestbetrag …ist auch dies rechtmäßig. Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG werden Versorgungsbezüge des verpflichteten Ehegatten "nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften gekürzt". Das heißt, dass zunächst die Versorgungsbezüge auch unter Berücksichtigung des § 14 Abs. 4 BeamtVG zu berechnen sind und sich dann die Kürzung nach § 57 BeamtVG anschließt (vgl. OVG NW, Beschluss vom 12.02.1998 - 6 A 2127/96 -, Juris, Rdnr. 20). Die volle Kürzung ist darin begründet, dass die dem Versicherungsträger entstandenen Aufwendungen diesem vom Beklagten nicht als Träger der Versorgungslast erstattet werden müssen, dieser aber wiederum nicht doppelt belastet werden kann: einmal mit der Versorgung des Beamten, zum anderen mit der Alterssicherung der geschiedenen Ehefrau. Er muss sich daher bei dem eigentlich Leistungspflichtigen, dem geschiedenen ausgleichspflichtigen Ehemann wegen seiner Aufwendungen entlasten können (vgl. OVG NW, a. a. O., Rdnr. 22). Auch dieses Ergebnis ist mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar. Die amtsbezogene Mindestversorgung folgt unmittelbar aus der Alimentationspflicht des Dienstherrn als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums (BVerwGE 124, 19 [25], unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG). Sie geht aber nicht über die Alimentationspflicht hinaus. Der Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Alimentation vermindert sich, wenn eine Kürzung der Versorgungsbezüge gem. § 57 Abs. 1 BeamtVG dem Ausgleichsberechtigten angemessen zugute kommt (nochmals BVerfG, NVwZ 1996, S. 584 [BVerfG 09.11.1995 - 2 BvR 1762/92]) Es gibt keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, welcher den Dienstherrn verpflichtet, die Folgen einer Ehescheidung für den Beamten abzufedern und ihn insoweit besser zu stellen als in der Privatwirtschaft Beschäftigte, die infolge einer Ehescheidung und Durchführung des Versorgungsausgleichs eine beachtliche Minderung ihrer Rente hinzunehmen haben.“

Dem folgt das Gericht.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.