Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 07.05.2001, Az.: 15 U 6/01
Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldkapitalbetrages und einer monatlichen Schmerzensgeldrente nach einem Verkehrsunfall mit gravierenden Unfallfolgen; Grundsätze zur Bemessung der Höhe eines angemessenen Schmerzensgeldes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 07.05.2001
- Aktenzeichen
- 15 U 6/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 30509
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2001:0507.15U6.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Aurich - 15.12.2000 - AZ: 3 O 1152/99
Rechtsgrundlagen
- § 823 BGB
- § 847 BGB
In dem Rechtsstreit
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2001
durch
den Richter am Oberlandesgericht ...,
die Richterin am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung und die Anschlußberufung des Klägers sowie die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das am 15. Dezember 2000 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aurich geändert und wie folgt neu gefasst:
- 1.
Die Beklagten zu 1) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über den vorprozessual gezahlten Betrag von 120.000,-- DM und den am 03.01.2001 gezahlten Betrag von 80.000,-- DM hinaus ein weiteres Schmerzensgeld von 40.000,-- DM nebst 4% Zinsen auf 120.000,-- DM für die Zeit vom 21.12.1999 bis zum 03.01.2001 und 4% Zinsen auf 40.000,-- DM ab dem 04.01.2001 zu zahlen.
- 2.
Die Beklagten zu 1) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 300,-- DM, beginnend am 01.05.1998 zu zahlen, wobei rückständige Beträge sofort, zukünftige Beträge jeweils monatlich im voraus zu zahlen sind.
- 3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden aus dem Unfall vom 28.04.1998 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
- 4.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 28.04.1998 zu ersetzen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz werden zu 6/10 dem Kläger und zu 4/10 den Beklagten auferlegt.
Die Kosten der zweiten Instanz tragen der Kläger zu 6/7 und die Beklagten zu 1/7 .
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 37.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert der Beschwer übersteigt für beide Seiten 60.000,-- DM.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 28.04.1998 in S...-V... ereignet hat.
Am Abend dieses Tages fällte der Beklagte zu 1) in einem Gehölz am K...weg in S... ohne Einverständnis des Eigentümers einen Baum, um diesen als Maibaum zu verwenden. Als sich ein beleuchtetes Fahrzeug näherte, fürchteten die Beteiligten, es könne sich um den Jagdpächter handeln, der in der Lage wäre, den Diebstahl aufzudecken. Sie beschlossen daher, den Verbleib des Fahrzeugs zu erkunden. Zu diesem Zweck fuhr der Beklagte zu 1) mit dem VW-Bulli des Beklagten zu 2), der bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist, los, wobei er, obwohl es bereits völlig dunkel war, die Beleuchtung nicht einschaltete. Lediglich kurzfristig, um den oberen Querweg nicht zu verpassen, schaltete er das Licht an. Als er in den oberen Querweg eingebogen war, schaltete er, um die Entdeckung des Fahrzeugs zu verhindern, die Beleuchtung wieder aus und befuhr die gerade verlaufende Straße mit einer Geschwindigkeit von ca. 71 km/h. Dabei übersah er den ihm mit dem Fahrrad entgegenkommenden Kläger, der auf dem Weg von seiner Arbeitsstelle nach Hause war. Es kam zu einer frontalen Kollision. Der Kläger schlug mit dem Oberkörper gegen die Windschutzscheibe und prallte mit dem Kopf gegen den Holm des Fahrzeugs. Durch den Unfall erlitt der Kläger lebensgefährliche Verletzungen. In der Folgezeit versuchten der Beklagte zu 1) und seine Freunde absprachegemäß die Verantwortlichkeit für den Unfall auf den Kläger abzuwälzen, indem sie behaupteten, der Kläger sei plötzlich im Scheinwerferlicht des VW-Bulli aufgetaucht. Nachdem durch die polizeilichen Ermittlungen festgestellt worden war, dass die Beleuchtung am Fahrzeug nicht eingeschaltet gewesen sei, räumten die Beklagten nach und nach ein, die Umstände des Unfalls falsch geschildert zu haben.
Der Beklagte zu 1) wurde durch Urteil des Amtsgerichts Aurich vom 16.02.1999 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nachdem der am 31.12.1964 geborene Kläger im Kreiskrankenhaus A... primär versorgt worden war, musste er wegen der Schwere der Verletzungen am 29.04.1998 in die Medizinische Hochschule H... verlegt werden. Wie sich aus dem Arztbericht der Medizinischen Hochschule H... vom 09.07.1998 ergibt, erlitt der Kläger infolge des Unfalls ein Schädel-Hirn-Trauma mit multiplen Kontusionsblutungen, eine Schädelbasis-Fraktur, Le Fort I, II, III Fraktur beiderseits, fronto-basale Verletzung mit Liquorleck, ferner eine Oberschenkelschaftfraktur links, verschiedene Frakturen der Mittelhandknochen an beiden Händen, eine Fraktur des Handwurzelknochens rechts sowie ein Innenbandausriß am Daumensattelgelenk links. Vom 25.05.1998 bis zum 01.09.2000 befand sich der Kläger stationär in der neurologischen Klinik H... O.... Am 16.10.2000 wurde er in die Werkstatt für Schwerbehinderte in A... aufgenommen. Er wird werktags um 07.15 Uhr mit dem Bus abgeholt und kommt gegen 16.30 Uhr wieder nach Hause. Soweit er sich nicht in der Werkstatt für Behinderte aufhält, wird er von seiner Ehefrau, die zu seiner Betreuerin ernannt worden ist, gepflegt und betreut.
Die Beklagte zu 3) hat vorprozessual in Teilbeträgen ein Schmerzensgeld von insgesamt 120.000,-- DM gezahlt und weitere Zahlungen abgelehnt.
Der Kläger hat behauptet, durch die erlittenen Verletzungen sei seine gesamte Lebensplanung zerstört worden. Das von ihm und seiner Ehefrau errichtete Haus, das zum Teil durch Eigenleistungen erst noch vervollständigt werden sollte, könne er nicht mehr fertigstellen. Der Wunsch nach gemeinsamen Kindern sei zunichte gemacht worden, da seine Libido und Potenz unfallbedingt erloschen seien. Der Kläger hat vorgetragen, aufgrund der schweren Hirnverletzungen sei es ihm unmöglich geworden, soziale Kontakte zu pflegen. Er sei ein Pflegefall, der rund um die Uhr der Pflege und Betreuung bedürfe. Hinzu komme, dass sein Gesicht durch die Verletzungen entstellt sei und seine Bewegungsfähigkeit massiv eingeschränkt sei. Er sitze meist im Rollstuhl und besitze für kurze Wege ein Gestell mit vier Rädern. Im Haushalt könne er seiner Ehefrau nicht mehr helfen. Erforderliche Reparaturarbeiten und Arbeiten im Garten müssten nunmehr durch Dritte erledigt werden. Die Gesundheitsstörungen hätten auch zu erheblichen finanziellen Mehraufwendungen geführt. Diese seien u.a. darauf zurückzuführen, dass die Wäsche häufiger gewechselt werden müsse und der Verbrauch an Reinigungsmitteln gestiegen sei. Außerdem seien vermehrt Arztbesuche durchzuführen.
Angesichts des leichtfertigen Verhaltens des Beklagten zu 1) sowie des Regulierungsverhaltens der Beklagten zu 3. hat der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 850.000,-- DM für angemessen gehalten. Außerdem ist er davon ausgegangen, dass ihm angesichts seiner Gesamtsituation, mit der er täglich konfrontiert werde, eine Schmerzensgeldrente von monatlich 900,-- DM zustehe. Die vermehrten Bedürfnisse hat er mit monatlich mehr als 800,-- DM beziffert.
Angesichts der noch nicht absehbaren Verletzungsfolgen hält der Kläger auch seinen Antrag auf Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für begründet.
Über den Antrag des Klägers auf Zahlung von 500,-- DM nebst 4% Zinsen seit dem 21.12.1999 (Sachschaden) hat das Landgericht durch Teilanerkenntnisurteil vom 20.01.2000 antragsgemäß entschieden.
Der Kläger hat beantragt,
- 1.
die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn über den bereits gezahlten Betrag von 120.000,-- DM hinaus ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen seit dem 21.12.1999 zu zahlen,
- 2.
die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 900,-- DM, beginnend am 01.05.1998 zu zahlen, wobei rückständige Beträge sofort, zukünftige Beträge jeweils monatlich im voraus zu zahlen sind.
- 3.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ab dem 01.05.1998 eine monatliche Rente in Höhe von 800,-- DM zu zahlen, wobei rückständige Beträge sofort, zukünftige Beträge jeweils monatlich im voraus zu zahlen sind,
- 4.
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen Schäden aus dem Unfall vom 28.04.1998 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergehen,
- 5.
festzustellen, dass die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 28.04.1998 zu ersetzen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertreten die Auffassung, dass ihr Regulierungsverhalten angesichts der Berichte über den Schadensfall nicht zu beanstanden sei. Angesichts der Arztberichte sei davon auszugehen, dass der gezahlte Betrag von 120.000,-- DM angemessen sei. Im übrigen sei eine abschließende Schmerzensgeldbemessung noch nicht möglich, da in jedem Gutachten die Möglichkeit der gesundheitlichen Verbesserung des Klägers angesprochen worden sei.
Die Beklagten vertreten die Ansicht, dass dem Kläger auch keine Schmerzensgeldrente zustehe. Zumindest müsse diese mit dem geltend gemachten Schmerzensgeldbetrag verrechnet werden. Ein Anspruch auf Zahlung einer weiteren Rente nach § 843 BGB bestehe ebenfalls nicht. Soweit der Zahlungsanspruch darauf gestützt werde, dass Möglichkeit, im Haushalt mitzuarbeiten beeinträchtigt worden sei, handle es sich um Schäden, die auf der Verletzung der Erwerbstätigkeit beruhten. Diese seien aber auf Sozialversicherungsträger übergegangen, da es sich bei dem Unfall für den Kläger um einen Wegeunfall gehandelt habe.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens der neurologischen Klinik H...-O.... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 15.05.2000 Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit dem am 15.12.2000 verkündeten Urteil die Anträge des Klägers wie folgt beschieden:
Die Beklagten zu 1) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über den bereits gezahlten Betrag von 120.000,-- DM hinaus ein weiteres Schmerzensgeld von 300.000,-- DM nebst 4% Zinsen seit dem 21.12.1999 zu zahlen.
Die Beklagten zu 1) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 200,-- DM, beginnend am 01.05.1998 zu zahlen, wobei rückständige Beträge sofort, zukünftige Beträge jeweils monatlich im voraus zu zahlen sind.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden aus dem Unfall vom 28.04.1998 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 28.04.1998 zu ersetzen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Das Landgericht ist aufgrund der Feststellungen des gerichtlichen Gutachters davon ausgegangen, dass der Kläger auf Dauer sowohl in seiner körperlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt als auch erheblich unter schweren neurologischen Ausfallerscheinungen dauerhaft leidet. Ihm sei kein selbständiges Leben mehr möglich, vielmehr sei er dauerhaft auf die Hilfe Dritter angewiesen. Angesichts der Unfallfolgen sei ein Schmerzensgeld im Rahmen von 500.000,-- DM angemessen, das sich aus dem Schmerzensgeldkapitalbetrag und der Schmerzensgeldrente zusammensetze.
Gegen das landgerichtliche Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe im übrigen Bezug genommen wird, haben der Kläger und die Beklagten form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Der Kläger, der zunächst nur Berufung gegen die Beklagten zu 1) und 2) eingelegt hatte, und die Berufung im Wege der unselbständigen Anschlußberufung auf die Beklagte zu 3) erweitert hat, hat die Berufung gegen den Beklagten zu 2) zurückgenommen.
Er beantragt nunmehr,
- 1.
das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, über die bereits gezahlten Beträge von 120.000,-- DM (vorprozessual gezahlt) und am 03.01.2001 gezahlten weiteren 80.000,-- DM ein weiteres Schmerzensgeld von 400.000,-- DM nebst 4% Zinsen von 480.000,-- DM vom 21.12.1999 bis zum 03.01.2001 und 4% von 400.000,-- DM ab 04.01.2001 zu zahlen,
- 2.
ferner die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn über die zuerkannte monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 200,-- DM, beginnend ab dem 01.05.1998 eine weitere monatliche Schmerzensgeldrente von 100,-- DM, insgesamt also 300,-- DM, beginnend ab 01.05.1998 zu zahlen, wobei rückständige Beträge sofort und zukünftige Beträge jeweils monatlich im voraus zu zahlen sind.
Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und ergänzt es im Hinblick auf die fortdauernden Unfallfolgen und seinen jetzigen Gesundheitszustand. Zum Nachweis der Unfallfolgen beruft er sich auf ein von ihm vorgelegtes Gutachten des Dr. H... vom 18.01.2001. Der Kläger meint, ein Schmerzensgeldbetrag von 600.000,-- DM nebst einer Schmerzensgeldrente sei zum Ausgleich der immateriellen Unfallfolgen angemessen.
Mit der von allen drei Beklagten eingelegten Berufung haben die Beklagten beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und
- 1.
den Klagantrag zu 1) abzuweisen, soweit die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an den Kläger über den bereits gezahlten Betrag von 120.000,-- DM hinaus ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von mehr als 80.000,-- DM nebst Zinsen zu zahlen,
- 2.
den Klagantrag zu 2) (Schmerzensgeldrente) abzuweisen.
Die Berufung des Beklagten zu 2) ist in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen worden.
Im übrigen beantragen beide Parteivertreter wechselseitig die Zurückweisung der gegnerischen Berufung einschließlich der Anschlußberufung.
Die Beklagten zu 1) und 3) sind der Meinung, das inzwischen insgesamt gezahlte Schmerzensgeld von 200.000,-- DM stelle einen angemessenen Ausgleich dar. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Zahlung eines höheren Schmerzensgeldes und einer Schmerzensgeldrente bestehe angesichts der durch Gutachten belegten günstigen Entwicklung des Gesundheitszustands des Klägers nicht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zur Gerichtsakte gelangten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsmittel der Parteien haben teilweise Erfolg.
Sie führen zur Änderung des angefochtenen Urteils in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte zu 1) als Fahrer des unfallbeteiligten Pkw und die Beklagte zu 3) als Haftpflichtversicherer gemäß §§ 847, 823 BGB, 3 PflVersG dem Kläger gegenüber zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verpflichtet sind und dabei von einer 100%igen Haftungsquote auf der Beklagtenseite auszugehen ist.
Mit dem Landgericht geht der Senat bei dem Streit um die Höhe des angemessenen Schmerzensgeldes davon aus, dass der Kläger angesichts der gravierenden Unfallfolgen neben der Zahlung eines Schmerzensgeldkapitalbetrages die Zahlung einer monatlichen Schmerzensgeldrente verlangen kann.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind folgende von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellte Grundsätze zugrunde zu legen: Das Schmerzensgeld soll dem Geschädigten in erster Linie einen angemessenen Ausgleich für seine nicht vermögensrechtlichen Schäden bieten, aber auch dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet (BGHZ 18, 149; BGH NJW 76, 1147 m.w.N.). Im Rahmen der Ausgleichsfunktion ist der Verletzte für die erlittenen körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen zu entschädigen, wobei Größe, Heftigkeit und Dauer der Leiden maßgebend zu berücksichtigen sind. Weitere wesentliche Bemessungsfaktoren sind das Lebensalter des Verletzten und das Vorliegen eines Dauerschadens.
Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist hier ein Schmerzensgeld in erheblicher Höhe gerechtfertigt.
Wegen der Unfallfolgen wird zunächst Bezug genommen auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, die auf den Feststellungen des gerichtlichen Gutachters im Gutachten vom 15.05.2000 beruhen. Die Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen werden bestätigt durch den Inhalt des in der Berufungsinstanz vorgelegten neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. med.h... vom 18.01.2001, das teilweise den Entlassungsbericht der neurologischen Klinik H...-O... vom 05.10.2000 wiedergibt. Auch wenn danach davon auszugehen ist, dass im Querschnitt der gesamten bisherigen Behandlung und gemessen an der Schwere der initial erlittenen Verletzungen beim Kläger insgesamt eine entscheidende therapeutische Verbesserung in allen Dimensionen der körperlichen und kognitiv intellektuellen Leistungen erreicht werden konnte, wobei sich das bei der Aufnahme in massivster Form vorhandene hirnorganische Psychosyndrom gut zurückgebildet zeigte, bleibt es dabei, dass der Kläger auf Dauer sowohl in seiner körperlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist als auch erheblich unter schweren neurologischen Ausfallerscheinungen dauerhaft leidet. Die Schädelhirnverletzungen haben bei dem zum Unfallzeitpunkt 33 Jahre alten Kläger zu einer deutlichen psychomotorischen Verlangsamung und schweren Beeinträchtigungen der Gedächtnisleistung geführt. Diese Beeinträchtigungen sind bei der Anhörung des Klägers durch den Senat deutlich zutage getreten. Der Kläger konnte nur äußerst mühsam seinen Tagesablauf schildern. Er musste immer wieder Pausen einlegen. Das Erinnern und die Wortwahl fiel ihm offensichtlich sehr schwer. Teilweise war er auf die Mithilfe seiner Ehefrau, die ihn betreut, angewiesen. Man merkte ihm an, dass bereits die Schilderung von Alltäglichkeiten ihn teilweise überforderte und körperlich und seelisch stark mitnahm. Wiederholt nahm er seinen Kopf in die Hände in dem Bemühen, die Fragen des Gerichts zu beantworten. Dabei klagte er darüber, dass er einen heißen Kopf habe und unter Kopfschmerzen leide. Aufgrund der vorliegenden Gutachten geht der Senat davon aus, dass unfallbedingt die Antriebsfähigkeit des Klägers und seine geistige und körperliche Leistungsfähigkeit deutlich herabgesetzt worden sind sowie dass eine Wesensveränderung des Klägers dahingehend eingetreten ist, dass dieser bereits bei leichter Überforderung zu aggressiven Ausbrüchen neigt. Das Kritik- und Urteilsvermögen sind ebenfalls erheblich eingeschränkt. Aus einem jungen Mann, der voll im Leben stand, Fußball spielte, jung verheiratet war und gerade erst ein Haus gebaut hatte, ist, wie sich aus dem Gutachten ergibt, ein Proband geworden, der der ständigen Beaufsichtigung und Hilfe bedarf und der ohne Hilfe und Betreuung seitens anderer Personen verwahrlosen würde. Er steht nach dem Eindruck des Senats auf der Stufe eines der Betreuung bedürftigen Kindes. Wie sich aus den Angaben des Klägers aber auch der Schilderung seiner Betreuerin, seiner Ehefrau, ergibt, kann der Kläger kein selbständiges Leben mehr führen. Er ist vielmehr auf Dauer auf die Hilfe Dritter angewiesen, die ihn von morgens bis abends beaufsichtigen müssen. Soziale Kontakte sind nur äußerst eingeschränkt möglich, da das Sprach- und Erinnerungsvermögen stark beeinträchtigt sind und der Kläger sich sehr schnell überfordert fühlt. Wie die Betreuerin plastisch geschildert hatte, kommt es des öfteren zu Wutanfällen, bei denen der Kläger schreit und weint. Angesichts seiner Wortfindungsstörungen kommt es vor, dass er sich selbst schlägt oder mit dem Kopf gegen die Wand rennt ,um die Worte aus seinem Kopf herauszuprügeln. Trotz des stationären Aufenthalts in der neurologischen Klinik H...-O... vom 25.05.1998 bis 01.09.2000 steht fest, dass eine 100%ige Erwerbsunfähigkeit aufgrund der Unfallfolgen vorliegt und mit einer wesentlichen Änderung nicht mehr zu rechnen ist. Die im gerichtlichen Gutachten angesprochenen Krampfanfälle sind zwar in der letzten Zeit angesichts der medikamentösen Behandlung nicht mehr aufgetreten. Zugenommen haben dagegen die Wutanfälle des Klägers. Der Kläger leidet auch heute noch häufig unter Kopfschmerzen und ist weiterhin in ambulanter Behandlung. Es besteht eine hochgradige Gangunsicherheit, die dazu geführt hat, dass der Kläger auf den Rollstuhl angewiesen ist und er nur kurze Strecken mit einem Rollator zurücklegen kann. Soweit sich der Kläger werktags in der Werkstatt für Behinderte in A... aufhält, kann nicht davon gesprochen werden, dass er eine Arbeitsleistung erbringt. Er wird dort vielmehr betreut und beaufsichtigt. Zu berücksichtigen ist weiter, dass sich der Kläger zumindest teilweise seines Zustandes bewusst ist und er ständig unter der Angst leidet, dass seine einzige Bezugsperson, seine Ehefrau, ihn verlässt. Seine Verlassenheitsängste äußern sich u.a. dadurch, dass er seiner Frau gegenüber ununterbrochen wiederholt, wie lieb er sie habe. Libido und Potenz sind unstreitig unfallbedingt völlig erloschen.
Das Landgericht hat im Rahmen der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes zu Recht berücksichtigt, dass der Beklagte zu 1. den Unfall äußerst leichtfertig verschuldet hat, indem er aus nichtigem Anlass ohne Beleuchtung mit einer Geschwindigkeit von 71 km/h bei Dunkelheit eine öffentliche Straße befahren hat und dass er im Anschluss an den Unfall versucht hat, die Schuld für den Unfall dem Kläger anzulasten.
Der Senat hält nach alledem auch unter Berücksichtigung vergleichbarer anderer Gerichtsentscheidungen ein Schmerzensgeld von insgesamt ca. 300.000,-- DM (Kapital und Rente) für angemessen. Da die lebenslänglich fortdauernden Beeinträchtigungen des jetzt 36jährigen Klägers sich in Zukunft ständig erneuern und fortlaufend schmerzlich empfunden werden, war ein Teil des Schmerzensgeldes in Form einer Geldrente zuzuerkennen, um den laufenden, nicht vermögensrechtlichen Schäden auch eine laufende finanzielle Entschädigung gegenüberzustellen (vgl. BGHZ 18, 149). Angesichts der gravierenden Unfallfolgen, die dem Kläger zumindest teilweise bewusst sind, erscheint dem Senat ein Monatsbetrag von 300,-- DM angemessen. Diese monatliche Rente entspricht unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 5% einer kapitalisierten Summe von ca. 61.000,-- DM.
Daneben ist dem Kläger - u.a. auch zur Abgeltung der seit der letzten vorprozessualen Schmerzensgeldzahlung entstandenen immateriellen Beeinträchtigung - unter Berücksichtigung der weiteren Zahlung vom 03.01.2001, ein weiterer Kapitalbetrag von 40.000,-- DM zuzubilligen, so dass sich der angemessene Schmerzensgeldkapitalbetrag auf insgesamt 240.000,-- DM beläuft.
Ein höheres Schmerzensgeld kommt dagegen nicht in Betracht, da dieses nur gerechtfertigt wäre, wenn der Kläger noch gravierenderer Unfallverletzungen davongetragen hätte. Das von den Beklagten zugestandene Schmerzensgeld in Höhe von 200.000,-- DM ist andererseits nicht geeignet, einen angemessenen Ausgleich für die immateriellen Unfallfolgen darzustellen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 708 Nr. 10,711,546 Abs. 2 ZPO.