Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 28.05.2001, Az.: 15 U 15/01
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 28.05.2001
- Aktenzeichen
- 15 U 15/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 39430
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG - 12.01.2001 - AZ: 4 O 937/00
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 12.01.2001 wird auf seine Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor unter Ziffer 2. des Urteils wie folgt lautet:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger gegenüber verpflichtet ist, wegen verspäteter Rückgabe der Anlieferungsreferenzmenge Schadensersatz zu leisten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 18000,- DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Wert der Beschwer für den Beklagten übersteigt 60.000,- DM.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Übernahme einer vom Kläger dem Beklagten befristet übertragenen Milchreferenzmenge.
Mit Vertrag vom 06.03.1995 übertrug der Kläger dem Beklagten nach § 7 Abs. 2 a Zusatzabgabeverordnung (ZAbgVO) eine sog. flächenlose Milchreferenzmenge von 126.148 kg zu dessen freier Nutzung ohne Übergang des entsprechenden Betriebes oder der entsprechenden Flächen. Der Vertrag war auf 5 Jahre bis zum 31.03.2000 befristet. In § 4 Abs. 3 dieses Vertrages wurde folgende Regelung getroffen:
"Der Quotennehmer verpflichtet sich, keine Vereinbarungen zu treffen, oder Verpflichtungen einzugehen, die auf die Rückübertragungsansprüche des Quotengebers Einfluss haben."
Trotz dieser Vereinbarung erklärte der Beklagte am 19.04.2000 die Ausübung seines Übernahmerechts bei auslaufenden Pachtverträgen und berief sich dazu auf § 12 Abs. 3 ZAbgVO in der Neufassung vom 12.01.2000 (BGBl. I,2000,S.27 ff.). Zugleich verpflichtete er sich mit Schreiben vom 25.04.2000, einen Betrag von 67 % des Gleichgewichtspreises entspr. §12 Abs. 3 Satz 3 ZAbgVO der übernommenen Menge zu zahlen. Dieser Verpflichtung kam der Beklagte durch Zahlung von 139.109,70 DM an den Kläger nach. Daraufhin bestätigte die Landwirtschaftskammer Weser-Ems mit Bescheid vom 29.11.2000 das Übernahmerecht des Beklagten unter dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall, dass dieses in dieser Angelegenheit anhängige zivilgerichtliche Verfahren zu dem Ergebnis führt, dass dem Beklagten das Recht auf Übernahme der Milchreferenzmenge aberkannt wird. Diesen Vorbehalt erweiterte die Landwirtschaftskammer mit Bescheid vom 15.12.2000 auch für den Fall, dass das in dieser Angelegenheit anhängige verwaltungsgerichtliche Verfahren zugunsten des Klägers entschieden werde. In diesem noch laufenden Verfahren wendet sich der Kläger gegen den Bescheid der Landwirtschaftskammer, mit dem diese den Antrag des Klägers auf Rückübertragung der Referenzmenge auf sich zurückgewiesen hat.
Der Kläger ist der Auffassung, die Ausübung des Übernahmerechts durch den Beklagten verstoße gegen § 4 Abs. 3 des am 06.03.1995 geschlossenen Vertrages und sei deshalb unabhängig von seiner – des Klägers – beabsichtigten Art der Nutzung der Milchreferenzmenge treuwidrig. Außerdem hält er die Vorschrift des § 12 Abs. 3 ZAbgVO für verfassungswidrig.
Zur Schadenshöhe trägt er vor, er beabsichtige eine wirtschaftliche Verwertung seiner Milchquote, z.B. durch Verkauf an der Börse, und könne daher seinen durch die verspätete Rückgabe entstandenen Schaden noch nicht beziffern.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, folgende Willenserklärung abzugeben:
"Die mir durch Vertrag mit H... T... vom 06.03.1995 überlassene Anlieferungs-Referenzmenge von 126.148 kg mit einem Referenzfettgehalt von 3,86 % steht mir ab dem 01.04.2000 nicht mehr zu",
den Beklagten zu verurteilen, die Übernahmeerklärung vom 25.04.2000 zu widerrufen;
hilfsweise festzustellen, dass die Übernahmeerklärung unwirksam ist,
festzustellen, dass dem Kläger gegen den Beklagten wegen verspäteter Rückgabe der Anlieferungs-Referenzmenge ein Schadensersatz zusteht.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise für den Fall, dass der Klage stattgegeben wird,
ihn Zug um Zug gegen Erstattung des Ablösebetrages zu verurteilen.
Er verweist auf das sich aus § 12 Abs. 3 ZAbgVO ergebende Übernahmerecht, das zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bestanden habe. Er macht weiter geltend, dem Kläger sei durch die Übernahme kein Schaden entstanden. Auch ohne die Übernahme wäre die an den Kläger zurückfallende Referenzmenge um 33 % gekürzt worden. In Höhe des Wertes der ohne Übernahme an ihn zurückfallenden 67 % sei dieser durch die Zahlung entschädigt.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte sei aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Übertragungsvertrages zur Rückübertragung der Referenzmengen verpflichtet und habe mit der Ausübung des Übernahmerechts gem § 12 Abs. 3 ZAbgVO gegen § 4 Abs. *3 des Vertrages der Parteien verstoßen.
Die Voraussetzungen der vom Beklagten hilfsweise beantragten Zug-um-Zug-Verurteilung hat das Landgericht deswegen verneint, weil im Zivilprozess nicht entschieden werde, ob die vom Beklagten abzugebenden Erklärungen auch verwaltungsrechtlich zur Unwirksamkeit der Übernahme durch den Beklagten führten.
Mit seiner Berufung rügt der Beklagte zunächst, bei dem angefochtenen Urteil handele es sich um eine unzulässige Überraschungsentscheidung. Er führt im wesentlichen weiter aus, seine Ausübung des Übernahmerechts verstoße nicht gegen § 4 Abs. 3 des Übertragungsvertrages. Der Kläger sei nämlich nicht geschädigt. Durch seine – des Beklagten – an den Kläger geleistete Zahlung von 139.109,70 DM befinde dieser sich in der gleichen finanziellen Situation wie bei ursprünglich vereinbarter Rückübertragung, da er nicht Milcherzeuger sei und deshalb nach § 12 Abs. 2 der nun geltenden ZAbgVO 33 % der Referenzmenge verliere.
Schließlich macht der Beklagte weiter geltend, seine Verurteilung hätte allenfalls Zug um Zug gegen Rückzahlung der geleisteten Entschädigung erfolgen dürfen.
Er beantragt,
die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Er ist der Ansicht, die Vorschriften der ZAbgVO, insbesondere § 12 Abs. 3, seien verfassungswidrig, da sie einen unzulässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie darstellten. Der Kläger weist auf eine derzeit zu dieser Frage anhängige Verfassungsbeschwerde hin.
Zu der vom Beklagten hilfsweise begehrten Zug-um-Zug-Verurteilung macht der Kläger geltend, den an ihn trotz Ablehnung überwiesenen Betrag formell nicht angenommen zu haben.
Wegen des übrigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der vorbereitenden gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1)
Die Verfahrensrüge des Beklagten rechtfertigt eine Aufhebung des angefochtenen Urteils nicht, da es an der erforderlichen Ursächlichkeit des geltend gemachten Verfahrensfehlers für die Entscheidung fehlt (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 21.Aufl., § 539 Rdnr. 3 b). Der Beklagte hat nicht dargetan, aus welchem Grund die Entscheidung des Landgerichts bei Einhaltung der nach seiner Auffassung verletzten Verfahrensvorschriften anders ausgefallen wäre.
2)
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Abgabe der mit der Klage begehrten Widerrufserklärung.
Der Anspruch des Klägers auf Widerruf der Erklärung, mit welcher der Beklagte die ihm vom Kläger befristet übertragenen Milchreferenzmengen übernommen
hat, ergibt sich aus einer positiven Vertragsverletzung des Vertrages der Parteien vom 06.03.1995 durch den Beklagten.
Der Beklagte hat in § 4 Abs. 3 dieses Vertrages die Verpflichtung übernommen, keine Vereinbarungen zu treffen oder Verpflichtungen einzugehen, die auf die Rückübertragungsansprüche des Klägers Einfluss haben. Durch diese Vertragsklausel sollte offensichtlich der Anspruch des Klägers auf unbeeinträchtigte Rückübertragung der dem Beklagten überlassenen Milchreferenzmengen generell gesichert werden. Bei interessengerechter Auslegung ergibt sich daher aus dieser vertraglichen Regelung die
Verpflichtung des Beklagten, alles zu unterlassen, wodurch der Rückübertragungsanspruch des Klägers gefährdet, beeinträchtigt oder gar zunichte gemacht würde. Diese Verpflichtung verletzte der Beklagte, als er die hier in Rede stehende Übernahmeerklärung abgab, denn dadurch schuf er die Voraussetzung dafür, dass das Landwirtschaftsamt O... den Verbleib der Milchreferenzmengen bei ihm feststellte.
Zur Beseitigung der von ihm geschaffenen vertragswidrigen Rechtslage ist der Beklagte mithin verpflichtet, die Übernahmeerklärung zu widerrufen, damit der Bescheid des Landwirtschaftsamts - wie von diesem vorbehalten - widerrufen und die Milchreferenzmengen entsprechend der vertraglichen Verpflichtung an den Kläger zurückübertragen werden können.
Die Tatsache, dass es die Vorschrift des § 12 Abs. 3 ZAbgVO, die das vom Beklagten wahrgenommene Übernahmerecht des Pächters regelt, zur Zeit des Abschlusses des Vertrages der Parteien noch nicht gab, steht dem nicht entgegen.
Die Parteien haben mit der erörterten Vertragsklausel den Rückübertragungsanspruch des Klägers uneingeschränkt sichern wollen. Aus einer nachträglichen Änderung der Gesetzes- bzw. Verordnungslage kann sich nicht eine Berechtigung des Beklagten ergeben, diese eindeutigen und von den Parteien gewollten Verpflichtungen gegen den Willen des Klägers zu unterlaufen. Der Inhalt privatrechtlicher Verträge ist für beide Vertragsparteien zunächst bindend und kann nicht ohne weiteres aufgrund von Verordnungen einseitig verändert werden, ganz gleich, welche Motive den Erlass der Verordnung veranlasst haben.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deswegen gerechtfertigt, weil der Kläger gemäß § 12 Abs. 2 ZAbgVO 33 % der an ihn zurückübertragenen Referenzmengen zugunsten der Reserve des Landes verliert, und er andererseits gemäß § 12 Abs. 3 der ZAbgVO im Falle der Übernahme durch den Beklagten 67 % des Gleichgewichtspreises von diesem erhält bzw. durch Zahlung von 139.109,70 DM bereits erhalten hat. Es muss der freien Entscheidung des Klägers überlassen bleiben, wie er im Rahmen der bestehenden Gesetze und Verordnungen die ihm zustehenden Rechte nutzt bzw. deren wirtschaftlichen Wert realisiert. Der vertragswidrig herbeigeführte Verlust einer Rechtsposition kann nicht damit gerechtfertigt werden, der bisherige Rechtsinhaber werde für den Rechtsverlust angemessen entschädigt.
Dem Beklagten steht ein Zurückbehaltungsrecht im Sinne des § 273 BGB nicht zu. Er hat gegen den Beklagten (noch) keinen Anspruch auf Rückzahlung von 139.109,70 DM aus § 812 Abs.1 Satz 2 BGB.
Der Beklagte hat diese Zahlung erbracht, um seine Verpflichtung aus § 12 Abs. 3 der ZAbgVO zu erfüllen. Danach ist der Verpächter vom Pächter im Falle der Übernahme der Rechte durch den Pächter in Höhe von 67 % des Gleichgewichtspreises zu entschädigen. Nach dieser Zahlung wurde dem Beklagten die wirksame Übernahme durch Bescheid des Landwirtschaftsamts O... vom 29.11.2000 bestätigt. Dieser Bescheid wird nicht schon durch den vom Kläger im vorliegenden Rechtsstreit erstrittenen Widerruf der Übernahmeerklärung sondern erst dadurch unwirksam, dass ihn das Landwirtschaftsamt - entsprechend dem ausdrücklichen Vorbehalt - widerruft. Erst dann entfällt also der Rechtsgrund für die Zahlung des Beklagten, so dass auch sein Anspruch auf Rückzahlung des Entschädigungsbetrages erst dann entsteht. Folglich kann dieser Anspruch nicht schon jetzt der Klageforderung zur Begründung eines Zurückbehaltungsrechts entgegengehalten werden.
3)
Der Antrag des Klägers auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, einen durch verspätete Rückgabe der Referenzmenge entstandenen Schaden zu ersetzen, ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat an der begehrten Feststellung ein berechtigtes Interesse, weil er einen ihm möglicherweise entstandenen Schaden noch nicht beziffern kann. Dies folgt schon daraus, dass der Zeitpunkt, zu dem die wirksame Rückgabe erfolgen wird, noch nicht feststeht.
Dem Grunde nach ist der Beklagte dem Kläger gemäß §§ 284, 286 BGB schadensersatzpflichtig, denn er geriet mit seiner Verpflichtung, die Milchreferenzmengen an den Kläger zurückzugeben, gemäß § 284 Abs. 2 BGB ohne Mahnung am 01.04.2000 in Verzug. An diesem Kalendertag endete der Vertrag der Parteien, so dass der Beklagte zur Rückgewähr verpflichtet war.
4)
Die Berufung war daher zurückzuweisen. Soweit eine Änderung von Ziffer 2) des Tenors des angefochtenen Urteils vorgenommen worden ist, ist dieses im übereinstimmend erklärten Einverständnis der Parteien erfolgt, da der Tenor des landgerichtlichen Urteils insoweit auf dem offensichtlichen Versehen beruht, dass die Parteien des Rechtsstreits verwechselt worden sind.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.