Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 09.04.2013, Az.: L 13 AS 63/13 B ER

Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses für bulgarische und rumänische Staatsbürger bei Aufenthalt zur Arbeitsuche

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
09.04.2013
Aktenzeichen
L 13 AS 63/13 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 46712
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2013:0409.L13AS63.13B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 27.02.2013 - AZ: S 46 AS 37/13 ER

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 27. Februar 2013 - S 46 AS 37/13 ER - aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Die Beschwerde, mit der sich der Antragsgegner dagegen wendet, dass ihn das Sozialgericht (SG) Oldenburg mit Beschluss vom 27. Februar 2013 - S 46 AS 37/13 ER - durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, den Antragstellern vorläufig ab 31. Januar 2013 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache - Az. S 46 AS 1340/12 -, längstens jedoch bis zum 31. Mai 2013, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nach den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere unter Berücksichtigung anrechenbaren Einkommens zu gewähren, ist gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Die Beschwerde ist auch begründet.

1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gem. § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. der durch die Anordnung zu sichernde, in der Sache gegebene und im Hauptsacheverfahren geltend gemachte materielle Leistungsanspruch) als auch ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86 b, Rn. 27 f.; m. a. W. der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden muss) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-). Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es den Antragstellern nicht gelungen, das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs für die begehrten Leistungen i.S. von § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG glaubhaft zu machen.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass es im Rahmen des Grundsicherungsrechts bei offenen Fragen der Tatsachenfeststellung nicht zulässig ist, die allgemeinen Regeln einer Beweislosigkeit ohne Berücksichtigung der zugrundeliegenden verfassungsrechtlichen Erwägungen, insbesondere mit Blick auf den Schutz der Menschenwürde, schematisch anzuwenden. Da Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen und diese Sicherstellung eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates darstellt, dürfen existenzsichernde Leistungen nicht aufgrund bloßer Mutmaßungen verweigert werden (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris Rn. 28). Dies entbindet den Senat jedoch nicht von der Vornahme einer vollständigen rechtlichen Prüfung, die - wenn sie, wie vorliegend, zum Nachteil der Antragsteller ausgeht - die vorläufige Leistungsbewilligung in einem auf vorläufigen Rechtsschutz ausgerichteten Eilverfahren nicht zulässt.

2. Die seitens des SG Oldenburg in seinem angefochtenen Beschluss vom 27. Februar 2013 unter teilweiser Inbezugnahme der Gründe des Beschlusses des SG Oldenburg vom 21. Februar 2013, welchen der Senat mit Beschluss vom 3. April 2013 - L 13 AS 73/13 B ER - aufgehoben hat, dargelegten Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II teilt der Senat nicht.

a) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen von der Leistungsberechtigung nach dem SGB II ausgenommen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Antragsteller haben ein anderes als dem Zweck der Arbeitsuche dienendes Aufenthaltsrecht nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

aa) Ein Aufenthaltsrecht ergibt sich nicht aus § 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern - FreizügG/EU - vom 30. Juli 2004 (zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Januar 2013, BGBl. 2013 I, S. 86). Im Gegenteil hat die Ausländerbehörde noch mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 das Nichtbestehen eines Aufenthaltsrechts nach dieser Bestimmung festgestellt.

Gemäß § 2 Abs. 1 FreizügG/EU haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes. Gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU u. a. Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen (Nr. 1) oder - als niedergelassene selbständige Erwerbstätige - Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (Nr. 2).

Die Voraussetzungen der vorgenannten Nr. 2 liegen nicht vor. Zunächst haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin zu 1. einer selbständigen Tätigkeit überhaupt nachgegangen ist, wofür die Anstellung in einem Seniorendomizil oder als Haushaltshilfe - ob zulässig oder nicht - nicht ausreichend ist, ebenso wenig die Vorlage - zudem nicht näher spezifizierter - Unterlagen, wonach sie im Juni und Juli 2012 jeweils über Einkünfte i. H. von 450,00 EUR und im Dezember 2012 über Einkünfte i. H. von 500,00 EUR verfügt haben will; aus diesen Belegen ergibt sich eine selbständige Erwerbstätigkeit nicht zweifelsfrei. Die bloße Anmeldung einer selbständigen Tätigkeit reicht ebenfalls nicht aus, und es genügt für die Selbständigkeit einer Tätigkeit auch nicht, wenn die Antragstellerin zu 1. sich selbständig um die Begründung geringfügiger abhängiger Beschäftigungsverhältnisse bei verschiedenen Arbeitgebern bemüht haben sollte. Sofern sie Tätigkeiten als abhängig Beschäftigte ausgeübt haben sollte, fehlte ihr hierfür die nach § 284 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) erforderliche Genehmigung (so genannte EU-Arbeitserlaubnis). Für die Vorhaltung einer eigenständigen Betriebsstätte oder die für eine selbständige Tätigkeit prägende Weisungsunabhängigkeit bei der Ausübung von Tätigkeiten bestehen keine Anhaltspunkte; auch Betriebsausgaben hat die Antragstellerin zu 1. weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, sondern lediglich pauschaliert behauptet, wobei die Behauptung nicht dadurch glaubhafter wird, dass die Ausgaben für Büromaterial und Telefon auch in den Monaten angefallen sein sollen, in denen sich die Antragstellerin zu 1. nach denselben Unterlagen im Mutterschutz befand. Zwar ist nicht erforderlich, dass der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit das notwendige Existenzminimum deckt (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 23/10 R - juris Rdn. 19, m. w. Nachw.); Voraussetzung ist aber nach Art. 49 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV; vormals Art. 43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - EGV -), dass eine wirtschaftliche Tätigkeit auf unbestimmte Zeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat tatsächlich ausgeübt wird, sodass alleine ein formaler Akt wie die Registrierung eines Gewerbes nicht ausreichend ist. Ein weitergehendes Stadium aber hat die selbstständige Tätigkeit der Antragstellerin zu 1. nicht erreicht (vgl. auch BSG, aaO., mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes), zudem hat die Antragstellerin zu 1. die behauptete selbständige Tätigkeit auch nach den Angaben von Herrn M. aus dessen Schreiben an den Antragsgegner vom 28. Februar 2013 bereits wieder eingestellt. Außerdem datiert die vorliegende Gewerbeanmeldung erst vom 27. Dezember 2012, und der Beginn der Tätigkeit wird dort mit dem 1. Dezember 2012 angegeben. Seit der erfolgten Anmeldung hat die Tätigkeit einen nennenswerten Umfang schon nach Darstellung des insbesondere gegenüber der Ausländerbehörde die Interessen der Antragsteller vertretenden Herrn M. nicht erreicht.

Aber auch in dem Falle, dass der Antragsteller zu 1. tatsächlich einer derartigen selbständigen Tätigkeit nachgegangen sein sollte, genügt dies nicht, wenn es sich um eine ihrem Umfang nach völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit darstellt. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des 11. Senats des erkennenden Gerichts an (Beschluss vom 3. August 2012 - L 11 AS 39/12 B ER - juris Rdn. 21).

Auch ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht aus einer früheren Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU aufgrund unfreiwilliger und durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit kommt nach den Fallumständen nicht in Betracht.

bb) Mangels des Eingreifens anderer Tatbestände ist daher von einem Aufenthaltsrecht allein mit dem Zweck der Arbeitssuche - § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU - mit der Folge auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfüllt sind. Eine weite Auslegung des § 8 Abs. 2 SGB II, auf welche die Antragsteller abstellen, ändert dieses Ergebnis in keiner Weise.

b) Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist als geltendes Recht auch anzuwenden (vgl. Landessozialgericht - LSG - Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Juni 2012 - L 20 AS 2/12 B ER - juris Rdn. 30, m. w. Nachw. auch zur Gegenauffassung), zumal der Senat im konkreten Anwendungsfall keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Bestimmung hat. Für eine "Folgenabwägung" ist insoweit kein Raum (so auch LSG Berlin-Brandenburg, aaO.; 9. Senat des erkennenden Gerichts, Beschluss vom 23. Mai 2012 - L 9 AS 47/12 B ER - juris Rdn. 56; a. A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2012 - L 7 AS 2109/11 B ER - juris Rdn. 14; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. November 2012 - L 6 AS 1324/12 B ER - juris Rdn. 31).

Hinzu kommt, dass auch in Eilverfahren schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, da auch von der Verwaltung zügige Entscheidungen erwartet werden, so dass sich in der Regel eine Folgenabwägung aus diesen Gründen verbietet.

aa) § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist nicht wegen des Gleichbehandlungsgebots des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) unanwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 14/10 R); die Antragsteller sind bereits nicht vom Schutzbereich des EFA erfasst, weil Rumänien den Vertrag dieses Abkommens bislang nicht ratifiziert hat. Selbst wenn sie vom Schutzbereich des EFA erfasst wären, bliebe § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II seit der am 19. Dezember 2011 erfolgten Veröffentlichung des auf der Grundlage des Art. 16 Buchstabe b EFA von der Bundesregierung dem Europarat mitgeteilten Vorbehalts von dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA unangetastet (hierzu LSG Berlin-Brandenburg, aaO. - juris Rdn. 31).

bb) Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II widerspricht im konkreten Zusammenhang nicht Art. 14, 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG - sog. Unionsbürgerrichtlinie vom 29. April 2004 -, soweit Leistungen zum Lebensunterhalt begehrt werden.

Insbesondere handelt es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II um Sozialhilfeleistungen im Sinne dieser Vorschrift.

Die Frage, welche Leistungen unter diesen Sozialhilfebegriff fallen, ist im Einklang mit Art. 45 Abs. 2 AEUV (vormals Art. 39 Abs. 2 EGV) zu beantworten. Bei den von den Antragstellern beantragten Leistungen handelt es sich nicht um finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, sondern um staatliche Fürsorgeleistungen, die der Existenzsicherung dienen, also um Sozialhilfeleistungen.

Es ist Sache der nationalen Behörden und innerstaatlichen Gerichte, die grundlegenden Merkmale dieser Leistungen zu prüfen (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009, Vatsouras und Koupatantze, C-22/08 und C-23/08, Rdn. 41). Grundlegendes Merkmal der von den Antragstellern begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist deren "Passivität", das heißt deren Existenz sichernde Funktion (vgl. zum Charakter des SGB II als Fürsorgegesetz BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 23/10 R); sie begehren hingegen nicht "aktive" Leistungen der Eingliederung in Arbeit (vgl. zur Trennbarkeit der Leistungen im SGB II auch LSG Berlin-Brandenburg, aaO., juris Rdn. 32, mit Verweis auf u. a. SG Berlin, Urteil vom 16. Dezember 2011 - S 26 AS 10021/08; Beschluss des SG Dresden vom 5. August 2011 - S 36 AS 3461/11 ER). Spricht bereits dies für das Vorliegen einer Sozialhilfeleistung, so spricht hierfür auch die Unterscheidung innerhalb des SGB II zwischen den Leistungen für Eingliederung in Arbeit (Kapitel 3 Abschnitt 1, §§ 14 bis 18e SGB II) und den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Kapitel 3 Abschnitt 2, §§ 19 bis 35 SGB II); letztere entsprechen hierbei in ihrer Aufgabenstellung der Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), nicht hingegen einer Erleichterung des Zugangs zum Arbeitsmarkt (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. August 2012 - aaO. - juris Rdn. 29). Auch in Anhang X der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit - VO 883/04 - wird diese Unterscheidung getroffen.

Die Gesetzesbegründung des SGB II macht diese Funktionsunterschiede der Abschnitte 1 und 2 des Kapitels 3 des SGB II gleichfalls deutlich. Die Regelungen des SGB II führen die frühere Arbeitslosenhilfe einerseits und die frühere Sozialhilfe andererseits zusammen (BT-Drs. 15/1516, S. 44). Das bisherige Nebeneinander von zwei staatlichen Fürsorgeleistungen sollte beendet, der Grundsatz "Arbeit statt passiver Leistung" besser umgesetzt werden. Die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit werden aber weiterhin als aktive Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und als passive Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht (aaO., S. 50). Während die aktiven Leistungen den Erwerbsfähigen bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützen sollen, sollen die passiven Leistungen den Lebensunterhalt des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können. Die Antragsteller begehren allein Leistungen, die der Existenzsicherung dienen, und damit Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie (dies entwickelt in überzeugender Weise - der Senat tritt dem einschränkungslos bei - LSG Berlin-Brandenburg aaO., juris Rdn. 32).

Aber auch eine grundsätzlich bestehende Berechtigung zum Bezug von Sozialhilfeleistungen nach den Grundsätzen des Art. 14 der der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - vermag das gefundene Ergebnis deswegen nicht zu ändern, weil Rumänen gemäß § 1 Abs. 3 EU-Beitrittsvertrag in Verbindung mit dem Beschluss des Bundeskabinetts vom 7. Dezember 2011 noch bis zum 31. Dezember 2013 in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt sind, und die Kläger sich dementsprechend noch nicht vollumfänglich auf die Rechte nach Art. 6, 7 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - berufen können.

cc) Eine Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ergibt sich im hier interessierenden Zusammenhang auch eindeutig nicht aus einem Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit - VO 883/2004 -. Nach Art. 4 der VO 883/2004 haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staats, soweit mit der VO nichts anderes bestimmt ist.

Der persönliche Geltungsbereich der Verordnung erstreckt sich gemäß Art. 2 Abs. 1 u. a. auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, der sachliche Geltungsbereich gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. h) auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit.

Während Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 die Anwendbarkeit der VO auf die Systeme der sozialen Sicherheit regelt und damit diese einer Exportpflicht unterwirft, regelt Art. 3 Abs. 5 lit. a) VO 883/2004 den Ausschluss der Fürsorgeleistungen vom Anwendungsbereich der VO und damit von der Exportpflicht. In Reaktion auf Ausgestaltungen von Sozialleistungssystemen in den Mitgliedsstaaten, die die Kategorisierung von Leistungen in solche der sozialen Sicherung einerseits und Leistungen der Fürsorge andererseits erschwerten, war bereits mit Art. 10a Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 eine Regelung geschaffen worden, die für etwaige "Mischleistungen", nämlich für besondere beitragsunabhängige Leistungen, eine Ausnahme von der generellen Exportpflicht (Art. 10 Abs. 1 VO 1408/71) vorgesehen hatte. Nach Art. 3 Abs. 3 VO 883/2004 gilt nunmehr als Nachfolgebestimmung Art. 70 VO 883/2004; gemäß Art. 70 Abs. 2 lit. c) i. V. m. Anhang X sind für Deutschland u. a. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Abs. 1 SGB II) erfüllt sind, aufgeführt. Art. 70 Abs. 4 VO 883/2004 regelt, dass die besonderen beitragsunabhängigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnortlandes geleistet werden. Hier können Zugangsregelungen geschaffen werden. Eine Ausweitung der grundsätzlichen Leistungsberechtigung der beitragsunabhängigen Leistungen nach nationalem Recht für alle Unionsbürger war mit der Regelung des Art. 70 VO 883/2004 nach der historisch-systematischen sowie teleologischen Auslegung nicht bezweckt (LSG Berlin-Brandenburg aaO., juris Rdn. 34 ff.). Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II knüpft nicht an die Arbeitslosigkeit, sondern an die Bedürftigkeit mangels Einkommens und Vermögens trotz bestehender Erwerbsfähigkeit an, und in diesem Zusammenhang steht der reine Fürsorgecharakter der Leistung im Vordergrund.

dd) Jedenfalls bei Staatsangehörigen Rumäniens und Bulgariens führt auch eine europarechtsfreundliche Auslegung des "effet utile" nicht zu Zweifeln an der Europarechtskonformität des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Denn vor dem Hintergrund, dass Staatsangehörige dieser Länder bis Ende 2013 weiterhin - und wegen § 1 Abs. 3 EU-Beitrittsvertrag europarechtlich legitimiert - von der uneingeschränkten Freizügigkeit ausgeschlossen sind, besteht ein objektiver Grund, sie von den hier beantragten Leistungen auszuschließen. Der Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II korrespondiert für Rumänen und Bulgaren mit deren Ausschluss von der uneingeschränkten Freizügigkeit (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg aaO., juris Rdn. 39, mit Verweis auf die ausführliche Begründung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 28. Juni 2001 - L 19 AS 317/11 B ER - m. w. N.).

Dementsprechend betraf die Aufarbeitung der zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gesehenen Probleme zunächst Fallgestaltungen, in denen uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger sich auf der Grundlage eines aus ihrem Status abgeleiteten Aufenthaltsrechts erlaubterweise im Zuzugsstaat aufhielten und zudem nicht durch das die Antragsteller betreffende Beschäftigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt nach § 284 SGB III hinsichtlich ihrer Integrierbarkeit in den Arbeitsmarkt beeinträchtigt waren. Bulgarische und rumänische Staatsangehörige haben indes nicht den gleichen Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt wie deutsche Arbeitssuchende, solange sie nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung-EU sind. Hiernach besteht auch unter Beachtung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes ein objektiver Grund, sie von den Leistungen nach SGB II auszuschließen. Eine andere Sichtweise würde im Übrigen dazu führen, den Willen der vertragschließenden Parteien des Beitrittsvertrages sowie den Willen der Bundesregierung bei Ausübung der Vorbehaltsrechte zu ignorieren. Die Nichtanwendung bzw. Außerkraftsetzung der allgemeinen Regeln und Prinzipien des EU-Freizügigkeitsrechts für Arbeitnehmer im Beitrittsvertrag hat im Wesentlichen zwei Gründe. Der erste ist die Situation der nationalen Arbeitsmärkte. Der zweite Grund liegt in der befürchteten Belastung mit zusätzlichen Sozialausgaben, weil Arbeitnehmertätigkeit und soziale Sicherung in den meisten Ländern eng miteinander verknüpft sind. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Verständnis der Rechtslage dahin, dass Freizügigkeit und Zugang zu den nationalen Arbeitsmärkten vorübergehend nur eingeschränkt eröffnet, Sozialleistungen jedoch uneingeschränkt zugänglich gemacht werden sollten, nicht sachgerecht (zu alledem zutreffend LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. Juni 2012 - L 19 AS 834/12 B ER - juris Rdn. 36 - 38).

Dementsprechend geht der Senat (mit u. a. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2012 - L 7 AS 2109/11 B ER - juris Rdn. 6) auch weiterhin davon aus, dass der Zugang rumänischer und bulgarischer Staatsangehöriger zu Leistungen nach dem SGB II das Bestehen eines gleichen Zugangs zum inländischen Arbeitsmarkt voraussetzt, wie dieser für deutsche Arbeitsuchende besteht.

c) Im Falle von Ausländern ist zudem Voraussetzung für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II - und dies stellt eine selbständig tragende Erwägung des Senats dar - dass das nicht nur vorübergehende Verweilen nach den Vorschriften des Ausländerrechtes auch zulässig ist (Senat, Beschluss vom 12. März 2013 - L 13 AS 51/13 B ER - m. V. a. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. August 2008 - 11 S 1443/08 - juris Rdn. 3, m. w. Nachw.). Der tatsächliche Aufenthalt eines Ausländers kann im Rechtssinne mithin erst dann zum gewöhnlichen Aufenthalt i. S. des § 30 Abs. 3 SGB I werden, wenn ausländerrechtlich davon auszugehen ist, dass der Ausländer auf unabsehbare Zeit dort bleiben kann (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 20. Mai 1987 - 10 RKg 18/85 - juris Rdn. 14; dieser Auffassung wohl grundsätzlich folgend Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Februar 1993 - 1 C 45/90 - juris Rdn. 24). Eine bestimmte Zeitgrenze, von der an ein Aufenthalt nicht mehr als vorübergehend anzusehen ist, ist dem Sozialrecht bei alledem fremd (BSG, Urteil vom 15. Juni 1982 - 10 RKg 26/81 - juris Rdn. 26 - BSGE 53, 294, 298 [BSG 15.06.1982 - 10 RKg 26/81]). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Antragsteller nicht gegeben.

d) Eine andere Sichtweise folgt auch nicht aufgrund des Urteils des Bundessozialgerichts vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R - (bislang lediglich als Pressebericht vorliegend). Denn Gegenstand dieser Entscheidung war die Erwerbsfähigkeit i. S. der Regelung des § 8 Abs 2 SGB II a. F., nach der Ausländer nur erwerbstätig sein können, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, verbunden mit der Möglichkeit der Beschäftigungsaufnahme mit Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU, etwa für eine unqualifizierte Tätigkeit als Hilfskraft. Die rechtliche Möglichkeit der Aufnahme einer Beschäftigung bewirkt hiernach für die dortige Klägerin als Unionsbürgerin bei der Prüfung des Vorhandenseins bevorrechtigter Arbeitnehmer für einen konkreten Arbeitsplatz Vorrang gegenüber Drittstaatsangehörigen, und sie habe nach den tatsächlichen Umständen im streitigen Zeitraum auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt. Tragend verknüpft sind diese Überlegungen indes mit dem Zusammenleben mit dem dauerhaft aufenthaltsberechtigten Lebensgefährten der dortigen Klägerin und der bevorstehenden Geburt eines Kindes und bevorstehender Familiengründung, so dass eine Übertragbarkeit auf den vorliegenden Fall außerordentlich fraglich erscheint. auch das BSG hat insoweit dargelegt, es komme maßgeblich auf die besonderen Einzelfallumstände an.

e) Nach alledem besteht keine Veranlassung, § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vorliegend nicht anzuwenden. Den in der Rechtsprechung und in der Literatur geäußerten Zweifeln an der Vereinbarkeit der Vorschrift mit europarechtlichen Vorgaben schließt sich der Senat - ebenso wie der 11. Senat des erkennenden Gerichts - nicht an (vgl. hierzu: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. August 2012 - aaO., juris Rdn. 31, m. w. Nachw.).

Der Bezug von Elterngeld (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 4. Februar 2013) vermag dieses Ergebnis nicht zu ändern.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Antrag der Antragsteller, ihnen zur Rechtsverteidigung im Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, war abzulehnen, obwohl die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung gem. § 73 a SGG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht zu prüfen sind. Denn die Antragsteller haben trotz Anforderung gemäß Schreiben des Berichterstatters des Senats vom 20. März 2013 davon abgesehen, dem Gericht die notwendige Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu übersenden, die für jede Instanz neu vorzulegen ist, § 73a SGG i. V. m. §§ 117 Abs. 4, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).