Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 30.04.2013, Az.: L 2 EG 2/13

Anspruch auf Elterngeld; Weitergewährung auch für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes bei nicht verheirateten Eltern, gemeinsamer Sorgeerklärung vor dem Jugendamt und Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch eine private Vereinbarung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
30.04.2013
Aktenzeichen
L 2 EG 2/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 36922
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2013:0430.L2EG2.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - AZ: S 32 EG 19/10

In dem Rechtsstreit

A.,

Klägerin und Berufungsklägerin,

Proz.-Bev.: Rechtsanwalt B.,

gegen

Landeshauptstadt Hannover, vertreten durch den Oberbürgermeister, Fachbereich Jugend und Familie, Ihmeplatz 5, 30449 Hannover,

Beklagte und Berufungsbeklagte,

hat der 2. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen

am 30. April 2013 in Celle

durch

den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Dr. C.,

die Richterin am Landessozialgericht D. und

die Richterin am Landessozialgericht E.

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin, der für die ersten zwölf Lebensmonate ihres am 6. Juni 2009 geborenen Kindes F. bereits Elterngeld zuerkannt worden ist, begehrt eine Weitergewährung des Elterngeldes auch für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes.

Die miteinander nicht verheirateten Eltern des Kindes hatten gemäß § 1626a BGB gegenüber dem Jugendamt eine Erklärung des Inhalts abgegeben, dass sie die Sorge für das Kind gemeinsam übernehmen wollten.

Entsprechend dem am 8. Juli 2009 eingegangenen ersten Antrag der Klägerin gewährte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juli 2009 für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes Elterngeld in Höhe von (ab dem 3. Monat) monatlich 1.358,59 €.

Mit Anwaltsschreiben vom 18. Juni 2010 teilte der Kindesvater der Klägerin über den sie auch im vorliegenden Verfahren vertretenden Bevollmächtigten mit, dass er mit einem weiteren Aufenthalt des Kindes bei der Klägerin einverstanden sei. Diese könne über den Aufenthaltsort des Kindes entscheiden.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2010 begehrte die Klägerin unter Beifügung dieser Erklärung des Vaters eine Weitergewährung des Elterngeldes auch für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes.

Am 30. August 2010 trafen die Eltern eine notariell beurkundete "Vereinbarung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht", der zufolge das "alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht" bezüglich des Kindes seit dem 18. Juni 2010 der Klägerin zustehen sollte.

Mit Bescheid vom 8. September 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2010 lehnte die Beklagte eine Weitergewährung des Elterngeldes auch für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes mit der Begründung ab, dass das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht nur durch eine gerichtliche Entscheidung auf die Klägerin hätte übertragen werden können. Eine solche Entscheidung sei im vorliegenden Fall nicht und erst recht nicht vor Beginn des 13. Lebensmonates des Kindes getroffen worden.

Zur Begründung der am 21. Dezember 2010 erhobenen Klage hat sich die Klägerin auf die notariell beurkundete privatrechtliche Vereinbarung vom 30. August 2010 berufen.

Mit Urteil vom 14. Dezember 2012, der Klägerin zugestellt am 7. Januar 2013, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Mangels einer die vorausgegangene Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge abändernden familiengerichtlichen Entscheidung habe der Klägerin nicht das nach § 4 BEEG erforderliche alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zugestanden.

Mit der am 29. Januar 2013 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hebt hervor, dass sie in notarieller Form eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nachgewiesen habe.

Sie beantragt sinngemäß,

1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. Dezember 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 8. September 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2010 aufzuheben und

2. die Beklagte zu verpflichten, ihr Elterngeld auch für den 13. und 14. Lebensmonat ihres Kindes zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung, über die der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich erachtet, hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr über die bereits zuerkannten zwölf Bezugsmonate (unter Einschluss der nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG anzurechnenden Mutterschaftsgeldbezugszeiten nach der Geburt) hinaus auch für den 13. und 14. Lebensmonat ihres Kindes Elterngeld nach Maßgabe der §§ 1 ff. BEEG gewährt wird. Die Klägerin hat den in Betracht kommenden Anspruchszeitraum bereits ausgeschöpft.

Nach dem in § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG normierten Grundsatz kann ein Elternteil im Regelfall lediglich für bis zu zwölf Monate nach der Geburt des Kindes Elterngeld in Anspruch nehmen (zur Verfassungsmäßigkeit vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. August 2011 - 1 BvL 15/11 -). Diese Zeitspanne hat die Klägerin bereits ausgeschöpft. Im vorliegenden Fall liegt auch keiner der Ausnahmefälle vor, in denen das Gesetz abweichend von dem erläuterten Grundsatz einem Elternteil die Möglichkeit zu einem Weiterbezug des Elterngeldes auch für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes eröffnet.

Diese Möglichkeit sieht das Gesetz in § 4 Abs. 3 Satz 3 und 4 BEEG nur für folgende Ausnahmetatbestände vor:

Ein Elternteil kann (Satz 3) abweichend von § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG für 14 Monate Elterngeld beziehen, wenn eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt und mit der Betreuung durch den anderen Elternteil eine Gefährdung des Kindeswohls im Sinne von § 1666 Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verbunden wäre oder die Betreuung durch den anderen Elternteil unmöglich ist, insbesondere weil er wegen einer schweren Krankheit oder Schwerbehinderung sein Kind nicht betreuen kann; für die Feststellung der Unmöglichkeit der Betreuung bleiben wirtschaftliche Gründe und Gründe einer Verhinderung wegen anderweitiger Tätigkeiten außer Betracht. Elterngeld für 14 Monate steht einem Elternteil nach Satz 4 auch zu, wenn (Nr. 1) ihm die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zusteht oder er eine einstweilige Anordnung erwirkt hat, mit der ihm die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind vorläufig übertragen worden ist, (Nr. 2) eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt und (Nr. 3) der andere Elternteil weder mit ihm noch mit dem Kind in einer Wohnung lebt.

Im vorliegenden Fall macht auch die Klägerin nicht geltend, dass im 13. und 14. Lebensmonat ihres Kindes die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 3 BEEG vorgelegen haben könnten. Auch anderweitig sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass in diesen Monaten eine Betreuung des Kindes durch seinen Vater im Sinne der gesetzlichen Vorgaben unmöglich gewesen sein könnte oder mit einer Gefährdung des Kindeswohls im Sinne von § 1666 Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verbunden gewesen wäre.

Ebenso wenig liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 4 BEEG vor. Der Klägerin stand im streitbetroffenen 13. und 14. Lebensmonat ihres Kindes weder die elterliche Sorge noch das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zu.

Aufgrund der zuvor von den Eltern gegenüber dem Jugendamt der Stadt G. abgegeben Erklärung gemäß § 1626a BGB über die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge stand diese einschließlich des von ihr nach § 1626 Abs. 1 BGB umfassten Aufenthaltsbestimmungsrechts vielmehr beiden Eltern gemeinsam zu.

Eine rechtsverbindliche Abänderung der durch die Erklärung nach § 1626a BGB begründeten gemeinsamen elterlichen Sorge wäre nur durch eine familiengerichtliche Entscheidung nach § 1671 BGB in Betracht gekommen. Eine solche Entscheidung hat das Familiengericht auch nach dem Vortrag der Klägerin jedoch weder in einem Hauptsacheverfahren noch auch nur im Wege einer einstweiligen Anordnung getroffen, erst recht ist eine solche nicht vor den streitbetroffenen beiden Lebensmonaten des Kindes nach Vollendung des 1. Lebensjahres ergangen.

Im Interesse der im vorliegenden Zusammenhang namentlich auch im Hinblick auf das Kindeswohl eine besondere Bedeutung aufweisenden Rechtssicherheit und -klarheit hat der Gesetzgeber davon abgesehen, für eine Abänderung der zunächst rechtswirksam begründeten gemeinsamen elterlichen Sorge privatrechtliche Vereinbarungen genügen zu lassen (vgl. auch Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 8. Auflage 2008, § 4 BEEG, Rn. 20; Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 14. Auflage 2011, § 1671 Rn. 1). Diese vermögen als solche nach den gesetzlichen Vorgaben auch dann keine rechtswirksame Änderung herbeizuführen, wenn sie - wie es im vorliegenden Zusammenhang ohnehin erst nach Ablauf des geltend gemachten Bezugszeitraums geschehen ist - notariell beurkundet werden. Die Bedeutung der Rechtssicherheit hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang beispielsweise auch mit den Regelungen der §§ 1626b ff. BGB und 58a SGB VIII zum Ausdruck gebracht.

An diese familienrechtlichen Vorgaben knüpfen die erläuterten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 4 BEEG an. Der Gesetzgeber hat auch in diesem Zusammenhang bewusst davon abgesehen, bereits anknüpfend an privatrechtliche (familienrechtlich ohnehin nicht rechtsverbindliche) Vereinbarungen einem Elternteil die Möglichkeit zu einem Leistungsbezug für mehr als zwölf Monate zu eröffnen. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/18889, S. 24) ist vielmehr ausdrücklich festgehalten worden, dass durch die Anknüpfung an eine einstweilige Anordnung durch das Familiengericht und damit an eine zumindest vorläufige gerichtliche Prüfung (der Voraussetzungen zur Übertragung der elterlichen Sorge insgesamt oder zumindest des Aufenthaltsbestimmungsrechts) insbesondere auch Missbrauchsmöglichkeiten eingeschränkt würden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 bs. 2 SGG), sind nicht gegeben.