Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 10.04.2013, Az.: L 13 AS 200/11

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
10.04.2013
Aktenzeichen
L 13 AS 200/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 46713
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2013:0410.L13AS200.11.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BSG - 02.04.2014 - AZ: B 4 AS 29/13 R

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Beteiligten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, ein Ehepaar mit zwei 2002 und 2005 geborenen Kindern, begehren die Bewilligung laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 8. Februar 2009. Hintergrund ist, dass der bis zum 31. Dezember 2008 als Eisenflechter erwerbstätige Kläger zu 1., dem von seinem Arbeitgeber am 15. Dezember 2008 zum 31. Dezember 2008 gekündigt worden war, sich am 22. Dezember 2008 arbeitssuchend gemeldet hatte und in diesem Zusammenhang bereits vor dem 1. Januar 2009 einen Antrag auf Arbeitslosengeld I gestellt hatte, einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II aber erst nachfolgend am 9. Februar 2009 stellte, nachdem festgestellt war, dass das ihm bewilligte Arbeitslosengeld I für die Deckung des Bedarfs der Kläger nicht ausreichte.

Am 9. Februar 2009 ging bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten der streitgegenständliche Leistungsantrag der Kläger ein, der oben links in der Rubrik "Tag der Antragstellung" den handschriftlichen Vermerk "22.12.08" trägt. Vorgelegt wurde ferner ein Mietvertrag vom 28. Juni 2008, wonach der Kläger zu 1. das Objekt zu einem Mietzins i. H. v. 570,00 EUR von M. - wohnhaft unter gleicher Anschrift - gemietet hatte. Über die im Jahre 2008 erfolgten Mietzahlungen legten die Kläger Quittungen vor. Der Leistungsfall der Kläger war in vorausgegangenen Zeiten zeitweise durch die vormalige Eigentümerstellung des Klägers zu 1. in Bezug auf die von den Klägern bewohnte Doppelhaushälfte geprägt gewesen; aufgrund des Umstandes, dass das Haus nicht als "angemessenes Hausgrundstück" i. S. des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II angesehen wurde, hatte die Rechtsvorgängerin des Beklagten den Klägern auf ihren erstmaligen Leistungsantrag im Jahre 2006 - wie auch nachfolgend - lediglich darlehensweise Leistungen bewilligt. Das Eigentum am Grundstück wurde im Jahr 2008 auf Herrn M. übertragen, der Kaufpreis aufgrund eines im Zusammenhang mit der Errichtung des Hauses gewährten Darlehens verrechnet, sodass eine Zahlung an den Kläger zu 1. nicht erfolgte.

Bei den Angaben zu den Einkünften in dem am 19. Februar 2009 eingegangenen ausgefüllten Antragsvordruck blieb die Rubrik für den Bezug von Arbeitslosengeld I zwar unausgefüllt, der Kläger zu 1. legte aber eine Zweitschrift eines Änderungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 13. Februar 2009 vor, wonach er laufend Arbeitslosengeld I bezog, das ihm jedoch wegen Meldeversäumnisses für die Zeit vom 4. bis zum 10. Februar 2009 mit diesem Änderungsbescheid vom 13. Februar 2009 entzogen worden war. Weiterhin teilte der Kläger in einer von ihm auf den 6. März "2008" (gemeint sein dürfte 2009) datierten Erklärung mit, er habe zurzeit keine Arbeit, und das Arbeitslosengeld I reiche bei weitem nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts für ihn und seine Familie. Bis zum 31. Dezember 2008 habe er regelmäßiges Einkommen durch seine Arbeit gehabt, das jedoch ebenfalls nicht ausgereicht habe, um die ganze Familie zu versorgen; er habe oft Freunde und Familie um Geld bitten müssen, was er bislang nicht zurück gezahlt habe.

In einem Gespräch am 10. März 2009 teilte der Kläger mit, dass er den Antrag auf Arbeitslosengeld II nicht am 22. Dezember 2008 ausgehändigt bekommen habe, sondern dass dieser ihm am 9. Februar "2008" (gemeint sein dürfte 2009) von Herrn N. in der Eingangszone der Rechtsvorgängerin des Beklagten ausgehändigt worden sei. Es sei somit nicht nachvollziehbar, woher das eingetragene Datum stamme.

Hinsichtlich des Erlöses aus dem Hausverkauf wurde in der gleichen Gesprächsnotiz vermerkt, ein Betrag i. H. v. 102.600,00 EUR sei als Schulden nachgewiesen worden. Der ausstehende Betrag i. H. v. 67.400,00 EUR sei nicht nachgewiesen. In der Folgezeit führten die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin des Beklagten weitere Ermittlungen im Hinblick auf die Übertragung des Hausgrundstücks durch. In diesem Zusammenhang teilte der Kläger zu 1. mit, im Erdgeschoss des Objekts wohnten Herr M. und seine Ehefrau, während seine Familie und er im Obergeschoss wohnten. Ferner legte er einen auf den 4. April 2005 datierten Darlehensvertrag über einen Betrag i. H. v. 150.000,00 EUR vor.

Ein interner Vermerk der Bundesagentur für Arbeit über ein Telefongespräch mit dem Kläger vom 20. Januar 2009 des Inhalts, der Kläger habe keine Möglichkeit gesehen, am Ende des Monats seine Miete zu zahlen, es sei der Hinweis erteilt worden, sich "an ARGE zu wenden. Möchte er nicht", wurde am 11. März 2009 zu den Akten der Rechtsvorgängerin des Beklagten genommen. Im weiteren Verfahren hat der Kläger zu 1. mitgeteilt, es treffe nicht zu, dass er in einem Telefongespräch mit der Agentur für Arbeit am 20. Januar 2009 zum Ausdruck gebracht hätte, keine Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen zu wollen.

Mit Bescheid vom 20. April 2009 bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten der Bedarfsgemeinschaft des Klägers laufende Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 9. Februar 2009 bis zum 31. August 2009 unter Berücksichtigung des Einkommens aus Arbeitslosengeld I und Kindergeld und ohne Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung. Die Kläger legten Widerspruch ein und begründeten diesen u. a. damit, die Leistungen seien bereits ab dem 1. Januar 2009 zu gewähren, denn ein Antrag auf Arbeitslosengeld I umfasse zugleich einen Antrag auf Arbeitslosengeld II, und ein solcher Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld I sei nachweislich gestellt worden. Außerdem seien die Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen; wegen der weiteren Kritikpunkte wird auf den Inhalt des Widerspruchsschreibens verwiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2009 (umgesetzt mit Änderungsbescheid vom 16. Juli 2009) änderte die Rechtsvorgängerin des Beklagten den Bescheid vom 20. April 2009 insoweit ab, als nunmehr Kosten für Unterkunft und Heizung i. H. von monatlich 461,02 EUR berücksichtigt wurden. Hinsichtlich einer Leistungsbewilligung bereits ab dem 1. Januar 2009 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, da in dem Antrag auf Arbeitslosengeld I nicht auch ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II zu sehen sei, ein solcher Leistungsantrag sei erst am 9. Februar 2009 gestellt worden. Zielrichtung und Anspruchsvoraussetzungen der Anträge für Arbeitslosengeld I und II seien verschieden. Die eine Leistung sei eine Versicherungsleistung, die andere stelle maßgeblich auf die Hilfebedürftigkeit ab; damit gingen - anders als bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld I - weitreichende Auskunfts- und Offenlegungspflichten einher, denen sich nicht jeder Antragsteller, welcher Arbeitslosengeld I beantrage, unterwerfen wolle.

Am 11. August 2009 haben die Kläger Klage zum Sozialgericht Lüneburg erhoben. Diese haben sie auf eine Leistungsgewährung bereits für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2009 gerichtet und ausgeführt, die Klage richte sich nur noch gegen den Zeitpunkt des Leistungsbeginns. Einen entsprechenden Anspruch bereits ab dem 1. Januar 2009 haben sie damit begründet, der Kläger zu 1. sei zum 1. Januar 2009 arbeitslos geworden und habe am 22. Dezember 2008 einen Antrag auf Arbeitslosengeld I bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt. Dieser Antrag umfasse zugleich einen Antrag auf Arbeitslosengeld II. Zwar hätten die Leistungen unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen, es sei jedoch für einen wirksamen Antrag nicht erforderlich, dass diese Voraussetzungen zeitgleich nachgewiesen würden. Vielmehr könne der Sachverhalt auch noch nach Antragstellung ermittelt werden. Es sei nicht zutreffend, dass der Kläger zu 1. im Rahmen eines telefonischen Kontakts am 20. Januar 2009 die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld II abgelehnt habe. Zutreffend sei, dass die Antragsformulare für das Arbeitslosengeld II erst am 9. Februar 2009 ausgehändigt worden seien. Zudem wirke der Antrag vom 9. Februar 2009 auch nach der Bestimmung des § 28 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf den 1. Januar 2009 zurück. Zwar sei dem Kläger das Arbeitslosengeld I nicht versagt worden, sondern er mache nur ergänzende Leistungen geltend. Die Kläger könnten jedoch nicht schlechter gestellt werden, als wenn das Arbeitslosengeld I vollständig versagt worden wäre.

Hierzu hat die Rechtsvorgängerin des Beklagten dahingehend Stellung genommen, die genannte Bestimmung sei nur einschlägig, wenn der Leistungsberechtigte erfolglos eine andere Sozialleistung beansprucht habe. Erfolglosigkeit in diesem Sinne liege jedoch nur dann vor, wenn die andere Leistung versagt worden sei oder wenn sie zu erstatten sei. Eine erweiternde Auslegung mit Blick auf den Fall der Kläger erlaube der Regelungszweck der Vorschrift nicht. Die Rechtsvorgängerin des Beklagten hat ebenfalls dargelegt, der Antrag auf Arbeitslosengeld II sei erst am 9. Februar 2009 von Herrn N. ausgehändigt worden. Warum der 22. Dezember 2008 auf dem Antragsformular als Tag der Antragstellung vermerkt worden sei, sei weder bekannt noch erklärbar. Zu dem weiterhin streitigen Inhalt des Gesprächs vom 20. Januar 2009 benannt hat Frau O. als Zeugin eine dienstliche Erklärung mit Datum vom 9. November 2009 abgegeben, in welcher sie dargelegt hat, dass sie sich an das Telefongespräch vom 20. Januar 2009 nicht mehr im Einzelnen erinnern könne.

Mit Urteil vom 20. Juni 2011 hat das Sozialgericht (SG) Lüneburg die Klage mit der tragenden Begründung abgewiesen, gem. § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II würden Leistungen der Grundsicherung nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Vor dem 9. Februar 2009 hätten die Kläger einen solchen Antrag jedoch nicht gestellt. Die handschriftlich eingefügte Notiz auf dem Formular "Tag der Antragstellung 22.12.08" könne eine tatsächliche Antragstellung an diesem Tag nicht ersetzen. Der Kläger zu 1. habe die Beantragung von Arbeitslosengeld II zunächst einerseits subjektiv nicht beabsichtigt, andererseits sei der Antrag vom 22. Dezember 2008 jedoch auch bei objektiver Betrachtung nicht als Antrag auf Arbeitslosengeld II anzusehen. Dies ergebe sich nicht aus dem vom Kläger zu 1. geschilderten Lebenssachverhalt; es sei nicht erkennbar, dass er seinerzeit zum Ausdruck gebracht habe, dass er Leistungen auch für seine Familie begehre. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.

Die Kläger haben gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 24. Juni 2011 zugestellte Urteil am 30. Juni 2011 Berufung eingelegt und sich haben zur Begründung nochmals darauf berufen, ein Antrag auf Arbeitslosengeld I umfasse zugleich einen Antrag auf Arbeitslosengeld II. Dies sei unabhängig von der Frage, ob der jeweilige Antragsteller das Arbeitslosengeld I als ausreichend zur Bedarfsdeckung seiner Bedarfsgemeinschaft erachte. Eine Auslegung nach dem Empfängerhorizont ergebe regelmäßig, dass der Antragsteller Leistungen aufgrund seiner Erwerbslosigkeit begehre (mit Verweis auf Sozialgericht Berlin, Urt. v. 25. November 2009, S 160 AS 7256/08, Rdn. 31). Die Antragstellung vom 22. Dezember 2008 enthalte keine abweichenden Hinweise, und auch aus dem Telefongespräch vom 20. Januar 2009 ergebe sich nichts anderes. Die Antragstellung auch für die Kläger zu 2. bis 4. am 22. Dezember 2008 folge aus der Vermutung des § 38 SGB II. Im Übrigen folge aus der Vorschrift des § 28 SGB X ein Leistungsanspruch, denn eine Leistung sei auch dann "versagt", wenn sie nicht ausreiche, um den Bedarf zu decken. Auf ihr erstinstanzliches Vorbringen nahmen die Kläger ergänzend Bezug. Die Kläger haben noch auf die Existenz eines gemeinsamen Netzwerks zur Datenverarbeitung des Beklagten und der Bundesagentur für Arbeit hingewiesen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. Juni 2011 aufzuheben,

und

den Bescheid des Beklagten vom 20. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2009, diesen wiederum in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Juli 2009, abzuändern,

und

den Beklagten zu verurteilen, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 bis zum 8. Februar 2009 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und der Agentur für Arbeit Lüneburg - Uelzen verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143 SGG), aber nicht begründet. Das Urteil des SG Lüneburg begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 20. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2009, dieser wiederum in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Juli 2009, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Auf Beklagtenseite ist das Jobcenter als gemeinsame Einrichtung i. S. des § 44 b Abs. 1 Satz 1 SGB II, die mit Wirkung vom 1. Januar 2011 kraft Gesetzes entstanden ist, als Rechtsnachfolger kraft Gesetzes an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten; das Passivrubrum war dementsprechend von Amts wegen zu berichtigen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 24. Februar 2011 - B 14 AS 45/09 R - juris Rdn. 12, sowie vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr. 5 - juris Rdn. 11).

Die Kläger, die nicht unter die Ausschlusskriterien des § 7 Abs. 1 Satz 2, 3 SGB II fallen, erfüllten im streitgegenständlichen Zeitraum, der nach dem insoweit eindeutigen Vorbringen der Kläger lediglich die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 8. Februar 2009 umfasst zwar die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 4 SGB II; insbesondere waren sie hilfebedürftig i. S. des § 9 Abs. 1 SGB II. Denn das dem Kläger zu 1. gemäß Bescheid vom 9. Februar 2009 gewährte Arbeitslosengeld I i. H. von kalendertäglich 18,64 EUR reichte gemeinsam mit den übrigen Einkünften des Klägers aus Kindergeldbezug schon nicht zur Deckung des Regelleistungsbedarfs der Kläger aus, wie sich aus dem Bescheid der Rechtsvorgängerin des Beklagten vom 20. April 2009 ergibt; hinzu kommt der Bedarf der Kosten für Unterkunft und Heizung, wie er sich aus dem Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2009 bzw. aus dem Änderungsbescheid vom 16. Juli 2009 ergibt. Für Zweifel hinsichtlich der tatsächlichen Entstehung derartiger Kosten, bzw. für das Vorhandensein des Freibeträge übersteigenden Vermögens aufgrund der vormaligen Eigentumsstellung des Klägers zu 1. am Grundstück, sieht der Senat keinen hinreichenden Anlass.

Jedoch werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach § 37 Abs. 1 SGB II a. F. nur auf Antrag erbracht. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. 2003 I, S. 2954) werden die Leistungen nicht für Zeiten vor der Antragstellung gewährt.

In der Antragstellung auf Arbeitslosengeld I ist jedenfalls im konkreten Fall keine Antragstellung auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zu erblicken, und auch eine Leistungsgewährung auf der Grundlage des § 28 SGB X kommt nicht in Betracht, da den Klägern Sozialleistungen nicht - wie die Anwendung dieser Vorschrift voraussetzen würde - versagt worden sind.

Für einen Antrag genügt es im Ausgangspunkt, dass sich aus einer Erklärung des Antragstellers ergibt, dass er Sozialleistungen allgemein oder eine bestimmte Leistung begehrt. Soweit der Antrag darauf gerichtet ist, ein Verwaltungsverfahren in Gang zu bringen, damit die Verwaltungsbehörde für den Antragsteller tätig wird, genügt es im allgemeinen, wenn der Berechtigte in der vorgeschriebenen Form wenigstens im Umriss die von ihm begehrte Leistung näher bezeichnet, so dass für die Verwaltungsbehörde erkennbar ist, welche Leistungen der Antragsteller begehrt (BSG, Urteil vom 15. April 1958 - 10 RV 393/56 - BSGE 7, 118 - juris Rdn. 10). Dies ist durch Auslegung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung zu ermitteln. Nach diesem Grundsatz ist davon auszugehen, dass der Hilfebedürftige auch die Leistungen beantragt, die ihm nach der Rechtslage zustehen, sofern er nicht ausdrücklich zu erkennen gibt, ausschließlich eine bestimmte Leistung beantragen zu wollen. Dementsprechend ist ein Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt; als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (ständige Rechtsprechung des BSG vgl. zuletzt etwa BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 166/11 R - juris Rdn. 18, m. w. Nachw.). Eine Pflicht, für die Antragstellung ein bestimmtes Antragsformular zu verwenden, besteht für Leistungen nach dem SGB II gemäß der Grundregel des § 9 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht (vgl. aber § 60 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I - zur Angabe von Tatsachen auf bereitgestellten Vordrucken). Auch ist es unschädlich, wenn der Antrag bei einem anderen Träger gestellt worden ist, wie sich aus § 16 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGB I ergibt.

Hat der Leistungsberechtigte allerdings eindeutig einen Antrag auf eine bestimmte Leistung gestellt, dann kann dieser nicht ohne weiteres in einen Antrag auf eine andere Leistung umgedeutet werden (Schoch, in: Münder - Hrsg. - SGB II, 4. Aufl. 2011, § 37 Rdn. 7). Zum früheren Recht der Arbeitslosenhilfe war zwar höchstrichterlich entschieden, dass ein Antrag auf Arbeitslosengeld nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe beinhaltete, falls "eindeutig zu erkennen" sei, dass "der Antragsteller Leistungen für den Fall der Arbeitslosigkeit" begehre (BSG, Urteil vom 21. Juli 1977 - 7 RAr 132/75 - juris Rdn. 24). Indes war der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nach früherem Recht als individueller Leistungsanspruch (allein) des Arbeitsuchenden ausgestaltet, nicht als Anspruch auch seiner Familienangehörigen. Dieser Unterschied ist für die Rechtslage nach dem SGB II von erheblicher Bedeutung. Denn eine erweiternde Auslegung käme vor diesem Hintergrund nur in Bezug auf die dem Kläger zu 1. selbst zustehenden Leistungen in Betracht, nicht hingegen auch in Bezug auf die Leistungsansprüche der Kläger zu 2. - 4., die der Kläger zu 1. mit seiner Antragstellung im Dezember 2008 unter keinem denkbaren Gesichtspunkt beantragt hat.

Aufgrund der vollkommen anders ausgestalteten Leistungsvoraussetzungen und aufgrund des Individualisierungsprinzips der Leistungen nach dem SGB II kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 1. bei seiner Antragstellung auf Arbeitslosengeld I auch zugleich als Bevollmächtigter seiner Familienangehörigen in entsprechender Anwendung des § 38 SGB II aufgetreten wäre. Denn vor der zuständigen Stelle der Bundesagentur für Arbeit hat er bei der Antragstellung erkennbar nur eine Erklärung im eigenen Namen abgegeben. Eine Entscheidung nach dem SGB II ergeht nicht gegenüber einer Bedarfsgemeinschaft, sondern gegenüber jedem einzelnen ihrer Mitglieder als individualisierte Entscheidung, so dass ein Antrag etwa nicht für ein Mitglied gilt, das nicht zum Kreis der leistungsberechtigten Personen gehört (vgl. Dauber, in: Mergler/Zink, SGB II, Stand Januar 2012, § 37 Rdn. 5). Entsprechend kann ein ausdrücklich auf die Bewilligung von Arbeitslosengeld I gerichteter Antrag nicht in der Weise ausgelegt werden, dass er auch Mitglieder einer - im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) überhaupt nicht vorgesehenen - Bedarfsgemeinschaft erfasst, die nach dem SGB III erkennbar nicht leistungsberechtigt sind und denen dieser Antrag folglich nicht zugerechnet werden kann. Zudem ergeben sich aus den vorliegenden Unterlagen für eine derartige Auslegung des Antrags im Einzelfall keinerlei Anhaltspunkte, denn der Kläger zu 1. hat nach den bekannt gewordenen Umständen - soweit ersichtlich - bei der Kontaktaufnahme weder seine weiteren Familienmitglieder noch eine bestehende oder absehbare Hilfebedürftigkeit erwähnt.

Eine - allenfalls denkbare - im Antrag vom 22. Dezember 2008 enthaltene Antragstellung des Klägers zu 1. auf Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab dem 1. Januar 2009 an sich selbst, ohne Berücksichtigung weiterer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, erachtet der Senat vor diesem Hintergrund jedenfalls aufgrund der konkreten Einzelfallumstände bereits nicht für gegeben; außerdem erscheint eine derartige Auslegung lebensfremd. Zudem würde sich im Ergebnis des konkreten Falles ohnehin kein weitergehender individueller Leistungsanspruch des Klägers zu 1. errechnen, als dem Kläger zu 1. mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 9. Februar 2009 bewilligt worden war. Während die Kläger zu 2. bis 4. einen ihnen zurechenbaren Leistungsantrag nach dem SGB II vor dem 9. Februar 2009 nicht gestellt haben, hat der Kläger zu 1. selbst ausweislich eines Vergleichs des Bescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 9. Februar 2009 (Leistungsbetrag kalendertäglich 18,64 EUR x 30 = 559,20 EUR monatlich) mit demjenigen der Rechtsvorgängerin des Beklagten vom 16. Juli 2009 (Bedarf i. H. von 431,26 EUR monatlich) die Leistungen, die ihm nach dem im SGB II geltenden Individualisierungsprinzip zustanden, bereits von der Bundesagentur für Arbeit als Arbeitslosengeld I vollumfänglich erhalten, so dass er höhere individuelle Sozialleistungen auch bei einer weiteren Antragsauslegung, als sie vom Senat vorstehend vorgenommen worden ist, nicht hätte erreichen können.

Anders als das Sozialgericht (SG) Berlin - Urteil vom 25. November 2009, S 160 AS 7256/08, juris Rn. 31 - ist der Senat der Auffassung, dass die vormalige Rechtsprechung zum Anspruch auf Arbeitslosenhilfe sich nicht ohne Weiteres auf das Verhältnis von Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II übertragen lässt, die zwar beide an eine bereits eingetretene oder drohende Erwerbslosigkeit anknüpfen und die beide mit dem Ziel der Überwindung der Arbeitslosigkeit geleistet werden (hierauf hinweisend Frank, in: Hohm - Hrsg. - SGB II, Ergänzungslieferung Mai 2008, § 37 Rdn. 11; zum Problemkreis auch Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 37 Rdn. 21a; differenzierend und im Ergebnis offen BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 16/09 R - juris Rdn. 18), die jedoch im Hinblick auf die individuellen Leistungsansprüche im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft so unterschiedliche Leistungsvoraussetzungen aufweisen, dass eine Antragstellung auf Bewilligung von Arbeitslosengeld I jedenfalls in der konkreten Fallkonstellation nicht zugleich als Leistungsantrag nach dem SGB II angesehen werden kann.

Somit könnte allenfalls über § 28 SGB X oder über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch eine entsprechende rückwirkende Leistungserbringung zu Gunsten der Kläger erfolgen. Auch die diesbezüglichen Voraussetzungen liegen indes nicht vor.

Ein Anspruch nach § 28 Satz 1 SGB X setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte erfolglos eine andere Sozialleistung beansprucht hat (vgl. von Wulffen, in: ders. - Hrsg. - SGB X, 7. Aufl. 2010, § 28 Rdn. 4). Dies trifft auf die Kläger nicht zu, denn Erfolglosigkeit in diesem Sinne liegt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur vor, wenn die andere Sozialleistung versagt worden ist oder wenn sie zu erstatten ist (von Wulffen, aaO.), wenn also eine negative Verwaltungsentscheidung ergangen ist (von Wulffen, aaO.; Vogelgesang, in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand Juni 2012, § 28 Rdn. 5) oder zumindest in Aussicht gestellt worden ist (Timme, in: Diering/ders./Waschull, SGB X, 3. Auflage 2011, § 28 Rdn. 6). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, sondern dem Kläger zu 1. ist das von ihm beantragte Arbeitslosengeld I wie beantragt bewilligt worden. Dass er davon ausgegangen sein könnte, dieses Arbeitslosengeld I werde der Höhe nach zur vollen Bedarfsdeckung der Bedarfsgemeinschaft ausreichen, kann darüber hinaus schon aus dem Grunde nicht in Betracht kommen, dass er selbst im Rahmen des Verwaltungsverfahrens - zutreffend - darauf abgestellt hat, bereits sein vormaliger (gegenüber dem Arbeitslosengeld I höherer) Arbeitsverdienst habe für die Bedarfssicherung der Familie nicht genügt. Zudem ergäbe sich aus einer derartigen subjektiven Erwartungshaltung noch keine Erfolglosigkeit des Antrags. Andere Anhaltspunkte dafür, von einer Erfolglosigkeit des Antrags des Klägers zu 1. auf Arbeitslosengeld I im Sinne einer Versagung (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - aaO. - juris Rdn. 20) bzw. einer Teilablehnung (Eicher, in: ders./Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 40 Rdn. 106 f; zu einer solchen Konstellation - dort in zeitlicher Hinsicht bezogen auf die Anspruchsdauer - auch BSG, aaO., Rn. 23 ff.) im Hinblick auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum auszugehen, sind nach dem konkreten Sachverhalt nicht erkennbar.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch (vgl. hierzu Müller, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 37 Rn. 16; zur Anwendbarkeit in der gegebenen Fallkonstellation Eicher, aaO., § 40 Rdn. 106 b) setzt einen behördlichen Betreuungsfehler bei der Auskunft und Beratung voraus, wovon nach der konkreten Fallkonstellation - die beantragte Leistung nach dem SGB III erforderte überhaupt keine Prüfung der Familien- oder Vermögensverhältnisse - nicht ausgegangen werden kann, und Anhaltspunkte hierfür ergeben sich auch nicht aus den vom Senat beigezogenen Leistungsakten der Bundesagentur für Arbeit oder aus dem Vorbringen der Kläger.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision ist gemäß § 160 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.