Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 23.05.2012, Az.: L 9 AS 47/12 B ER
Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses für Ausländer
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 23.05.2012
- Aktenzeichen
- L 9 AS 47/12 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 17189
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2012:0523.L9AS47.12B.ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 05.01.2012 - AZ: S 73 AS 5146/11 ER
Rechtsgrundlagen
- Art. 18 Abs. 1 AEUV
- Art. 21 Abs. 1 AEUV
- Art. 45 Abs. 2 AEUV
- § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II
- § 8 Abs. 2 SGB II
- § 7 Abs. 1 SGB IV
Fundstelle
- NZS 2012, 715
Redaktioneller Leitsatz
1. Nach der Definition des § 8 Abs. 2 SGB II besteht Erwerbsfähigkeit bei Ausländern erst dann, wenn sie einer Beschäftigung im Sinne § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nachgehen können.
2. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greift bei EU-Bürgern dann ein, wenn diese noch keine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt haben.
3. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verstößt weder gegen europäisches Primärrecht (Art. 18, 21 AEUV, Art. 45 AEUV) noch gegen europäisches Sekundärrecht (Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004). Diese Rechtsauffassung hat hinsichtlich des europäischen Sekundärrechts auch vor dem Hintergrund der zum 1. Mai 2010 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 883/2004 weiterhin Gültigkeit.
4. Das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist ungeeignet, eine Klärung europarechtlicher Fragen durch Aussetzung und Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes herbeizuführen. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 5. Januar 2012 - S 73 AS 5146/11 ER - abgeändert.
Der Antrag des Beschwerdegegners auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Zwischen den Beteiligten ist noch im Streit, ob der Antragsteller zu 1. und Beschwerdegegner im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegenüber dem Antragsgegner und Beschwerdeführer Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit ab dem 13. Dezember 2011 hat.
Der Beschwerdegegner und seine Ehefrau I., die Antragstellerin zu 2., sowie ihre gemeinsamen Kinder J., geboren am 29. September 2009, K., geboren am 26. August 2008, L., ebenfalls geboren am 26. August 2008, M., geboren am 12. August 2006, die Antragsteller zu 3. bis 6. (im Folgenden: Familie) sind rumänische Staatsangehörige. Sie reisten nach eigenen Angaben im Dezember 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein und meldeten sich am 29. März 2011 bzw. 26. April 2011 bei der Stadt N. - Bürgeramt Mitte - an. Der Beschwerdegegner und seine Familie sprechen nicht die deutsche Sprache. Der Beschwerdegegner hat die Volksschule in Rumänien ohne Schulabschluss verlassen und keine Berufsausbildung abgeschlossen. Nach eigenen Angaben besitzt er keinen Pkw.
Zum 12. Mai 2011 meldeten der Beschwerdegegner und die Antragstellerin zu 2. ein Gewerbe mit der Bezeichnung "Hausmeisterservice" bei der Stadt N. - Fachbereich Recht und Ordnung - an. Am 16. Mai 2011 stellte die Stadt N., Fachbereich Recht und Ordnung, dem Beschwerdegegner eine Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizüG/EU) aus. Der Beschwerdegegner habe glaubhaft gemacht, dass er eine selbstständige Erwerbstätigkeit als Hausmeisterservice im Bundesgebiet ausübe. Der Beschwerdegegner und die Antragstellerin zu 2. erhalten für die Antragsteller zu 3. bis 6. von der Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse N. - Kindergeld in Höhe von monatlich 184,- EUR, 190,- EUR bzw. 215,- EUR.
Am 9. Juni 2011 beantragten der Beschwerdegegner und seine Familie bei dem Beschwerdeführer die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 20. Juni 2011 lehnte der Beschwerdeführer den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab, weil der Beschwerdegegner und die Antragstellerin zu 2. den Termin zur Erstberatung nicht wahrgenommen hätten und eine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II nicht glaubhaft gemacht sei.
Der Beschwerdegegner gab an, dass er im Mai 2011 keine Betriebseinnahmen sowie Betriebsausgaben und im Juni 2011 149,- EUR Betriebseinnahmen bei keinen Betriebsausgaben aus der selbstständigen Tätigkeit erzielt habe. Ferner reichte er eine Quittung der Firma O. in N. vom 20. Juni 2011 ein, wonach 149,- EUR für die Reparatur einer Armatur an den Beschwerdegegner gezahlt worden sei. Im August 2011 reichte der Beschwerdegegner eine Quittung des Kiosks von P. in N. ein, wonach 135,- EUR für "kleine Reparaturen und Reinigung" an den Beschwerdegegner gezahlt worden seien. Seine Kunden erreiche er immer zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Bei Kundenverhandlungen dolmetsche ein Verwandter. Diese Angaben träfen auch für die Antragstellerin zu 2. zu. Sie könnten sich gut ergänzen und so Selbstständigkeit und Beruf miteinander vereinbaren. Nach den eingereichten Auszügen der Girokonten des Beschwerdegegners und der Antragstellerin zu 2. bei der Postbank AG stellt das Kindergeld über monatlich insgesamt 773,- EUR die einzige Gutschrift auf den Girokonten dar.
Mit weiterem Bescheid vom 25. August 2011 lehnte der Beschwerdeführer den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 9. Juni 2011 für den Beschwerdegegner und seine Familie ("im Antragsverfahren ist zu prüfen, ob und wieweit die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft leistungsberechtigt nach § 7 SGB II sind") nochmals ab. Von einem tragfähigen Konzept einer selbstständigen Tätigkeit könne nicht ausgegangen werden. Neben der fehlenden Kenntnis der deutschen Sprache und den damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Kundenakquise, den fehlenden Betriebsausgaben und den lediglich zwei eingereichten Quittungen sei davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner und die Antragstellerin zu 2. sich ausschließlich zum Zweck der Arbeitssuche im Bundesgebiet aufhielten und insoweit der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II eingreife.
Hiergegen legte das Diakonische Werk, Stadtverband N. e.V., namens und in Vollmacht des Beschwerdegegners für diesen Widerspruch ein. Von einer "echten" Selbstständigkeit sei immer dann auszugehen, wenn die Person ihr Unternehmen mit einer Gewinnerzielungsabsicht betreibe. Dieses sei vorliegend der Fall, weil er - der Beschwerdegegner - bemüht sei, den Gewinn dadurch zu erhöhen, dass er für seine Aufträge das Fahrrad und nicht den öffentlichen Personennahverkehr nutze. Materialkosten seien nicht angefallen, weil der Auftraggeber diese auf eigene Kosten zur Verfügung gestellt habe. Das Erlernen der deutschen Sprache und die damit verbundene Möglichkeit, besser Werbung für sein Unternehmen zu machen, seien erst dann möglich, wenn ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zugesprochen würden. Er erziele mit seinem Unternehmen einen Gewinn von ca. 350,- EUR monatlich, in dem er mit einem Freund überall in N. Hausmeistertätigkeiten durchführe. Der Freund habe einen Pkw und Werkzeug. Der Freund heiße Q.; den Nachnamen kenne er nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2011 wies der Beschwerdegegner den Widerspruch unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens zurück und stellte abschließend fest, dass "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts [ ...] dem Widerspruchsführer und seiner Familie daher nicht bewilligt werden [konnten].").
Am 6. Dezember 2011 haben der Beschwerdegegner und seine Familie bei dem Sozialgericht (SG) Hannover einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Es komme allein darauf an, dass sie sich nachhaltig und ernsthaft um Aufträge bemühen würden. Ob die selbstständige Tätigkeit Gewinn abwerfe, sei unerheblich. Seit Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zum 1. Mai 2010 sei der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht mehr europarechtskonform. Zudem weisen sie darauf hin, dass sie Kindergeld bezögen und somit dem in Art. 3 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 aufgeführten Personenkreis unterfallen würden, so dass wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren seien. Ein weiteres Zuwarten sei ihnen nicht zuzumuten, zumal die Ehefrau des Beschwerdegegners am 25. Dezember 2011 die Geburt eines weiteren Kindes erwarte.
Zwischenzeitlich haben der Beschwerdegegner und seine Familie am 5. Dezember 2011 Klage vor dem SG erhoben (Aktenzeichen S 73 AS 4991/11), über die - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden ist.
Mit Beschluss vom 5. Januar 2012 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes für die Antragsteller zu 2. bis 6. als unzulässig abgelehnt, weil der Bescheid vom 25. August 2011 insoweit bindend geworden sei und es damit an einem Hauptsacheverfahren fehle, dessen einstweilige Regelung im vorliegenden Verfahren getroffen werden könnte. Nur der Beschwerdegegner habe Widerspruch eingelegt. Im Übrigen hat das SG den Beschwerdeführer im Wege einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Beschwerdegegner für die Zeit vom 13. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB II seien erfüllt. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II greife nicht, weil sich der Beschwerdegegner nicht allein zum Zweck der Arbeitssuche im Bundesgebiet aufhalte, sondern vielmehr eingereist sei, um eine selbstständige Tätigkeit als Hausmeisterservice auszuüben. Dieses ergebe sich aus den vorgelegten Quittungen und den Angaben im Antrag vom 9. Juni 2011. Hinsichtlich der Bewertung sei auf den Zeitpunkt der Einreise abzustellen. Selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer davon ausginge, dass sich der Beschwerdegegner nur zum Zwecke der Arbeitssuche im Bundesgebiet aufhalte, seien im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund der Folgenabwägung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuzusprechen, weil bei summarischer Prüfung der komplexen europarechtlichen Fragestellung davon auszugehen sei, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 verstoße.
Gegen den am 9. Januar 2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 11. Januar 2011 Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen sei weiterhin davon auszugehen, dass sich der Beschwerdegegner nur zum Zwecke der Arbeitssuche im Bundesgebiet aufhalte. Deshalb greife vorliegend der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, der mit den europarechtlichen Vorgaben in Übereinstimmung stehe. Hierzu verweist er insbesondere auf den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 2011 - L 19 AS 317/11 B ER -. Danach sei ein Verständnis der Rechtslage dahingehend, dass Freizügigkeit und Zugang zu nationalen Arbeitsmärkten vorübergehend nur eingeschränkt eröffnet, Sozialleistungen jedoch uneingeschränkt zugänglich gemacht werden sollten, ausgeschlossen. Ein eindeutiger Hinweis des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) oder des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei bislang nicht gegeben.
Der Beschwerdeführer beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
1. den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 5. Januar 2012 - S 73 AS 5146/11 ER - abzuändern und
2. den Antrag des Beschwerdegegners auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.
Der Beschwerdegegner beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Beschwerdegegner tritt in seiner Beschwerdeerwiderung unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens der Entscheidung des SG bei und teilt mit, dass er nunmehr (wieder) bei seiner Familie in der neuen Wohnung unter der im Rubrum benannten Anschrift wohne.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beschwerdeführers Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.
II. Die Beschwerde ist zulässig.
Weil nur der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Beschluss des SG eingelegt hat, bedurfte es insoweit zum einen keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes nur der nicht rechtskundig vertretene Beschwerdegegner oder auch die Antragsteller zu 2. bis 6. Widerspruch eingelegt haben. Das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft ist jedenfalls für die gewillkürte Vertretung im Rahmen des § 13 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - bzw. § 73 SGG und mit Blick auf die Antragsteller zu 3. bis 6. im Rahmen der gesetzlichen Vertretung nicht erforderlich. Zum anderen bedurfte es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Beschwerdeführer - unabhängig von dem zuvor gesagten - mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2011 möglicherweise auch inhaltlich eine Entscheidung zu den Ansprüchen der Antragsteller zu 2. bis 6. getroffen hat. Hierfür könnte die Formulierung in dem Widerspruchsbescheid "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts konnten dem Widerspruchsführer und seiner Familie daher nicht bewilligt werden." sprechen. Mangels eines Antrages des Beschwerdegegners und der Antragstellerin zu 2. im erstinstanzlichen Verfahren bedurfte es ferner keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch das weitere Kind des Beschwerdegegners und der Antragstellerin zu 2., dessen Geburt für den 25. Dezember 2011 vorhergesagt worden war, im Rahmen der entsprechenden Anwendung von § 99 Abs. 1 SGG (vgl. zur Klageänderung durch weiteren Kläger [auch erst im Berufungsverfahren] Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 99, Rn. 6) mit in den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes einzubeziehen gewesen wäre.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Der Beschwerdeführer ist zu Unrecht im Wege einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet worden, dem Beschwerdegegner für die Zeit vom 13. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.
Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 SGG sind nicht erfüllt.
Danach ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis vorzunehmen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund, dass heißt die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, als auch ein Anordnungsanspruch, das heißt die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs, glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG -), ist von diesem Grundsatz eine Abweichung nur dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
Unter Beachtung dieser Maßgaben hat der Beschwerdegegner einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Beschwerdegegners ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4).
Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II sind bereits nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Der Beschwerdegegner ist nicht erwerbsfähig.
Personen sind erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, wenn sie nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II). Ausländer können nur dann erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte (§ 8 Abs. 2 SGB II). Nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften - (SGB IV) ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Entgegen der teilweise in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. z.B. Armborst in: Münder, SGB II, 4. Auflage 2011, § 8, Rn. 31) besteht daher eine Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II nicht bereits dann, wenn der Hilfebedürftige gesundheitlich in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und eine selbstständige Tätigkeit auszuüben. Nach der Definition des § 8 Abs. 2 SGB II besteht eine Erwerbsfähigkeit bei einem Ausländer - wie vorliegend dem Beschwerdegegner - vielmehr erst dann, wenn er einer Beschäftigung im Sinne § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nachgehen kann. Dass mit einer Beschäftigung im § 8 Abs. 2 SGB II nicht eine selbstständige Tätigkeit gemeint ist, ergibt sich auch aus § 2 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Dort wird bei der Definition der Erwerbstätigkeit ausdrücklich zwischen einer selbstständigen Tätigkeit und einer Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV unterschieden. Der Gegenauffassung ist zwar darin zuzustimmen, dass auch selbstständig Tätige zum grundsätzlich leistungsberechtigten Personenkreis des SGB II gehören. Dieser Umstand rechtfertigt es jedoch nicht, sich über die grammatikalisch eindeutige und durch eine Legaldefinition beschriebene Vorgabe, die letztlich nur den Schluss auf den Willen des Gesetzgebers dahingehend zum Ausdruck bringt, dass für die losgelöst von der individuellen Situation des grundsätzlich leistungsberechtigten Personenkreises zu beurteilende Frage der Erwerbsfähigkeit abstrakt allein auf das abhängige Beschäftigungsverhältnis abzustellen ist, hinwegzusetzen. Danach sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 8 Abs. 2 SGB II den Begriff "Beschäftigung" anders verwendet hat oder anders hat verwenden wollen, als nach der seinerzeit bereits bestehenden Definition des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2010 - L 29 AS 1820/09 B ER -, Juris Rn. 32; offen gelassen aber einer Auslegung im Sinne Armborsts kritisch gegenüber stehend: LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss vom 16. Februar 2012 - L 6 AS 1130/11 B ER -).
Diese Voraussetzungen zugrunde gelegt ist der Beschwerdegegner nicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB II, weil er weder über eine Erlaubnis gemäß § 284 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III), eine Beschäftigung aufzunehmen, verfügt (§ 8 Abs. 2 1. Alt. SGB II) noch derzeit erkennbar ist, dass dem Beschwerdegegner die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte.
Da der Beschwerdegegner eine Erlaubnis nach § 284 SGB II nicht beantragt hat und er nicht im Besitz einer solchen Erlaubnis ist, kommt allenfalls die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. und Satz 2 SGB II in Betracht.
Danach kann eine Beschäftigungsaufnahme im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 2. Alt und Satz 2 SGB II nur dann erlaubt werden, wenn für den Ausländer orientiert am Maßstab des Arbeitsgenehmigungsrechts eine abstrakt-generelle (vgl. zum Meinungsstreit hinsichtlich der Anforderungen an die Möglichkeit der Erlaubnis einer Beschäftigungsaufnahme vor Inkrafttreten des § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB II zum 1. April 2011 Hackethal in: jurisPK-SGB II, 3. Auflage 2012, § 8, Rn. 33 m.w.N.) Aussicht auf eine solche Erlaubnis besteht. Für EU-Bürger aus den zum 1. Januar 2007 beigetretenen Staaten Bulgarien und - wie im vorliegenden Fall - Rumänien bleibt die Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV für eine Übergangsfrist von bis zu sieben Jahren nach dem Beitritt bis längstens zum 31. Dezember 2013 beschränkt. Die Bundesregierung hat die Übergangsregelung mit Kabinettsbeschluss vom 7. Dezember 2011 um die 3. Phase bis zum 31. Dezember 2013 verlängert. Staatsangehörige aus Rumänien können sich danach zwar grundsätzlich frei innerhalb der EU bewegen und reisen, sie benötigen zur Beschäftigungsaufnahme in Deutschland aber in der Übergangszeit grundsätzlich weiterhin eine Arbeitsgenehmigung-EU gemäß § 284 SGB III von der BA (§ 13 FreizügigG).
Eine solche Aussicht auf eine Arbeitsgenehmigung-EU ist jedoch im Fall des Beschwerdegegners nicht absehbar.
Der Beschwerdegegner hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die abstrakt-generelle Aussicht einer (befristeten) Arbeitserlaubnis-EU nach § 284 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 39 Abs. 2 bis 4 und 6 AufenthG oder einer (unbefristeten) Arbeitsberechtigung-EU nach § 284 Abs. 5 SGB III i.V.m. § 12a Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) besteht.
Für die Annahme einer abstrakt-generellen Aussicht einer Arbeitserlaubnis-EU sind die Angaben des Beschwerdegegners im Sinne des § 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG einer belastbaren Einschätzung nicht zugänglich, denn vom Beschwerdegegner wurde nicht einmal die Art der Tätigkeit angegeben, für die seiner Ansicht nach eine Erlaubnis zu erteilen wäre. Es ist, wie bereits ausgeführt, nicht auf eine selbstständige Tätigkeit, sondern auf eine nichtselbstständige Arbeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV und damit eine Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB II abzustellen. Entsprechend kann auch nicht auf die in seiner Gewerbe-Anmeldung zum 12. Mai 2011 angegebenen Tätigkeiten ("Hausmeisterservice") abgestellt werden. Der Beschwerdegegner hat nicht einmal erklärt, zur Eingehung eines Beschäftigungsverhältnisses allgemein und im Besonderen für solche Tätigkeiten bereit zu sein.
Für die Annahme einer abstrakt-generellen Aussicht einer Arbeitsberechtigung-EU sind die Angaben des Beschwerdegegners im Sinne des§ 12a ArGV einer belastbaren Einschätzung ebenfalls nicht zugänglich, denn der Beschwerdegegner war weder in einem ununterbrochenen Zeitraum von mindestens zwölf Monate im Bundesgebiet zum Arbeitsmarkt zugelassen (§ 12a Abs. 1 ArGV) noch kann er seine Arbeitsberechtigung-EU von einer Arbeitsberechtigung-EU eines Familienangehörigen ableiten (§ 12a Abs. 2 ArGV).
Ist bereits die in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II positive Anspruchsvoraussetzung der Erwerbsfähigkeit im Fall des Beschwerdegegners nicht erfüllt, kann es dahinstehen, dass dem begehrten Leistungsanspruch des Beschwerdegegners darüber hinaus nach Auffassung des Senats ferner der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entgegen steht.
Danach sind vom anspruchsberechtigten Personenkreis die Ausländer ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Der Beschwerdegegner hält sich nach der gebotenen summarischen Prüfung allein aus dem Zweck der Arbeitssuche im Bundesgebiet auf. Ein anderer Zweck, z.B. zur Familienzusammenführung, ist weder vorgetragen und hinreichend glaubhaft gemacht worden noch aus den dem Senat vorliegenden Vorgängen ersichtlich (vgl. hierzu: Senatsbeschluss vom 23. Mai 2012 - L 9 AS 347/12 ER -, abrufbar unter Juris).
§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II verstößt auch nicht gegen höherrangiges europäisches Primär- oder Sekundärrecht. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest (vgl. Beschluss vom 2. August 2007 - L 9 AS 447/07 ER -, abrufbar unter Juris; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. März 2012 - L 29 AS 414/12 B ER -, Juris Rn. 34 ff. und LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Februar 2012 - L 20 AS 2347/11 B ER -, Juris Rn. 29 ff.; instruktiv: Sozialgericht Osnabrück, Beschluss vom 19. Oktober 2011 - S 16 AS 711/11 ER -; zur Veröffentlichung in Juris vorgesehen).
Diese Rechtsauffassung hat hinsichtlich des europäischen Sekundärrechts auch vor dem Hintergrund der zum 1. Mai 2010 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 883/2004 weiterhin Gültigkeit (a.A. aufgrund dessen nunmehr LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. August 2011 - L 15 AS 188/11 B ER - m.w.N., Juris Rn. 24).
Nach Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 haben Personen im Anwendungsbereich der Verordnung die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit die Verordnung selbst nichts anderes bestimmt.
Zunächst ist festzustellen, dass das Diskriminierungsverbot aus Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nicht unbeschränkt gilt.
Der EuGH hat zu der Problematik der sozialen Sicherung von Arbeitslosen ausgeführt, dass es der Grundsatz der Gleichbehandlung im Geltungsbereich der Verordnung eine Ungleichbehandlung nicht ausschließe, wenn sie sich aus der Anwendung des Art. 61 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (ex-Art. 67 Verordnung [EWG] Nr. 1408/71) ergebe. Im konkreten Fall hat der EuGH ausgeführt, dass es möglich sei, dass der zuständige Träger bei der Berechnung der zurückgelegten Versicherungszeiten die Zeit eines in einem anderen Mitgliedstaat abgeleisteten Pflichtwehrdienstes unberücksichtigt lasse, obwohl die Berücksichtigung in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen beantragt werden, vorgesehen ist, wenn sich diese Lösung aus der Anwendung des Art. 61 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (ex-Art. 67 Verordnung [EWG] Nr. 1408/71) ergebe. Art. 61 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sei eine besonderen Bestimmung, die den Anspruch eines Arbeitnehmers auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit regele (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2004 - C-372/02 [Adanez-Vega] - Slg, I-10761 = SozR 4-6050 Art. 71 Nr. 4). Dementsprechend verstoßen Ungleichbehandlungen von EU-Bürgern gegenüber den Staatsangehörigen des Mitgliedsstaats nicht gegen das in Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 niedergelegte Diskriminierungsverbot, wenn sich die Ungleichbehandlung aus der Anwendung desArt. 61 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ergibt (vgl. ausführlich m.w.N.: Greiser in: Eicher/Schlegel, Art. 61 EGVO 883/04, Rn. 11 f.).
Die Leistungen bei Arbeitslosigkeit sind - im Gegensatz zu anderen Bereichen des europäischen Sozialrechts - lückenhaft geregelt (siehe dazu umfassend: Greiser/Kador in: ZFSH/SGB 2011, 507 ff.). Ein umfassender Schutz des Wanderarbeitnehmers gegen Arbeitslosigkeit ist nicht vorgesehen. Eine weitergehende Absicherung wurde zwar bereits häufig gefordert (siehe beispielsweise: Eichenhofer in: ZIAS 1991, S. 162 ff., S. 184 ff.; Gagel in: Festschrift zum 40-jährigen Bestehen der Landessozialgerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz, S. 383 ff.), Reformanstrengungen (beispielsweise: KOM [1998]) 779 endg., ABl. C 38 vom 12. Februar 1999) hatten aber jeweils keinen Erfolg. Auch durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ist die Lückenhaftigkeit des Schutzes nicht abgeschafft (Karl in: Das neue Sozialrecht der EU, S. 39, 52 f.).
Unabhängig davon hat sich durch die Einführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bezüglich der Einordnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II keine Veränderung ergeben.
Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 trat zum 1. Mai 2010 in Kraft. Die Aufnahme der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erfolgte aber bereits in den Anhang IIa der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zum 28. April 2006. Zwar folgt aus einer solchen Eintragung nach der Rechtsprechung des EuGH nicht mehr zwingend, dass es sich um eine besondere beitragsunabhängige Geldleistung handelt (vgl. EuGH, Urteil vom 8. März 2001 - C-215/99 [Jauch] - Slg. 2001, I-1901; anders noch: EuGH vom 4. November 1997 - C-20/96 [Snares] - Slg. 1997, I-6082), allerdings liegt auch materiell-rechtlich betrachtet eine beitragsunabhängige Geldleistung vor (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 23/10 R -).
Daraus folgt aber, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des EuGH in der Sache Vatsouras am 4. Juni 2009 (C-22/08; C 23-08) die Grundsicherung für Arbeitssuchende bereits als beitragsunabhängige Geldleistung imAnhang IIa der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 eingetragen war und der EuGH einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 aber gerade nicht gesehen hat. Dabei ist zwar zu berücksichtigen, dass hierzu keine der vorgelegten Fragen gestellt war, allerdings hat der EuGH auch zur Arbeitsnehmerfreizügigkeit über die konkreten Fragen hinaus Stellung bezogen und einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz eben nicht festgestellt.
Aus den oben dargestellten Grundsätzen ergibt sich danach, dass ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 weder vom EuGH diskutiert wird noch nach Auffassung des Senats vorliegt.
Soweit Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG eingreift, so stellt diese eine anderweitige Bestimmung im Sinne des Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 dar, auch wenn es sich nicht um die gleiche Verordnung handelt. Es handelt sich in beiden Fällen um europäisches Sekundärrecht, so dass Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nicht höherrangig ist. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG geht aber, soweit er Anwendung findet, als speziellere Regelung vor.
Soweit Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG nicht eingreift, ergibt sich eine Rechtfertigung aus den oben dargestellten Grundsätzen: Der EuGH sieht die Möglichkeit, Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt regeln sollen, von einem tatsächlichen Zugang zum Arbeitsmark abhängig zu machen. Wenn also in einer solchen Regelung kein Verstoß gegen die primärrechtlichen Regelung der Art. 18 und 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - [ex-Art. 12 und 18 EG-Vertrag]) gesehen wird (vgl. nochmals Senatsbeschluss vom 2. August 2007 - L 9 AS 447/07 ER -, abrufbar unter Juris), so liegt bei einer derartigen Auslegung nach Ansicht des Senats auch kein Verstoß gegen das sekundärrechtlich geregelte Diskriminierungsverbot des Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vor.
Weil Rumänien das Europäische Fürsorgeabkommen vom 12. Dezember 1953 - EFA - (BGBl. II 1956, S. 564) nicht unterzeichnet hat, kann sich der Beschwerdegegner im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II insoweit auch nicht auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA berufen (vgl. hierzu ausführlich: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14. Januar 2008 - L 8 SO 88/07 R -; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 23/10 R -; jeweils abrufbar unter Juris).
Der Umstand, dass dem Beschwerdegegner Kindergeld von der BA - Familienkasse N. - bewilligt worden ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Insbesondere kann sich der Beschwerdegegner insoweit nicht auf Art. 3 und 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 stützen, weil die Gewährung von Kindergeld unter anderen Voraussetzungen und mit einer anderen Zielsetzung erfolgt als die hier begehrte Gewährung von Leistungen nach dem SGB II (so LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16. Februar 2012 - L 6 AS 1130/11 B ER -).
Bei dieser Rechtslage bedurfte es daher keiner Entscheidung, welche Anforderungen an die selbstständige Tätigkeit des Beschwerdegegners zu stellen sind. Das BSG (vgl. Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 23/10 R -, Juris Rn. 18) verneint unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH die Freizügigkeit von Arbeitnehmern jedenfalls dann, wenn es sich nicht um eine "tatsächliche und echte Tätigkeit" handelt, die sich "als völlig untergeordnet und unwesentlich" darstellt. Der Senat hat angesichts der von dem Beschwerdeführer aufgezählten Faktoren (fehlende Sprachkenntnis, fehlendes Arbeitsmaterial, eingeschränkte Mobilität, geringer Umfang der vorlegten Quittungen), seines wenig glaubhaften Vorbringens, dass er mit einem Freund, dessen Nachnamen er nicht kenne - teilweise begleitet durch einen Dolmetscher - durch N. fahre und mit der Hausmeistertätigkeit einen nicht näher belegten Gewinn von ca. 350,- EUR monatlich erwirtschafte, und angesichts der sich darstellenden familiären Situation mit nunmehr wohl fünf Kindern im Alter zwischen einem Monat und sechs Jahren auch vor dem Hintergrund der Vermutung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II erhebliche Bedenken, dass sich der Beschwerdegegner nachhaltig und ernsthaft um Aufträge bemüht.
Keiner Entscheidung bedurfte es ferner, ob hinsichtlich der Bewertung auf den Zeitpunkt der Einreise oder nicht vielmehr auf den Zeitpunkt der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit (im Fall des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II) und auf den Zeitpunkt nach Ablauf von drei Monaten nach Ausnahme der selbstständigen Tätigkeit (im Fall des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II) abzustellen ist.
Danach kann es ferner dahinstehen, dass der Senat das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch generell für ungeeignet hält, eine Klärung europarechtlicher Fragen durch Aussetzung und Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH herbeizuführen (zur Vergleichbarkeit der Vorlageproblematik im Eilverfahren Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b, Rn. 13 und 39). Ein solches Vorgehen würde die prozessrechtlichen Grundlagen des Anordnungsverfahrens nach § 86b Abs. 2 SGG sprengen, nach denen Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung ausdrücklich nur eine "einstweilige" Regelung des streitigen Rechtsverhältnisses ist, die von Gesetzes wegen dem Vorbehalt einer abweichenden Entscheidung in der Hauptsache unterliegt und lediglich für dessen Dauer auf der Grundlage einer diesem gegenüber nur vorläufigen Beurteilung des Streitfalles bei bestehender Eilbedürftigkeit für einen Interessenausgleich sorgen soll (so zur Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes auch BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1996 - 1 BvL 39/95 -, abrufbar unter Juris). Danach ist mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter des Anordnungsverfahrens als Eilverfahren eine Vorlage zur Klärung etwaiger verfassungsrechtlicher Bedenken gegen ein Gesetz erst im Hauptsacheverfahren geboten; dem Anordnungsverfahren misst das BVerfG nämlich gerade die Funktion zu, nachteiligen Folgen eines von der Klärung verfassungsrechtlichen Fragen belasteten Verfahrens der Hauptsache durch eine hiervon unbelastete, vorläufige Entscheidung in einem Anordnungsverfahren entgegen zu wirken, wobei allerdings nicht bereits von der Verfassungswidrigkeit der für die Hauptsache entscheidungserheblichen Norm ausgegangen und deshalb auch keine die Hauptsache vorwegnehmende Regelung getroffen werden darf. Diese Grundsätze sind unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf die Einholung von Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu übertragen.
Zusammenfassend ist der Senat danach der Überzeugung, dass für die vorliegende Entscheidung von der Wirksamkeit des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II auszugehen und ein Anspruch des Beschwerdegegners auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auch aus diesem Grund zu verneinen ist. Raum für eine Folgenabwägung zu Gunsten des Beschwerdegegners sieht der Senat insofern nicht (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - L 19 AS 1956/11 B ER -, Juris Rn. 38; LSG Nordrhein-Westfalen,Beschluss vom 18. November 2011 - L 7 AS 614/11 B ER, Juris Rn. 12; a.A. Hessisches LSG, Beschluss vom 14. Juli 2011 - L 7 AS 107/11 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. August 2011 - L 15 AS 188/11 B ER -; jeweils abrufbar unter Juris). Dies gilt umso mehr, als der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II dem zuständigen Leistungsträger eine Ermessensentscheidung darüber belässt, in welchem Umfang unter Beachtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 GG i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG und Art. 2 GG) vorübergehende Leistungen zur Überbrückung einer unmittelbaren persönlichen Notlage zu erbringen sind. Solche Leistungen sind indessen nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits und wurden von dem Beschwerdeführer für den Fall des Obsiegens in diesem Rechtsstreit bereits in Aussicht gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar; § 177 SGG.