Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.03.1995, Az.: 1 L 4063/93
Anspruch auf Erteilung eines Vorbescheids für die Errichtung eines Einfamilienhauses; Streit über die Zuordnung des Baugebiets zum Innenbereich bzw. Außenbereich; Voraussetzungen für die Zuordnung des Standortes zum nicht-beplanten Innenbereich; Geltungsbereich des Rechtsbegriffs des im Zusammenhang bebauten Ortsteiles; Kriterien für die Annahme einer Baulücke; Qualifizierung der Verhinderung einer Innenbereichsbebauung aus Gründen des Naturschutzes und Landschaftsschutzes als entschädigungspflichtige Enteignung ; Anspruch auf Befreiung von den Verboten der Landschaftsschutzverordnung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 31.03.1995
- Aktenzeichen
- 1 L 4063/93
- Entscheidungsform
- Endurteil
- Referenz
- WKRS 1995, 14198
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1995:0331.1L4063.93.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - 10.06.1993 - AZ: 2 A 106/91
Rechtsgrundlagen
- § 34 Abs. 1 BauGB
- § 34 Abs. 2 BauGB
- § 35 BauGB
Fundstellen
- BauR 1995, 824-826 (Volltext mit amtl. LS)
- NVwZ-RR 1996, 132-133 (Volltext mit amtl. LS)
- NuR 1995, 559-561 (Volltext mit amtl. LS)
- ZfBR 1996, 58
Verfahrensgegenstand
Bauvoranfrage für ein Einfamilienhaus.
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil kann sich nach § 34 BauGBüber die Gemeindegrenze erstrecken.
- 2.
Zur Bedeutung einer Landschaftsschutzverordnung im unbeplanten Innenbereich.
- 3.
Bedeutung einer Baulast, mit der der Grundstückseigentümer sich verpflichtet, sich auf eine bestimmte Bebauung zu beschränken.
Der 1. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat
auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 1995
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmaltz,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Götz und Dr. Jenke sowie
die ehrenamtlichen Richter ... und
...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 2. Kammer - vom 10. Juni 1993 geändert.
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 14. März 1990 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung ... vom 10. Juli 1991 verpflichtet, den beantragten Vorbescheid für die Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück ... in ... zu erteilen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt der Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Kostenforderung abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Verpflichtungsklage ist auf Erteilung eines Vorbescheids für ein Einfamilienwohnhaus auf dem Grundstück des Klägers gerichtet, über dessen Zuordnung zum nicht-beplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) oder zum Außenbereich (§ 35 BauGB) die Parteien streiten.
Das rd. 13.600 m2 große Grundstück in xxx (Flurstücke xxx und xxx, der Flur xxx der Gemarkung xxx) liegt an der Straße xxx, die zur Gemarkung von xxx gehört und die Grenze zwischen den Gemeinden xxx und xxx bildet. Auf dem Grundstück befinden sich ein großes Wohnhaus mit einer Gebäudelänge von rd. 40 m, ein weiteres als Verwalterwohnhaus errichtetes Haus mit rd. 120 m2 Wohnfläche sowie im rückwärtigen Raum zwei Tennisplätze und ein Schwimmbecken. Das Grundstück fällt vom xxxweg nach Süden ab. Auf der gegenüberliegenden nördlichen Seite des xxxweges weist das Gelände ebenfalls ein Gefälle auf. Das Grundstück ist zur Straße hin mit hohen Bäumen bestanden. Das östlich benachbarte Grundstück xxxweg (xxx) ist in Höhe der Tennisplätze mit einem großen Wohnhaus und einem Nebengebäude bebaut. Das westliche Nachbargrundstück xxxweg (ebenfalls xxx) ist in seinem nördlichen Teil in rd. (110) m Entfernung vom Wohnhaus des Klägers ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaut. Weiter nach Westen folgt zunächst auf xxx-Gebiet, entlang des xxxweges, der in den Waldweg einmündet, Wohnbebauung auf großen Grundstücken, nach dem Haus xxxweg xxx in rd. 70 m Entfernung das Haus xxxweg xxx. Nördlich des Grundstückes des Klägers, auf der gegenüberliegenden Seite des xxxweges, befindet sich im Geltungsbereich von Bebauungsplänen auf jeweils großen Grundstücken von durchschnittlich 1500 m2 villenartige Wohnbebauung. Ein Bebauungsplan besteht für das Grundstück des Klägers nicht. Der Flächennutzungsplan stellt es als Fläche für die Forstwirtschaft dar. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Landschaftsschutzgebietes "xxxwald und Umgebung", das durch Verordnung des Beklagten festgesetzt ist.
Das Grundstück des Klägers ist aus dem mehrfach geteilten und weiterveräußerten größeren Grundbesitz entstanden, der ursprünglich die Flurstücke xxx, xxx und xxx der Flur xxx der Gemarkung xxx umfaßte. Die erste Teilung erfolgte in Verbindung mit einer Bauvoranfrage der Firma xxx GmbH vom 3. Juli 1974, die die Erweiterung des vorhandenen Hauptgebäudes um 9,50 m Gebäudelänge und ein zusätzliches Einfamilien-Wohnhaus für den Firmeninhaber zum Gegenstand hatte und mit der Erklärung verbunden war, die Firma werde ihren Sitz nach xxx verlegen und der Firmeninhaber werde dort seinen Wohnsitz nehmen. Dieser Bauvoranfrage wurde am 11. Februar 1975 unter der Bedingung entsprochen, daß durch Baulast gesichert werde, daß die beantragte Nutzung nicht erweitert werde. Dementsprechend wurde folgende Baulast in das Baulastenverzeichnis eingetragen:
"Der jeweilige Eigentümer der Grundstücke unterläßt es, das genannte Grundstück zum Zwecke der Bebauung zu teilen. Er ist verpflichtet, das Grundstück nur in der Art und in dem Umfang zu nutzen, wie in der Bauvoranfrage vom 3.7.1974 (s. Anlage) zweckbestimmend dargelegt. Weiterhin unterläßt er es, jede weitere gewerbliche Tätigkeit bzw. Nutzung, insbesondere die Einrichtung von Lager- und Produktionsstätten, auszuüben."
In der Folgezeit wurde die Errichtung eines Betriebswohnhauses als Ersatz für das bisher vorhandene Gebäude sowie ein Anbau genehmigt. Das Gebäude wurde zunächst für Betriebs- und Wohnzwecke genutzt. Es wird durch den Kläger ausschließlich für Wohnzwecke genutzt.
Am 1. März 1989 stellte der Kläger eine Bauvoranfrage für ein Einfamilienhaus mit ca. 250 m2 Wohnfläche, das im nördlichen Teil seines Grundstücks errichtet werden solle. Der Beklagte lehnte den Antrag mit dem am 20. März 1990 zugestellten Bescheid vom 14. März 1990 ab, weil die beigeladene Gemeinde ihr Einvernehmen versagt habe und der für das Bauvorhaben vorgesehene Standort im Außenbereich liege. Die Außenbereichslage werde durch die geringe Anzahl der Gebäude südlich des xxxweges und die umgebende freie Landschaft bestätigt. Als sonstiges Vorhaben im Außenbereich beeinträchtige das beabsichtigte Bauvorhaben öffentliche Belange, weil es den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widerspreche, die Verfestigung eines Siedlungssplitters befürchten lasse und die Belange des Landschaftsschutzes beeinträchtige. Außerdem stehe einer Genehmigung des Bauvorhabens die auf dem Grundstück ruhende Baulast entgegen. Den gegen den ablehnenden Bescheid am 27. März 199Q eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung xxx mit ihrem am 10. Juli 1990 zugestellten Bescheid vom 8. Juli 1990 mit der Begründung zurück, die Bauvoranfrage sei abzulehnen, weil die beigeladene Gemeinde ihr nach § 36 BauGB erforderliches Einvernehmen nicht erteilt habe.
Mit der am 19. Juli 1990 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen: Das Grundstück liege innerhalb eines zusammenhängend bebauten Ortsteiles. Die vorhandenen Baulichkeiten seien beim Erwerb des Grundstücks im Jahre 1987 im wesentlichen schon vorhanden gewesen. Im übrigen habe sich aber die Situation in der Umgebung grundlegend verändert. Während damals noch an der zu xxx gehörenden Seite des xxxweges keine Gebäude vorhanden gewesen seien, sei das Grundstück des Klägers jetzt an beiden Seiten von Wohnbebauung umgeben. Das geplante Wohngebäude werde zu dem westlichen Nachbargebäude und zu dem auf dem Grundstück bereits vorhandenen großen Wohnhaus Blickverbindung haben. Das Bauvorhaben werde sich ohne planungsrechtliche Spannung in die vorhandene Bebauung einfügen. Der Charakter der Umgebung, der durch eine großzügige Bebauung geprägt werde, werde durch das Bauvorhaben eher unterstützt als beeinträchtigt. Wald im eigentlichen Sinne bestehe im hier maßgeblichen Bereich ohnehin nicht. Es handele sich um eine Parklandschaft, die im wesentlichen mit Rasen bestanden sei und durch einzelne parkähnliche Baumgruppen unterbrochen werde. Die Landschaftsschutzverordnung und der Flächennutzungsplan seien insoweit durch die tatsächliche Entwicklung überholt. Auf die Baulast könne sich der Beklagte nicht berufen, da diese gegenstandslos geworden sei. Denn alle nach Eintragung der Baulast errichteten Baulichkeiten seien genehmigt worden. Auch auf den Nachbargrundstücken sei nach Erteilung der Baulast Bebauung genehmigt worden.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 14. März 1990 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung xxx vom 10. Juli 1991 zu verpflichten, den beantragten Bauvorbescheid für die Errichtung eines Wohnhauses mit einer Einliegerwohnung zu erteilen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Auffassung des Beklagten liegt das Grundstück des Klägers im Außenbereich, nicht im nicht-beplanten Innenbereich. Die Bebauung auf der gegenüberliegenden Straßenseite des xxxweges und des xxxweges habe erkennbar keinen prägenden Einfluß. Während dort auf der Grundlage von Bebauungsplänen eine Einfamilienhausbebauung auf durchschnittlich 1500 m2 großen Grundstücken vorhanden sei, seien die Gebäude auf dem Grundstück des Klägers und auf dem Nachbargrundstück xxx großzügig in eine teils naturbelassene, teils parkähnlich gestaltete Landschaft eingebettet. Schon die gravierenden Unterschiede in der Siedlungsstruktur sprächen für eine trennende und nicht für eine verbindende Wirkung des Straßenzuges xxxweg/xxxweg. Während auf der einen Seite eine geordnete, städtebaulichen Prinzipien folgende Bebauung vorhanden sei, sei auf der anderen Seite die Bebauung eher nach Zufallsgesichtspunkten entstanden. Außerdem könne ein Bebauungszusammenhang nicht über die Gemeindegrenzen hinauswirken. Als Außenbereichsvorhaben beeinträchtige das Vorhaben des Klägers öffentliche Belange, weil es den Darstellungen des Flächennutzungsplanes der Samtgemeinde xxx widerspreche, Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege beeinträchtige und die Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lasse. Die Zulassung des Vorhabens werde auch eine nicht übersehbare Vorbildwirkung besitzen. Der Beklagte hat sich darauf berufen, daß die Eheleute Sxxx für die Nachbargrundstücke xxxweg und xxxweg am 24. Februar 1992 Teilungsanträge für den Fall angekündigt haben, daß dem Antrag des Klägers stattgegeben würde.
Die beigeladene Gemeinde hat, ohne einen Antrag zu stellen, den Standpunkt des Beklagten unterstützt. Nach Auffassung der Beigeladenen weist die an der Südseite des xxxweges auf xxx Gebiet gelegene Bebauung nur den Charakter einer weiträumigen Splitterbebauung auf. Das Landschaftsschutzgebiet bestehe bereits seit dem Jahre 1969. Im Rahmen der am 2. Februar 1991 in Kraft getretenen Neuordnung des Landschaftsschutzgebietes sei auch der Bereich des klägerischen Grundstückes ausdrücklich erneut als zum Landschaftsschutz gehörig festgestellt worden. Das Grundstück des Klägers sei zwar teilweise bebaut, habe aber für den Landschaftsschutz eine wichtige Funktion im Übergangsbereich zwischen der vorhandenen Bebauung auf dem Gebiet von xxx und den zusammenhängenden Forstflächen des xxxwaldes. Die beigeladene Gemeinde hat sich weiterhin auf die bestehende Baulast berufen. Die vorhandene Bebauung habe sich streng nach den durch die Baulast festgelegten Vorgaben gerichtet. Eine darüber hinausgehende Bebauung habe nicht stattgefunden. Die Baulast bezwecke, daß eine baurechtliche Fehlentwicklung auf dem Grundstück für die Zukunft verhindert werde.
Das Verwaltungsgericht hat, nach Besichtigung der Örtlichkeit, die Klage mit dem Urteil vom 10. Juni 1993 abgewiesen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts liegt das Grundstück des Klägers nicht innerhalb eines Bebauungszusammenhanges, zu dem die nördlich des xxxweges liegenden Grundstücke gehören. Denn der xxxweg bilde die natürliche Grenze der dort vorhandenen Bebauung. Diese Grenze trete durch das deutliche Gefälle des Geländes sichtbar in Erscheinung. Die auf dem Grundstück des Klägers und den Nachbargrundstücken xxxweg xxx und xxxweg xxx bereits vorhandene Bebauung besitze keine Ortsteilqualität, da sie nicht Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sei. Die Zugehörigkeit des Grundstückes des Klägers zu einem zusammenhängend bebauten Ortsteil ergebe sich auch nicht durch Einbeziehung der Bebauung auf den Grundstücken xxxweg xxx, xxx und xxx. Denn insofern fehle der Bebauungszusammenhang. Die Fläche, auf der das Bauvorhaben verwirklicht werden solle, ermögliche mit einer Breite von 110 m ohne weiteres die Errichtung von zwei Einfamilienhäusern und sei nicht als Baulücke zu bewerten. Das Verwaltungsgericht nimmt an, daß das Vorhaben als nicht bevorrechtigtes Außenbereichsvorhaben öffentliche Belange beeinträchtige, weil es die Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lasse. Es habe weitreichende Vorbildwirkung und würde im Falle seiner Zulassung weitere Bauvorhaben nach sich ziehen. Auf die Begründung des Urteils im einzelnen wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 2. August 1993 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Kläger am 23. August 1993 Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung trägt er vor: Der xxxweg sei eine an beiden Seite bebaute Straße. Daher sei die Annahme des Verwaltungsgerichts unzutreffend, daß der Waldweg den Bebauungszusammenhang abschließe. Daß die Bebauung Unterschiede aufweise, stehe dem Bebauungszusammenhang nicht entgegen. Das geplante Vorhaben werde sich auch im Sinne des § 34 BauGB einfügen. Sowohl auf der gegenüberliegenden Straßenseite als auch weiter westlich sei ebenfalls eine dichtere Bebauung vorhanden. Hilfsweise wendet sich der Kläger gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, daß das Vorhaben die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lasse.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils nach dem Klagantrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Das geplante Vorhaben werde nicht nur die Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, sondern auch die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege beeinträchtigen.
Die beigeladene Gemeinde schließt sich dem Standpunkt des Beklagten an, ohne einen Antrag zu stellen. Sie trägt vor: Die Bebauung an den beiden Seiten des xxxweges weise deutliche Unterschiede auf. Südlich des xxxweges handele es sich um weitläufige Splitterbebauung im Landschaftsschutzgebiet. Diese sei weniger eine Splittersiedlung, sondern es handele sich um einzelne freistehende Gebäude.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung xxx (Widerspruchsverfahren) Bezug genommen. Der Senat hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Die Beweisaufnahme hatte das in der Niederschrift vom 31. März 1995 festgehaltene Ergebnis.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Vorhaben des Klägers ist gemäß § 34 Abs. 1 und 2 BauGB städtebaurechtlich zulässig.
1.)
Der vom Kläger zur Bebauung vorgesehene Standort kann nur unter der Voraussetzung als innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 Abs. 1 BauGB) liegend angesehen werden, daß er zu dem zusammenhängend bebauten Ortsteil gehört, der sich in nördlicher und nordwestlicher Richtung an diesen Standort auf dem Gebiet der Nachbargemeinde xxx anschließt. Denn die Grundstücke des Klägers und die westlich und östlich gelegenen Nachbargrundstücke xxxweg xxx und xxx, die insoweit auf xxx Gebiet allein für einen Bebauungszusammenhang in Betracht kommen, stellen für sich genommen keinen Ortsteil dar, weil sie bereits nach der Zahl der vorhandenen Baulichkeiten nicht das für die Annahme eines Ortsteiles erforderliche Gewicht besitzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.66, BVerwGE 31, 22). Daß die baulichen Anlagen im rückwärtigen Bereich, insbesondere die Wochenendhäuser, die völlig regellos in die Waldlandschaft eingestreut sind, eine Ortsteileigenschaft nicht herstellen können, hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt.
Für die Zuordnung des Standortes zum nicht-beplanten Innenbereich kam es hiernach darauf an, ob a) ein Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB unter Überschreitung der Gemeindegrenzen bestehen kann, b) der Straßenzug xxxweg/xxxweg, abweichend von der Annahme des Verwaltungsgerichts, den Bebauungszusammenhang des Ortsteiles nach Süden nicht abschließt, c) an dem zur Bebauung vorgesehenen Standort der Bebauungszusammenhang nicht im Hinblick auf die große Entfernung zwischen den vorhandenen Baulichkeiten auf dem Grundstück des Klägers und dem westlichen Nachbargrundstück xxxweg xxx oder aus anderen Gründen unterbrochen ist.
Diese Voraussetzungen für die Zuordnung des Standortes zu dem zusammenhängend bebauten Ortsteil, der größtenteils durch die benachbarte Bebauung auf xxx Gebiet gebildet wird, sind nach Auffassung des Senats sämtlich gegeben:
a)
Das BVerwG (Urt. v. 26.5.1967 - IV C 25.66, BVerwGE 27, 137) hat § 34 BBauG dahin ausgelegt, daß der Rechtsbegriff des im Zusammenhang bebauten Ortsteiles auf das jeweilige Gemeindegebiet begrenzt sei, das der Planungshoheit der Gemeinde untersteht. Dies hat das BVerwG aus dem Wortlaut des § 34 BBauG gefolgert, nach welchem diese Bestimmung auf diejenigen Gebiete anwendbar war, "für die die Gemeinde noch nicht beschlossen hat, einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 BBauG aufzustellen." Mit der Änderung des Gesetzeswortlautes, die bereits durch die Neufassung des BBauG vom 18. August 1976 (BGBl. I, 2256) erfolgte, ist die Notwendigkeit entfallen, vom Gesetzeswortlaut her darauf zu schließen, daß sich ein Ortsteil immer nur innerhalb der Grenzen einer Gemeinde bilden könne und an diesen Grenzen daher sein Ende finden müsse. § 34 BauGB richtet das Bebauungsrecht am Maßstab der tatsächlichen Verhältnisse aus. Die Gebiets- und Planungshoheit der Gemeinde ist nicht der vom Gesetz in § 34 BauGB gewählte Maßstab der gebietlichen Zuordnung und der Beurteilung. Deshalb ist der heute allgemein vertretenen Auffassung zu folgen, nach der ein zusammenhängend bebauter Ortsteil unter Überschreitung der Gemeindegebietsgrenzen bestehen kann (Dürr, in: Brügelmann, BauGB, § 34 Rdnr. 18; Gaentzsch, BauGB, § 34 Rdnr. 11; Schmaltz, in: Schrödter, BauGB, 5.A. 1992, § 19 Rdnr. 20; Zinkahn, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 19 Rdnr. 27).
b)
Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, der xxxweg bilde die natürliche Grenze der Bebauung und deren Abschluß, so daß das Grundstück des Klägers außerhalb des zusammenhängend bebauten Ortsteiles liegt, kann der Senat nicht folgen. Das Verwaltungsgericht hat die den Bebauungszusammenhang trennende Wirkung der Straße aus den Geländeverhältnissen gefolgert bzw. diese als Element der Beurteilung verwendet. Das vom Verwaltungsgericht festgestellte Gefälle setzt sich jedoch auf der Nordseite des Waldweges fort. Es bildet daher nicht gerade vor dem Grundstück des Klägers einen Einschnitt. Im übrigen ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen, ob eine Straße einen Bebauungszusammenhang herstellt oder ob ihr trennende Funktion zwischen Innen- und Außenbereich zukommt (BVerwG, Urt. v. 1.12.1972 - IV C 6.71, BVerwGE 41, 227, 234; BVerwG, Beschl. v. 16.2.1988 - 4 B 19.88, BRS Bd. 48 Nr. 44 = NVwZ-RR 1989, 6 = BauR 1988, 315). Insoweit sind die Geländeverhältnisse hier, wie dargelegt, nicht geeignet, die Beurteilung in die Richtung einer, den Bebauungszusammenhang abschließenden Funktion der Straße zu lenken. Es besteht auch keine "Regelvermutung" für eine trennende Wirkung, wie sie bei nur einseitig bebauten Straßen angebracht sein kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16. 2. 1988, a.a.O.) . Der xxxweg ist nicht nur an der einen Seite bebaut, sondern auch auf der südlichen, xxx Seite. Zwar sind die Baulichkeiten auf den Grundstücken des Klägers und der Nachbarn nach ihrer Zahl weniger gewichtig als die Baulichkeiten auf der Nordseite des xxxweges, die als eine Villensiedlung im Walde auf großzügig geschnittenen Grundstücken angesehen werden kann. Andererseits sind die Baulichkeiten auf dem Grundstück des Klägers und den Nachbargrundstücken nicht zu vernachlässigen. Sie haben schon auf Grund der Größe der einzelnen Wohnhäuser ihr Gewicht. Diese werden vom Waldweg her ebenso erschlossen wie dies auch für die Wohnhäuser auf der Nordseite des xxxweges der Fall ist. Durch den Sichtschutz mit hohen Fichten sind zwar die Baulichkeiten auf der Südseite stärker versteckt als auf der Nordseite. Diese rein optische Komponente kann aber gegenüber der Funktion des Waldweges, die nördliche und südliche Bebauung miteinander zu verbinden, keine entscheidende Bedeutung haben.
c)
Die Entscheidung über die Zuordnung des Standortes zum Bebauungszusammenhang hing weiterhin davon ab, ob dieser Standort als eine den Bebauungszusammenhang noch wahrende Baulücke angesehen werden kann oder aber, vor allem im Hinblick auf die Größe des Grundstückes, der Bebauungszusammenhang zwischen dem Wohnhaus auf dem Grundstück des Klägers und dem Wohnhaus auf dem westlichen Nachbargrundstück unterbrochen ist. Auf Grund der hierbei erforderlichen Wertung, die als komplexe Beurteilung die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigen muß (st. Rspr. d. BVerwG; vgl. Urt. v. 14.11.1991 - 4 C 1.91, BRS Bd. 52 Nr. 146 = NVwZ-RR 1992, 227) kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß der Standort innerhalb des Bebauungszusammenhanges liegt.
Soweit dabei die Größe der zwischen den vorhandenen Baulichkeiten liegenden Fläche eine Rolle spielt, besteht keine Festlegung auf einen absoluten Grenzwert (BVerwG, Urt. v. 14.11.1991, a.a.O.) . Mit ansteigender Größe wird das Vorliegen einer Baulücke aber weniger wahrscheinlich (BVerwG, Urt. v. 1.12.1972 - IV C 6.71, BVerwGE 41, 227, 234). Das Verwaltungsgericht hat die Eigenschaft als Baulücke mit folgenden Überlegungen verneint: Die Freifläche, die zwischen dem Wohnhaus des Klägers und dem Wohngebäude auf dem angrenzenden Grundstück xxxweg xxx vorhanden ist, ermöglichte mit einer Breite von rd. 110 m ohne weiteres die Errichtung von zwei bis drei Einfamilienhäusern. Bei einer unbebauten Fläche, die eine solche Bebauung zuläßt, könne nicht mehr von einer Baulücke gesprochen werden. Dieser Sichtweise kann der Senat nicht folgen. Eine Fläche, die es ermöglicht, zwischen die zwei vorhandenen Wohnhäuser weitere zwei Häuser zu setzen, ist noch nicht zu groß, um den Bebauungszusammenhang zu unterbrechen. Wegen der großzügigen Bebauung, die hier vorherrscht und die auch den Maßstab für die hinzutretende Bebauung bilden muß, ist nicht zu befürchten, daß eine kleinteilige, dichte Bebauung in die Freifläche eindringen kann. Es darf nicht allein von der Größe der bebauungsfreien Fläche auf eine Unterbrechung des Bebauungszusammenhanges geschlossen werden. Die Regel, daß mit zunehmender Größe das Vorliegen einer Baulücke weniger wahrscheinlich wird, ist nur eine Wiedergabe der Erfahrung (BVerwG, Urt. v. 12.6.1970 - IV C 77.78, BVerwGE 35, 256). So kann etwa noch ein 10.000 m2 großes Grundstück, dessen Bebauung mit zwei Einfamilienhäusern vorgesehen ist, als Schließung einer Baulücke im Innenbereich angesehen werden ( BVerwG, Urt. v. 12.6.1970, a.a.O.) . Hier sind im Hinblick auf den großräumigen Zuschnitt der vorhandenen Bebauung der Abstand zwischen den vorhandenen Häusern und die Freifläche noch nicht zu groß, um den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit zu unterbrechen. Es drängt sich auch nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung keine dem entgegengesetzte Prägung des Standortes durch die "freie Landschaft" auf. Der Standort ist nicht durch die sich im rückwärtigen Raum anschließende, teilweise bewaldete Landschaft geprägt, sondern durch die Lage unmittelbar an der Straße zwischen zwei großen Häusern auf parkartig angelegtem Gelände, das in dieser Ausprägung die Funktion der Hausgärten hat.
2.)
Das Wohnhaus fügt sich an dem vorgesehenen Standort in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die hinsichtlich der Art der zulässigen Bebauung einem reinen Wohngebiet entspricht (§ 34 Abs. 1 und 2 BauGB). Der Kläger kann eine Bebauung nur an einem Standort beanspruchen, der - wie das auf dem Grundstück bereits vorhandene Wohnhaus - nahe an der Straße gelegen ist. Denn nur insoweit kann die Feststellung über die Zugehörigkeit des Standortes zum nicht-beplanten Innenbereich getroffen werden, und nur insoweit fügt sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
3.)
Das Vorhaben als solches - von den im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung eines Vorbescheides nicht zu entscheidenden Einzelheiten seiner Ausführung abgesehen - ist auch mit der Unterstellung des Grundstückes unter den Landschaftsschutz vereinbar. Dabei unterstellt der Senat die Gültigkeit der Landschaftsschutzverordnung. Da dem Antrag auf Erteilung des Vorbescheides und der Verpflichtungsklage das Begehren des Klägers zugrundeliegt, eine Entscheidung darüber zu erhalten, ob das Einfamilienwohnhaus an diesem Standort überhaupt zulässig ist, ist insoweit auch eine Entscheidung über die landschaftsschutzrechtliche Zulässigkeit notwendig (vgl. Bayer. VGH, Urt. v. 27.9.1991 - 1 B 91.738, NVwZ-RR 1992, 341). Nach dem Standpunkt, den das BVerwG (Urt. v. 12.6.1970 - IV C 77.68, BVerwGE 35, 256) zum Verhältnis von Innenbereichsbebauung zu der auf dem Reichsnaturschutzgesetz beruhenden Unterstellung eines Grundstückes unter Landschaftsschutz eingenommen hat, kann innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben, das nach § 34 BBauG zulässig ist, allenfalls in den Einzelheiten seiner Ausführung beeinflußt, nicht hingegen als solches verhindert werden. Die Verhinderung einer Innenbereichsbebauung aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutz wäre hiernach nur unter den Voraussetzungen einer vom Gesetz bereitgestellten (Enteignungs-) Entschädigung zulässig (BVerwG, Urt. v. 24.2.1978 - 4 C 12.76, BVerwGE 55, 272). Für den vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob dieser Rechtsprechung auch für das Verhältnis von § 34 BauGB zu einer auf dem BNatSchG und dem NNatSchG beruhenden Schutzgebietsausweisung zu folgen wäre (ablehnend: Kuchler, DVBl. 1989, 973; de Witt, in: Hoppenberg, Hdb. d. öff. Baurechts, 1994, E Rdnr. 398 ff.). Denn es ist jedenfalls in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bayer. VGH (Urt. v. 27.9.1991, a.a.O.) von folgendem auszugehen: Stellt sich heraus, daß sich die Landschaftsschutzverordnung, von der Einschätzung des Verordnungsgebers abweichend, auch auf Innenbereichsgrundstücke erstreckt, so liegt darin eine offenbar nicht beabsichtigte Härte und demgemäß ein Grund für die Erteilung einer Befreiung von den Verboten der Landschaftsschutzverordnung.
4.)
Das Vorhaben des Klägers wird nach der derzeitigen Rechtslage auch nicht durch die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung berührt. Denn es ist nach § 8a Abs. 6 BNatSchG nicht als Eingriff anzusehen. Die abweichende landesrechtliche Vorschrift (§ 8b Abs. 2 BNatSchG), die einen Ausgleich durch Geldleistung vorsehen kann, ist zwar durch § 15a Abs. 2 NNatSchG geschaffen; jedoch ist die Höhe der Geldleistung bisher nicht durch die in § 15a Abs. 3 NNatSchG vorgesehene Verordnung der Landesregierung geregelt.
5.)
Die durch Baulast gesicherte Verpflichtung des Grundstückseigentümers, "das Grundstück nur in der Art und in dem Umfang zu nutzen, wie in der Bauvoranfrage vom 3.7.1974 (s. Anlage) zweckbestimmend dargelegt", steht der sich aus § 34 BauGB ergebenden zulässigen Bebauung nicht entgegen. Denn durch Baulast können die bundesrechtlichen Voraussetzungen der Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens nur gesichert, aber nicht verändert werden (Schmaltz, in: Grosse-Suchsdorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 5. A. 1992, § 92 Rdnr. 42; BVerwG, Urt. V. 4.2.1991 - 4 C 51.87, DVBl. 1991, 812). Bei der ursprünglich bestehenden Außenbereichslage des Grundstückes des Klägers konnte der Beklagte ein berechtigtes Interesse haben, die Beschränkung der zulässigen Außenbereichsnutzung durch Baulast zu sichern. Nachdem sich infolge der hinzugekommenen Bebauung auf dem westlichen Nachbargrundstück der jetzt zur Bebauung vorgesehene Standort in einer "Baulücke" innerhalb des Bebauungszusammenhanges befindet, kann die durch § 34 BauGB eröffnete Bebaubarkeit nicht durch die Baulast ausgeschlossen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO). Der Senat weicht nicht von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab; die Entscheidung BVerwGE 27, 137 [BVerwG 26.05.1967 - IV C 25/66] zur Ortsteileigenschaft bei Überschreitung der Gemeindegrenzen bezieht sich auf die inzwischen überholte Gesetzesfassung des § 34 BBauG 1960.
[siehe Streitwertbeschluss]
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 22.500,-- DM (in Worten: zweiundzwanzigtausendfünfhundert Deutsche Mark) festgesetzt.
Götz
Dr. Jenke