Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 27.04.2005, Az.: 4 A 71/05
Feststellungsklage; Staatsangehörigkeit; Staatsangehörigkeitsausweis; Staatsangehörigkeitsrecht; Subsidiarität; Verpflichtungsklage; Zulässigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 27.04.2005
- Aktenzeichen
- 4 A 71/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 50974
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 42 VwGO
- § 43 Abs 1 VwGO
- § 43 Abs 2 S 1 VwGO
- § 4 Abs 3 RuStAG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Feststellungsklage ist im Staatsangehörigkeitsrecht jedenfalls dann alternativ zur Verpflichtungsklage zulässig, wenn die Beteiligten zunächst übereinstimmend von der deutschen Staatsangehörigkeit des Klägers ausgegangen waren, dem Kläger sogar ein deutsches Ausweisdokument ausgestellt wurde, die Behörde ihre Auffassung jedoch später ändert und damit Anlass zur Feststellungsklage gibt.
Gründe
I.
Dem am ... 2003 in F. geborenen Kläger wurde von der Beklagten am ... 2003 ein bis zum ... 2013 gültiger Kinderausweis ausgestellt, in dem seine Staatsangehörigkeit mit "deutsch" eingetragen ist.
Unter dem 7. März 2005 teilte die Beklagte den gesetzlichen Vertretern des Klägers mit, dass sie die im Einwohnermelderegister eingetragene Staatsangehörigkeit des Klägers von Amts wegen in "serbisch montenegrinisch" geändert habe. Dem Kläger bleibe es unbenommen, einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit zu stellen. Mit einem weiteren Schreiben vom gleichen Tage bat die Beklagte die gesetzlichen Vertreter des Klägers, "den Kinderausweis zwecks Einziehung innerhalb [von] zwei Wochen ... vorzulegen" und gab ihnen Gelegenheit zur Äußerung. Daraufhin beantragte der Kläger unter dem 16. März 2005 bei der Beklagten, seine deutsche Staatsangehörigkeit festzustellen. Mit einem weiteren Schreiben vom 22. März 2005 forderte die Beklagte den Kläger auf, einen ausländerrechtlichen Aufenthaltstitel zu beantragen.
Daraufhin erhob der Kläger mit einem am 5. April 2005 beim Verwaltungsgericht Göttingen eingegangenen Schriftsatz Feststellungsklage des Inhalts, dass er mit seiner Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat und beantragte die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten.
Mit einem Bescheid vom 12. April 2005 entsprach die Beklagte dem Feststellungsantrag vom 16. März 2005 nach § 4 Abs. 3 StAG und teilte mit, dass ein deutscher Staatsangehörigkeitsausweis für den Kläger bereitliege. Das Einwohnermelderegister sei entsprechend berichtigt worden.
Daraufhin erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 19. April 2005 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte,
der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Beklagte erklärte mit Schriftsatz vom 25. April 2005 den Rechtsstreit ebenfalls in der Hauptsache für erledigt und beantragte,
dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Sie hält die Klage für unzulässig, weil es am Rechtsschutzinteresse gefehlt habe und auch die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage nicht vorgelegen hätten. Der Kläger habe nicht einmal 14 Tage nach seinem Antrag vom 16. März 2005 Klage erhoben. Die Klage sei nicht erforderlich gewesen, um das vom Kläger angestrebte Ziel zu erreichen. Zudem habe er auch die Frist des § 75 Satz 2 VwGO nicht abgewartet.
II.
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 161 Abs. 2 VwGO lediglich noch nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.
Vorliegend entspricht es billigem Ermessen, diese der Beklagten aufzuerlegen, weil sie den Kläger mit dem Bescheid vom 12. April 2005 klaglos gestellt hat.
Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Beklagten hatte der Kläger das Gericht nicht voreilig angerufen oder gar die Drei-Monats-Frist des § 75 Satz 2 VwGO missachtet.
§ 75 VwGO ist bereits deshalb nicht einschlägig, weil der Kläger keine Verpflichtungsklage auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises erhoben hatte, sondern eine nicht fristgebundene Feststellungsklage nach § 43 VwGO auf Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit. Eine solche Feststellungsklage ist im Staatsangehörigkeitsrecht alternativ zulässig (Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., § 4 StAG Rdnr. 95 und § 40 StAG Rdnr. 14 mwN). Ihr steht der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO jedenfalls dann nicht entgegen, wenn - wie vorliegend - die Beteiligten zunächst übereinstimmend von der deutschen Staatsangehörigkeit des Klägers ausgegangen waren, dem Kläger sogar ein deutsches Ausweisdokument ausgestellt wurde, die Behörde ihre Auffassung jedoch später ändert und damit Anlass zur Feststellungsklage gibt.
Der Kläger war auch nicht gehalten, vor Erhebung der Feststellungsklage den Ausgang seines unter dem 16. März 2005 beantragten Verwaltungsverfahrens auf Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit abzuwarten. Denn die Beklagte war ersichtlich nicht bereit, ihn während dieses Verfahrens weiterhin als deutschen Staatsangehörigen zu behandeln. Vielmehr hatte sie ihn bereits "gebeten", sein deutsches Ausweisdokument zwecks Einziehung vorzulegen und ihn aufgefordert, bei der Ausländerbehörde einen Aufenthaltstitel zu beantragen. Dem Kläger als von Geburt deutschen Staatsangehörigen war es jedoch nicht zuzumuten, von der Beklagten auch nur vorübergehend als Ausländer behandelt zu werden. Er war deshalb berechtigt, sofort um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen.