Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 14.04.2005, Az.: 2 A 471/03

Anerkenntnis; Erstattungsanspruch; Grundanerkenntnis; Hilfe; Interessenwahrung; Kind; Kostenerstattung; Kostenerstattungsanspruch; Nasciturus; Schuldanerkenntnis; Sozialhilfe; Umzug

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
14.04.2005
Aktenzeichen
2 A 471/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 51039
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein ungeborenes Kind kann nicht im Sinne von § 107 Abs. 1 Satz 1 BSG verziehen.

2. Der Anspruch nach § 107 Abs. 1 BSHG setzt voraus, dass innerhalb eines Monats nach Umzug Sozialhilfe rechtmäßig gezahlt wird.

3. Zur Rechtsnatur eines sog. Grundanerkenntnisses.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten sich um die Frage, ob der Beklagte dem Kläger Kosten zu erstatten hat, die dieser in der Zeit vom 16. Oktober 1998 bis zum 31. Oktober 1999 an Hilfe zum Lebensunterhalt für die am ... geborene I. C. und deren am ... in A. geborene Tochter J. (Hilfeempfängerinnen) aufgewandt hat.

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I. C. verzog am 1. Oktober 1998 von B. nach A., wo sie zunächst bei einer Bekannten und ab 16. Oktober 1998 in einer angemieteten Wohnung lebte. Am ... brachte sie ihre Tochter zur Welt. Frau C. erhielt durch Bescheid des Klägers vom 27. Februar 1998 für den Bewilligungszeitraum November 1997 bis November 1998 monatliche Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 690,00 DM. Sie besuchte in B. seit dem 6. November 1996 einen Sonderlehrgang für Spätaussiedler.

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Mit Antrag vom 9. Oktober 1998 begehrte Frau C. bei der namens und im Auftrag des Klägers handelnden Stadt A., ihr Hilfe zum Lebensunterhalt zu bewilligen. Dies lehnte die Stadt A. zunächst mit Bescheid vom 10. November 1998 unter Hinweis auf die Regelung in § 26 BSHG ab. Mit Bescheid vom 19. November 1998 aber bewilligte sie Frau C. ab 1. Oktober 1998 Hilfe zum Lebensunterhalt. Wenngleich das dem Bescheid nicht zu entnehmen ist, wurde J. C. ab ihrer Geburt Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe und Frau I. C. in den Monaten Oktober und November lediglich ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gewährt. Dabei wurde, da laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach wie vor nicht gewährt werden sollte, nicht § 23 Abs. 2 BSHG angewandt, sondern die Stadt A. führte eine sog. Hilfsberechnung durch, um den Bedarf von Frau C. zu ermitteln. Dieser Berechnung legte die Stadt für den Bedarf den Regelsatz eines Haushaltsvorstandes, anteilige Miet- und Heizkosten sowie den gesetzlich vorgesehenen Mehrbedarfsbetrag von 216,00 DM (560,00 Regelsatz x 40 %) zugrunde. Dem stellte sie auf der Einkommensseite 300,00 DM Kindergeld, 690,00 DM BAföG sowie einen Warmwasseranteil von 2,04 DM gegenüber. Es ergab sich ein Bedarfsbetrag von 73,96 DM für November bzw. anteilig 38,17 DM für Oktober 1998. Nicht in diese Berechnung eingeflossen ist ein etwaiger Wohngeldanspruch der Frau C., der nach Berechnungen des Klägers im Oktober 45,42 DM und im November 1998 88,00 DM betragen hätte. Allerdings war Frau C. mit Bescheid vom 3. Dezember 1998 Tabellenwohngeld versagt worden, da sie als Sozialhilfeempfängerin einen Anspruch auf pauschaliertes Wohngeld habe.

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In welcher Höhe die Hilfeempfängerinnen im Oktober und November 1998 Leistungen erhalten haben, lässt sich nach Aktenlage nicht mit Bestimmtheit sagen. Laut Bescheid vom 19. November 1998 sollen es im Oktober 157,86 DM und im November 306,92 DM gewesen sein. In dem Bescheid wird angegeben, dass die Hilfeempfängerinnen im Oktober pauschaliertes Wohngeld in Höhe von 79,00 DM und im November in Höhe von 152,00 DM erhalten hätten. Dies dürfte der auf J. C. entfallende Betrag sein, da I. C. nach dem Vortrag des Klägers kein pauschaliertes Wohngeld bewilligt worden ist. Laut der bezifferten Kostenangabe des Klägers vom 12. November 2003 gegenüber dem Beklagten sollen 121,86 DM bzw. 198,92 DM an die Hilfeempfängerinnen ausgezahlt worden sein; wieder andere Beträge finden sich in dem Schreiben des Klägers an den Beklagten vom 11. Dezember 2003. Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2005 gibt der Kläger an, für I. C. im Oktober 1998 einen Betrag von 34,04 DM und im November 1998 einen Betrag von 65,96 DM aufgewendet zu haben, der als Mehrbedarf für Alleinerziehende bezeichnet wird.

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Der Leistungsbezug der Hilfeempfängerinnen endete am 1. November 1999 infolge der Aufnahme einer Ausbildung durch Frau C..

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Mit Schreiben vom 26. November 1998 meldete die Stadt A. gegenüber der in Sozialhilfeangelegenheiten namens und im Auftrage des Beklagten handelnden Stadt B. einen Kostenerstattungsanspruch nach § 107 BSHG an. Sie gab dabei an, seit dem 1. Oktober 1998 an die Hilfeempfängerinnen Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten. Nach erfolgter Übersendung einzelner Aktenbestandteile in Kopie, aus denen ebenfalls ein Leistungsbezug ab 1. Oktober 1998 erkennbar war, erteilte die Stadt B. unter dem 25. Januar 1999 zunächst ein Grundanerkenntnis. Dieses widerrief sie später mit Schreiben vom 1. Dezember 2003, nachdem die Stadt A. ihre den Hilfeempfängerinnen in der Zeit von Oktober 1998 bis Ende Oktober 1999 gewährten Leistungen auf 7.359,97 Euro beziffert und die Stadt B. Einsicht in die Akten der Stadt A. genommen hatte.

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Am 23. Dezember 2003 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er zunächst 7.359,97 Euro und später 7.404,42 Euro von dem Beklagten einforderte. Von diesem Betrag sind nach Berechnung des Klägers 5.240,11 Euro für I. C. aufgewendet worden.

8

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, auch die für J. C. geleisteten Beträge seien erstattungsfähig, da sie als nasciturus umgezogen sei. Er habe auch innerhalb eines Monats nach Umzug Sozialhilfe geleistet, nämlich für J. ab deren Geburt und für ihre Mutter in Form von Mehrbedarf für Alleinerziehende. Zwar hätte I. C. keinen Sozialhilfeanspruch gehabt, wenn man das ihr zustehende Wohngeld als Einkommen betrachten und von ihrem Bedarf abziehen würde. So könne aber nicht argumentiert werden, da Wohngeld allenfalls nachträglich habe gewährt werden können, durch eine rückwirkende Bewilligung aber der im Oktober und November 1998 bestehende Bedarf, den er gedeckt habe, nicht entfallen würde. Eine nachträgliche Erstattung durch andere Sozialleistungsträger oder Dritte unterbreche nicht die tatsächliche Hilfegewährung. Das von der Stadt B. abgegebene Kostenanerkenntnis sei zu Unrecht widerrufen worden und jedenfalls für die Frage der etwaigen Verjährung von Ansprüchen bindend.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.404,42 Euro zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er meint, durch sein unter dem 25. Januar 1999 erteiltes Grundanerkenntnis nicht gebunden zu sein, da er dies widerrufen habe. J. C. sei nicht im Sinne von § 107 BSHG verzogen. Ferner habe der Kläger nicht innerhalb eines Monats rechtmäßig Sozialhilfe an die Hilfeempfänger gezahlt. Der Kläger habe Frau I. C. in den Monaten Oktober und November 1998 keinen Mehrbedarf für Alleinerziehende bewilligen dürfen, da ihr Einkommen den Bedarf überstiegen habe. Fälschlicherweise habe der Kläger das Frau C. zustehende Wohngeld nicht als Einkommen berücksichtigt. Im Übrigen erhebe er die Einrede der Verjährung.

14

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie ihre jeweiligen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger nicht zu.

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Gemäß § 107 Abs. 1 BSHG ist, wenn eine Person vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes verzieht, der Träger der Sozialhilfe des bisherigen Aufenthaltsortes verpflichtet, dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe die dort erforderliche Hilfe außerhalb von Einrichtungen im Sinne von § 97 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes zu erstatten, wenn die Person innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedarf. Gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 BSHG entfällt die Verpflichtung nach Abs. 1, wenn für einen zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten keine Hilfe zu gewähren war. Die Verpflichtung endet gemäß § 107 Abs. 2 S. 2 des Gesetzes spätestens nach Ablauf von 2 Jahren seit dem Aufenthaltswechsel, hier also am 1. Oktober 2000. Nach § 111 Abs. 1 BHSG sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Hilfe dem Gesetz entspricht, wobei die Grundsätze für die Gewährung von Sozialhilfe gelten, die am Aufenthaltsort des Hilfeempfängers zur Zeit der Hilfegewährung bestehen.

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Hinsichtlich der am ... in A. geborenen Hilfeempfängerin J. C. besteht ein Erstattungsanspruch des Klägers nicht, weil sie nicht im Sinne von § 107 Abs. 1 BSHG umgezogen ist. Der Erstattungsanspruch nach dieser Bestimmung sieht als Tatbestandsvoraussetzung das Verziehen einer Person vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts vor. Unter einem „Verziehen“ ist die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensbeziehungen und deshalb begrifflich neben der Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts am bisherigen Aufenthaltsort die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts am Zuzugsort zu verstehen (BVerwG, Urteil vom 6.2.2003 -5 C 34.02-, NDV-RD 2003, 75, m.w.N.). Wie ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet wird, beantwortet sich Anwendung von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I (BVerwG, Urteil vom 18.3.1999 -5 C 11.98-, FEVS 49, 434). Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Notwendige Bedingung für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ist damit der tatsächliche Aufenthalt an einem Ort (BVerwG, Urteil vom 26.9.2002 -5 C 46.01-, FEVS 54, 198). Das am ... geborene Kind J. C. hatte in diesem Sinne als Ungeborenes keinen tatsächlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und konnte ihren Lebensmittelpunkt infolgedessen auch nicht verlagern (vgl. auch § 1 BGB).

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Hinsichtlich der Hilfeempfängerin I. C. besteht ebenso wenig ein Erstattungsanspruch. Denn sie bedurfte nicht innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Sozialhilfe.

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Wie der Wortlaut des § 107 Abs. 1 BSHG schon nahe legt, ist ein entsprechender objektiver Bedarf des Hilfeempfängers vorausgesetzt. Es steht dem Sozialhilfeträger des Zuzugsortes nicht frei, den Erstattungsanspruch des § 107 BSHG dadurch herbei zu führen, dass er Sozialhilfe leistet, obwohl ein Bedarf nicht besteht. Neben dem Wortlaut der Bestimmung folgt dies auch aus dem in § 111 BSHG verankerten sog. Interessenwahrungsgrundsatz. Diese Vorschrift nimmt rechtswidrig gewährte Sozialhilfeleistungen von der Erstattungspflicht aus. Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn unberechtigte Nachzahlungen erfolgt sind, der Einkommens- und Vermögenseinsatz nicht gefordert wurde, Überleitungsanzeigen oder Erstattungsansprüche nicht verfolgt wurden oder soweit Leistungen freiwillig, d.h. ohne gesetzliche Grundlage gewährt wurden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.01.2002 - 4 L 4201/00 - FEVS 54, Seite 171). Der Sozialhilfeträger des Zuzugsortes hat ferner so zu handeln, als verbliebe die Kostenlast endgültig bei ihm selbst, darf also nicht Leistungen lediglich im Hinblick auf die Kostenerstattungspflicht des § 107 BSHG erbringen, die er sonst nicht erbracht hätte (OVG Münster, Beschluss vom 18.09.2003 - 12 A 3945/01 - NDV-RD 2004, Seite 65). Diese seinem Wortlaut nach nur für die Höhe der Kostenerstattung anzuwendende Regelung ist auch für die Frage fruchtbar zu machen, ob ein solcher Anspruch dem Grunde nach besteht.

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Hiervon ausgehend hatte I. C. nicht innerhalb eines Monats nach ihrem am 1. Oktober 1998 erfolgten Umzug einen sozialhilferechtlichen Bedarf. Dies war erst nach Wegfall des BAföG-Anspruch mit Wirkung vom 1. Dezember 1998, also nach Ablauf der Monatsfrist, der Fall.

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Bis zum Ablauf der Förderungsdauer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz Ende November 1998 stand der Hilfeempfängerin I. C. Sozialhilfe nach §§ 2 Abs. 1 BSHG nicht zu. Allerdings schließen diese Bestimmungen es ebenso wenig wie § 26 BSHG aus, einen nicht ausbildungsbedingten Mehrbedarf, etwa nach § 23 Abs. 1a oder Abs. 2 BSHG aus Sozialhilfemitteln zu gewähren (Brühl in: LPK-BSHG § 2 Rdnr. 12 und § 26 Rdnr. 20). Die Leistung eines solchen Mehrbedarfs wäre eine erforderliche Hilfe im Sinne von § 107 Abs. 1 BSHG.

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Die Gewährung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende setzt wie jede andere Sozialhilfeleistung jedoch voraus, dass sich der Hilfebegehrende nicht selbst helfen kann (§§ 2, 11 BSHG). Dies konnte Frau C. indes. Denn sie hatte über die vom Kläger berücksichtigten Einkommensbestandteile hinaus einen Anspruch auf Tabellenwohngeld nach § 31 Abs. 1 Nr. 1a und /oder b WoGG in Höhe von mindestens 88,00 DM monatlich. Hierauf hätte sie der Kläger gemäß 33 Abs. 5 WoGG schriftlich hinweisen müssen. Dieses Wohngeld wäre als Einkommen der Hilfeempfängerin I. C. anzusehen gewesen (Brühl, a.a.O. § 77 Rdnr. 94), und hätte dazu geführt, dass ihr Einkommen den sozialhilferechtlichen Bedarf in den Monaten Oktober und November 1998 überstiegen hätte. Ein sozialhilferechtlicher Bedarf bestand mithin für sie nicht.

24

Entgegen der Annahme des Klägers kommt es nicht darauf an, dass das Wohngeld erst nachträglich, möglicherweise mit Bescheid vom 19. November 1998 bewilligt worden ist, oder auch nur ein solcher Anspruch bestanden hätte. Denn in jedem Fall hatte Frau C. im Oktober und im November 1998 einen entsprechenden, notfalls im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 123 VwGO durchsetzbaren Anspruch darauf. Auch derartige Ansprüche wirken sich bedarfsmindernd aus, da es sich um bereite Mittel im Sinne von § 2 BSHG handelt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.1999 -5 B 84/99-, m.w.N., zitiert nach juris). Selbst wenn Frau C. diesen Anspruch nicht in eigener Person durchgesetzt hätte, wäre es dem Kläger nach § 91 a BSHG möglich gewesen die Feststellung dieser Sozialleistung selbst, durch Antragstellung und ggf. Widerspruchsführung zu betreiben.

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Unabhängig von diesen Überlegungen und selbständig die Entscheidung tragend, schließt § 107 Abs. 2 Satz 1 BSHG einen Erstattungsanspruch des Klägers aus. Nach dieser Vorschrift kommt es erkennbar nicht darauf an, ob Hilfe tatsächlich gewährt wurde oder nicht, sondern nur darauf, ob ein Anspruch des Hilfeempfängers bestand (Schoch in: LPK-BSHG, § 107 Rdnr. 27). Dies war nach dem oben Gesagten nicht der Fall in den Monaten Oktober und November 1998, also für einen zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten.

26

Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch rechtfertigt sich schließlich auch nicht aus dem von der Stadt B. unter dem 25. Januar 1999 abgegebenen Grundanerkenntnis.

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Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Anmeldung der Erstattungsforderung durch die Stadt A. fehlerhaft war, so dass ein darauf beruhendes Anerkenntnis keine Rechtswirkungen entfaltet. Denn die Stadt A. hat fälschlicherweise angegeben, ab 1. Oktober 1998 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt zu erbringen. Richtig ist, dass Leistungen erst ab 16. Oktober 1998 erbracht wurden.

28

Zum anderen vermag das Grundanerkenntnis der Stadt B. nicht die von dem Kläger gewünschten Rechtsfolgen zu zeitigen, weil es ausdrücklich unter dem Vorbehalt abgegeben worden ist, dass die Leistungen dem Gesetz entsprachen. Dies ist nach dem Gesagten nicht der Fall.

29

Schließlich und grundsätzlich vermag das Grundanerkenntnis keine selbständige Verpflichtung des Beklagten zu begründen. Das Gericht folgt insoweit dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 23.9.2003 -12 B 01.241-; ebenso Hamburgisches OVG, Beschluss vom 14.1.2004 -4 Bf 355/01-, jeweils zitiert nach juris), der überzeugend ausgeführt hat:

30

„Den von der Klägerin geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch stützt auch nicht das Kostenanerkenntnis des Beklagten in seinem Schreiben vom 4. November 1997 ("... erkennt ihren Kostenerstattungsanspruch nach § 103 Abs. 3 BSHG ... für die ab 29.10.96 erbrachten Sozialhilfeaufwendungen bei Hilfegewährung innerhalb eines Monats ab Entlassung aus dem Gefängnis an."). Schon nach dem Wortlaut des Anerkenntnisses handelt es sich hierbei allenfalls um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, aber nicht um ein schuldbegründendes und konstitutives Anerkenntnis, das unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbstständige weitere Verpflichtung schaffen sollte (vgl. dazu Thomas in Palandt, BGB, 57. Aufl. 1998, RdNr. 2 zu § 781). Der Beklagte stellte allenfalls fest, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Kostenerstattungsanspruch nach § 103 Abs. 3 BSHG zusteht. Er bestätigte den Anspruch in Beantwortung des Schreibens der Klägerin vom 29. Oktober 1996, mit dem diese gemäß § 111 Satz 1 SGB X ihren Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht hatte, und setzte damit die Klägerin davon in Kenntnis, dass sie ihren Anspruch rechtzeitig geltend gemacht hatte, was (auch) Voraussetzung für dessen erfolgreiche Durchsetzung ist. Bei diesem Hintergrund ist mangels entgegenstehender Umstände das Anerkenntnis keine selbstständige und von § 103 Abs. 3 BSHG unabhängige Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch. Es ist daher unerheblich, ob, wie das Verwaltungsgericht meint (ebenso W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, RdNr. 17 zu § 112), der Beklagte sein Anerkenntnis frei widerrufen konnte. Im Übrigen wäre ein Schuldanerkenntnis, auf das die Klägerin auch bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 103 Abs. 3 BSHG ihren Zahlungsanspruch stützen könnte, unwirksam und hätte vom Beklagten widerrufen werden können. Das legt nicht nur § 112 SGB X nahe, wonach zu Unrecht erstattete Beträge zurückzuerstatten sind. Sondern es ist auch zu beachten, dass ein konstitutives Anerkenntnis im Sozialrecht nicht zulässig ist. Auch ein solches Schuldanerkenntnis ist ein einseitig verpflichtender, abstrakter Vertrag, für den, wie für alle öffentlich-rechtlichen Verträge, nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt, dass er nur begründet, geändert oder aufgehoben werden kann, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Entgegenstehende Rechtsvorschriften in diesem Sinne sind nicht nur formelle Gesetze oder Rechtsverordnungen, sondern auch allgemeine Rechtsgrundsätze des öffentlichen Rechts. Die konstitutive Anerkennung einer Schuld widerspricht nicht nur den Grundsätzen sparsamer Haushaltsführung, die auch der Beklagte zu beachten hat. Vielmehr ist die materielle Vertragsfreiheit begrenzt durch den Vorbehalt des Gesetzes nach § 31 SGB I und den im Rechtsstaatprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnden Vorrang des Gesetzes. Danach ist es der Verwaltung untersagt, im Wege des Vertrages andere Rechtsfolgen zu setzen als sie gesetzlich vorgesehen sind. So läge der Fall aber hier. Die Klägerin müsste entgegen § 112 SGB X die vom Beklagten trotz Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 103 Abs. 3 BSHG erstatteten Kosten nicht zurückerstatten, weil dieser auf Grund eines wirksamen konstitutiven Anerkenntnisses nicht "zu Unrecht" die Kosten der von der Klägerin dem Hilfeempfänger geleisteten Sozialhilfe erstatten würde. Daher hat der Beklagte auch bei dieser Fallgestaltung sein Anerkenntnis wirksam widerrufen. Die mit der rechtzeitigen Geltendmachung des Erstattungsanspruchs und dem Anerkenntnis bezweckte alsbaldige Klarstellung gewährleistet dem Erstattung begehrenden Sozialleistungsträger keine absolute Rechtssicherheit, seinen Anspruch auf Dauer erfolgreich und unabhängig davon durchzusetzen, ob die in der gesetzlichen Kostenerstattungsvorschrift genannten Voraussetzungen vorliegen.“

31

Da dem Kläger der geltend gemachte Anspruch mithin nicht zusteht, braucht die Frage der Verjährung der geltend gemachten Ansprüche nicht entschieden zu werden.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

33

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.