Landessozialgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.09.2001, Az.: L 3 B 252/01 KA
Beschwerde gegen Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 20.09.2001
- Aktenzeichen
- L 3 B 252/01 KA
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 15911
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2001:0920.L3B252.01KA.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 24.08.2001 - AZ: S 21 KA 1182/00 ER
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs. 2 S. 2 2. HS BRAGO
- § 116 BRAGO
- § 13 Abs. 1 GKG
Prozessführer
AOK-Die Gesundheitskasse für Niedersachsen, A...,
Prozessgegner
Landesschiedsamt Niedersachsen B...,
Sonstige Beteiligte
1. Land Niedersachsen, D...,
2. Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen, E...,
hat der 3. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle
am 20. September 2001
durch
die Richterin am Landessozialgericht F. -als Vorsitzende-
den Richter am Landessozialgericht G. und
den Richter am Landessozialgericht H.
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 24. August 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit in Höhe von 2.000,00 DM für den Antragsgegner gilt.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit.
Im Hauptsacheverfahren begehrte die Antragstellerin die Aufhebung eines vom Antragsgegner erlassenen Schiedsspruches. Zugleich hat sie im vorliegenden Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage insbesondere mit der Begründung begehrt, dass sie durch den angefochtenen Beschluss um etwa 31.198.888,36 DM schlechter gestellt werde, als dies bei richtiger Umsetzung der höchstrichterlichen Rechtsprechung geboten wäre.
Der Beschwerdeführer vertritt das Landesschiedsamt Niedersachsen für vertragszahnärztliche Versorgung als Prozessbevollmächtigter.
Nach Rücknahme des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat der Antragsgegner ua die Festsetzung des Gegenstandswertes beantragt.
Mit Beschluss vom 24. August 2001, dem Beschwerdeführer am 30. August 2001 zugestellt, hat das Sozialgericht (SG) Hannover den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf 2.000,00 DM festgesetzt. Zur Begründung hat es dargelegt, dass der Wert des Gegenstandes für das Hauptsacheverfahren nach derzeitigem Sach- und Streitstand entsprechend § 8 Abs 2 Satz 2 2. Halbsatz Bundesrechtsanwaltsgebühren-Ordnung (BRAGO) mit 8.000,00 DM zu veranschlagen sei, im vorliegenden Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sei dieser Wert zu vierteln.
Mit weiterem Beschluss vom gleichen Tage hat das Sozialgericht der Antragstellerin die Tragung der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners aufgegeben.
Mit der am 11. September 2001 eingelegten Beschwerde gegen den Gegenstandswertbeschluss, der das SG nicht abgeholfen hat, macht der Beschwerdeführer geltend, dass zwar die vom SG herangezogene Quote von 25 % zur Bemessung des anteiligen Gegenstandswertes im Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu beanstanden sei, dass das SG jedoch dabei für das Hauptsacheverfahren zu Unrecht einen Gegenstandswert von nur 8.000,00 DM zugrunde gelegt habe. Dieser Wert mache richtigerweise eine Million DM aus. Ausgangspunkt müsse das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der erstrebten Entscheidung sein. Im vorliegenden Fall mache die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren einen Betrag von mehr als 30 Millionen DM geltend.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, wobei der Senat dem vom SG festgesetzten Gegenstandswert in Höhe von 2.000,00 DM nur auf den Antragsgegner bezieht.
Im vorliegenden Verfahren erachtet der Senat die Festsetzung unterschiedlicher Gegenstandswerte für die Beteiligten für geboten, wobei es einer ausdrücklichen Festsetzung nur für den Antragsgegner bedarf, da die übrigen Beteiligten keine entsprechenden Festsetzungsanträge gestellt haben. Eine unterschiedliche Festsetzung der Gegenstandswerte für die verschiedenen Beteiligten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zulässig und geboten, soweit die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreites für sie erhebliche Unterschiede aufweist (vgl dazu und zum folgenden: BSG, Beschluss vom 19.02.1996 -6 RKa 40/93- SozR 3-1930 § 8 BRAGO Nr 2).
Für das durch mehrseitige Rechtsbeziehungen beprägte Leistungserbringungsrecht des Sozialgesetzbuch Buch V Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), dem der Großteil der unter § 116 Abs 2 BRAGO fallenden Streitigkeiten angehört, ist kennzeichnend, dass Verwaltungsentscheidungen gleichzeitig auf die Rechtstellung mehrerer Betroffener unmittelbar oder mittelbar einwirken. Dementsprechend sind an derartigen Verfahren neben den Hauptbeteiligten regelmäßig Beigeladene mit unterschiedlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen beteiligt, wobei die prozessuale Stellung als Kläger, Beklagter oder Beigeladener vielfach durch die Zufälligkeit der jeweiligen Verfahrenskonstellation bestimmt wird. Ein für alle Betroffenen einheitlicher, allein durch das wirtschaftliche Interesse des Klägers bestimmter Gegenstandswert trägt diesen besonderen Gegebenheiten nicht Rechnung, weil er die typischerweise ganz unterschiedliche Interessenlage und wirtschaftliche Betroffenheit der Beteiligten vernachlässigt, die Höhe des Streitwertes von der zufälligen Stellung der Beteiligten im Prozess abhängig macht und den einzelnen unter Umständen einen unkalkulierbaren Kostenrisiko aussetzt, das in keinem Verhältnis zu der Bedeutung steht, die der Prozess für ihn selbst hat (vgl ebenfalls BSG aaO).
Dabei kann der Senat ebenso wie das BSG (aaO) dahingestellt bleiben lassen, ob § 13 Abs 1 GKG für das Verfahren vor den Gerichten insbesondere der Verwaltungsgerichtsbarkeit zwingend eine gesonderte, an den unterschiedlichen Interessen der Beteiligten ausgerichtete Streitwertfestsetzung ausschließt. Diese Vorschrift gilt für das sozialgerichtliche Verfahren ohnehin nicht unmittelbar. Ihre von der Rechtsprechung geforderte ergänzende Heranziehung im Rahmen des § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGO soll lediglich sachlich nicht begründete Abweichungen gegenüber der verwaltungsgerichtlichen Praxis vermeiden helfen. Dieser Zweck rechtfertigt es indessen nicht, die Regelung auch insoweit zu übernehmen, als sie den Besonderheiten des Sozialgerichtsprozesses nicht gerecht wird und zu unbilligen Ergebnissen führt.
Im vorliegenden Fall sind gravierende Unterschiede in der wirtschaftlichen Betroffenheit der Beteiligten festzustellen. Die Antragstellerin macht selbst geltend, dass ihr wirtschaftliches Interesse im Hauptsacheverfahren mehr als 30 Millionen DM beträgt. Demgegenüber ist ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Antragsgegners überhaupt nicht ersichtlich. Dieser ist in die materiell-rechtlichen Rechtsbeziehungen nicht eingebunden, er sollte vielmehr gerade als Außenstehender durch den Erlass des angefochtenen Schiedsspruches eine schlichtende Funktion wahrnehmen.
Streitwertbeschluss:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 24. August 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit in Höhe von 2.000,00 DM für den Antragsgegner gilt.
Da für den Antragsgegner ein eigenes wirtschaftliches Interesse überhaupt nicht festzustellen ist, hat das SG hierauf bezogen zu Recht für das Hauptsacheverfahren den Regelwert von 8.000,00 DM zugrunde gelegt. Da im vorliegenden Verfahren lediglich einstweiliger Rechtsschutz begehrt worden ist, ist der für das Hauptsacheverfahren festzusetzende Wert nach der ständigen Rechtsprechung des Senates, der der Beschwerdeführer ausdrücklich beigetreten ist, zu vierteln, so dass sich für das vorliegende Eilverfahren ein Gegenstandswert für den Antragsgegner in Höhe von 2.000,00 DM ergibt.