Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.09.2001, Az.: L 6 U 328/00

Anspruch auf Erhalt einer Witwenrente; Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Tod des Versicherten und den mittelbaren Folgen einer Berufkrankheit; Nachweis des Herztodes auf Grund einer durch Amöbiasis verursachten Herzschädigung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
06.09.2001
Aktenzeichen
L 6 U 328/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 15860
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2001:0906.L6U328.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 09.05.2000 - AZ: S 22 U 162/95

Prozessführer

XXX

Prozessgegner

Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, Bezirksverwaltung 3, Nikolaus-Dürkopp-Straße 8, 33602 Bielefeld,

hat der 6. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle

auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2001

durch

den Vizepräsidenten des Landessozialgerichts Dr. Wilde,

den Richter am Landessozialgericht Schulte,

die Richterin am Landessozialgericht Janz und

die ehrenamtlichen Richter Dr. Nolte und Wendland

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV). Die Beteiligten streiten darüber, ob der Tod ihres Ehemannes durch (mittelbare) Folgen einer Berufskrankheit (BK) verursacht worden ist.

2

Der im Jahr 1917 geborene Ehemann der Klägerin (Versicherter) zog sich bei einem Aufenthalt als Regierungsberater für Stromversorgung in Äquatorialguinea im September/Oktober 1984 eine invasive Amöbiasis zu. Der Leiter der klinischen Abteilung des Tropeninstituts D. Prof. Dr. E. führte im Gutachten vom 24. November 1986 aus, der Versicherte habe bei der Aufnahme am 1. November 1984 unter dem schweren Bild mehrerer Amöben-Leberabszesse gelitten. Darüber hinaus sei zeitweise eine Herzrhythmusstörung aufgetreten. Des Weiteren bestehe eine neurologische Störung. Im Verlauf der Behandlung sei es zu schweren Harnwegsinfekten und zu einer Lungenembolie gekommen. Die Lungenembolie habe keine wesentlichen Folgen hinterlassen. Der Versicherte sei zwar bei vollem Bewusstsein. Er könne jedoch nur mühsam gehen und sich nur schwer verständlich ausdrücken. Eine Arbeitsaufnahme sei nicht möglich. Prof. Dr. E. fasste zusammen, dass es sich bei der invasiven Amöbiasis um eine BK handele und dass die neurologischen Folgezustände auf diese BK zurückzuführen seien. Die Erwerbsfähigkeit sei aufgehoben. Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 28. Januar 1987 eine Amöbiasis als BK Nr. 3104 der Anlage zur Berufskrankheits-Verordnung und als Folge dieser BK Sprachstörungen, Schluckbeschwerden, Störungen des geordneten Zusammenwirkens der Gliedmaßen an und gewährte dem Versicherten Verletztenvollrente. Des Weiteren zahlte die Beklagte dem Versicherten Pflegegeld (Bescheid vom 24. Juni 1987).

3

Im Januar 1993 befand sich der Versicherte wegen einer Bronchitis in stationärer Behandlung (Mitteilung des Oberarztes Dr. F. der inneren Abteilung des Kreiskrankenhauses G. vom 29. Juli 1993). Im Krankenbericht vom 20. Januar 1993 werden u.a. ein kompensierter Myokardschaden mit Neigung zu Vorhofflattern und eine arterielle Verschlusskrankheit erwähnt. Am 25. Juni 1994 wurde der Versicherte mit dem Verdacht auf einen Myokardinfarkt stationär eingewiesen. Noch während der Aufnahmeuntersuchung verschlechterte sich sein Zustand mit Blutdruckabfall und Kreislaufschock. Trotz intensiver Reanimationsbemühungen konnte keine Kreislaufstabilisierung mehr erzielt werden. Der Versicherte verstarb am selben Tag. Im Krankenbericht vom 11. Oktober 1994 sah der Chefarzt der inneren Abteilung des Krankenhauses H. Dr. I. einen mittelbaren Zusammenhang zwischen der Todesursache und der BK, weil eine Kardiomyopathie im Rahmen der Amöbiasis aufgetreten sei. Diese Wertung teilte auch der den Versicherten seit dem Jahr 1983 behandelnde Facharzt für innere Krankheiten Dr. J.. In seiner Stellungnahme vom 30. November 1994 führte er aus, dass in den auf die invasive Amöbiasis folgenden Jahren wiederholt Herzrhythmusstörungen als Folge einer Herzmuskelschädigung beobachtet und behandelt worden seien. Die Annahme sei begründet, dass der Tod infolge Herzversagens bei Herzmuskelschädigung durch die schwere Amöbenerkrankung mit langanhaltendem schockartigen Krankheitsbild eingetreten sei.

4

Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass zur Klärung der Frage, ob der Tod des Versicherten Folge der BK sei, eine Obduktion zu erfolgen habe. Die Klägerin stimmte dieser nicht zu (Dienstreisebericht vom 6. Juli 1994). Der von der Beklagten beauftragte Prof. Dr. E. gelangte in seinem Gutachten vom 1. November 1994 zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen der Amöbiasis und Herzrhythmusstörungen nicht angenommen werden könne. Auffallend sei, dass der Versicherte bereits eine Tachykardie gehabt habe, bevor er in die Tropen gereist sei. In der Auskunft der Techniker Krankenkasse (TK) vom 18. November 1985 sind Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen einer Tachykardie am 16. Juni 1980 und vom 19. Mai bis 1. Juli 1982 sowie wegen Herzbeschwerden vom 24. bis 30. Juni 1984 festgehalten. Des Weiteren wies Prof. Dr. E. darauf hin, dass der Versicherte 1983 von Dr. J. zu einer Untersuchung in das Tropeninstitut überwiesen worden sei und anamnestisch angegeben habe, dass eine Herzrhythmusstörung bekannt sei (vgl. auch den Arztbrief vom 20. Oktober 1983). Pathologische Befunde seien bei der Untersuchung nicht gefunden worden. Die Schocksituation als Folge der invasiven Amöbiasis habe möglicherweise eine Verschlechterung der kardialen Situation gebracht. In den folgenden Untersuchungen sei jedoch eine Rhythmusstörung nicht mehr aufgetreten. Der Tod sei aufgrund eines akuten Herzversagens ohne einen Zusammenhang mit der BK eingetreten. Daraufhin lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente ab und bewilligte der Klägerin eine einmalige Witwenbeihilfe (Bescheid vom 24. November 1994).

5

Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte das internistische und tropenmedizinische Gutachten des Prof. Dr. K. vom 31. März 1995 ein. Prof. Dr. K. wies darauf hin, dass es bei einer invasiven Amöbiasis nur dann zu einer Beteiligung des Herzens komme, wenn ein Amöben-Leberabszess in den Herzbeutel (Perikard) ruptiere. Eine solche Ruptur sei ein seltenes Ereignis. In größeren klinischen Übersichten der letzten Jahre über Patienten mit Amöben-Leberabszessen werde eine Herzbeteiligung nicht angegeben. Es seien keine Angaben über das Auftreten von Herzrhythmusstörungen im Rahmen einer Amöbiasis vorhanden. Vorstellbar sei, dass es bei einer vorbestehenden Herzkrankheit vorübergehend zu einer Abnahme der myokardialen Durchblutung komme, die Herzrhythmusstörungen provoziere. Hierbei handele es sich jedoch nur um eine vorübergehende Verschlechterung der kardialen Funktion bei bereits vorbestehender Herzkrankheit, nicht jedoch um die Auslösung einer myokardialen oder koronaren Herzerkrankung durch die Amöbiasis. Bei dem Versicherten hätten keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass eine Amöben-Perikarditis vorgelegen habe. Eine andere direkte Schädigung des Herzens könne im Rahmen der Amöben-Leberabszesse nicht vorgelegen haben. Es bleibe somit nur die Möglichkeit, dass es zu einer vorübergehenden Verschlechterung der myokardialen Durchblutung mit Herzrhythmusstörungen gekommen sei. Tatsächlich gebe es Hinweise dafür, dass bereits vor der Amöbenerkrankung eine Herzerkrankung vorgelegen habe, da 1985 eine Sklerose der Aorta abdominalis nachgewiesen worden sei. Röntgenologisch sei eine Linksherzvergrößerung festgestellt worden (vgl. auch die Krankenberichte der Rehabilitationsklinik L. vom 21. Oktober 1986 und 5. Oktober 1987). Auch diese Befunde sprächen für eine längere Zeit bestehende Herzerkrankung unabhängig von der Amöbiasis. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Tod und der als BK anerkannten Amöbiasis bestehe nicht. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 1995).

6

Zur Begründung der rechtzeitig vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, dass ihr Ehemann in den Jahren 1980 bis 1983 keinen Hausarzt gehabt habe, da er gesund gewesen sei und einen Arzt nicht benötigt habe. Die Auskunft der TK vom 18. November 1985 treffe nicht zu. Die TK habe gegenüber Dr. J. eingeräumt, dass es sich um ein Informationsversehen handele. Die von Prof. Dr. K. zur Begründung einer bereits vor der Amöbiasis vorhandenen Herzerkrankung herangezogene bereits 1985 vorhandene Sklerose der Aorta abdominalis überzeuge nicht. Denn zum Zeitpunkt dieser Diagnose sei ihr Ehemann bereits seit einem Jahr an der Amöbiasis mit Herzschädigung erkrankt gewesen. Vor dieser Erkrankung sei er vital und kerngesund gewesen. Danach sei er an den Rollstuhl gefesselt gewesen. Aufgrund der anerkannten neurologischen Schäden habe jede Mobilisierungsmöglichkeit und damit jede Möglichkeit der Kräftigung des durch den Schockzustand schwer geschädigten Herzens gefehlt. Daraus könne nur der Schluss gezogen werden, dass ihr Ehemann an den Folgen der Amöbiasis verstorben sei.

7

Das SG hat zunächst die von Dr. J. geführte Krankenkartei des Versicherten beigezogen und danach Prof. Dr. M. mit der Erstattung des internistischen Gutachtens vom 4. September 1997 beauftragt.

8

Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass sich in der Karteikarte des Dr. J. bereits am 7. April 1983 der Eintrag "1982 Tachyarrhythmie"finde. Weiterhin seien im Jahre 1983 Einträge mit der Diagnose "Sprachstörungen" sowie am 3. August 1984 die Medikamentenverordnung "3 x 1 Isoptin, 1 x Lanitop" vorhanden. In einem Original-EKG vom 17. Juli 1984 finde sich eine absolute Tachyarrhythmie bei überdrehtem Linkstyp mit Erregungsrückbildungsstörungen. Am 15. August 1984 sei ein Sinusrhythmus mit Linkstyp, jedoch deutlichen Erregungsrückbildungsstörungen vorhanden gewesen. Somit seien wiederholt Rhythmusstörungen, die sich auch an einem Original-EKG nachweisen ließen, bereits vor Eintritt der als BK anerkannten Amöbiasis dokumentiert. Außer einer vorübergehenden Verschlechterung der vorbestehenden Neigung zu intermittierenden, paroxysmalen Tachyarrhythmien während der hochfieberhaften Akuterkrankung bestehe kein pathogenetischer Zusammenhang zwischen der anerkannten invasiven Amöbiasis und der koronaren oder myokardialen Herzerkrankung. Insbesondere sei keine kardiomyopathische Verlaufsform einer Amöbiasis mit malignen Rhythmusstörungen beschrieben. Nach dem Krankenbericht vom 11. Oktober 1994 und dem am Todestag gefertigten EKG bestehe aufgrund der Anamnese der dringende Verdacht auf einen akuten Myokardinfarkt mit myokardialem Pumpversagen. Eine Laboruntersuchung oder weiterführende Diagnostik habe aufgrund der raschen Reanimationspflichtigkeit des Versicherten nicht durchgeführt werden können. Da eine Obduktion des Versicherten abgelehnt worden sei, müsse der klinischen Einschätzung der Kollegen des Krankenhauses H. mit der abschließenden Diagnose eines therapierefraktären myokardialen Pumpversagens bei Verdacht auf Myokardinfarkt zugestimmt werden. Differentialdiagnostisch sei eine Lungenembolie weder anamnestisch noch vom klinischen Verlauf unter Reanimation zu belegen. Auch zeige das Original-EKG keine klassischen Zeichen einer akuten Lungenembolie. Der Sachverständige hat zusammenfassend ausgeführt, dass wahrscheinlich ein myokardiales Pumpversagen im Rahmen eines Myokardinfarkts zum Tode des Versicherten geführt habe. Der Tod sei nicht auf die als BK anerkannte Amöbiasis im Sinne einer Verursachung oder Mitverursachung zurückzuführen.

9

Auf Antrag der Klägerin ist anschließend Prof. Dr. N. gehört worden. Der Sachverständige führt in seinem internistisch-kardiologischen Gutachten vom 22. Dezember 1998 aus, es gebe keine gesicherten Hinweise, dass bei dem Versicherten vor Eintritt der Amöbiasis eine manifeste kardiale Grunderkrankung vorgelegen und dass sich nach Eintritt der BK eine bedeutsame koronare Herzerkrankung ausgebildet habe. Erwähnenswert sei dagegen, dass es bereits 1985 zu einer Lungenembolie gekommen sei. Diese sei am ehesten durch die Immobilisation infolge der neurologischen Störungen bedingt gewesen. Die massive Einschränkung der Beweglichkeit habe eine Thromboseneigung und die Gefahr einer Lungenembolie zur Folge gehabt. Nach den am Todestag erhobenen Befunden seien ein Hinterwandinfarkt mit protrahiertem Herz-Kreislaufversagen und eine Lungenembolie mit Herzversagen in Betracht zu ziehen. Die Angabe einer genauen Todesursache sei schwierig, da keine laborchemische Untersuchung durchgeführt und einer Obduktion nicht zugestimmt worden sei. Der Sachverständige hielt es für wahrscheinlicher, dass eine Lungenembolie dem Tod zu Grunde gelegen habe. Bei dem Versicherten habe nicht nur ein Zustand nach Lungenembolie bestanden. Zusätzlich könnten rezidivierende Pneumonien und Aspirationen eine zusätzliche Rechtsherzbelastung verursacht haben. Somit bestehe ein Zusammenhang zwischen der anerkannten BK und dem Tod des Versicherten.

10

Demgegenüber blieb Prof. Dr. M. in der ergänzenden Stellungnahme vom 1. April 1999 bei seiner Wertung. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. August 1999 wies Prof. Dr. N. einleitend darauf hin, dass die Todesursache des Versicherten unklar bleibe. Leider sei keine Obduktion durchgeführt worden, die Klarheit über die genaue Todesursache hätte schaffen können. Es gebe jedoch keinen eindeutigen Hinweis für das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung. Vorhofflimmern allein bei unauffälligem Belastungs-EKG könne nicht als Symptom einer koronaren Herzerkrankung gewertet werden. Problematisch sei die neurologische Symptomatik gewesen, die zu weitgehender Immobilität geführt habe. Durch wiederkehrende pulmonale Infektionen, insbesondere durch Aspiration, sei sicherlich im Laufe der Jahre eine deutliche Rechtsherzbelastung eingetreten. Zusätzlich sei anamnestisch nach Eintritt der BK bereits eine Lungenembolie dokumentiert. Weder die zum Todeszeitpunkt eingetretene Symptomatik noch die elektrokardiographische Registrierung lasse eindeutig eine koronare Herzerkrankung mit Myokardinfarkt als Todesursache zu. Retrospektiv in Zusammenschau aller Befunde sei sicherlich das Ereignis einer Lungenembolie mit konsekutivem Rechtsherzversagen mindestens ebenso wahrscheinlich.

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Dieser Auffassung vermochte sich der Sachverständige Prof. Dr. M. auch in den ergänzenden Stellungnahmen vom 19. Januar und 24. März 2000 nicht anzuschließen. Eine Lungenembolie als mittelbare Todesursache sei nicht mit Wahrscheinlichkeit zu belegen. Das SG ist den Ausführungen dieses Sachverständigen gefolgt und hat die Klage durch Urteil vom 9. Mai 2000 abgewiesen.

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Die Klägerin hat gegen das ihr am 4. Juli 2000 zugestellte Urteil am 28. Juli 2000 Berufung eingelegt. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass ihr Ehemann durch eine mittelbar durch die anerkannte BK verursachte Lungenembolie verstorben sei. Weil die als BK anerkannte Amöbiasis keine Herzrhythmusstörungen verursachen und nachhaltig verschlimmern könne, sei davon auszugehen, dass bei ihrem Ehemann kein Herzleiden vorgelegen habe. Demgegenüber sei es bereits 1985 zu einer Lungenembolie gekommen. Des Weiteren sei die Einschränkung der Beweglichkeit mit einer erhöhten Thromboseneigung und einer damit einhergehenden Gefahr der Lungenembolie verbunden.

13

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des SG Hannover vom 9. Mai 2000 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 24. November 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 1995 zu ändern,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, ihr Witwenrente zu zahlen.

14

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Hannover vom 9. Mai 2000 zurückzuweisen.

15

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

16

Dem Senat haben neben den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat nach sorgfältiger Beweiserhebung die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Witwenrente (§§ 589 f. der auf den vorliegenden Sachverhalt noch anzuwendenden - vgl. Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 Sozialgesetzbuch VII - Reichsversicherungsordnung). Denn der Tod ihres Ehemanns ist nicht mit der im Recht der gesetzlichen UV erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch (mittelbare) Folgen der anerkannten BK, insbesondere nicht durch eine Lungenembolie wesentlich (mit)verursacht worden.

18

Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Tod eines Versicherten und den (mittelbaren) Folgen einer BK muss im Recht der gesetzlichen UV wahrscheinlich sein. Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, ob eine von den Folgen der BK unabhängige Todesursache wahrscheinlich oder gar bewiesen ist (BSGE 58, 76, 79; SozR 3-2200 § 548 Nrn. 11, S. 33, und 14, S. 41 f.). Eine Umkehr der Beweislast oder die Verringerung des Beweismaßstabes des ursächlichen Zusammenhangs auf die bloße Möglichkeit treten selbst dann nicht ein, wenn ein Beweisnotstand auf einer fehlerhaften Beweiserhebung oder sogar auf einer Beweisvereitelung durch denjenigen beruht, dem die Unerweislichkeit der Tatsachen zum prozessualen Vorteil gereicht (BSGE 24, 25; SozR 3-1500 § 128 Nr. 11). Abgesehen davon liegt diese Fallgestaltung hier nicht vor. Denn eine Obduktion des Versicherten, die Klarheit über die Todesursache verschafft hätte (S. 2 oben der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. N. vom 25. August 1999), wurde von der Klägerin verweigert, obwohl ein Mitarbeiter der Beklagten sie ausführlich über die Notwendigkeit einer Obduktion zur Klärung der Fragen, ob der Tod Folge der BK ist und sie Anspruch auf Witwenrente hat, unterrichtete (Dienstreisebericht vom 6. Juli 1994). Doch selbst wenn der Senat die Beweisschwierigkeiten der Klägerin berücksichtigt und die Anforderungen an seine Überzeugungsbildung, dass der Tod des Versicherten wahrscheinlich wesentlich durch (mittelbare) Folgen der anerkannten BK (mit)verursacht wurde, senken würde, ist kein für die Klägerin günstiges Ergebnis die Folge. Denn es fehlen hinreichende Anhaltspunkte für diese Feststellung.

19

Wie den Unterlagen der den Versicherten am Todestag behandelnden Ärzte zu entnehmen ist, starb dieser aufgrund eines myokardialen Pumpversagens unter der Verdachtsdiagnose "Herzinfarkt". Sein Herztod ist wahrscheinlich nicht auf eine durch die Amöbiasis verursachte Herzschädigung zurückzuführen. Davon geht im Übrigen auch die Klägerin aus (vgl. S. 2 ihres Schriftsatzes vom 22. September 2000). Prof. Dr. K. hat den medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand über eine Herzbeteiligung im Rahmen einer Amöbiasis im Einzelnen erläutert. Danach wird das Herz nur bei einer Ruptur in den Herzbeutel geschädigt (S. 4 ff. des internistischen und tropenmedizinischen Gutachten des Prof. Dr. K. vom 31. März 1995). Eine Ruptur des Herzbeutels war bei dem Versicherten jedoch nicht eingetreten. Wenn Prof. Dr. N. gleichwohl von einer durch die BK verursachten "perikardialen Mitbeteiligung" ausgeht, so überzeugt dies nicht. Er hat seine Auffassung lediglich auf ein beim Versicherten vorhandenes Vorhofflimmern und den Hinweis auf tierexperimentelle Untersuchungen gestützt (S. 19 des internistisch-kardiologischen Gutachtens vom 22. Dezember 1998). Zutreffend hat der Sachverständige Prof. Dr. M. demgegenüber darauf hingewiesen, dass diese Beurteilung durch die im Tropeninstitut während der Akutbehandlung erhobenen Befunde nicht gedeckt ist und dass im Übrigen ein Vorhofflimmern bei dem Versicherten schon vor der Afrikareise bekannt war (S. 2 der ergänzenden Stellungnahme vom 1. April 1999). Es sei allenfalls vorstellbar, dass es im Rahmen einer Amöbiasis bei einer vorbestehenden Herzkrankheit zu einer vorübergehenden Verschlechterung komme (S. 9 f. des Gutachtens vom 1. November 1994, S. 5 des internistischen und tropenmedizinischen Gutachtens vom 31. März 1995, S. 23 ff. des internistischen Gutachtens vom 4. September 1997). - Dass durch die infolge der BK eingetretene Immobilität des Versicherten eine Herzerkrankung nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wurde, hat der Sachverständige Prof. Dr. N. selbst als spekulativ bezeichnet (S. 3 f. der ergänzenden Stellungnahme vom 25. August 1999). Schließlich hat der Sachverständige Prof. Dr. M. auf den medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand hingewiesen, nach dem eine Immobilität kein Risikofaktor für die Entwicklung einer Herzkrankheit ist (S. 3 der ergänzenden Stellungnahme vom 28. März 2000). Dem steht nicht entgegen, dass sportliche Betätigungen die Herzgesundheit fördern mögen. Denn daraus kann nicht umgekehrt der Schluss gezogen werden, dass ihr Unterlassen eine solche Krankheit wahrscheinlich wesentlich (mit)verursacht. Einen solchen Schluss hat im Übrigen auch der den Kausalzusammenhang bejahende Sachverständige Prof. Dr. N. nicht gezogen.

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Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass die BK mittelbar - über eine durch sie verursachte - Lungenembolie zum Tod des Versicherten geführt hat. Eine dahingehende zusammenfassende Wertung hat zwar der Sachverständige Prof. Dr. N. vorgenommen. Zutreffend hat aber bereits das SG darauf hingewiesen, dass er seine Beurteilung selbst relativiert hat. Schon in seinem Gutachten vom 22. Dezember 1998 (S. 18) hat er die Gründe genannt, die gegen eine Lungenembolie als Todesursache sprechen. Danach nehmen Lungenembolien einen protrahierten Verlauf und sind mit einer typischen Schmerzsymptomatik verknüpft. Beides lag hier jedoch nicht vor. Dass der klinische Zustand des Versicherten und die EKG-Veränderungen am Todestag "gut mit einer Lungenembolie vereinbar" (ebd.) sind, belegt diese nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit. Denn das EKG vom Todestag zeigte keine Zeichen einer Lungenembolie und diese Diagnose wird auch nicht durch die Krankenhausunterlagen belegt (internistisches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M. vom 4. September 1997, S. 26; vgl. auch S. 2 der ergänzenden Stellungnahmen vom 1. April 1999 und 24. März 2000). Insbesondere hat der Sachverständige Prof. Dr. N. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. August 2000 ausgeführt, dass die Todesursache unklar bleibe und eine Lungenembolie "mindestens ebenso wahrscheinlich" sei wie eine koronare Herzerkrankung, für die auch nach seiner Auffassung mehrere Gründe sprechen (vgl. S. 17 unten des Gutachtens vom 22. Dezember 1998). Deshalb ist seine zusammenfassende Beurteilung, er halte eine Lungenembolie für "wahrscheinlicher" (a. a. O., S. 18), unschlüssig.

21

Unabhängig hiervon vermag die Argumentationskette des Sachverständigen den Senat auch aus weiteren Gründen nicht davon zu überzeugen, dass eine Lungenembolie als Todesursache wahrscheinlich ist. Ausgangspunkt dieser Argumentation sind eine unmittelbar nach dem Eintritt der Amöbiasis vorhandene Lungenembolie und die massive Einschränkung der Beweglichkeit des Versicherten mit einer damit verbunden Thromboseneigung und der Gefahr einer Lungenembolie (ebd.). Der Sachverständige Prof. Dr. M. hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass sich eine Lungenembolie als Todesursache auch anamnestisch nicht belegen lässt (S. 26 des internistischen Gutachtens vom 4. September 1997). Denn den vorliegenden umfangreichen medizinischen Befunden ist nicht zu entnehmen, dass in den folgenden 9 Jahren nach der Lungenembolie, die keine wesentlichen Folgen hinterließ (Gutachten des Prof. Dr. E. vom 24. November 1986, S. 11), Thrombosen und Lungenembolien auftraten. Dieses Fehlen von Brückensymptomen lässt eine (durch die BK verursachte) Lungenembolie als spekulativ und damit als unwahrscheinlich erscheinen. Auch die von dem Sachverständigen Prof. Dr. N. geäußerte Annahme, dass rezidivierende Pneumonien und Aspiration eine zusätzliche Rechtsherzbelastung verursacht haben könnten mit der Folge, dass auch eine weniger ausgeprägte Lungenembolie zum Tode habe führen können, findet in der umfangreichen Befunddokumentation keine Stütze. Vielmehr wird in den Krankenberichten vom 21. Oktober 1986 und 5. Oktober 1987 der Rehabilitationsklinik L. ein mit der röntgenologischen Untersuchung des Thorax gesichertes links verbreitertes Herz beschrieben, das für eine längere Zeit bestehende Herzerkrankung spricht (internistisches und tropenmedizinisches Gutachten des Prof. Dr. K. vom 31. März 1995, S. 6). Insgesamt ist deshalb nicht nachzuvollziehen und vom Sachverständigen Prof. Dr. N. auch nicht begründet worden, dass die abstrakt aufgrund der Immobilität vorhandene Gefährdung des Versicherten sich tatsächlich in einer Bildung von Thrombosen und Lungenembolien verwirklichte.

22

Auch wenn - wie oben bereits erläutert - im Recht der gesetzlichen UV eine in (mittelbarem) Zusammenhang mit Folgen einer anerkannten BK stehende Todesursache wahrscheinlich sein muss und es deshalb - entgegen der Auffassung der Klägerin - grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob eine von den Folgen der BK unabhängige Todesursache wahrscheinlich oder gar bewiesen ist (BSGE 58, 76, 79; SozR 3-2200 § 548 Nrn. 11, S. 33, und 14, S. 41 f.), lässt sich überdies auch nach Überzeugung des Senats eine von der anerkannten BK unabhängige Herzerkrankung als Todesursache wahrscheinlich machen. Bereits das SG hat im Einzelnen begründet, dass die vorliegenden medizinischen Unterlagen genügend Anhaltspunkte für eine bereits vor Eintritt der Amöbiasis vorhandene Herzrhythmusstörung geben (Karteikarte des Dr. J. - vgl. S. 22 f. des internistischen Gutachten vom 4. September 1997, vgl. auch die Angaben des Versicherten anlässlich der Untersuchung im Tropeninstitut am 29. September 1983 - Arztbrief der Dres. O. vom 20. Oktober 1983 - und der Klägerin anlässlich des stationären Aufenthalts des Versicherten vom 24. April bis 19. September 1985 im Fachkrankenhaus für physikalische Medizin der P.Klinik, Q. - Krankenbericht vom 26. September 1985). Deshalb ist es nicht verständlich, dass Dr. J. in seiner Stellungnahme vom 30. November 1994 diese Befunde nicht erwähnt, sondern die Herzerkrankung als Folge der BK sieht und dass es sich bei der Auskunft der TK um eine Falschangabe handeln soll. Jedenfalls in Zusammenhang mit der unmittelbar nach Eintritt der BK nachgewiesenen Sklerose der Aorta abdominalis und der Linksherzvergrößerung sprechen diese Befunde insgesamt für eine schon vor Eintritt der Amöbiasis vorhandene Herzerkrankung (S. 6 des internistischen und tropenmedizinischen Gutachtens vom 31. März 1995, S. 22 f. des internistischen Gutachtens vom 4. September 1997). Gerade mit den zuletzt genannten Befunden hat sich der Sachverständige Prof. Dr. N. nicht auseinandergesetzt. Seine Ausführungen sind nicht nachzuvollziehen, soweit sie die von dem Sachverständigen Prof. Dr. M. hervorgehobenen Befunde relativieren, da auch nach dem internistisch-kardiologischen Gutachten vom 22. Dezember 1998 und der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. N. vom 25. August 1999 Gründe für eine Herzerkrankung als Todesursache sprechen und diese auch nach seinen Formulierungen wohl wahrscheinlich ist. Schließlich sind auch die Wertungen der Dres. J. (ärztliche Stellungnahme vom 30. November 1994) und I. (Fragebogen vom 7. Juli 1994, Krankenbericht vom 11. Oktober 1994) von besonderer Bedeutung, da beide aufgrund der Kenntnis des Krankheitsverlaufs und der am Todestag erhobenen Befunde eine Herzschädigung diagnostizierten (vgl. auch S. 26 des internistischen Gutachtens vom 4. September 1997). Gestützt wird diese Beurteilung durch den Bericht über die stationäre Behandlung des Versicherten im Januar 1993, in dem auch ein Myokardschaden mit Neigung zu Vorhofflattern und eine arterielle Verschlusskrankheit erwähnt werden (Krankenbericht vom 20. Januar 1993). Diese stehen jedoch - wie oben ausgeführt - nicht in Zusammenhang mit der anerkannten BK. Schließlich hat Prof. Dr. K., der in der Beurteilung der Folgen von Tropenkrankheiten besonders erfahren ist, hervorgehoben, dass eine Obduktion keine andere Todesursache als eine von der anerkannten BK unabhängige Herzerkrankung erbracht hätte (S. 6 des internistischen und tropenmedizinischen Gutachtens vom 31. März 1995).

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).