Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.09.2001, Az.: L 3 KA 12/01
Ausnahme; Berufsausübungsfreiheit; Berufsfreiheit; besonderer Versorgungsbedarf; Honorar; Honorierung; LSG-Dokumentation; Praxisbudget; Verfassungsmäßigkeit; Verfassungsverstoß; Verfassungswidrigkeit; Vergütung; Verstoß; Vertragsarzt; vertragsärztliche Leistung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 26.09.2001
- Aktenzeichen
- L 3 KA 12/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40427
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BSG - 15.04.2002 - AZ: B 6 KA 95/01 B
Rechtsgrundlagen
- § 87 Abs 2 S 1 SGB 5
- § 87 Abs 2a S 1 SGB 5
- § 87 Abs 2a S 2 SGB 5
- Art 12 Abs 1 S 2 GG
- Kap A Abschn I Teil B Nr 1 EBM-Ä
- Kap A Abschn I Teil B Nr 4.3 EBM-Ä
- Nr 14 BMÄ
- Nr 15 BMÄ
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch im Berufungsverfahren zu erstatten .
Tatbestand:
Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er begehrt eine weitergehende Befreiung von den mit Wirkung zum 01. Juli 1997 eingeführten Bestimmungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) über die fallzahlabhängige Budgetierung der vertragsärztlichen Leistungen.
Im 3. Quartal 1997 behandelte der Kläger im Rahmen seiner vertragsärztlichen Tätigkeit insgesamt 1.526 Patienten, darunter 523 Rentner, von denen einer im Rahmen des organisierten Notfalldienstes behandelt wurde. In diesem Quartal rechnete der Kläger in 32 Fällen die EBM-Ziff. 14 ("kontinuierliche insbesondere hausärztliche Betreuung eines in der familiären bzw. häuslichen Umgebung versorgten Demenzkranken, mehrfach behinderten Kindes oder Jugendlichen, andauernd betreuungsbedürftigen geistig Behinderten und/oder kontinuierlich betreuungsbedürftigen chronisch psychotischen Patienten") und 126mal die EBM-Ziff. 15 ("kontinuierliche insbesondere hausärztliche Betreuung eines Kranken entsprechend der Leistung nach Nr. 14 bei Versorgung in beschützenden Wohnheimen bzw. Einrichtungen oder Pflege- und Altenheimen mit Pflegepersonal") ab. Insgesamt rechnete der Kläger im budgetierten Bereich in diesem Quartal 2.083.430 Punkte ab, von denen jedoch nach den Budgetierungsvorschriften des EBM unter Berücksichtigung einer Fallpunktzahl von 1.430 für Rentner und 559,9 Punkten für andere Versicherte lediglich 1.308.039,7 Punkte berücksichtigt werden konnten. Weiter wurden folgende Punktzahlen berücksichtigt: Als qualifikationsgebundene Zusatzbudgets im Bereich Kardiologie 5.600 Punkte und im Bereich Psychosomatik und übende Verfahren 26.840 Punkte, als bedarfsabhängiges Zusatzbudget in der Sparte Phlebologie 6.660 Punkte, für nichtbudgetierte Leistungen im Sinne des EBM Abschnitt A I B Ziff. 5 148.185 Punkte, für Schutzimpfungen 7.930 Punkte und für die hausärztliche Grundvergütung 130.950 Punkte, so dass sich insgesamt eine vergütete Gesamtpunktzahl von 1.854.336,8 Punkte ergab. Dieser entsprach ein ausgezahltes Gesamthonorar in Höhe von 137.545,17 DM.
Von der abgerechneten Gesamtpunktzahl von 2.607.255 Punkten entfielen 1.025.050 Punkte auf diejenigen 158 Fälle, in denen der Kläger die EBM-Ziff. 14 oder 15 abgerechnet hatte, wobei der auf die EBM-Ziffn. 14 und 15 entfallende Punktanteil in diesen 158 Fällen insgesamt 158.400 Punkte betrug.
Mit Schreiben vom 27. Juni 1997 begehrte der Kläger die Aussetzung der zum 01. Juli 1997 in Kraft tretenden Praxisbudgets mit der Begründung, dass die Betreuung von in großen Altenheimen lebenden Patienten einen wesentlichen Schwerpunkt seiner Praxis darstelle. Im Rahmen der vorgesehenen Budgets sei keine ausreichende Versorgung dieser Patienten zu gewährleisten. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass der Prüfungsausschuss Hannover für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung auf seinen Sitzungen vom 20. März 1996 und vom 22. Januar 1997 die von Krankenkassen begehrte Festsetzung eines Arzneikostenregresses unter Hinweis auf den überdurchschnittlich hohen Anteil sehr alter multimorbider Patienten in seiner Praxis abgelehnt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. Mai 1998 wies die Beklagte den Kläger zunächst darauf hin, dass sie in Anwendung der Ziff. 4.3 des Abschnittes A I Allgemeine Bestimmungen Teil B des EBM und der von den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) getroffenen "Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 01.07.1997" bereits die Leistungen nach den EBM-Ziffn. 14 und 15 von der Budgetierung ausgenommen habe. Soweit der Kläger eine weitergehende Befreiung begehre, sei der Antrag abzulehnen. Eine weitergehende Befreiung sei zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfes nicht geboten, da die vom Kläger erbrachten Leistungen von ausreichend vielen Ärzten im Planungsbereich erbracht werden könnten. Den hiergegen vom Kläger mit Schreiben vom 14. Juni 1998 eingelegten -- in der Sache nicht näher begründeten -- Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 05. November 1998 zurück.
Zur Begründung seiner am 04. Dezember 1998 eingelegten Klage hat der Kläger hervorgehoben, dass sich die kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen nicht in der Erbringung von Leistungen nach den Geb.-Ziffn. 14 und 15 erschöpfe. Auch andere Leistungen würden bei in einem Altersheim lebenden Patienten in einem erheblich höheren Umfang anfallen. Dies betreffe namentlich Hausbesuche und Untersuchungen. Auch führe die altersbedingt erforderliche Versorgung dieser Patienten mit teilweise sehr kostspieligen Medikamenten zu einer unsachgemäßen frühzeitigen Ausschöpfung des ihm zustehenden Arzneimittelbudgets. Vor diesem Hintergrund habe sein Antrag auf Budgetaussetzung bzw. Budgeterweiterung einem wirtschaftlichen Zusammenbruch seiner Praxis vorbeugen sollen. Er befürchte Arzneimittelkostenregresse in Höhe von 80.000,00 DM.
Mit Urteil vom 13. Dezember 2000, dem Kläger zugestellt am 17. Januar 2001, hat das Sozialgericht Hannover die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Eine Aussetzung von Praxisbudgets sei nur möglich im Rahmen der Ziff. 4.3 des Abschnitts A I Allgemeine Bestimmungen Teil B des EBM. Dort sei aufgeführt, in welchen Bereichen und unter welchen Bedingungen eine Aussetzung in Betracht komme. Bei den vom Kläger im Altenheim erbrachten Leistungen mit Ausnahme der -- von der Budgetierung bereits ausgenommenen -- EBM-Ziffn. 14 und 15 sei dies nicht der Fall.
Zur Begründung seiner am 16. Februar 2001 eingelegten Berufung weist der Kläger darauf hin, dass er unter Zugrundelegung seiner Aufstellungen im Quartal III/1997 102 Bewohner eines Altenheimes behandelt habe, auf die 808.357 Punkte entfallen seien. Von den von ihm insgesamt abgerechneten 2.607.255 Punkten habe die Beklagte 752.919 Punkte in Anwendung der EBM-Bestimmungen über das Praxisbudget nicht vergütet. Dies bedeute im Ergebnis, dass sämtliche Leistungen für die Bewohner des Altenheimes mit Ausnahme der Leistungen nach Geb.-Ziffn. 14 und 15 nicht vergütet worden seien. Hiervon ausgehend stehe ihm für die Behandlung eines Bewohners im Altenheim lediglich 60,00 DM im Quartal zur Verfügung, da die letztlich allein vergütete Geb.-Ziff. 15 lediglich 800 Punkte ausmache und der durchschnittliche Punktwert nur etwa 0,075 DM betrage.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. Dezember 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05. November 1998, soweit dieser die Befreiung der Betreuung von Patienten im Sinne der Ziffn. 14 oder 15 EBM von den Budgetvorschriften betrifft, aufzuheben und
2. die Beklagte zu verpflichten, diejenigen Fälle, in denen er Leistungen nach Nrn. 14 oder 15 EBM abrechnet, insgesamt von den Vorschriften über die Einführung von Praxisbudgets zum 01. Juli 1997 auszunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitergehende Befreiung von den mit Wirkung zum 01. Juli 1997 neu eingeführten EBM-Vorschriften über die Einführung von Praxisbudgets.
Mit Beschlüssen vom 19. November 1996 und 11. März 1997 hat der Bewertungsausschuss den EBM Allgemeine Bestimmungen A I. Teil B neu gefasst (Deutsches Ärzteblatt 1997 C 654 ff.) Die im EBM enthaltenen ärztlichen Leistungen unterliegen danach nach Maßgabe näherer Bestimmungen je Arztpraxis und Abrechnungsquartal für die nach Nr. 1.5 a.a.O. aufgeführten Arztgruppen einer fallzahlabhängigen Budgetierung. Die in den Budgets enthaltenen Leistungen sind je nach Arztpraxis und Abrechnungsquartal jeweils nur bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl abrechnungsfähig. Die Höhe des Budgets ergibt sich aus dem Produkt der Fallpunktzahl und der Zahl der Fälle gemäß Nr. 1.4 a.a.O. Diese Regelung hat zum Ziel, die Auswirkungen des seit Jahren zu beobachtenden Punktwertverfalls zu begrenzen und den Vertragsärzten mehr Kalkulationssicherheit zu geben. Da eine vermehrte Erbringung und Abrechnung der vom Praxisbudgets erfassten Leistungen über den praxisindividuellen Grenzbetrag hinaus keine Erhöhung des Honorars zur Folge hat, wird der Anreiz zur Ausweitung der Leistungsmenge begrenzt. Da wiederum der Punktwert für die ärztlichen Leistungen (auch) von der Anzahl der zu vergütenden Punkte abhängt, wird auf diesem Weg eine Stabilisierung des Punktwertes erreicht (vgl. BSG, Urteil vom 08. März 2000 -- B 6 KA 7/99 R --, SozR 3-2500, § 87 SGB V Nr. 23).
Im Einzelnen ist die Regelung wie folgt ausgestaltet: Für die Arztgruppen, die in die Budgetierung einbezogen werden, und damit auch für die Fachärzte für Allgemeinmedizin ist zwischen drei Leistungsbereichen zu unterscheiden. Dem Praxisbudget ist -- von Arztgruppe zu Arztgruppe variierend -- die Mehrzahl der ärztlichen Leistungen zugeordnet, die das Behandlungsspektrum in den einzelnen Arztgruppen typischerweise abdecken. Das Praxisbudget wird durch Multiplikation der arztgruppenspezifischen und nach Versichertenstatus variierenden, auch regionale Besonderheiten berücksichtigenden Fallpunktzahl mit der Zahl der in der Praxis behandelten budgetrelevanten Fälle ermittelt.
Bestimmte Leistungspositionen einer Arztgruppe sind nicht Bestandteil des Praxisbudgets, sondern einzelnen Zusatzbudgets zugewiesen, wenn sie eine zusätzliche Qualifikation erfordern, nur von wenigen Ärzten einer Arztgruppe schwerpunktmäßig erbracht werden oder aufgrund eines besonderen Versorgungsbedarfs gesondert zu berücksichtigen sind (Allgemeine Bestimmungen A I, Teil B Nr. 4 EBM). Der danach noch verbleibende Leistungsbereich bleibt unbudgetiert.
Diese Vergütungsbestimmungen sind mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl. dazu und zum Folgenden ebenfalls BSG, Urteil vom 08. März 2000, a.a.O. S. 120). Sie finden ihre erforderliche Rechtsgrundlage in § 87 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 a Sätze 1 und 2 SGB V. Sie stellen eine verfassungskonforme Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) dar. Durch Praxisbudgets und ergänzende Maßnahmen der Honorarverteilung soll das insgesamt abgerechnete Punktzahlvolumen reduziert werden mit der Folge, dass unter dem globalen Budget der Punktwert stabil bleibt bzw. wieder ansteigt. Damit sollen vernünftige und wichtige Erwägungen des Allgemeinwohls gefördert werden.
Um den mit jeder notwendig typisierenden und generalisierenden Regelung im Einzelfall möglicherweise einhergehenden Verwerfungen angemessen Rechnung tragen zu können, bestimmt Nr. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen, Teil B EBM, dass die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag eines Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfes eine Erweiterung der Praxisbudgets und/oder Zusatzbudgets gewähren kann. In Anwendung dieser Bestimmung hat die Beklagte die vom Kläger nach den Ziffn. 14 und 15 EBM abgerechneten Leistungen unbudgetiert vergütet. Sie hat sich dabei an der Regelung der Spitzenverbände der Krankenkassen und der KBV vom 19. November 1996 zur Einführung von Praxisbudgets (DÄ 1997, A 403) orientiert. Diese Vereinbarung sieht in ihrer Ziff. 4 vor, dass Abschnitt A I B 4.3 EBM dahingehend ausgelegt wird, dass die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes die Budgets insbesondere dann erweitern oder aussetzen kann, wenn nachfolgend genannte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstelle: Betreuung von HIV-Patienten, onkologische Erkrankungen, Diabetes, Mukoviszidose, Schmerztherapie, kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen oder ein erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überweisungsanteil.
Dabei hat die Beklagte eine von ihrem Vorstand erlassene Verwaltungsrichtlinie angewandt, wonach ein entsprechender Praxisschwerpunkt bei der Betreuung von HIV-Patienten, bei onkologischen Erkrankungen, bei insulinpflichtigem Diabetes, bei Mukoviszidose, bei der Schmerztherapie und bei kontinuierlicher Patientenbetreuung jeweils dann anzunehmen ist, wenn der auf diesen Bereich jeweils entfallende Anteil der Honorarleistungen 20 % des budgetrelevanten Honorars ausmacht, wobei die Leistungen nach den Ziffn. 14 und 15 EBM in diesem Zusammenhang nicht zu berücksichtigen sind. Ist ein entsprechender Versorgungsschwerpunkt zu bejahen, so führt dies nach diesen Verwaltungsrichtlinien dazu, dass bei einem besonderen Versorgungsbedarf in Form der kontinuierlichen Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen Leistungen nach Ziff. 14 und 15 unbudgetiert vergütet werden, was zugleich zur Folge hat, dass nicht noch gesondert ein bedarfsabhängiges Zusatzbudget für die Betreuung in beschützenden Einrichtungen im Sinne der Ziff. 15 EBM in Anwendung der Ziff. 4.2 des Abschnitts A I B EBM zu gewähren ist. Bei der Betreuung von HIV-Patienten, onkologisch Erkrankten, insulinpflichtigen Diabetikern und Mukoviszidosekranken führt nach den Verwaltungsrichtlinien die Anerkennung eines Versorgungsschwerpunktes hingegen dazu, dass die erfassten Fälle insgesamt von der Budgetierung ausgenommen werden.
Die vorstehend erläuterte Verwaltungsrichtlinie hat die Beklagte im vorliegenden Fall umgesetzt, indem sie die Leistungen des Klägers nach den Ziffn. 14 und 15 EBM von der Budgetierung ausgenommen hat. Das darüber hinausgehende Begehren des Klägers, nicht nur diese speziellen Leistungen nach den Ziffn. 14 und 15 EBM, sondern die davon betroffenen Fälle insgesamt von der Budgetierung auszunehmen, hat sie hingegen abgelehnt. Dies hat zur Folge, dass bei Patienten, die die Voraussetzungen der EBM-Ziffn. 14 oder 15 erfüllen, sonstige Leistungen nur insoweit zu einer Erhöhung der zu vergütenden Gesamtpunktzahl führen, wie es sich um nichtbudgetierte Leistungen, wie etwa die hausärztliche Grundvergütung handelt, oder wie sie die jeweilige Fallpunktzahl (bei Rentnern mithin 1.430 Punkte) nicht überschreiten oder soweit sie von qualifikationsgebundenen Zusatzbudgets im Sinne der Ziff. 4.1 der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B EBM erfasst werden.
Diese Entscheidung der Beklagten ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Ziff. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B EBM sieht vor, dass die Kassenärztliche Vereinigung nach ihrem Ermessen über eine Erweiterung des Praxis- und/oder Zusatzbudgets entscheiden kann, sofern dies im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfes erforderlich ist. Dass ein solcher besonderer Versorgungsbedarf bei der kontinuierlichen Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen im Rahmen eines Praxisschwerpunktes gegeben ist, ist durch die Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 01. Juli 1997 von den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der KBV mit die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens bindender Wirkung beschlossen worden (vgl. zur Befugnis der Partner der Bundesmantelverträge, Vereinbarung zur Umsetzung des EBM zu schließen, ebenfalls BSG, Urteil vom 08. März 2000, a.a.O. m.w.N). Ein solcher besonderer Versorgungsbedarf wird aber auch von Seiten der Beklagten nicht grundsätzlich in Abrede gestellt. Sie hat eben vielmehr dadurch Rechnung getragen, dass sie die Leistungen nach Ziffn. 14 und 15 EBM unbudgetiert vergütet.
Weitergehende bindende Vorgaben über das Ausmaß der in Fällen eines solchen Versorgungsbedarfes vorzusehenden Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets sieht die genannte Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets nicht vor, so dass insoweit die Beklagte nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen entscheiden durfte. Dabei ist es zunächst nicht zu beanstanden, wenn sie in ihren Verwaltungsrichtlinien nicht generell die betroffenen Fälle, sondern nur speziell die Leistungen nach den Ziffn. 14 und 15 EBM von der Budgetierung ausgenommen hat. Es ist nicht erkennbar, dass generell einer weitergehende Befreiung erforderlich ist, um einen besonderen Versorgungsbedarf sicherzustellen.
Allerdings kann die erforderliche Sicherstellung auch eines besonderen Versorgungsbedarfes nicht pauschal mit der Erwägung bejaht werden, dass erforderlichenfalls andere Vertragsärzte die ärztliche Versorgung der betroffenen Patienten sicherstellen könnten. Ein solches Verständnis würde letztlich darauf hinaus laufen, die Ausnahmevorschrift in Abschnitt A I Teil B Nr. 4.3 leer laufen zu lassen, da sich letztlich in kaum einem Fall feststellen lassen könnte, dass ohne die Zuerkennung eines zusätzlichen Budgets für einen bestimmten Arzt der betroffene Patient überhaupt keine vertragsärztliche Versorgung erhalten könnte. Maßstab für die Annahme eines besonderen Versorgungsbedarfes muss vielmehr die Frage sein, ob der Behandlungsaufwand in den betroffenen Fällen die Grenzen des Praxisbudgets in einem solchen Ausmaß übersteigt, dass dem Arzt ein Ausgleich mit Fällen, die nur einen unterdurchschnittlichen Behandlungsaufwand erfordern, auch unter Berücksichtigung der mit jeder Typisierung einhergehenden Pauschalierung nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in jeder Arztpraxis Patienten zu behandeln sind, bei denen der Aufwand den Rahmen der Fallpunktzahl überschreitet, wobei jedoch typischerweise ein Ausgleich in der Form erfolgt, dass bei anderen Fällen der erforderliche Aufwand die jeweilige Fallpunktzahl unterschreitet. Schon dies macht deutlich, dass nicht jeder überdurchschnittliche Versorgungsaufwand im Einzelfall zur Folge haben kann, dass eine Erweiterung der Praxis- oder Zusatzbudgets zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfes im Sinne der erläuterten Ziff. 4.3 erforderlich ist. Das mit der Einführung von Praxis- und Zusatzbudgets verfolgte Ziel, eine medizinisch nicht begründbare Mengenausweitung zu verhindern und den Punktwert auf einer angemessenen Höhe zu stabilisieren, kann vielmehr nur dann erreicht werden, wenn die Ausnahmebestimmung der Ziff. 4.3 restriktiv angewandt wird. Zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfes kann eine Budgeterweiterung nur dann erforderlich sein, wenn ihre Nichtgewährung für den betroffenen Vertragsarzt eine besondere Härte bedeuten würde. Schon deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets mit dem Merkmal eines Schwerpunktes der Praxistätigkeit nicht nur auf die Schwere, sondern auch auf die Häufigkeit der betroffenen Krankheitsbilder unter den Patienten des jeweiligen Arztes abstellt.
Darüber hinaus sind die Bedürfnisse der Verwaltungspraxis zu berücksichtigen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen wären überfordert, müssten sie in zahlreichen Fällen das Patientenaufkommen der Vertragsärzte insgesamt analysieren und nach dem jeweils erforderlichen Betreuungsaufwand gewichten. Im Regelfall muss daher über die Gewährung eines weitergehenden Praxis- oder Zusatzbudgets nach Ziff. 4.3 nach einfach feststellbaren Kriterien entschieden werden können, wie dies die Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets durch die Benennung konkreter typischerweise besonders schwer wiegender Krankheitsbilder auch vorsieht. Allerdings sind die dort genannten Krankheitsbilder nur beispielhaft zu verstehen. Bereits der Wortlaut der Ziff. 4 der Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets hebt hervor, dass es sich nur um Beispielsfälle handelt. Auf eine konkrete Prüfung des Einzelfalls kann nicht von vornherein verzichtet werden, wenn keines der Regelbeispiele vorliegt, da anderenfalls Nr. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen Teil B EBM seinem Zweck nicht gerecht werden könnte, die sich aus den notwendigerweise typisierenden und generalisierenden Regelungen über die Einführung von Praxisbudgets im Einzelfall möglicherweise einhergehenden Verwerfungen im Rahmen des Erforderlichen auszugleichen. Eine solche Einzelfallprüfung wird aber nur dann in Betracht kommen, wenn der betroffene Vertragsarzt das Vorliegen einer besonderen Härte substantiiert und detailliert darlegt. Da der Beklagten ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Feststellung eines besonderen Versorgungsbedarfes zuzubilligen ist und sie nach der erläuterten Ziff. 4.3 auch bei Anerkennung eines Sicherstellungsbedarfes über die Budgeterweiterung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, muss der Vertragsarzt entsprechende außergewöhnliche Umstände, die eine besondere Härte aus seiner Sicht begründen, spätestens bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens vortragen.
Hiervon ausgehend ist zunächst nicht zu beanstanden, dass die vom Vorstand der Beklagten erlassenen Verwaltungsrichtlinien bei der kontinuierlichen Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen nicht insgesamt die betroffenen Fälle, sondern nur speziell die Leistungen nach den EBM-Ziffn. 14 und 15 von der Budgetierung ausgenommen haben. Es ist nicht ersichtlich, dass eine weitergehende Befreiung von den Budgetvorschriften bei einer generalisierenden Betrachtungsweise, wie diese beim Erlass von Verwaltungsrichtlinien allein in Betracht kommt, zur Vermeidung besonderer Härten bei den betroffenen Ärzten geboten war. Leistungen nach den EBM-Ziffn. 14 oder 15 können bereits dann abgerechnet werden, wenn es im Quartal nur zu fünf Arzt-Patienten-Kontakten gekommen ist, worunter lediglich ein Besuch gewesen sein muss (vgl. die Präambel zum Abschnitt B II EBM). Ausgehend von dieser normativen Einschätzung musste die Beklagte nicht davon ausgehen, dass die von den EBM-Ziffn. 14 und 15 erfassten Patienten regelmäßig einen derart hohen Betreuungsaufwand erfordern, dass (in den Fällen eines entsprechenden Versorgungsschwerpunktes) über die Freistellung der Leistungen nach den Geb.-Ziffn. 14 und 15 EBM hinaus von der Budgetierung auch weitergehende Leistungen vom Praxisbudget ausgenommen werden mussten, um besondere Härten auf Seiten der behandelnden Ärzte zu vermeiden.
Auch bezogen auf den vorliegenden Fall bestand für die Beklagte kein Anlass, einen besonderen Versorgungsbedarf im Sinne der Nr. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen, Teil B EBM anzunehmen. Dementsprechend fehlte es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausübung des in dieser Vorschrift vorgesehenen Ermessens.
Allein der Umstand, dass Patienten unter die tatbestandlichen Voraussetzungen der Geb.-Ziffn. 14 oder 15 EBM fallen, hat aus den bereits dargelegten Gründen nicht zur Folge, dass zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfes eine weitergehende Befreiung von den Budgetvorschriften als lediglich die Freistellung von Leistungen nach den Geb.-Ziffn. 14 und 15 EBM geboten ist. Um gleichwohl in solchen Fallgestaltungen einen besonderen Versorgungsbedarf annehmen zu können, müsste der Vertragsarzt zunächst substantiiert gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung darlegen, dass jedenfalls ein erheblicher Teil der von ihm in beschützenden Einrichtungen betreuten Patienten einen so außergewöhnlich hohen Betreuungsbedarf aufweist, dass dieser im Rahmen des Praxisbudgets nicht ohne Inkaufnahme besonderer Härten gewährleistet werden kann. Substantiierte Angaben dieser Art lagen der Beklagten jedoch nicht vor. Die Hinweise des Klägers auf die Entscheidungen des Prüfungsausschusses vom 20. März 1996 und vom 22. Januar 1997 führen schon deshalb nicht weiter, weil jene Beschlüsse lediglich Arzneikostenregresse betrafen, wohingegen es vorliegend um den Umfang der ärztlichen Betreuungsleistungen geht. Ansonsten hat sich der Kläger mit dem vagen Hinweis begnügt, dass er in den Altenheimen "multimorbide, pflegebedürftige Patienten" betreue. Die typischerweise mit einer Pflegebedürftigkeit einhergehende Betreuungsbedürftigkeit ist aber bereits Tatbestandsvoraussetzung der Geb.-Ziffn. 14 und 15 EBM. Der -- nicht näher belegte -- Hinweis auf eine Multimorbidität vermag schon deshalb nicht durchzugreifen, weil im Rentenalter ein Großteil der Bevölkerung an mehreren Krankheitsbildern leidet, woraus sich im Übrigen auch die erheblich höhere Fallpunktzahl bei Rentnern als bei anderen Versicherten erklärt.
In diesem Zusammenhang hilft es dem Kläger auch nicht weiter, dass sich aus den Abrechnungsunterlagen der Beklagten ergibt, dass er für die unter die Geb.-Ziffn. 14 und 15 fallenden Patienten einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Leistungen abgerechnet hat. Unter Zugrundelegung der Punktzahlanforderung des Klägers entfielen auf die 158 Fälle, in denen die Geb.-Ziffn. 14 oder 15 abgerechnet wurde, 1.025.050 Punkte, mithin im Durchschnitt je Patient 6.488 Punkte im 3. Quartal 1997, wohingegen auf die übrigen 1.367 Patienten lediglich 1.582.205 Punkte und damit im Durchschnitt je Fall 1.157 Punkte entfielen.
Allein der Umstand, dass der Kläger in diesen Fällen erhebliche Punktzahlmengen abgerechnet hat, bedeutete jedoch nicht notwendig, dass damit ein besonderer Versorgungsbedarf einherging. Da die Einführung von Praxisbudgets gerade einer medizinisch nicht begründbaren Mengenausweitung entgegenwirken will, kann die Ausnahmebestimmung der Ziff. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen, Teil B EBM nicht allein deshalb zur Anwendung kommen, weil ein Vertragsarzt in einigen Fällen eine erheblich über dem Durchschnitt liegende Punktzahl abgerechnet hat. So hat der Kläger beispielsweise 1.829mal eine Besuchsleistung nach Geb.-Ziff. 32 EBM abgerechnet. Geht man davon aus, dass für diese Besuchsleistungen in erster Linie die Patienten in beschützenden Einrichtungen im Sinne der Geb.-Ziff. 15 in Betracht kamen, mithin 126 der klägerischen Patienten, dann hat der Kläger jeden dieser Patienten im Quartal im Durchschnitt 14,5mal besucht, mithin häufiger als einmal in der Woche. Ob diese Abrechnungshäufigkeit medizinisch indiziert war, war für die Beklagte mangels substantiierter Angaben des Klägers überhaupt nicht zu übersehen, zumal der Kläger bei der Geb.-Ziff. 32 die durchschnittliche Abrechnungshäufigkeit je 100 Fälle in der Vergleichsgruppe um 989 % überschritten hat, wohingegen eine solche Überschreitung bei der Geb.-Ziff. 15 nur in etwa der Hälfte dieses Umfanges, und zwar in Höhe von 545,5 %, festzustellen war. Entsprechendes gilt für die weiteren Abrechnungsergebnisse des Klägers.
Überdies ist zu berücksichtigen, dass er nicht nur bei den Patienten im Sinne der Geb.-Ziff. 14 und 15, sondern auch bei den übrigen Patienten teilweise erheblich über dem Durchschnitt liegende Abrechnungsergebnisse angemeldet hat. So hat er beispielsweise bei der Geb.-Ziff. 11 den Fachgruppendurchschnitt um 115,8 % überschritten, obwohl die Geb.-Ziff. 11 nicht neben den Geb.-Ziffn. 14 oder 15 abgerechnet werden kann (vgl. ebenfalls die Präambel zum Abschnitt B II EBM).
Die Ausführungen des Klägers im Berufungsverfahren, wonach er bei den Patienten im Altenheim nur die Geb.-Ziff. 15 EBM vergütet bekommen habe, so dass für die ärztliche Betreuung solcher Patienten nur rund 60,00 DM im Quartal zur Verfügung gestanden hätten, geben keinen Anlass zu einer anderweitigen Beurteilung. Dafür ist schon deshalb kein Raum, weil diese Ausführungen auf einer grundsätzlichen Verkennung des vorstehend erläuterten Abrechnungsmodus beruhen. Nach den bereits dargelegten Bestimmungen des EBM standen auch unter Berücksichtigung der Vorschriften über das Praxisbudget dem Kläger eine weit höhere Vergütung für die von ihm zu erbringende Betreuung der Patienten im Altenheim zur Verfügung. Mit seinen irreführenden Berechnungen versucht der Kläger lediglich zu verdecken, dass er auch bei den übrigen Patienten die Budgetgrenzen überschritten hat. Ergänzend weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass keineswegs bei jedem Bewohner eines Altenheimes der Gebührentatbestand der Ziff. 15 EBM zur Anwendung gelangen darf, dies kommt vielmehr nur in Betracht, wenn eines der in Ziff. 14 EBM im Einzelnen beschriebenen Krankheitsbilder tatsächlich vorliegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.