Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.09.2001, Az.: L 2 RI 32/98

Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit; Bestimmung des Kreises der Tätigkeiten zur Beurteilung der Erwerbsfähigkeit; Krankheitsbedingte Funktionseinschränkungen; Gesundheitlich und sozial zumutbare Verweisungstätigkeit; Mehrstufenschema der Arbeiterberufe

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
05.09.2001
Aktenzeichen
L 2 RI 32/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 15853
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2001:0905.L2RI32.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Braunschweig - 06.11.1997 - AZ: S 2 RI 93/95

Prozessführer

XXX

Prozessgegner

Landesversicherungsanstalt Braunschweig,

den Geschäftsführer, Kurt-Schumacher-Straße 20, 38102 Braunschweig,

Zusammenfassung

Gegenstand des Berufungsverfahrens vor dem LSG Niedersachsen ist eine vom Kläger beantragte Rente wegen Berufsunfähigkeit. Der Kläger übte zuletzt 10 Jahre den Beruf des Informationselektronikers aus, bevor er das Arbeitsverhältnis wegen anhaltender Arbeitsunfähigkeit auflösen musste. Ursächlich waren erhebliche Verschleißerscheinungen an Hals- und Lendenwirbelsäule. Der Kläger musste sich zwei Bandscheibenoperationen unterziehen .
Das LSG hat dem Kläger eine Berufsunfähigkeitsrente zugesprochen. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Den Kläger beurteilte das Gericht als berufsunfähig, weil er mit seinem Restleistungsvermögen außerstande war, seinen bisherigen Beruf vollwertig auszuüben und ihm gesundheitlich und sozial zumutbare Verweisungstätigkeiten nicht benannt werden konnten.

hat der 2. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle

auf die mündliche Verhandlung vom 5. September 2001

durch

seine Richter D. E. und F. sowie

die ehrenamtlichen Richter G. und H.

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 6. November 1997 und der Bescheid der Beklagten vom 15. November 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1995 werden geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 1997 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten - noch - um die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).

2

Der am 30. Januar 1948 geborene Kläger hat von 1963 bis 1966 eine Lehre zum Tankwart absolviert und war danach bis 1980 als Kraftfahrer bzw. Taxifahrer beschäftigt. Aufgrund einer Bandscheibenoperation erfolgte in der Zeit von Juni 1981 bis Januar 1983 eine Umschulung durch das Arbeitsamt I. zum Informationselektroniker. In diesem Beruf war er ab Januar 1984 bei der Firma J. in K. beschäftigt. Im April 1994 endete das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag mit Abfindung, nachdem der Kläger seit August 1993 arbeitsunfähig erkrankt war.

3

Die Beklagte gewährte dem Kläger stationäre Heilverfahren im Jahre 1990 in der L. in Bad M. und vom 13. Februar bis 26. März 1992 sowie vom 28. April bis 9. Juni 1994 in der Klinik N. in O.. In dem Entlassungsbericht vom 9. Juni 1994 diagnostizierten PD Dr. P. und die Ärztin Q. eine rezidivierende Lumboischialgie bei Zustand nach Nucleotomie L4/L5 rechts 1978 sowie eine Cervico-Cephalgie. Der Kläger wurde arbeitsunfähig entlassen bei vollschichtiger Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten im Sitzen, Stehen, mit Wechselrhythmus, ohne Wechselschicht, Nachtschicht, besonderen Zeitdruck (Akkord, Fließband), ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, Gefährdung durch Kälte, Zugluft, Temperaturschwankungen, Nässe, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, häufiges Bücken, häufiges Klettern oder Steigen oder Absturzgefahr. Mit Gutachten vom 21. Juli 1994 führte Dr R., Ärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Niedersachsen (MDKN) aus, dass unter Berücksichtigung der Beschwerden des Klägers und in Kenntnis der Krankenkarriere aus sozialmedizinischer Sicht zur Rentenantragstellung geraten werde.

4

Am 14. September 1994 beantragte der Kläger Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit unter Hinweis auf seinen 1978 erlittenen Bandscheibenvorfall und den Bericht des behandelnden Arztes Dr. S. vom 8. September 1994, der ein therapieresistentes chronisches lumbales Syndrom attestiert hat.

5

Die Beklagte holte das fachorthopädische Gutachten des Dr. T. vom 19. Oktober 1994 ein. Dieser stellte einen lang andauernden Reizzustand im Bereich des Kreuzdarmbeingelenkes auf der rechten Seite mit lokalen Kreuzschmerzen und ausstrahlenden Schmerzen ins rechte Bein fest. Es bestehe Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit. Nach Besserung der akut bestehenden Beschwerden sei eine weitere Beschäftigung im bisherigen körperlich leichten Beruf des Informationselektronikers möglich. Insgesamt seien leichte körperliche Arbeiten im Sitzen bzw. mit der Möglichkeit aufzustehen, in geschlossenen Räumen bei Vermeidung von Feuchte, Nässe und Zugluft durchführbar. Arbeiten mit ständigem Bücken, Heben, Tragen, Klettern oder Steigen sollten nicht ausgeübt werden. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 15. November 1994 ab.

6

Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 1. Dezember 1994 hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 1995 zurückgewiesen, weil der Kläger noch vollschichtig leichte körperliche Arbeiten insbesondere als Informationselektroniker verrichten könne.

7

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Braunschweig Befundunterlagen von Dr. S. vom 14. November 1995 beigezogen und das Gutachten des Facharztes für Chirurgie PD Dr. U., Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses V. in W., vom 11. Februar 1997 eingeholt. Der Sachverständige stellte einen Bandscheibenvorfall L4/L5 rechts, operative Therapie durch interlaminare Fensterung L4/L5 rechts April 1994, Ausräumung des Bandscheibenvorfalls mit verbliebenen Restbeschwerden sowie einen Zustand nach Bandscheiben-Operation 1978 fest. Bei dem Kläger bestünden rezidivierend auftretende Schmerzen im Bereich des Rückens, mehr rechts als links, mit schmerzhafter Einschränkung der Beweglichkeit im Wirbelsäulenbereich (Drehung des Rumpfes und Seitneigung jeweils um 1/3 eingeschränkt, Vor- und Rückneigung in der unteren LWS eingeschränkt). Es seien nur noch leichte Arbeiten im Wechselrhythmus zwischen Sitzen und Stehen, ohne Bücken und Heben schwerer Lasten zumutbar. Kälte, Nässe und Zugluft seien zu vermeiden. Das SG zog ferner ein arbeitsamtsärztliches Gutachten von Dr. X. vom 6. Juli 1995 bei, in dem dieser ausführte, dass noch eine vollschichtige Belastbarkeit für leichte Arbeiten bestehe, im Wechsel von Stehen, Gehen, Sitzen, ohne Bücken, Zwangshaltungen, nicht unter Absturzgefahr und mit den umseitigen Einschränkungen. Weiterhin holte das SG eine Berufsbeschreibung für den Informationselektroniker vom Arbeitsamt W. vom 11. November 1995 sowie eine Arbeitgeberauskunft der Firma Y., vom 15. November 1995 ein. In berufskundlicher Sicht veranlasste das SG Stellungnahmen des Diplom-Verwaltungswirtes Z., Abschnittsleiter der Abteilung Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung im Arbeitsamt AB., vom 12. August und 14. September 1997. Dieser hielt die weitere Ausführung des Berufes als Informationselektroniker für zumutbar. Mit Urteil vom 6. November 1997 hat das SG daraufhin die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nach den ärztlichen Feststellungen noch in der Lage, leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten, ohne dass die Gehstrecke dauerhaft auf unter 500 m begrenzt sei. Mit diesem Leistungsvermögen könne der Kläger weiterhin seinen Beruf als Informationselektroniker ausüben.

8

Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten Berufung vom 30. Januar 1998 verweist der Kläger darauf, dass sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe. Er leide im Bereich der LWS unter permanenten Reizerscheinungen und Schmerzen, ausstrahlend in das gesamte rechte Bein. Trotz der Bandscheibenoperation 1994 seien ausgeprägte Funktionsstörungen zurückgeblieben, was durch ärztliche Bescheinigungen des Dr. S. vom 2. März 1998 und 7. August 1998 sowie 8. März 1999 bestätigt werde. Damit liege jedenfalls BU vor.

9

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 6. November 1997 und den Bescheid der Beklagten vom 15. November 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1995 aufzuheben,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 20. Dezember 1996 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

10

Die Beklagte beantragt,

  1. 1.

    die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise

  2. 2.

    weiteren Beweis zu erheben durch Einholung eines weiteren berufskundlichen Gutachtens.

11

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Dass bei dem Kläger Veränderungen am Bewegungsapparat vorlägen, sei unstrittig. Allein aus radiologischen Befunden lasse sich jedoch kein Rückschluss auf das Leistungsvermögen ziehen. Jedenfalls sei der Kläger verweisbar auf Tätigkeiten als Bauteilprüfer als Geräteelektroniker bzw. Fachberater für Geräte, Anlagen und Systeme der elektronischen Feinwerktechnik.

12

Der Senat hat im vorbereitenden Verfahren einen Befundbericht von Dr Burkhardt vom 21. Juni 2000 beigezogen und das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. BB. vom 11. Juni 1998 nebst einer ergänzenden Stellungnahme vom 1. Februar 1999 eingeholt. Dieser hat folgende Diagnosen erhoben:

- Rezidivierende Lumbalgien, Pseudoischialgien rechts bei mäßiger Iliosacralarthrose rechts; rezidivierende mögliche Lumboischialgien rechtsbetont im S1-Bereich bei Zustand nach Bandscheiben-OP. L4/L5 links 1978 (Orthopädische Klinik CB.); Zustand nach zweiter Bandscheiben-OP L4/L5 rechts im April 1994 (Neurochirurgische Klinik DB.); reaktive Spondylosis deformans L4-S1 und Osteochondrose sowie laterale Stenose in diesem Bereich;

- rezidivierende mögliche Cervico-Brachialgie rechts unklarer Etage bei Blockwirbel C4/C5 mit Osteochondrose C3/C4 und C5/C6;

- leichter Senk-Spreiz-Knickfuß bds.;

- geringe Adipositas.

13

Nach den erhobenen Befunden könne der Kläger noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten und geringgradige geistige Tätigkeiten ohne gehobene Beanspruchung, ohne Gefährdung der Gesundheit und ohne unzumutbare Beschwerden oder Überforderung der Kräfte bzw. der Restgesundheit vollschichtig verrichten. Gelegentliches Heben und Tragen von 25 kg sei möglich, auf Dauer jedoch nicht über 5 kg. Tätigkeiten in permanent gebückter Haltung oder sonstiger Zwangshaltung, Heben sowie Zugluft und Nässe seien zu vermeiden. Arbeiten sollten im Wechselrhythmus zwischen Gehen/Stehen/Sitzen erfolgen. Arbeitswege von etwa 1.000 m zu Fuß seien sicherlich möglich. Orthopädische Gründe, die ungewöhnlich häufige oder lange Arbeitsunfähigkeitszeiten begründen könnten, lägen nicht vor. Ferner hat der Senat eine weitere Arbeitgeberauskunft der Firma EB. vom 25. Juli 2000 eingeholt.

14

Des Weiteren wurde Beweis erhoben durch Einholung der orthopädischen Gutachten von Dr. FB. vom 23. Dezember 2000 und 31. März 2001. Dieser erhob die Diagnosen:

1.
rezidivierende Lumboischialgien rechts bei Zustand nach Bandscheiben-OP. L4/L5 mit Funktionseinschränkungen bei degenerativen Veränderungen der unteren LWS ohne derzeit bestehende Wurzelsymptomatik. ISG-Irritation beidseits.

2.
rezidivierende Zervikobrachialgien rechts ohne wesentliche Funktionseinschränkung bei Osteochondrosen C3/C4, C5/C6, Blockwirbelbildung C4/C5 ohne derzeit bestehende Wurzelreizsymptomatik.

15

Der Kläger sei für leichte körperliche Arbeiten vollschichtig einsetzbar. Wirbelsäulenzwangshaltungen, ständiges Sitzen sowie Heben und Tragen über 10 kg seien zu vermeiden, ebenso Arbeiten in Kälte, Zugluft und Nässe. Für seine bisherige Tätigkeit als Informationselektroniker sei der Kläger wegen der überwiegend sitzenden Tätigkeit nicht mehr einsetzbar. Tätigkeiten in wechselnden Körperpositionen seien sinnvoll.

16

In den Terminen zur mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2000, 28. Februar 2001 und 5. September 2001 hat der Senat berufskundliche Stellungnahmen des Diplom-Verwaltungswirts GB. eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

17

Außer den Gerichtsakten und den Verwaltungsakten der Beklagten hat die Leistungsakte des Arbeitsamtes K. (Az: 241-319542-121) vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

18

Die gemäß §§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und somit zulässig.

19

Sie ist auch in der Sache begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Januar 1997. Insoweit waren das Urteil des SG AB. und der Bescheid der Beklagten abzuändern.

20

Anspruch auf Rente wegen BU nach § 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung, die hier nach § 300 Abs. 2 SGB VI weiter Anwendung findet, besteht für Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.

21

Der Kläger ist berufsunfähig im Sinne dieser Bestimmung.

22

Der medizinische Sachverhalt ist durch die im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren beigezogenen ärztlichen Unterlagen und eingeholten Gutachten geklärt. Danach bestehen hier erhebliche Verschleißerscheinungen an Hals- und Lendenwirbelsäule. Nach zweimaliger Bandscheibenoperation L 4/L 5 1978 und 1994 leidet der Kläger weiterhin an wiederkehrenden rechtsseitigen Lumboischialgien mit entsprechenden Funktionseinschränkungen, degenerativen Veränderungen L 4/S 1 und einer ISG-Irritation beidseits. Des Weiteren bestehen wiederkehrende Zervikobrachialgien rechts bei Osteochondrosen C 3/C 4 und C 5/C 6 und einer Blockwirbelbildung im C 4/C 5. Schließlich besteht noch ein leichter Senk-, Spreiz-, Knickfuß beidseits sowie eine geringe Adipositas. Die so festgestellten Gesundheitsstörungen ergeben sich für den Senat aus einer Zusammenschau insbesondere der Gutachten von Dr. FB. und Dr.BB., deren Diagnosen im Wesentlichen in Übereinstimmung stehen mit den während des Verwaltungsverfahrens eingeholten Gutachten.

23

Krankheitsbedingt bestehen bei dem Kläger eine Reihe von Funktionseinschränkungen. Körperlich schwere und mittelschwere Arbeiten sind ihm nicht mehr zumutbar. Wirbelsäulenzwangshaltungen, ständiges Sitzen sowie dauerndes Heben und Tragen über 5 kg muss er vermeiden, ebenso wie Arbeiten in Kälte, Zugluft und Nässe. Zumutbare Tätigkeiten sollten sich im Wechselrhythmus zwischen Sitzen, Stehen und Gehen verrichten lassen. Auch hinsichtlich dieser Funktionseinschränkungen schließt sich der Senat den nahezu übereinstimmenden Ausführungen von Dr. BB. und Dr. FB. an, die durch die Feststellungen der Gutachter aus dem Verwaltungsverfahren und dem ersten Rechtszug bestätigt werden, denn die Funktionseinschränkungen leiten sich überzeugend und schlüssig aus den festgestellten Gesundheitsstörungen an Hals- und Lendenwirbelsäule her.

24

In dem aufgezeigten Rahmen kann der Kläger zwar noch vollschichtig tätig werden Er ist aber berufsunfähig, weil er mit seinem Restleistungsvermögen außerstande ist, seinen bisherigen Beruf vollwertig auszuüben und ihm gesundheitlich und sozial zumutbare Verweisungstätigkeiten nicht benannt werden können.

25

Bisheriger Beruf des Klägers ist derjenige eines Informationselektronikers. In diesen Beruf wurde der Kläger von Juni 1981 bis Januar 1983 erfolgreich umgeschult und hat ihn danach ab Januar 1984 zehn Jahre lang ausgeübt. Mit dieser Tätigkeit wäre er gesundheitlich überfordert, denn es handelt sich um eine in sitzender Körperhaltung mit Vornüberneigung im Schulter- und Kopfbereich verbundene Arbeit. Lediglich ausnahmsweise besteht für den Informationselektroniker die Möglichkeit, die Körperhaltung zu ändern, und zwar zur Ersatzteilbeschaffung oder, wenn Folgearbeiten an einem anderen Arbeitsplatz ausgeführt werden müssen. Nur dabei ist es diesen Beschäftigten möglich, aus der sitzenden, vornübergebeugten Haltung in eine andere Arbeitshaltung zu wechseln. Entsprechendes gilt im Übrigen, sofern der Arbeitsplatz von der Grundhaltung her nicht sitzend, sondern stehend ausgelegt ist. Hinsichtlich der gesundheitlichen Anforderungen an den Arbeitsplatz des Informationselektronikers folgt der Senat den Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen GB., welche durch Einwände der Beklagten nicht entwertet werden konnten. So muss nach der von der Beklagten selbst vorgelegten Charakterisierung des Arbeitsplatzes eines Informationselektronikers beim Stellenbewerber die Fähigkeit bestehen, zeitweise mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten. Als Eignungsrisiko wird dort das Bestehen von Funktionsstörungen der Wirbelsäule ausdrücklich genannt, worauf der berufskundliche Sachverständige GB. zuletzt mit Recht abgestellt hat. Eine normale Funktionstüchtigkeit bzw. Belastbarkeit der Wirbelsäule ist im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht mehr gegeben. Indem der Kläger nur noch im Wechselrhythmus zwischen Gehen, Stehen und Sitzen tätig werden darf und damit von Tätigkeiten in überwiegend einer Körperhaltung ausgeschlossen ist, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Tätigkeit des Informationselektronikers den Kläger überfordern würde. Soweit die Beklagte durch ihren Vertreter das Anforderungsprofil dieses Berufs in Frage gestellt und vorgetragen hat, es gäbe Betriebe, die Personen mit den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers in dessen Umschulungsberuf beschäftigten, bestand schon deshalb kein Anlass, ihrem Hilfsantrag stattzugeben, weil sie ihren Informanten auch auf Frage des Senats im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht namhaft genannt hat.

26

Auch auf andere Tätigkeiten kann der Kläger nicht verwiesen werden.

27

Zurecht gehen die Beteiligten davon aus, dass der Beruf des Informationselektronikers auf der Stufe des Facharbeiters im Sinne des vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas der Arbeiterberufe anzusiedeln ist. Facharbeiter sind hiernach auf Tätigkeiten auf Facharbeiter- bzw. Anlernniveau verweisbar (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, Loseblatt, Stand März/01, RdNr. 105 zu § 43 SGB VI). Tätigkeiten auf Facharbeiter- bzw. Anlernebene, die dem Kläger gesundheitlich noch zugemutet werden könnten, hat die Beweisaufnahme des Senats nicht ergeben.

28

Die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit des Bauteilprüfers in der Funktion eines Geräteelektronikers stimmt in ihrem Anforderungsprofil nicht mit dem festgestellten Restleistungsvermögen des Klägers überein. Dazu hat der vom Senat gehörte berufskundliche Sachverständige GB. überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass diese ausschließlich in der industriellen Fertigung vorkommenden Arbeitsplätze entweder stehend oder sitzend ausgerichtet sind, ohne dass dem Mitarbeiter ein ständiger Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen möglich wäre. Insoweit sind dieselben Erwägungen anzustellen, welche einer weiteren Tätigkeit des Klägers in seinem bisherigen Beruf entgegenstehen. Die Komplexität der zu leistenden Prüfarbeiten schließt es aus, die einseitig sitzende oder stehende Körperhaltung, in welcher diese Arbeiten ausgeführt werden, in dem Maße zu wechseln, wie es für den Kläger gesundheitlich erforderlich wäre.

29

Die des Weiteren von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit des Fachberaters für Geräte, Anlagen und Systeme der elektronischen Feinwerktechnik erfordert hinsichtlich der Zugangsqualifikation Fähigkeiten, die der Kläger nicht hat. Dazu hat der berufskundliche Sachverständige GB. ausgeführt, dass derartige Fachberater ihrer beruflichen Qualifizierung nach regelmäßig Techniker oder Ingenieure sind. Auf die Tätigkeit eines Verkaufsberaters für Geräte und Systeme dieser Branche kann der Kläger schon deshalb nicht verwiesen werden, weil er wiederum dem Anforderungsprofil der Beratertätigkeit mit seinem verbliebenen Einsatzvermögen nicht genügen könnte. Der Verkaufsberater muss nämlich zu gelegentlichem schweren Heben und Tragen in der Lage sein, um dem potentiellen Kunden beispielsweise ein in sich geschlossenes System der Bürokommunikation aufbauen zu können, wie der berufskundliche Sachverständigen GB. für den Senat einleuchtend und überzeugend dargetan hat. Dies aber wäre dem Kläger, dessen Restleistungsvermögen auf körperlich leichte Arbeiten beschränkt ist, nicht mehr möglich. Im Übrigen wäre der Kläger nicht in der Lage, diese Tätigkeit nach einer Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit von bis zu drei Monaten (vgl. Niesel a.a.O. RdNr. 100 zu § 43 SGB VI) zu verrichten.

30

Leidensgerechte Verweisungstätigkeiten auf Facharbeiter- bzw. Anlernebene können dem Kläger nach alledem nicht benannt werden. Da hier auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bezogen auf einen Leistungsfall im Dezember 1996 vorlagen, war die beantragte Rente zuzusprechen.

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.