Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 23.11.2006, Az.: 2 A 347/05

Adressat; Aktualisierung; Ausbildung; Ausbildungsförderung; Auslegung; Auszubildender; BAföG; Einkommen; Einkommensanrechnung; Einkommensbezieher; Eltern; Härtefall; Härtefallantrag; Klagebefugnis; unbillige Härte; Unterhalt; Unterhaltsforderung; Unterhaltspflicht

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
23.11.2006
Aktenzeichen
2 A 347/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53392
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG - 28.08.2008 - AZ: 4 LA 542/07

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt - noch - die Verpflichtung der Beklagten, bei der Berechnung der Höhe der Ausbildungsförderung für seine Tochter K. eine neue Ermessensentscheidung über seinen Härtefallantrag zur Einkommensanrechnung zu treffen.

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Der Kläger ist Beamter und bezieht Einkünfte aus der Besoldungsstufe A 13. Beginnend mit dem 01.07.2004 ist ihm eine Altersteilzeit von 8 Jahren bewilligt worden, wobei die Arbeitsphase bis zum 16.07.2008 dauert und er seit dem 01.07.2004 um etwa 600,00 € geringere Einkünfte als zuvor bezieht. Er ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder - u.a. die 1977 geborene Tochter K. - und verfügt über selbstgenutztes Wohneigentum.

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Seine Tochter K. studiert seit dem Wintersemester 2001/2 Wirtschaftspädagogik an der beklagten Universität und bezieht seit Studienbeginn elternabhängige Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (im Folgenden: BAföG), die auf Antrag der Studentin als Vorausleistungen gem. § 36 gewährt werden. Durch Urteil des Amtsgerichts L. vom 14.05.2003 (90 F 4/03) wurde rechtskräftig das Bestehen des gem. § 37 auf das Land Niedersachsen übergegangenen Unterhaltsanspruchs gem. §§ 1610 Abs. 2, 1602 ff. BGB festgestellt. Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 26.08.2003 wies der Kläger auf seine angespannte wirtschaftliche Situation hin. Er hätte an Unterhaltsnachzahlungen sowie Gerichts- und Anwaltskosten ca. 11.000,00 € aufzubringen, weshalb er über 8 ½ Jahre ein Darlehen monatlich mit 105,00 € zu tilgen habe. Er habe zudem noch alte Kreditverpflichtungen für sein Haus in Höhe von monatlich 153.39 €, müsse dessen Heizung für ca. 5.000,00 € sanieren und seinen PKW ersetzen. Seinen Sohn M., der zum 01.09.2003 arbeitslos werde, müsse er erneut unterstützen. Vor dem Hintergrund der finanziellen Einbußen infolge der Altersteilzeit würde er seine Unterhaltsverpflichtungen nicht mehr erfüllen können. Deshalb stelle er einen Antrag auf Härteausgleich nach § 25 Abs. 6 BAföG, beantrage die Aktualisierung seines Einkommens nach § 24 Abs. 3 BAföG, die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit im Rahmen der bestehenden Unterhaltsverpflichtung und schließlich Stundung, Niederschlagung oder Erlass der übergegangenen Unterhaltsforderung für September 2003 in Höhe von 567,60 €.

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Das Studentenwerk E. lehnte nach umfangreichem Schriftwechsel mit dem Kläger mit Bescheid vom 14.01.2004 unter anderem den Härteantrag nach § 25 Abs. 6 BAföG ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2005 von der Beklagten zurückgewiesen wurde.

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Der Kläger hat am 16.08.2005 Klage erhoben. Er hält sich für klagebefugt, weil die Beklagte sein Anliegen in der Sache beschieden habe. Bezüglich des Antrages nach § 25 Abs. 6 BAföG verkenne die Beklagte den Inhalt des unbestimmten Rechtbegriffs der unbilligen Härte und stelle zu sehr auf §§ 33ff EStG ab. Er hätte zwingend die Heizungsanlage und die Fußböden - wegen Wandfeuchte und Schimmelbildung - im Haus sanieren müssen, um Gesundheitsgefährdungen zu entgehen. Auch irre die Beklagte darin, dass § 25 Abs. 6 BAföG nicht auf den Eintritt der Härte, sondern auf deren Vermeidung abstelle.

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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgebracht, er wird seine unterhaltsrechtlichen Einwände im vorliegenden Verfahren nicht mehr geltend machen und insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 14.01.2004 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 20.07.2005 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, im Hinblick auf den gestellten Antrag nach § 25 Abs. 6 BAföG eine erneute Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen.

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Die Beklagte hat sich der Erklärung, dass sich der Rechtsstreit zum Teil in der Hauptsache erledigt habe, angeschlossen und beantragt im Übrigen,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hält die Klage nicht für zulässig, weil § 25 Abs. 6 BAföG den Eltern eines Auszubildenden lediglich das Recht einräume, im Verwaltungsverfahren für den Auszubildenden Umstände, die die Annahme eines Härtefalls begründen könnten, vorzubringen.

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Eine Klagebefugnis räume er bei Ablehnung eines solchen Antrages den Eltern hingegen nicht ein. Eine Ablehnung nach § 25 Abs. 6 BAföG wirke sich nur auf die Höhe des Förderbetrages aus, könne also nur in Rechte des Auszubildenden eingreifen. Im Übrigen tritt sie dem Vorbringen des Klägers in der Sache unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide entgegen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Der Rechtsstreit hat sich in der Hauptsache insoweit erledigt, als der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt hat, eine Aktualisierung seines Einkommens nach § 24 Abs. 3 BAföG vorzunehmen und wirtschaftliche Zumutbarkeit der Höhe der Ansprüche im Rahmen der bestehenden Unterhaltsverpflichtung zu prüfen, sowie die Stundung, Niederschlagung oder den Erlass der übergegangenen Unterhaltsforderung für September 2003 in Höhe von 567,60 € erreichen wollte. In diesem Umfang ist das Verfahren nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

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Im Übrigen ist die Klage unzulässig.

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Dem Kläger fehlt es an der Klagebefugnis, die nach § 42 Abs. 2 VwGO das Verletztsein in eigenen Rechten erfordert, um in zulässiger Weise klagen zu können. In Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht Münster (Urteil vom 13.11.1997 - 16 A 4461/95 -, FamRZ 1997, 647f.) und dem Verwaltungsgericht Oldenburg (Urteil vom 15.07.2005 - 13 A 105/05 -, JURIS) ist die Kammer der Ansicht, dass sich aus den Regelungen des BAföG keine Rechtsgrundlage dafür ergibt, dass Eltern von Auszubildenden Entscheidungen über die Gewährung von Ausbildungsförderung anfechten können. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn eine Behörde durch einen Bescheid, der an die Eltern oder einen Elternteil des Auszubildenden selbst (und nicht etwa als gesetzlicher Vertreter des Auszubildenden) gerichtet ist, gehandelt hat. Das gilt auch für die Bescheidung eines Antrages nach § 25 Abs. 6 BAföG , der zum Ziel hat, dass zur Vermeidung unbilliger Härten ein Teil des Einkommens, der nach den Vorschriften der §§ 21 ff. BAföG zu berücksichtigen ist, anrechnungsfrei bleiben soll. Zwar lässt sich dem Wortlaut des § 25 Abs. 6 BAföG - anders als in § 24 Abs. 3 S. 1 BAföG - nicht entnehmen, wer den „besonderen Antrag“ stellen kann. Aus der Formulierung der Regelung ist dem Kläger im Hinblick auf die Gesetzgebungsmaterialien (Begründung zu Art. 1 Nr. 22 des 6. BAföG - Änderungsgesetzes - BT-Drs. 8/2467 Nr. 19, S. 24 -) zuzugestehen, dass den Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten nicht nur seine Tochter als Auszubildende persönlich, sondern auch er als Vater und Einkommensbezieher stellen kann. Daraus folgt jedoch entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass dann, wenn das Amt für Ausbildungsförderung einen derartigen Antrag abgelehnt hat, eine Verletzung eigener Rechte eingetreten sein kann.

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Zwar kann sich der Kläger für seine Rechtsauffassung immerhin auf eine in der Literatur vertretene Ansicht stützen. Rothe/Blanke (Kommentar zum BAföG, Stand: April 2002, § 25 Rn. 47 a.E.) vertreten die Ansicht, dass sowohl der zu Fördernde als auch der Einkommensbezieher den Antrag stellen könne. Der Gesetzgeber habe dies bewusst so geregelt, weil der Einkommensbezieher selbst am besten übersehe, ob er von außergewöhnlichen Belastungen betroffen sei. Als Konsequenz aus diesem Wahlrecht erscheine es auch geboten, schon bei (Teil-)Versagung einen förmlichen Bescheid zuzustellen, was wiederum die Möglichkeit für den Einkommensbezieher eröffne, sein Anliegen vor dem Verwaltungsgericht weiter zu verfolgen.

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Gegen die Richtigkeit dieser Annahme des Klägers spricht aber bereits die eben erwähnte Begründung der Änderung des § 25 Abs. 6 BAföG durch das 6. Änderungsgesetz zum BAföG. Dort wird ausgeführt, auch ein Elternteil solle einen Antrag stellen können, weil dieser zum einen eher übersehe, ob außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden könnten und zum anderen dadurch der Ausbildende bei Anwendung von § 25 Abs. 6 BAföG nur begünstigt werden könne. Eine Auslegung des § 25 Abs. 6 BAföG vor dem Hintergrund dieser Überlegungen des Gesetzgebers führt aber allein zum Ergebnis, dass Elternteile - wie der Kläger - in Anbetracht der offenen Formulierung des § 25 Abs. 6 Satz 1 BAföG auch selbst zugunsten des Auszubildenden einen Antrag stellen können, dass ein weiterer Teil ihres Einkommens anrechnungsfrei bleibt. Damit wird ihnen aber ausschließlich die Möglichkeit eingeräumt, zu Gunsten des Auszubildenden in dessen Verwaltungsverfahren tätig zu werden; es besteht nach dem Regelungszusammenhang, in dem § 25 Abs. 6 BAföG steht, demgegenüber kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass durch den Antrag ein Elternteil selbst Beteiligter des Verwaltungsverfahrens, in dem über Leistungen nach dem BAföG an sein Kind entschieden wird, sein soll.

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Anders gewendet: Die Frage, ob weitere Teile vom Einkommen der Eltern nach § 25 Abs. 6 BAföG anrechnungsfrei bleiben oder nicht, ist im Rahmen der Einkommensanrechnung nach § 21 ff. BAföG bei der Prüfung, ob und in welcher Höhe dem Auszubildenden ein Anspruch auf Ausbildungsförderung zusteht, zu beantworten. Über einen von einem Elternteil oder von beiden Eltern gestellten Antrag nach § 25 Abs. 6 Satz 1 BAföG ist daher durch einen Bescheid, der an den Auszubildenden zu richten ist, zu entscheiden. Nur eine solche Betrachtungsweise entspricht dem Regelungsgefüge des BAföG: Dem Auszubildenden - und nicht seinen Eltern - steht der Anspruch auf Leistungen der Ausbildungsförderung zu. Ein Bescheid, mit dem ein Antrag nach § 25 Abs. 6 Satz 1 BAföG abgelehnt wird, gestaltet daher auch nur die Rechtsbeziehung zwischen dem Auszubildenden und dem Amt für Ausbildungsförderung. Zwar hat die vom Amt für Ausbildungsförderung getroffene Entscheidung über Leistungen für den Auszubildenden tatsächliche Auswirkungen auf die Unterhaltsverpflichtung des Klägers; daraus folgt jedoch keine Klagebefugnis bezüglich einer Entscheidung über den Ausbildungsförderungsanspruch, der - dies sei noch einmal klargestellt - nur dem Auszubildenden zusteht (vgl. dazu OVG Münster, a.a.O.).

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1, 188 Satz 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die - fiktiv - auf den erledigten Teil des Verfahrens entfallenden Kosten aufzuerlegen, denn in Wirklichkeit handelt es vorliegend nicht um eine Hauptsacheerledigung, sondern um eine verdeckte Klagerücknahme, weil der Kläger nach der Erörterung in der mündlichen -Verhandlung die Erfolglosigkeit des dann für erledigt erklärten Teils der Klage erkannt hat.

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Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus §§ 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.