Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 28.11.2006, Az.: 2 A 281/06
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 28.11.2006
- Aktenzeichen
- 2 A 281/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 44449
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2006:1128.2A281.06.0A
Tatbestand:
Der Kläger ist Rechtsanwalt und betreibt eine eigene Kanzlei im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Derzeit nutzt er in seinen Kanzleiräumen einen PC mit Internetanschluss. Eigenen Angaben zufolge trägt er sich mit dem Gedanken, ein Mobiltelefon anzuschaffen, das den Empfang von Radio- und Fernsehsendungen ermöglicht.
Am 27. Juli 2006 hat der Kläger mit dem Begehren Klage erhoben, festzustellen, dass er ab 1. Januar 2007 nicht verpflichtet sei, dem Beklagten gegenüber anzuzeigen, dass er in seinen Kanzleiräumen einen Rechner mit Internetanschluss bereit halte und nicht verpflichtet sei, hierfür ab 1. Januar 2007 Rundfunkgebühren zu zahlen.
Er meint, ein Feststellungsinteresse deshalb zu haben, weil die Nichtanzeige von Rundfunkempfangsgeräten eine Ordnungswidrigkeit darstelle und ihm irreversible Nachteile drohten, müsste er ab 1. Januar 2007 für seinen beruflich genutzten Rechner oder ein etwaig anzuschaffendes Mobiltelefon Rundfunkgebühren zahlen.
In der Sache argumentiert er, die Einführung einer Rundfunkgebührenpflicht für die genannten Geräte ab 1. Januar 2007 sei rechtswidrig. Es handele sich nicht um Rundfunkempfangsgeräte, weil lediglich ein zeitversetzter Empfang von Radio- und Fernsehsendungen möglich sei. Im Übrigen seien die Bestimmungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages, die die Rundfunkgebührenpflicht für Rechner mit Internetanschluss und Mobiltelefone mit der Möglichkeit des Empfangs von Rundfunksendungen regelten verfassungswidrig. Er rügt sowohl einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 wie auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gebühr werde ohne tatsächliche Gegenleistung erhoben. Dem Beklagten stehe es frei, gemäß § 3 Nr. 24 TKG Entgelte für die Nutzung seiner Internetdienste zu erheben. Die zu erwartende Rundfunkgebühr sei demgegenüber eine unzulässige verkappte Steuer.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass keine Verpflichtung besteht, den Rechner des Klägers mit Internetanschluss dem Beklagten anzuzeigen,
2. festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, ab 1. Januar 2007 Rundfunkgebühren für seinen Rechner mit Internetanschluss zu entrichten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses bzw. des erforderlichen Feststellungsinteresses unzulässig.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die der Einzelrichter gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet ist unzulässig.
Dem Kläger fehlt für seine Feststellungsklage das Rechtsschutzinteresse.
Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass der Kläger mit seiner Klageschrift bezüglich seines beruflich genutzten PC‘s seiner aus § 3 Abs. 1 RGebStV i.d.F des Gesetzes zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 25. Februar 2005 (Nds. GVBl. S. 61) folgenden Anzeigepflicht bereits nachgekommen ist. Der darauf gerichtete Feststellungsantrag, hierzu nicht verpflichtet zu sein, geht daher ins Leere. Die Möglichkeit, dieses Gerät bis zum 1. Januar 2006 ab- und ggf. ein Neues anzuschaffen, ist rein hypothetischer Natur und kann der Beurteilung der Zulässigkeit des Antrags zu 1.), der sich auf den konkret derzeit beim Kläger vorhandenen PC bezieht, nicht zugrunde gelegt werden. Gleiches gilt für die - nicht vom Klagantrag umfasste - in Aussicht genommene Anschaffung eines Mobiltelefons mit der Möglichkeit, Rundfunk zu empfangen.
Unabhängig von Vorstehendem und selbständig die Entscheidung tragend, ist nicht zu erkennen, dass in der Verpflichtung, das Bereithalten neuartiger Rundfunkempfangsgeräte im Sinne des § 5 Abs. 3 RGebStV gegenüber dem Beklagten anzuzeigen, eine Rechtsverletzung des Klägers liegen könnte. Die Rundfunkgebührenpflicht würde, ihre Rechtmäßigkeit unterstellt, unabhängig von einer solchen Anzeige allein durch das Bereithalten entstehen. Nicht konstitutiv hierfür ist die entsprechende Anzeige nach § 3 Abs. 1 RGebStV. Der Kläger kann ein von ihm befürchtetes Ordnungswidrigkeitenverfahren auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 1 RGebStV allein durch eine - vorsorgliche - Anzeige, neuartige Rundfunkempfangsgeräte zum Empfang bereit zu halten, vermeiden. Eine derartige Anzeige möglicherweise gegen die eigene Überzeugung abgeben zu müssen, mag aus Sicht des Klägers überflüssig erscheinen, beeinträchtigt ihn jedoch nicht in irgendwie gearteten subjektiv öffentlichen Rechten. Der Kläger ist daher insoweit nicht auf gerichtliche Hilfe angewiesen, sondern kann sich ohne Rechtsbeeinträchtigung selbst helfen, indem er die Anzeige vorsorglich abgibt. Der eigentliche Streit, ob für diese Geräte eine Rundfunkgebührenpflicht besteht, kann dann im Gebührenfestsetzungsverfahren entschieden werden.
Soweit sich die Klage auf die Feststellung richtet, der Kläger sei ab 1. Januar 2007 für seinen Rechner nicht rundfunkgebührenpflichtig, vermag das Gericht ebenso wenig ein Rechtsschutzbedürfnis zu erkennen. Jedenfalls fehlt ihm ein entsprechendes Feststellungsinteresse.
Es ist nach dem Klagvortrag schon nicht zu erkennen, dass der Kläger von der inkriminierten Gebührenpflicht überhaupt betroffen ist. Eine solche entsteht nämlich gemäß § 5 Abs. 3 RGebStV dann nicht, wenn in der Kanzlei des Klägers andere Rundfunkempfangsgeräte zum Empfang bereit gehalten werden. Dazu, ob derartige Geräte vorhanden sind, verhält sich der klägerische Vortrag nicht. Es wird auch keine Aussage dazu getroffen, ob der Kläger ein Rundfunkempfangsgerät in einem zu mindest teilweise beruflich genutzten PKW bereit hält, was möglicherweise ebenso die Gebührenpflicht für neuartige Rundfunkempfangsgeräte entfallen lässt.
Unabhängig davon, und wiederum die Entscheidung selbständig tragend, fehlt dem Kläger für seinen zweiten Klagantrag das für die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung (Feststellungsinteresse). Es handelt sich insoweit um eine vorbeugende Feststellungsklage, für die ein solches Interesse nur angenommen werden kann, wenn ein spezielles, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzbedürfnis besteht und mit dem Abwarten der befürchteten Maßnahme für den Kläger Nachteile verbunden wären, die ihm auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes nicht zumutbar sind oder wenn sonst ein nicht wieder gut zu machender Schaden entsteht (Kopp/ Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 43 Rn. 24). Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn die drohenden Rechtsnachteile mit einer Anfechtungsklage ausgeräumt werden können. Dies ist hier der Fall.
Der Kläger kann sich, ohne unzumutbare Nachteile zu erleiden, gegen die Festsetzung einer Rundfunkgebühr für seinen PC mit Internetzugang durch Anfechtungsklage zur Wehr setzen. In diesem Verfahren hat der Kläger ausreichend Gelegenheit, seinen oben dargestellten Rechtsstandpunkt zu vertreten. Der ständigen Praxis des Beklagten in Rundfunkgebührenangelegenheiten folgend, wird die Vollstreckung des streitigen Betrages voraussichtlich bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens ausgesetzt werden, so dass solange finanzielle Nachteile nicht zu erwarten sind. Selbst wenn dies wider Erwarten anders sein sollte, geht es um einen Betrag von 5,52 Euro monatlich (Beschluss der Ministerpräsidenten der Bundesländer auf ihrer Konferenz am 18. und 19. Oktober 2006, vgl. nur www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,443606,00.html). Auch unter Würdigung der vom Kläger vorgetragenen schwierigen finanziellen Situation, ist mit einem, möglicherweise zunächst zu Unrecht eingezogenen, Jahresbetrag von 66,24 Euro kein Nachteil verbunden, der dem Kläger unzumutbar wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.