Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 20.11.2006, Az.: 2 A 179/06
Anspruch; Ausübung; Beginn; Einrede; Ende; Erkennbarkeit; Fahrzeug; Gebühr; Gewerbe; GEZ; Inkrafttreten; Nutzung; Rechtswidrigkeit; Rundfunk; Rundfunkgebühr; Rundfunkgebührenbescheid; Unzulässigkeit; Verjährung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 20.11.2006
- Aktenzeichen
- 2 A 179/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53231
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 195 BGB
- § 199 BGB
- § 4 Abs 4 RdFunkGebVtr
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Rundfunkgebührenbescheid des Beklagten.
Sie betreibt seit vielen Jahren ein Second-Hand-Geschäft in E. in der D. x. Dort wurde sie im Oktober 2005 vom Gebührenbeauftragten J. aufgesucht, der namens und im Auftrag des Beklagten tätig ist. Nachdem sich Herr J. davon überzeugt hatte, dass im Laden der Klägerin keine Rundfunkgeräte zum Empfang bereit gehalten wurden, kam das Gespräch auf das Autoradio im Kfz der Klägerin und die Frage der dafür bestehenden Gebührenpflicht. Der Gebührenbeauftragte erkundigte sich, seit wann die Klägerin ihr Geschäft betreibe und ein Fahrzeug gewerblich nutze. Auf die sinngemäße Antwort der Klägerin, dass dies seit 29 Jahren sei, trug der Gebührenbeauftragte im von der Klägerin später unterschriebenen Anmelde-Formular „Mai 1971“ als fiktiven Anmeldezeitpunkt für ein Radiogerät ein und errechnete rückständige Gebührenansprüche in Höhe von 1.309,17 EUR.
Nachdem der Klägerin mit Schreiben der GEZ vom 15.10.2005 eine - nunmehr nur noch in Höhe von 1.231,43 EUR errechnete - Gebührenschuld mitgeteilt und dieser Betrag am 06.11.2005 vom Girokonto der Klägerin abgebucht worden war, widerrief sie mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 07.11.2005 die dem Beklagten auf dem Anmeldeformular erteilte Einziehungsermächtigung, focht ihre Anmeldungserklärung wegen arglistiger Täuschung an und wandte Verjährung des überwiegenden Teils der Gebührenforderung ein. Nach einiger weiterer Korrespondenz der Beteiligten erließ der Beklagte am 01.04.2006 den streitbefangenen Bescheid über 1.267,95 EUR, wobei 1.234,83 EUR auf den Zeitraum 01/1976 bis 12/1990 und 33,12 EUR auf die Zeit von 11/2005 bis 04/2006 sowie 3,40 EUR auf Rücklastschriftkosten entfielen.
Die Klägerin hat am 19.04.2006 Klage erhoben.
Sie trägt vor, vom Gebührenbeauftragten bei dem Anmeldevorgang massiv unter Druck gesetzt worden zu sein und wendet erneut Verjährung des Großteils der Gebührenforderung ein.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 01.04.2006 in Höhe von 1.052,55 EUR aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Bescheid und meint, der Klägerin sei die Einrede der Verjährung infolge Bösgläubigkeit abgeschnitten.
Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung als Beteiligte zur Frage vernommen worden, ob bzw. wann sie Kenntnis davon hatte, dass eine Gebührenpflicht für gewerblich genutzte Radios in Pkw besteht. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20.11.2006 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat weit überwiegend Erfolg; der vor dem 01.01.2002 entstandene Teil der Gebührenansprüche ist verjährt.
Geregelt ist die Verjährung von Gebührenansprüchen in § 4 Abs. 4 RGebStV.
Für Rundfunkgebührenansprüche, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 25.02.2005 (Nds. GVBl 2005, 61ff), also vor dem 01.04.2005 entstanden sind, gilt, dass sie nach der damals gültigen Fassung der Norm innerhalb von vier Jahren verjährten. Ab dem 01.04.2005 gilt, dass sich die Verjährung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die regelmäßige Verjährung richten, die gem. §§ 195,199 BGB 3 Jahre beträgt. Für den Beginn und das Ende der Verjährung sind nach nicht nur nach neuem Recht, das dies ausdrücklich regelt, sondern auch für die Zeit davor die Vorschriften des BGB analog heranzuziehen (VGH München NVwZ-RR 1997, 230; Hess. VGH, AfP 1994, 252 [LAG Baden-Württemberg 29.06.1993 - 14 Sa 101/92]; Beckscher Kommentar zum Rundfunkrecht § 4 Rn.10, 54 f.). Das bedeutet, dass die Verjährungsfrist für alle festgesetzten Rundfunkgebühren erst am Ende des Jahres zu laufen beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist.
In Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze auf den hier zu entscheidenden Fall bedeutet das, dass der Beklagte keine Gebührenansprüche, die vor dem 01.01.2002 entstanden sind - mithin 246,12 EUR -, gegen die Klägerin mehr durchsetzen kann. In Höhe von 34,12 EUR hat die Verjährungseinrede hingegen keinen Erfolg; insoweit ist die Klage abzuweisen.
Die Erhebung der Einrede der Verjährung ist der Klägerin schließlich nicht - wie der Beklagte meint - aufgrund des Einwandes unzulässiger Rechtsausübung versagt. Dieser Einwand ist regelmäßig nur dann erfolgreich, wenn der Rundfunkteilnehmer durch die Berufung auf die Verjährung ungerechtfertigt Vorteile aus etwaigem (vorsätzlichen) unrechtmäßigen Verhalten erlangen würde. Soweit in der Rechtsprechung ein objektiv rechtswidriges Verhalten des Rundfunkteilnehmers für die Unzulässigkeit der Rechtsausübung für ausreichend gehalten wird (vgl. Beck´scher Kommentar zum Rundfunkrecht § 4 RGebStV Rn. 59, 60; Hess. VGH AfP 1994, 253), folgt die Kammer dem nicht. Vielmehr muss zum objektiven Verstoß ein subjektiver hinzukommen (so zutreffend OVG Saarland, Urteil vom 31.08.1994 - 8 R 21/92 -). Um gegen Treu und Glauben in der Weise zu verstoßen, dass die Einrede der Verjährung aufgrund unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen ist, bedarf es zumindest der Erkennbarkeit für den Rundfunkteilnehmer (vgl. Mü-Ko zum Bürgerlichen Gesetzbuch § 242 Rn. 325).
Der Klägerin ist ein solcher subjektiver Verschuldensvorwurf hier nicht zu machen. Denn sie wusste - das ergab die Vernehmung der Klägerin als Beteiligte und die Auswertung der Akten, insbesondere der Unterlagen über das Gespräch der Klägerin mit dem Gebührenbeauftragten in ihrem Geschäft - nichts davon, dass sie für ihr gewerblich genutztes Fahrzeug Rundfunkgebühren zu entrichten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO und berücksichtigt das Maß des Obsiegens der Klägerin, deren Klage im Wesentlichen Erfolg hat. Ihre vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.