Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 13.01.1999, Az.: 2 U 245/98

Anspruch aus einer Invaliditätsversicherung; Anforderungen an die ärztliche Feststellung einer Invalidität; Feststellung einer unfallbedingte Invalidität an Hand der Ursachen und die Art ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit des Versicherten; Dauerhafte Gebrauchsbeeinträchtigung der Hände eines Zahntechnikers

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
13.01.1999
Aktenzeichen
2 U 245/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 29123
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1999:0113.2U245.98.0A

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 1999, 270-271

Amtlicher Leitsatz

Unfallversicherung: Formelle Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. I (1) Satz 3 AUB 88.

Gründe

1

Es kann dahingestellt bleiben, ob beim Kläger eine bedingungsgemäße Invalidität gemäß § 7 I (1) Satz 1 AUB 88 eingetreten ist. Jedenfalls fehlt es an einem schlüssigen Vortrag zu den formellen Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 7 I (1) Satz 3 AUB 88, wonach unter anderem die Invalidität innerhalb von 15 Monaten seit dem Unfall ärztlich festgestellt sein muss.

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Eine solche ärztliche Feststellung hätte vorliegend bis zum 22.12.1997 erfolgen müssen, da der Kläger als Unfallzeitpunkt den 22.09.1996 angegeben hat. Das Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzung ist jedoch nicht feststellbar. Allerdings sind an die ärztliche Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen. So braucht zu einem bestimmten Grad der Invalidität noch nicht abschließend Stellung genommen zu sein (BGH r + s 1997, 84). Die ärztliche Feststellung muss nicht richtig und auch dem Versicherer nicht innerhalb der Frist von 15 Monaten zugegangen sein (BGH VersR 1988, 286; BGH VersR 1998, 175). Unerlässlich für die Feststellung ist dagegen, dass sich aus ihr die ärztlicherseits angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit des Versicherten ergeben (BGH VersR 1988, 286; BGH VersR 1997, 442, 443[BGH 06.11.1996 - IV ZR 215/95]; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., AUB 88 § 7 Rn. 10; Grimm, Unfallversicherung, 2. Aufl., § 7 Rn. 11).

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Aus dem ärztlichen Bericht des Dr. S vom 25.10.1996 lässt sich eine unfallbedingte Invalidität nicht entnehmen. Es fehlt bereits an der Feststellung der dauernden Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Dauernd ist eine Beeinträchtigung nur dann, wenn zu erwarten ist oder feststeht, dass sie lebenslang andauert; ist dies nicht sicher feststellbar, muss sie nach ärztlicher Prognose zumindest mehrere Jahre andauern (OLG Hamm VersR 1988, 513[OLG Hamm 29.12.1986 - 20 U 334/86]; Prölss/Martin AUB 88 § 7 Rn. 5). Im Bericht vom 25.10.1996 wird lediglich festgestellt, dass sich seit Spätsommer 1996 beim Kläger akute Hautveränderungen eingestellt hätten und im Zeitpunkt der Untersuchung (21. - 24.10.1996) noch eine geringe Reströtung und Schuppung vorhanden sei. Eine Prognose über den zukünftigen Krankheitsverlauf wird nicht gestellt. Allein aus dem vagen Hinweis am Ende des Berichts, wonach die Aufgabe der praktischen Tätigkeit des Klägers als Zahntechniker als sinnvoll anzusehen sei, lässt sich nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit die ärztliche Wertung einer dauerhaften Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit entnehmen.

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Vor allem fehlt es aber an der Feststellung, dass die Erkrankung des Klägers unfallbedingt sei. Dem Bericht lässt sich dafür nicht nur nichts entnehmen; die Ausführungen sprechen vielmehr im Gegenteil gegen eine Ursächlichkeit des vom Kläger behaupteten Unfalls. Unter anderem heißt es nämlich dort: "Nach langjähriger erscheinungsfreier Berufungstätigkeit als Zahntechniker entwickelten sich erstmals im Spätsommer 1996 akute ekzematöse Hautveränderungen an beiden Händen ..." (Unterstreichung vom Senat). Diese Ausführungen sprechen dafür, dass die Erkrankung des Klägers allmählich aufgetreten ist. In diesem Fall würde es an einem plötzlich einwirkenden Ereignis im Sinn des Unfallbegriffs gemäß § 1 III AUB 88 fehlen.

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Unzureichend ist ferner der Vortrag des Klägers, der ärztliche Dienst der S Lebensversicherung habe die Prognose getroffen, dass auf Grund der Befunde eine dauerhafte Gebrauchsbeeinträchtigung der Hände vorliege. Zwar behauptet der Kläger in der Berufungsinstanz erstmals, dass eine nach der Rechtsprechung des Senats notwendige schriftliche Feststellung der Invalidität (Senat NJW-RR 1996, 1434 [OLG Oldenburg 10.05.1995 - 2 U 57/95]) erfolgt sei. Es fehlt jedoch - wiederum - an dem Vortrag, dass eine unfallbedingte Invalidität festgestellt worden sei. Dies gilt entsprechend auch für den mit Schriftsatz vom 08.01.1999 vorgelegten Bericht der Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. U vom 11.03.1997. Darin wird zwar der Eintritt eines Dauerschadens beim Kläger bescheinigt. Ausführungen zu einer Unfallbedingtheit dieses Schadens fehlen indes.

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Die Beklagte handelt auch nicht rechtsmissbräuchlich, indem sie sich auf das Fehlen einer rechtzeitigen ausreichenden ärztlichen Feststellung beruft. Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ist nicht allein auf Grund einer möglichen Unkenntnis des Versicherungsnehmers von der bedingungsgemäßen Anspruchsvoraussetzung begründet; insbesondere besteht insoweit keine grundsätzliche Belehrungspflicht des Versicherers (OLG Köln VersR 1995, 907[OLG Köln 05.05.1994 - 5 U 129/93]; OLG Karlsruhe r + s 1997, 216; OLG Saarbrücken VersR 1997, 956, 957[OLG Saarbrücken 08.05.1996 - 5 U 508/95 36]; Grimm § 8 Rn. 12).

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Eine Treuwidrigkeit gemäß § 242 BGB kann allerdings vorliegen, wenn der Unfall innerhalb der Jahresfrist gemäß § 7 I (1) S. 3 AUB 88 zu unveränderlichen Gesundheitsschäden geführt hat und dies binnen 15 Monaten seit dem Unfalltag ärztlich festgestellt worden ist, wobei ein

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Versicherungsnehmer bei einer inhaltlich nicht ausreichenden schriftlichen Feststellung sich auch - zumindest ergänzend - auf eine nicht der Schriftform genügende ärztliche Feststellung berufen kann (BGHZ 130, 171, 178; BGH VersR 1998, 175). Die ärztliche Feststellung eines Dauerschadens kann also im Ergebnis die bedingungsgemäße Invaliditätsfeststellung ersetzen, nicht jedoch kann sie die ärztliche Feststellung der Unfallbedingtheit des Schadens entbehrlich machen. Insoweit lässt sich aber dem Vortrag des Klägers und den von ihm vorgelegten Bescheinigungen- wie bereits oben dargelegt - nichts dafür entnehmen, dass innerhalb der Frist von 15 Monaten ein unfallbedingter Dauerschaden ärztlich festgestellt worden ist.

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Ein Verstoß gegen Treu und Glauben lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass die Beklagte selbst eine unter dem Datum des 13.03.1998 erstellte ärztliche Stellungnahme des Hautarztes Dr. K eingeholt hat. Allein die Einholung eines Gutachtens - insbesondere auch nach Ablauf der 15-monatigen Frist - führt nicht dazu, dass es dem Versicherer verwehrt ist, sich auf die mangelnde fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität zu berufen; etwas anders gilt nur dann, wenn auf Grund der vom Versicherer ergriffenen Maßnahmen der Versicherungsnehmer darauf vertrauen darf, dass der Versicherer alles weitere selbst in die Wege leiten und die Frage der Invaliditätsentschädigung auf jeden Fall einer Prüfung zuführen wird (OLG Köln VersR 1994, 714[OLG Köln 21.10.1993 - 5 U 102/92]; OLG Köln VersR 1995, 907[OLG Köln 05.05.1994 - 5 U 129/93]; OLG Düsseldorf r + s 1997, 129; OLG Karlsruhe r + s 1997, 216; OLG Karlsruhe r + s 1998, 260, 261).