Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 12.01.1999, Az.: 5 U 129/98
Grundlagen für die Bewertung von ererbtem Grundbesitz; Abgrenzung von Grundbesitz und Landgut; Begriff des Landgutes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 12.01.1999
- Aktenzeichen
- 5 U 129/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 20213
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1999:0112.5U129.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 14.07.1998 - AZ: 7 O 378/97
Rechtsgrundlage
- § 2312 BGB
Fundstellen
- AgrarR 1999, 308-309
- RdL 2000, 12
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 1998
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts Osnabrück vom 14. Juli 1998 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Kostenentscheidung in diesem Teilurteil aufgehoben wird.
Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen ihre Schwester im Wege der Stufenklage den Pflichtteilsanspruch nach der am 29.09.1994 verstorbenen Mutter der Parteien geltend.
Die Beklagte wurde in dem notariellen Erbvertrag vom 02.09.1994 zur Alleinerbin und vorsorglich zur Hofeserbin bestimmt. Streit zwischen den Parteien besteht zunächst darüber, ob der der Beklagten erererbte Grundbesitz nach dem Verkehrswert oder als Landgut i.S.v. § 2312 BGB nach dem Ertragswert zu bewerten ist.
Das Landgericht hat die Beklagte mit Teilurteil vom 14.07.1998 antragsgemäß verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Verkehrswert des im Nachlaß befindlichen Grundbesitzes zu erteilen. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe weder substantiiert vorgetragen noch Beweis dafür angetreten, daß zum Zeitpunkt des Erbfalls die begründete Erwartung bestand, daß sie die Bewirtschaftung des Betriebes, dessen Inventar verkauft und dessen landwirtschaftliche Flächen seit Jahren verpachtet sind, wiederaufnehmen wird.
Die Beklagte verfolgt mit der zulässigen Berufung den Antrag auf Klageabweisung unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens dazu, daß der geerbte Grundbesitz ein Landgut i.S.v. § 2312 BGB ist, weiter, während die Klägerin mit gegenteiliger Argumentation nach näherer Maßgabe des Inhalts der Berufungserwiderung Zurückweisung der Berufung beantragt.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die beklagte Alleinerbin der pflichtteilsberechtigten Klägerin gegenüber aus § 2314 BGB verpflichtet, Auskunft über den Verkehrswert des ererbten Grundeigentums durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu erteilen. Denn es handelt sich um kein Landgut i.S.v. § 2312 BGB.
Landgut i.S.v. § 2312 BGB ist eine Besitzung, die zum Zeitpunkt des Erbfalls zum selbständigen und dauernden Betrieb der Landwirtschaft geeignet und bestimmt ist. Nicht erforderlich ist zwar, daß die Landwirtschaft zum Zeitpunkt des Erbfalls betrieben wird. Es muß aber die begründete Erwartung bestehen, daß ein (vorübergehend) stillgelegter Betrieb durch den Eigentümer oder dessen Abkömmlinge wieder aufgenommen wird. Wenn schon seit Jahren die Bewirtschaftung aufgegeben, das Inventar verkauft und die Ländereien verpachtet sind, was hier unstreitig ist, obliegt es dem Erben, darzulegen und zu beweisen, daß eine Wiederaufnahme des Betriebes in absehbarer Zeit möglich und beabsichtigt ist (BGH NJW-RR 1990, 68; BGH NJW-RR 1992, 770 [BGH 11.03.1992 - IV ZR 62/91]; BGH NJW 1995, 1352; Palandt/Edenhofer, BGB, 57. Aufl., § 2312 Rdn. 8 ff).
Diesen Voraussetzungen genügt - wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - das Vorbringen der Beklagten nicht. Denn diese hat trotz Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung sowohl im ersten Rechtszug als auch in der Berufungsinstanz nicht einmal vorgetragen, daß die Möglichkeit und die Absicht besteht, von der Verpachtung der Ländereien in absehbarer Zeit Abstand zu nehmen. Daß erstmals in der Berufungsbegründung vorgetragen wird, die mehr als 40-jährige Beklagte habe zwar den Beruf der Industriekauffrau erlernt, sich daneben aber stets für Landwirtschaft interessiert, sich Kenntnisse insoweit u.a. durch Mithilfe, insbesondere während der Bestellungs- und Erntezeit, sowie durch Literatur verschafft und - u.a. anläßlich der Begutachtung über den Ertragswert der Besitzung im Juli 1995 - Erkundigungen zu der Möglichkeit der Eigenbewirtschaftung, z.B. im Wege des ökologischen Landbaus oder als "Ferien auf dem Bauernhof", eingeholt, genügt demgegenüber nicht, um bezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalls ein Landgut i.S.v. § 2312 BGB zu bejahen.
Die in dem Teilurteil des Landgerichts enthaltene Kostenentscheidung war mit Rücksicht darauf, daß eine Entscheidung bisher lediglich über den ersten Teil der Stufenklage ergangen ist, aufzuheben.
Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 und 546 Abs. 2 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,00 DM nicht.