Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.02.2006, Az.: L 7 AL 22/05 ZVW

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
28.02.2006
Aktenzeichen
L 7 AL 22/05 ZVW
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 43863
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2006:0228.L7AL22.05ZVW.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 08.12.2000 - AZ: S 9 AL 777/98
LSG Niedersachsen-Bremen - 29.04.2003 - AZ: L 7 AL 262/01
BSG - 07.10.2004 - AZ: B 11 AL 43/03 R
nachfolgend
BSG - 21.03.2007 - AZ: B 11a AL 15/06 R

In dem Rechtsstreit

...

hat der 7. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen

auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2006 in Celle

durch den Richter Taubert - Vorsitzender -, den Richter Bender, den Richter Wündrich sowie die ehrenamtlichen Richter Herr D. und Frau E.

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 8. Dezember 2000 wird geändert.

  2. Es wird festgestellt, dass die Sozialversicherungsbeitragsforderung der Beklagten gegen den Kläger in Höhe von 16 805,04 DM verjährt ist.

  3. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.

  4. Die Revision wird zugelassen.

TATBESTAND

1

Die Beteiligten streiten nach der Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 29. April 2003 - L 7 AL 262/01 - und Zurückweisung an das LSG durch Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. Oktober 2004 (noch) über die Feststellung, ob eine auf die Beklagte übergegangene Forderung auf Entrichtung von Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung verjährt ist.

2

Der Kläger war Inhaber von zwei Baustofffirmen, der Firma F. Baustoffe für den Hochbau und G. Baustoffe Nachfolger. Sein 1976 gestellter Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen wurde durch Beschluss des Amtsgerichts H. vom 18. November 1976 mangels Masse abgelehnt. Die Beklagte zahlte daraufhin an Arbeitnehmer der Firmen Konkursausfallgeld (Kaug) in Höhe von insgesamt 9 323,56 DM und entrichtete für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate noch offene Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 16 805,04 DM.

3

Mit Schreiben vom 28. Januar 1977 wies die Beklagte den Kläger auf den Anspruchsübergang gemäß § 141m Arbeitsförderungsgesetz (AFG) hin und forderte ihn zur Zahlung auf. Er beantragte am 19. September 1978 und 14. September 1979 eine ratenfreie Stundung der Gesamtforderung, dem die Beklagte mit Bescheiden vom 9. November 1978 und 2. Oktober 1979 zunächst bis 31. August 1979 und sodann bis 31. August 1980 entsprach.

4

Im März 1982 erwirkte die Beklagte wegen der Arbeitsentgeltansprüche (9 323,56 DM) zuzüglich Zinsen beim Arbeitsgericht H. einen Mahnbescheid vom 5. März 1982 und nachfolgend einen Vollstreckungsbescheid vom 23. März 1982.

5

Zur Vollstreckung der Beiträge in Höhe von insgesamt 16 805,04 DM richtete die Beklagte am 21. November 1980 ein Vollstreckungs- und Einziehungsersuchen an die Stadt I., die am 19. Januar 1982 ein Zahlungsverbot mit Überweisungsverfügung gegenüber dem Arbeitgeber des Klägers erließ. Der Pfändungsbeschluss wurde dem Arbeitgeber als Drittschuldner zugestellt, aufgrund des Zeitablaufes kann nicht festgestellt werden, ob dem Kläger eine Pfändungsverfügung mit dem Gebot, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten, übersandt worden ist. Aufgrund der Vollstreckungsanordnung/ersuchen der Beklagten vom 21. März 1984 erging eine weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber dem Arbeitgeber am 24. September 1984 des nunmehr zuständigen Hauptzollamtes H., die eine Bezeichnung der beizutreibenden Forderung (Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung gemäß Leistungsbescheid des Arbeitsamtes H. vom 28. Januar 1977) enthält. Eine Abschrift wurde an den Kläger abgesandt. In den folgenden Jahren erteilte die Beklagte der Vollstreckungsstelle des Hauptzollamtes H. mehre Vollstreckungsaufträge, woraufhin 1990 eine weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügung erging und mehrfach - zuletzt am 7. September 1993 - Pfändungsversuche beim Kläger unternommen wurden. Alle Vollstreckungsmaßnahmen blieben insbesondere wegen vorrangiger Abtretungen ergebnislos.

6

Mit Bescheid vom 14. Oktober 1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) für 971 Tage in Höhe von zunächst 759,00 DM wöchentlich, wovon jedoch - nach Mitteilung über eine Abtretung - ab November 1997 61,80 DM und ab Januar 1998 67,80 DM an die J. bank K ausgezahlt wurden. Ab Juli 1998 stellte die Beklagte die Zahlungen an die J. bank ein und erließ gegenüber dem Kläger einen Bescheid vom 23. Juli 1998, mit dem sie gegen den Alg-Anspruch die Aufrechnung mit einer Forderung in Höhe von 26 334,70 DM - täglich 44,37 DM - erklärte. Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser unter anderem geltend machte, der ihm verbleibende Betrag liege unterhalb der Pfändungsfreigrenze und die Aufrechnung sei rechtswidrig, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 7. September 1998). Mit Änderungsbescheid vom 28. Oktober 1998 ermäßigte die Beklagte den täglichen Aufrechnungsbetrag auf 22,00 DM und zahlte dem Kläger den darüber hinaus einbehaltenen Betrag wieder aus. Der Kläger bezog bis zum 30. April 2000 Leistungen der Beklagten. Insgesamt wurden hiervon 15 440,42 DM einbehalten. Ab 1. Mai 2000 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) dem Kläger Altersrente.

7

Gegen den Bescheid vom 23. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 1998 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Während des Klageverfahrens hat er erklärt, die der Aufrechnung zugrunde liegende Forderung werde in Höhe von 9 323,56 DM zuzüglich Zinsen entsprechend der titulierten Forderung über die Arbeitsentgeltansprüche nicht bestritten, darüber hinaus von der Beklagten geltend gemachte Forderungen seien aber verjährt. Das SG hat mit Urteil vom 8. Dezember 2000 die angefochtenen Bescheide aufgehoben, "soweit eine Forderung über den Betrag von 9 323,56 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. März 1982 festgestellt wird", und die Beklagte zur Erstattung des über diesen Betrag hinausgehenden bereits durch Aufrechnung einbehaltenen Betrags verurteilt.

8

Auf die Berufung der Beklagten hat der erkennende Senat mit Urteil vom 29. April 2003 das Urteil des SG geändert und festgestellt, dass die Sozialversicherungsbeitragsforderung der Beklagten gegen den Kläger in Höhe von 16 805,04 DM verjährt sei; auf die Begründung des Urteils vom 29. April 2003 wird Bezug genommen.

9

Auf die zugelassene Revision hat das BSG mit Urteil vom 7. Oktober 2004 das Urteil des erkennenden Senats vom 29. April 2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das LSG werde zu ermitteln haben, ob der Kläger im Zusammenhang mit der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen im Jahre 1982 oder später einen Leistungsbescheid erhalten habe, der, soweit er vom Kläger in der Folgezeit nicht angefochten worden sei, gemäß § 52 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) a.F. in Verbindung mit § 218 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) a.F. zu einer dreißigjährigen Verjährungsfrist geführt habe. Denn zur Durchsetzung des Anspruchs erlassen im Sinne des § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB X seien auch Verwaltungsakte im Vollstreckungsverfahren, soweit es sich um feststellende Verwaltungsakte über den Bestand des Anspruchs handele. Sollte sich nicht mehr ermitteln lassen, ob der Kläger im Zusammenhang mit Vollstreckungsmaßnahmen einen als Verwaltungsakt anzusehenden Leistungsbescheid erhalten habe, sei vom LSG weiter zu prüfen, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Beitragsanspruch der Beklagten um einen Anspruch auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge im Sinne des § 25 Abs. 1 Vierte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) handele, da auch dann eine dreißigjährige Verjährungsfrist gelten würde.

10

Im zurückverwiesenen Verfahren trägt die Beklagte vor, aus ihren Unterlagen sei nicht ersichtlich, ob der Kläger den Pfändungsbeschluss erhalten habe, der dem früheren Arbeitgeber als Drittschuldner zugestellt worden sei, weil die Unterlagen bereits vernichtet worden seien. Sie ist der Auffassung, der Kläger habe um seine Beitragspflicht gewusst und gewollt die Beiträge nicht abgeführt, da er auch bei Liquiditätsproblemen habe entscheiden können, welche Forderung von ihm vorrangig erfüllt werden sollte.

11

Die Beklagte beantragt,

  1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 8. Dezember 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

  1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

13

Der Kläger trägt vor, Pfändungsbeschlüsse seien ihm damals nicht zugegangen. Ihm sei bekannt gewesen, dass er Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen gehabt habe, die er zuvor auch regelmäßig abgeführt habe. Ende 1975/1976 sei er durch ausgefallene Forderungen gegen Kunden in erheblichem Umfang in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, sodass seine Bank Kredite gekündigt habe, Schecks und Wechsel geplatzt seien und er seine Verpflichtungen gegenüber Mitarbeitern, Sozialversicherungsträgern, Finanzamt und Gläubigern nicht mehr habe erfüllen können und Konkurs habe anmelden müssen. Im maßgeblichen Zeitraum habe er auch keine anderen Ansprüche erfüllen können.

14

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte verwiesen. Die Prozessakte des BSG zum Az. B 11 AL 43/03 R sowie die den Kläger betreffenden Leistungsakten (StammNr.L.), die Kaug-Akte (Nr.M.) sowie die rückvergrößerten Vorgänge der Kasse der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung gewesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

15

Nach Zurückweisung des Rechtsstreits durch das BSG ist Gegenstand des Berufungsverfahrens das Feststellungsbegehren des Klägers, dass die Forderung der Beklagten auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von 16 805,04 DM verjährt ist.

16

Die zulässige Feststellungsklage ist begründet.

17

Der Anspruch auf Entrichtung von Pflichtbeiträgen für den Zeitraum vom 25. Juni 1976 bis 23. September 1976 ist gemäß § 141n Abs. 1 Satz 3 AFG in Verbindung mit § 141m Abs. 1 AFG - jeweils in der Fassung des Gesetzes vom 17. Juli 1974, BGBl I 1481 - auf die Beklagte übergegangen. Die Frage der Verjährung ist im vorliegenden Fall anhand des § 25 SGB IV zu beurteilen. Danach verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, bei vorsätzlicher Vorenthaltung jedoch erst in dreißig Jahren; nach § 25 Abs. 2 SGB IV - in der vor 2002 geltenden alten Fassung (a.F.) - gelten für die Hemmung und die Unterbrechung sowie die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des BGB. Seit 1. Januar 1981 ist zusätzlich die Vorschrift des § 52 SGB X a.F. zu beachten.

18

1.) Ausgehend von der vierjährigen Verjährungsfrist des § 25 SGB IV ist die Verjährung zunächst durch die 1978 und 1979 gestellten Stundungsanträge des Klägers unterbrochen worden (§ 25 Abs. 2 Satz 1 SGB IV a.F.i.V.m. § 208 BGB a.F.), sodass nach der Beendigung der Unterbrechung (31. August 1980) erneut die vierjährige Verjährungsfrist begann.

19

Der Senat vermochte nicht festzustellen, dass die Beklagte vor Ablauf dieser Frist einen Verwaltungsakt in Sinne des § 52 SGB X a.F. erlassen hat. Nach der rechtlichen Beurteilung des BSG, die der Senat zugrunde zu legen hat (§ 170 Abs. 5 SGG), enthält ein Pfändungsbeschluss einen so genannten "Leistungsbescheid", der als Verwaltungsakt anzusehen ist und, wenn er vom Kläger in der Folgezeit nicht angefochten worden ist, gemäß § 52 Abs. 2 SGB X a.F. in Verbindung mit § 218 BGB a.F. zu einer dreißigjährigen Verjährungsfrist geführt hat.

20

Es lässt sich nicht feststellen, ob der Kläger eine Abschrift der Überweisungsverfügung vom 19. Januar 1982 erhalten hat. Ein Erhalt wurde vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überzeugend und glaubhaft in Abrede gestellt und die rückvergrößerten Vorgänge der Kasse enthalten hierauf keinen Hinweis. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten bestehen nicht. Da diese Verfügung auch nicht an den Kläger als Adressaten gerichtet war, ist der Senat nach den Ausführungen des Klägers davon überzeugt, dass er sie nicht erhalten hat.

21

Zwar ist die weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 24. September 1984 in Abschrift an den Vollstreckungsschuldner (Kläger) unter dem 28. September 1984 und damit noch innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist abgesandt worden (Bl 45). Gemäß § 37 Abs. 2 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt wird, mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zuganges nachzuweisen. Dieser Nachweis konnte nicht geführt werden. Der Kläger konnte berechtigte Zweifel an dieser Vermutung der Bekanntgabe aufzeigen. Denn ihm ist auch diese Verfügung nach seiner glaubhaften Einlassung nicht zugegangen. Sein Vorbringen ist aufgrund des Zeitablaufs geeignet, Zweifel im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB X zu begründen, da nur die gleichzeitig verfügte Übersendung an den Drittschuldner durch den Eingang der Postzustellungsurkunde belegt ist.

22

2.) Darüber hinaus handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Beitragsanspruch der Beklagten nicht um einen Anspruch auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge im Sinn des § 25 Abs. 1 SGB IV, sodass auch deswegen keine dreißigjährige Verjährungsfrist gilt. Vorsätzlich vorenthalten werden Beiträge, wenn der Zahlungspflichtige in Kenntnis seiner Beitragspflicht bewusst und gewollt keine Beiträge an die Versicherungsträger abführt (Hauck/Heines, SGB IV, § 25 Rdnr 4). Der Kläger wusste um die Beitragspflicht, da er in der Vergangenheit regelmäßig die Beiträge abgeführt hatte, was von ihm auch nicht in Abrede gestellt wird. Ein vorsätzliches Vorenthalten kann indes nur angenommen werden, wenn dem Kläger ein anderes Verhalten möglich und zumutbar war, weil von der Rechtsordnung nur gefordert werden kann, was möglich ist. Es gehört zu den konstitutiven Merkmalen des Unterlassens als einer Verantwortlichkeit auslösenden Verhaltensform, dass die erforderliche Handlung dem Unterlassenen möglich gewesen wäre.

23

Das Vorenthalten der Arbeitnehmerbeiträge wäre gemäß § 266a Strafgesetzbuch strafbar. Damit können die dort entwickelten Grundsätze auf die hier zu entscheidende Frage übertragen werden. Unmöglichkeit der Beitragsabführung liegt danach vor, wenn der Täter aus rechtlichen Gründen (z.B. Eröffnung des Konkursverfahrens) verhindert ist, die entsprechenden Dispositionen zu treffen. Ein Fall der Handlungsunfähigkeit wird danach auch bei Zahlungsunfähigkeit angenommen, wofür jedoch nicht genügt, dass der Täter nicht mehr alle Verbindlichkeiten erfüllen kann, sondern ihm konkret die Mittel für die - vorrangige - Entrichtung der fälligen Arbeitnehmerbeiträge fehlen müssen (Schönke/Schröder, 26. Auflage 2001, Lenckner/Peron, § 266a Rdnr. 10). Der Kläger hat nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass er im streitigen Zeitraum von Juli bis September 1976 keinerlei anderweitigen Forderungen mehr erfüllen konnte und nicht erfüllt hat und deswegen Konkurs angemeldet hatte.

24

Dass er den Arbeitnehmern im Juli 1976 vollständig und im August und September Abschläge zahlen konnte, damit ihr Existenzminimum gesichert war, steht der Beurteilung nicht entgegen. Abgesehen davon, dass bei anderer Aufteilung die Summe der Forderungen nicht geringer gewesen wäre, da die Beklagte dann höheres Kaug hätte zahlen müssen, ist es in der Rechtsprechung zu § 266a StGB anerkannt, dass die Sicherstellung des Existenzminimums akzeptable Gründe für die bewusste Vernachlässigung einer Zahlungspflicht der Beiträge darstellt (Schönke/Schröder a.a.O. Rdziff. 10 a.E.). Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger zuvor Leistungen an andere Gläubiger auf bestehende, gegen seine Unternehmen gerichtete Ansprüche geleistet hätte. Das hat der Kläger überzeugend in seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung bestritten. Der Kläger war einfach wegen mangelnder liquider Mittel nicht in der Lage, die Beiträge zu zahlen. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall nach Ansicht des Senats von dem, der der Entscheidung des BGH vom 20. März 2003 (Az: III ZR 305/01, NJW-RR 2003, 966) zugrunde lag. Da Beiträge somit nicht vorsätzlich vorenthalten wurden, galt keine dreißigjährige Verjährungsfrist.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

26

Gründe die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) liegen vor. Denn die Frage, ob allein ein wirtschaftliches Unvermögen, Beiträge abführen zu können, ein Vorenthalten i.S.d. § 25 SGB IV darstellt, bedarf höchstrichterlicher Klärung.

Taubert
Bender
Wündrich