Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 22.02.2006, Az.: L 9 AS 127/06ER
Umfang der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Aufhebungsbescheid und Rückforderungsbescheid; Abgrenzung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gegen einen belastenden Verwaltungsakt zu einer einstweiligen Anordnung auf eine begünstigende Entscheidung; Zweistufigkeit einer Rückabwicklung zu Unrecht erbrachter Leistungen; Anspruch auf ein grundrechtlich geschütztes generelles Aussetzungsinteresse; Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses in Form eines negativen Feststellungsinteresses
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 22.02.2006
- Aktenzeichen
- L 9 AS 127/06ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 13576
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2006:0222.L9AS127.06ER.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- SG Lüneburg - 22.02.2006 - AZ: S 31 AS 121/06 ER
Rechtsgrundlagen
- § 86a Abs. 2 Nr. 4 und 5 SGG
- § 39 Nr. 1 SGB II
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 123 Abs. 1 VwGO
- § 50 SGB X
- Art. 19 Abs. 4 GG
Fundstelle
- ZfF 2007, 16
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
In Fällen, in denen Widerspruch und Klage aufschiebende Wirkung haben, sich die zuständige Behörde jedoch der sofortigen Vollziehbarkeit ihres angefochtenen Bescheides berühmt, ist einstweiliger Rechtsschutz in Gestalt einer gerichtlichen Feststellung der aufschiebenden Wirkung zu gewähren. Dies beruht auf der Erkenntnis, dass in solchen Fällen die gesetzlich vorgesehene konstitutive Anordnung aufschiebender Wirkung nicht möglich ist, weil dem Widerspruch ohnehin aufschiebende Wirkung zukommt, das grundrechtlich verbürgte Recht auf effektiven Rechtsschutz indessen den Erlass einer wirkungsgleichen gerichtlichen Entscheidung gebietet.
- 2.
Bei der Anwendung von § 39 Nr. 1 SGB II ist zwischen der Aufhebung von Bewilligungsbescheiden für die Vergangenheit einerseits und der Rückforderung geleisteter Zahlungen andererseits zu unterscheiden. Der Ausschluss aufschiebender Wirkung nach § 39 Nr. 1 SGB II erfasst dabei nicht die auf § 50 SGB X gestützte Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen, weil diese nach wirksamer Aufhebung des zusprechenden Verwaltungsaktes nicht mehr spezifische Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose, sondern rechtsgrundlose Leistungen ohne rechtswirksame Verbindung zu einem bestimmten Leistungsgrund sind. Deren Erstattung kann deshalb auch nur auf der Grundlage einer dem allgemeinen Verfahrensrecht zugehörigen Ermächtigungsgrundlage (§ 50 SGB X) verlangt werden.
Tenor:
Der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 22. Februar 2006 wird wie folgt geändert: Es wird festgestellt, dass die Klage des Beschwerdegegners gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beschwerdeführerin vom 24. Oktober 2005 insoweit aufschiebende Wirkung entfaltet, als sie sich gegen die Rückforderung des von Januar bis Mai 2005 gewährten Arbeitslosengeldes II richtet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner dessen notwendige außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die aufschiebende Wirkung einer Klage, die der Beschwerdegegner gegen einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beschwerdeführerin erhoben hat.
Der Beschwerdegegner bezog von der Beschwerdeführerin seit dem 1. Januar 2005 laufende Leistungen nach dem SGB II für sich und seine Ehefrau. Auf Grund einer Mitteilung des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen Lüneburg, nach der der Beschwerdegegner in den 1990er Jahren bei verschiedenen türkischen Banken insgesamt 330.000,00 DM zu zweistelligen Zinssätzen angelegt habe, hob die Beschwerdeführerin nach Anhörung des Beschwerdegegners zunächst mit Bescheid vom 21. Juni 2005 die Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab 1. Juni 2005 auf und stellte ihre laufenden monatlichen Zahlungen mit Ablauf des Monats Mai 2005 ein, wogegen der Beschwerdegegner am 7. Juli 2005 Widerspruch erhob. Nach nochmaliger Überprüfung und erneuter Anhörung des Beschwerdegegners nahm die Beschwerdeführerin sodann mit weiterem "Rücknahme- und Erstattungsbescheid" vom 24. Oktober 2005 die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1. Januar 2005 unter Berufung auf § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB X von Anfang an zurück und forderte unter Hinweis auf § 50 SGB X die Rückzahlung der von Januar bis Mai 2005 gezahlten Leistungen in einer Gesamthöhe von 3.166,60 Euro. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2005 zurück, wobei sie ihren "Rücknahme- und Erstattungsbescheid" mit einbezog. Am 28. November 2005 hat der Beschwerdegegner zum Aktenzeichen S 31 AS 79/05 des Sozialgerichts Lüneburg Klage erhoben, mit der er die Aufhebung der Bescheide vom 21. Juni 2005 und 24. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005 sowie die Verurteilung der Beschwerdeführerin zur Weitergewährung von Leistungen für die Zeit ab 1. Juni 2005 begehrt.
Dem weiterhin am 23. Januar 2006 sinngemäß gestellten Antrag des Beschwerdegegners, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. festzustellen, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 22. Februar 2006 insoweit entsprochen, als es die aufschiebende Wirkung der Klage festgestellt hat, soweit sich diese gegen die mit Bescheid vom 24. Oktober verfügte Aufhebung von Bewilligungen für die Vergangenheit und die Rückforderung bereits erbrachter Leistungen richtet.
Hiergegen richtet sich die von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II erfasse nach der in der Kommentarliteratur herrschenden und sachlich zutreffenden Auffassung nicht lediglich die Einstellung bewilligter Leistungen für die Zukunft, sondern auch eine Aufhebung von Bewilligungen für die Vergangenheit und die Rückforderung ausgezahlter Leistungen.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 23. Januar 2006 insoweit aufzuheben, als darin die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2005 festgestellt worden ist, und den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes insgesamt abzulehnen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.Die Beschwerde ist zulässig. Der Senat hat allerdings erwogen, ob es der Beschwerdeführerin nicht am erforderlichen Rechtsschutzinteresse in der hier maßgeblichen Ausprägung eines negativen Feststellungsinteresses mangelt. Das Sozialgericht hat dem Begehren des Beschwerdegegners, ihm durch Feststellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, lediglich in Gestalt einer sachlich beschränkten Feststellung der aufschiebenden Wirkung teilweise stattgegeben. Durch eine solche Feststellung wird indessen die Beschwerdeführerin nicht daran gehindert, dem etwaigen öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung ihrer streitbefangenen Bescheide auch ohne gerichtliche Entscheidung durch eine eigene, einzelfallbezogene Anordnung des sofortigen Vollzuges nach § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG Geltung zu verschaffen. Der Senat stellt diese Zweifel im vorliegenden Verfahren mit Rücksicht darauf zurück, dass die Auslegung von § 39 Nr. 1 SGB II noch klärungsbedürftig erscheint und dieser Umstand ein negatives Feststellungsinteresse der Beschwerdeführerin begründen kann.
Die Beschwerde ist indessen im Wesentlichen unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass der Klage des Beschwerdegegners, soweit sie sich gegen die Rückforderung der für Januar bis Mai 2005 bereits erbrachten Leistungen richtet, aufschiebende Wirkung entfaltet.
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur ist seit langem geklärt, dass in Fällen, in denen Widerspruch und Klage aufschiebende Wirkung haben, sich die zuständige Behörde jedoch der sofortigen Vollziehbarkeit ihres angefochtenen Bescheides berühmt, einstweiliger Rechtsschutz in Gestalt einer gerichtlichen Feststellung der aufschiebenden Wirkung zu gewähren ist. Dies beruht auf der Erkenntnis, dass in solchen Fällen die gesetzlich vorgesehene konstitutive Anordnung (oder Wiederherstellung) aufschiebender Wirkung nicht möglich ist, weil dem Widerspruch ohnedies aufschiebende Wirkung zukommt, das grundrechtlich verbürgte Recht auf effektiven Rechtsschutz indessen den Erlass einer wirkungsgleichen gerichtlichen Entscheidung gebietet (vgl. Kopp / Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 80 Rdnr. 181; Redeker / v. Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 80 Rdnr. 29; ausführlich: Finkelnburg / Jank, Einstweiliger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rdnr. 906 ff). Prozessuale Grundlage für eine solche feststellende Entscheidung ist nach einhelliger Auffassung § 80 Abs. 5 VwGO. Uneinigkeit besteht in der verwaltungsprozessualen Literatur allein darüber, ob eine Behörde, die sich auch über die gerichtliche Feststellung aufschiebender Wirkung hinwegsetzt, an Vollstreckungsmaßnahmen durch eine ebenfalls auf § 80 Abs. 5 VwGO beruhende Verbotsverfügung (so Kopp / Schenke, a.a.O.), oder durch eine auf § 123 Abs. 1 VwGO gestützte einstweilige Anordnung zu hindern ist (so Finkelnburg / Jank, a.a.O., Rdnr. 911). In die Literatur zum Sozialgerichtsgesetz haben diese Überlegungen mit Einführung der §§ 86 a und 86 b SGG ebenfalls Eingang gefunden (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller / Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rdnr. 15). Die vom Sozialgericht in seinem Beschluss vom 22. Februar 2006 getroffene Feststellung aufschiebender Wirkung stellt sich mithin als prozessrechtlich zutreffende Form des einstweiligen Rechtsschutzes dar, soweit § 39 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG dem Eintritt der aufschiebenden Wirkung nicht entgegengestanden hat und es deshalb beim Grundsatz aufschiebender Wirkung nach § 86 a Abs. 1 SGG verblieben ist.
Diese negative, in der Unanwendbarkeit von § 39 Nr. 1 SGB II bestehende Voraussetzung für die Feststellung der aufschiebenden Wirkung hält der Senat - in teilweiser Abweichung von der Auffassung des Sozialgerichts - zwar nicht hinsichtlich der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab Januar 2005, wohl aber hinsichtlich der Rückforderung der seither erfolgten Zahlungen für gegeben.
Soweit § 39 Nr. 1 SGB II Widersprüche und Klagen gegen solche Verwaltungsakte, mit denen über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entschieden wird, vom Grundsatz der aufschiebenden Wirkung ausnimmt, wird allerdings in der zum SGB II erschienenen Kommentarliteratur überwiegend die Auffassung vertreten, dass dieser Ausschluss die rückwirkende Aufhebung von Bewilligungsbescheiden ebenso wie die Rückforderung von Leistungen für die Vergangenheit erfasse (so trotz sachlicher Bedenken unter Hinweis auf den Wortlaut im Ergebnis Eicher in Eicher / Spellbrink, SGB II, § 38 Rdnr. 12; ebenso Hengelhaupt in Hauck / Noftz, SGB II, § 39 Rdnr. 44, Seegmüller in Estelmann, SGB II, § 39 Rdnr. 6). Indessen wird diese herrschende Literaturmeinung in der Rechtsprechung ebenfalls mit Rücksicht auf den Wortlaut des § 39 Nr. 1 SGB II angezweifelt (vgl. LSG Niedersachsen - Bremen, 7. Senat, Beschluss vom 11. November 2005, Az. L 7 AS 292/05 ER; SG Dresden, Beschluss vom 23. Januar 2006, S 6 AS 1393/05 ER unter Hinweis auf weitere Entscheidungen). Auch in der Literatur haben sich Gegenstimmen geäußert (vgl. Conradis in Münder, SGB II, § 39 Rdnr. 7; Pilz in Gagel u.a. Arbeitsförderung, Rn 9 zu § 39 SGB II; Berlit in info also 2005,3,5). Der Senat hält diese zweifelnden Auffassungen in ihrem wesentlichen Ergebnis, nach dem als Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose ausgezahlte Geldbeträge bis zu einer bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht zu erstatten sind, für zutreffend. Er meint allerdings, dass hierbei die Rücknahme oder der Widerruf zugrunde liegender Leistungsbewilligungen auch insoweit nach § 39 Nr. 1 SGB II vom Grundsatz aufschiebender Wirkung ausgenommen sind, als sie vergangene Zeiträume betreffen.
Bereits der Umstand, dass die vorzitierten, divergierenden Auffassungen sich in gleichartiger Weise durch den Wortlaut des § 39 Nr. 1 SGB II gerechtfertigt sehen, bildet zur Überzeugung des Senats bei objektiver Betrachtung eher ein Argument für die Annahme, dass der für das Verständnis der Vorschrift entscheidende, zusammengesetzte Rechtsbegriff der "Entscheidung über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende" gerade keine eindeutige Auskunft darüber gibt, ob und in welchem Umfang auch Fälle der Rückabwicklung in der Vergangenheit gewährter Leistungen in den Ausschluss aufschiebender Wirkung einbezogen oder von ihm ausgenommen werden sollen. Es fällt insoweit auf, dass diejenigen Auffassungen, die sich für eine umfassende Anwendung von § 39 Nr. 1 SGB II aussprechen, vor allem auf den Begriffsbestandteil "Entscheidung" abstellen und daran die Annahme knüpfen, dass hiermit in Ermangelung ergänzender Einschränkungen offenbar in einem unfassenden Sinne jede Regelung von Leistungen zur Unterhaltssicherung gemeint sei (so sinngemäß übereinstimmend Eicher, Hengelhaupt und Segmüller, jeweils a.a.O., teilweise sogar unter ausdrücklicher Einbeziehung von Regelungen nach § 50 SGB X). Demgegenüber nimmt die vom Sozialgericht in Übereinstimmung mit der Spruchpraxis des 7. Senats des erkennenden Gerichts vertretene Gegenmeinung im Anschluss an Conradis (a. a.O.) für sich in Anspruch, dass mit dem weiteren Begriffsbestandteil "Leistungen" eine Anwendung auf alle Rückabwicklungsfälle ("Rückleistungen") insgesamt ausgeschlossen sei. Der Senat hält eine solche, im rein sprachlichen verharrende Betrachtung in ihren beiden Varianten nicht für ausreichend.
Für ihn hat insoweit folgende Überlegung weiterführende Bedeutung: Anders als jede Einstellung bereits zugesprochener, aber nicht (mehr) zustehender Leistungen, zu der es lediglich einer Rücknahme des die Leistung zusprechenden Bescheides für die Zukunft bedarf, vollzieht sich die für vergangene Zeiträume nach Auszahlung rechtswidrig bewilligter Leistungen erforderliche Rückabwicklung in einem zweistufigen Verfahren. Dabei ist in einem sachlogisch ersten Schritt die zusprechende Entscheidung für die Vergangenheit aufzuheben (Widerruf oder Rücknahme nach §§ 45, 48 SGB X). Mit dem Wirksamwerden einer solchen Aufhebung der bewilligenden Entscheidung verlieren sodann die ausgezahlten Geldleistungen ihre rechtliche Zuordnung zu einem bestimmten Rechtsgrund, der den Empfänger bis dahin zum Behalten der Leistung berechtigt hat. Sie werden zu rechtsgrundlosen Bereicherungen, deren Rückzahlung in einem sachlogisch zweiten Schritt vom Empfänger durch weiteren Verwaltungsakt (Rückforderung nach § 50 SGB X) verlangt werden kann.
Mit Rücksicht auf die vorstehend skizzierte Zweistufigkeit der Rückabwicklung zu Unrecht erbrachter Leistungen, wie sie sich auch in dem zur Hauptsache angefochtenen "Rücknahme- und Erstattungsbescheid" der Beschwerdeführerin vom 24. Oktober 2005 widerspiegelt, hält es der Senat für erforderlich, bei der Anwendung von § 39 Nr. 1 SGB II zwischen der Aufhebung von Bewilligungsbescheiden für die Vergangenheit einerseits und der Rückforderung geleisteter Zahlungen andererseits zu unterscheiden (so auch Berlit a.a.O.). Der Ausschluss aufschiebender Wirkung nach § 39 Nr. 1 SGB II erfasst dabei nicht die auf § 50 SGB X gestützte Rückforderung "zu Unrecht erbrachter" Leistungen, weil diese nach wirksamer Aufhebung des zusprechenden Verwaltungsaktes nicht mehr spezifische "Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose", sondern rechtsgrundlose Leistungen ohne rechtswirksame Verbindung zu einem bestimmten Leistungsgrund sind, deren Erstattung deshalb auch nur auf der Grundlage einer dem allgemeinen Verfahrensrecht zugehörigen Ermächtigungsgrundlage (§ 50 SGB X) verlangt werden kann. In diesem eingeschränkten Sinne folgt der Senat der auch vom Sozialgericht vertretenen Auffassung, dass Entscheidungen des zuständigen Trägers über die "Rückleistung" ausbezahlten Arbeitslosengeldes II gerade nicht "Leistungen" der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Sinne von § 39 Nr. 1 SGB II betreffen. Anders verhält es sich hingegen bei Rücknahme und Widerruf von Bewilligungsbescheiden für die Vergangenheit. Der Senat sieht insoweit keinen tragfähigen Grund, eine Aufhebung für die Vergangenheit anders zu behandeln als eine Aufhebung für die Zukunft. In beiden Fällen handelt es sich nämlich um eine Umkehr vorausgegangener Bewilligungen (actus contrarius), mit der, nicht anders als mit der Bewilligung selbst, durch Verwaltungsakt über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose entschieden wird.
Die Aufhebung bewilligender Bescheide über Leistungen der Grundsicherung von der Anwendung des § 39 Nr. 1 SGB II auszunehmen, soweit sie die Vergangenheit betrifft, erscheint im Übrigen auch nicht zur angemessenen Wahrung des durch Art. 19 Abs. 4 GG grundrechtlich geschützten generellen Aussetzungsinteresses von Leistungsempfängern erforderlich. Soweit diese zugesprochene Leistungen erhalten haben, werden sie allein durch den Eintritt aufschiebender Wirkung von Widerspruch und Klage gegen eine Rückforderung hinreichend davor geschützt, empfangene Geldbeträge grundsätzlich schon vor einer bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache erstatten zu müssen. Vor diesem Hintergrund kommt dem Ausschluss aufschiebender Wirkung von Widerspruch und Klage gegen die rückwirkende Aufhebung zusprechender Entscheidungen lediglich die Bedeutung zu, dass die Auskehrung bewilligter, aber noch nicht ausbezahlter Leistungen im Falle der Aufhebung der bewilligenden Entscheidung auch nach deren Anfechtung genauso wenig für vergangene Zeiträume wie für zukünftige Zeiträume verlangt werden kann. Auch dies hält jedoch der Senat im Interesse einer vorläufigen Aufrechterhaltung des status quo im Allgemeinen für sachgerecht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei entspricht es der Billigkeit, dass die Beschwerdeführerin dem Beschwerdegegner dessen gesamte außergerichtliche Kosten beider Instanzen zu erstatten hat, weil der Umfang des Obsiegens der Beschwerdeführerin gegenüber dem Umfang ihres Unterliegens nicht ins Gewicht fällt.
Dieser Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.