Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 15.02.2006, Az.: L 13 VS 5/04

Anspruch auf Versorgung wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Wehrdienstbeschädigung; Anspruch auf Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) für Erfolg versprechende Maßnahmen der Rehabilitation

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
15.02.2006
Aktenzeichen
L 13 VS 5/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 36975
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2006:0215.L13VS5.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 05.02.2002 - S 27 V 40/99
nachfolgend
BSG - 17.07.2008 - AZ: B 9/9a VS 1/06 R

In dem Rechtsstreit
...
hat der 13. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2006 in Bremen
durch
die Richter {D.} -
Vorsitzender -, {E.} und
die Richterin {F.} sowie
den ehrenamtlichen Richter {G.} und
die ehrenamtliche Richterin {H.}
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 5. Februar 2002 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger - über eine Grundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v. H. hinaus - höhere Versorgungsbezüge aufgrund einer besonderen beruflichen Betroffenheit sowie ein Berufsschadensausgleich zustehen.

2

Der 1963 geborene Kläger durchlief nach dem Besuch der Hauptschule im Schuljahr 1980/81 das Berufsgrundbildungsjahr in der Fachrichtung Bautechnik. Anschließend absolvierte er bis April 1983 eine Ausbildung zum Maurer. In der Ausbildungsfirma war er sodann noch bis Juni 1984 tätig.

3

Vom 1. Juli 1984 bis zum 30. Juni 1988 war der Kläger Soldat auf Zeit. Bei dienstlich angeordnetem Sport erlitt er im August 1986 einen Unfall, bei dem im linken Kniegelenk das Kreuzband abriss. Im Januar 1988 kam es zu einer Knieoperation mit Entfernung des Innen- und Außenmeniskus. Nach einem Gutachten des Arbeitsamtsarztes Dr. {I.} vom 21. Juni 1988 konnte der Kläger aufgrund dieser Verletzungen auf Dauer nicht mehr als Maurer tätig sein, da er nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung oder überwiegend im Sitzen, ohne Knien und Hocken, ohne häufiges Besteigen von Leitern, Gerüsten und Treppen verrichten konnte. Demzufolge hielt der Gutachter eine berufliche Neuorientierung für erforderlich.

4

Nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr bezog der Kläger bis zum 12. Mai 1989 Versorgungskrankengeld. Von Mai 1989 bis zum 29. Juli 1990 übte er eine Tätigkeit als Lagerarbeiter aus. Seit dem 30. Juli 1990 ist er als Fahrer bei der Bremer Straßenbahn-AG (BSAG) tätig.

5

Am 17. Februar 1989 hatte der Kläger bei dem für ihn früher zuständigen Landkreis Emsland Leistungen der beruflichen Rehabilitation im Rahmen der Kriegsopferfürsorge beantragt. Unter dem 14. September 1989 wandte sich die Hauptfürsorgestelle der Beklagten (Hauptfürsorgestelle für Kriegsopfer und Schwerbehinderte beim Senator für Arbeit) an das Arbeitsamt Bremen wegen des Antrages auf Berufsförderung. In dem Anschreiben wurde angegeben, die Anerkennung des Knieschadens als Wehrdienstbeschädigung sei noch nicht erfolgt. Die Hauptfürsorgestelle erwähnte weiter die - oben bereits angesprochene - Untersuchung durch das Arbeitsamt sowie die Abgabe der Reha-Akte vom Arbeitsamt Nordhorn an das Arbeitsamt Bremen. Letzteres wurde gebeten, einen Eingliederungsvorschlag zu erarbeiten und im erforderlichen Maße mit berufsfördernden Maßnahmen bis zur endgültigen Entscheidung, ob eine Wehrdienstbeschädigung vorliege, in Vorleistung zu treten.

6

Mit Bescheid vom 30. Oktober 1989 war durch die Wehrbereichsverwaltung die Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) wegen des Schadens am rechten Kniegelenk abgelehnt worden, mit Bescheid vom 31. Oktober 1990 lehnte die Beklagte Versorgung ab. Am 9. Dezember 1997 schloss der Kläger mit der Wehrbereichsverwaltung in einem beim SG Bremen anhängigen Rechtsstreit (S 4 V 277/91), zu dem die Beklagte beigeladen war, einen Vergleich über die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung mit einer MdE von 30 v. H. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 1998 erkannte die Beklagte als Schädigungsfolgen eine "Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks bei Verlust des vorderen Kreuzbands und Innen- sowie Außenmeniskusentfernung" an und gewährte Versorgung nach einer MdE von 30 v. H. ab 1. Juli 1988.

7

Am 30. August 1998 stellte der Kläger einen Antrag auf Erhöhung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit und auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs. Er gab darin an, er habe nachweislich den Beruf des Maurermeisters angestrebt. Dieser Antrag wurde durch Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 1999 mit der Begründung abgelehnt, eine besondere berufliche Betroffenheit liege nicht vor. Der Kläger übe als Straßenbahnfahrer einen Beruf aus, der mit dem des Maurers sozial gleichwertig sei. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 1999 zurückgewiesen.

8

Der Kläger hat am 20. Mai 1999 Klage beim SG Bremen erhoben. Er hat geltend gemacht, die Tätigkeit eines Straßenbahnfahrers sei nicht sozial gleichwertig mit der eines Maurermeisters oder Maurerpoliers. Die jetzt ausgeübte Tätigkeit bleibe nicht nur in der sozialen Wertung zurück, sondern liege auch hinsichtlich des Einkommens deutlich unter den Möglichkeiten eines Poliers oder Meisters. Vor seinem Eintritt in die Bundeswehr habe er vorgehabt, nach dem Wehrdienst den Ausbildungsbetrieb zu übernehmen, da der Betriebsinhaber aus Altersgründen den Betrieb habe abgeben wollen. Nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr habe er zunächst beabsichtigt, eine Weiterbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann mit gewerblicher Ausbildung durchzuführen. Diese beruflichen Pläne seien beim Arbeitsamt Lingen besprochen worden, allerdings nicht besonders ausführlich. Er habe in der damaligen Zeit aber auch seine jetzige Ehefrau kennen gelernt. Er habe sich nicht zugetraut, noch eine mehrjährige Ausbildungszeit auf sich zu nehmen und wenig oder kein Einkommen zu erzielen. Er habe nicht zum Sozialamt gehen, sondern eine Ehe mit seiner Ehefrau eingehen wollen.

9

Die Beklagte hat demgegenüber ausgeführt, der Berufswunsch, Maurermeister oder Polier zu werden, sei nicht nachgewiesen. Der Umstand, dass sich der Kläger für vier Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet habe, spreche gegen eine solche Weiterbildungsabsicht.

10

Das SG Bremen hat die Klage mit Urteil vom 5. Februar 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht erwiesen, dass der Kläger den Beruf des geprüften Poliers oder den des Maurermeisters angestrebt habe. Etliche Umstände sprächen gegen seinen Qualifizierungswillen und seine Qualifizierungsfähigkeit. Der Beruf des Straßenbahnfahrers sei aber nach allgemeiner Auffassung der Gesellschaft nicht von geringerer Wertigkeit als der des Maurergesellen. Als Straßenbahnfahrer habe er eine hohe Verantwortung für die Sicherheit der Fahrgäste und des Fahrzeugs sowie eine Mitverantwortung für die Sicherheit des sonstigen Verkehrs; er habe ferner Verantwortung beim Verkauf der Fahrscheine und bei der Abrechnung der Kasse. Die Verantwortung und die erforderliche Konzentration drückten sich im Übrigen auch in einem Lohn aus, der dem eines Maurergesellen gleichwertig sei.

11

Der Kläger hat gegen dieses ihm am 19. April 2002 zugestellte Urteil am 17. Mai 2002 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er hat eine Bescheinigung der BSAG vom 27. Juni 2001 und ein Schreiben der Frau {J.} (Witwe des Inhabers der Ausbildungsfirma) vom 3. März 2005 eingereicht und weiter vorgetragen, zumindest bis Juli 1990 stehe ihm wegen besonderer beruflicher Betroffenheit eine höhere Versorgung sowie ein Berufsschadensausgleich zu. Sein Aufstiegs- und Leistungswille ergebe sich auch daraus, dass er bei der BSAG Seminare besucht und sich für höherwertige Tätigkeiten beworben habe. Ihm seien zu keinem Zeitpunkt konkrete berufsfördernde Maßnahmen angeboten worden, und zwar weder von der Beklagten noch vom Arbeitsamt Bremen. Es sei zweifelhaft, ob das Arbeitsamt Bremen den mit Schreiben der Beklagten vom 14. September 1989 erbetenen Eingliederungsvorschlag tatsächlich erarbeitet und ihm, dem Kläger, unterbreitet habe. Nur in diesem Falle könne er darauf verwiesen werden, dass er eine angebotene Rehabilitation nicht angenommen habe. Wäre er von der Beklagten sachgerecht über berufsfördernde Maßnahmen und damit im Zusammenhang stehende Lohnersatzleistungen beraten worden, hätte er einem Eingliederungsvorschlag zugestimmt.

12

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 5. Februar 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 1999 zu verurteilen, ab 1. Juli 1988 Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als 30 v. H. wegen besonderer beruflicher Betroffenheit sowie einen Berufsschadensausgleich auf der Basis eines Vergleichseinkommens eines Maurermeisters zu zahlen.

13

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

14

Sie hat eine Mitteilung der Agentur für Arbeit Bremen vom 6. Oktober 2005 überreicht, wonach Vorgänge aus dem Jahre 1989 nicht mehr vorhanden seien. Sie trägt zur Erwiderung vor, ein Anspruch auf höhere bzw. weitere Leistungen sei hier dadurch ausgeschlossen, dass eine bereits eingeleitete Berufsförderung durch den Kläger nicht weiter verfolgt worden sei. Hierfür seien persönliche Gründe des Klägers und nicht Gründe der Schädigung maßgeblich gewesen.

15

Das Gericht hat durch den Berichterstatter in einem Termin vom 11. März 2005 den Bauingenieur {K.} als Zeugen zu den beruflichen Plänen des Klägers nach dessen Wehrdienst vernommen. Es hat die Beteiligten ferner mit Schreiben vom 9. August 2005 darauf hingewiesen, dass aufgrund der seitens der Beklagten vorgetragenen rechtlichen Gesichtspunkte die Vernehmung des Zeugen überflüssig gewesen sein könne.

16

Das Gericht hat die SVG-Akte der Beklagten - Aktenzeichen 433 116 - und die WDB.-Akte des Wehrbereichsgebührnisamtes III Düsseldorf - Aktenzeichen T-268/88 -, ferner Unterlagen des Instituts für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen beigezogen. Der Inhalt dieser Akten und Unterlagen sowie der Prozessakte - Aktenzeichen L 13 VS 5/04, S 27 V 40/99 - ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

17

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG Bremen hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Entscheidungen der Beklagten rechtmäßig sind. Der Kläger erfüllt weder die Voraussetzungen für die Zahlung höherer Versorgungsbezüge aufgrund besonderer beruflicher Betroffenheit noch die Voraussetzungen für die Zahlung von Berufsschadensausgleich.

18

§ 80 SVG verweist hinsichtlich der Versorgung wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Wehrdienstbeschädigung auf die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).

19

Nach § 30 Abs. 2 BVG ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist u.a. besonders dann der Fall, wenn er infolge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann (Satz 2 Buchst.a).

20

Nach § 30 Abs. 3 BVG erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, einen Berufsschadensausgleich.

21

Für das Gericht erscheint es angesichts der Aussage des Zeugen August Pieper in dem Termin vom 11. März 2005 zwar nicht ausgeschlossen, dass der Kläger vor seiner Verpflichtung zur Bundeswehr den Beruf des Maurerpoliers oder Maurermeisters angestrebt hat. Es bedarf jedoch letztlich nicht der Beantwortung der Frage, ob es sich bei diesen Berufswünschen um den nachweisbar angestrebten Beruf im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG handelt. Etwaige Ansprüche des Klägers sind nämlich nach § 29 BVG ausgeschlossen.

22

Nach § 29 BVG (in der vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch - SGB IX - vom 19.6.2001 geltenden Fassung) entsteht in Fällen, in denen Maßnahmen zur Rehabilitation Erfolg versprechend und zumutbar sind, ein Anspruch auf Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG, auf Berufsschadensausgleich sowie auf Ausgleichsrente frühestens in dem Monat, in dem diese Maßnahmen abgeschlossen werden. Der Begriff "Maßnahmen zur Rehabilitation" ist durch das SGB IX durch den inhaltlich nicht abweichenden Begriff der "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben" ersetzt worden. Nach dieser gesetzlichen Regelung sind die von dem Kläger in dem vorliegenden Rechtsstreit begehrten Leistungen ausgeschlossen.

23

Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation waren für den Kläger in der Zeit nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr Erfolg versprechend und zumutbar. Ob ein Erfolg einer solchen Maßnahme zu erwarten ist, beurteilt sich im Wesentlichen nach der Art und Schwere der Behinderung, nach den geistigen Fähigkeiten, nach der Eignung und dem Alter des Beschädigten. In dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 21. Juni 1988 war die Umschulungsfähigkeit des Klägers ausdrücklich bejaht worden. Diese Einschätzung ist nach Auffassung des Gerichts schon deshalb überzeugend, weil der Kläger seinerzeit noch in einem relativ jungen Alter war und wenige Jahre zuvor bereits eine Facharbeiterausbildung erfolgreich abgeschlossen hatte, nachdem er zuvor das Berufsgrundbildungsjahr an den Berufsbildenden Schulen Lingen (ebenfalls mit guten Ergebnissen) durchlaufen hatte. Der erlittene Knieschaden hinderte den Kläger nach dem erwähnten arbeitsamtsärztlichen Gutachten nicht an einer beruflichen Rehabilitation.

24

Nach dem Ausscheiden des Klägers aus der Bundeswehr hatte die Versorgungsverwaltung die Verpflichtung, von Amts wegen auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation hinzuwirken, nachdem ein solches Bedürfnis bereits während des Wehrdienstes erkannt worden war (s. Böhm, Der Versorgungsbeamte 1987, 100). Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nach Auffassung des Gerichts nachgekommen. In den Jahren 1988/89 sind durch mehrere Stellen vorbereitende Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation in die Wege geleitet worden, die der Beklagten als eigene Bemühungen um die Durchführung einer beruflichen Rehabilitation zuzurechnen sind. Für die Anwendbarkeit des § 29 BVG ist es nämlich ohne Bedeutung, wenn die Umschulung bzw. die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht durch den Versorgungsträger selbst im Rahmen der Kriegsopferfürsorge, sondern durch einen weiteren Rehabilitationsträger durchgeführt werden (BSG vom 18.10.1995, SozR 3-3100 § 30 BVG Nr. 14). Hier hatte ursprünglich, wie ein Schreiben vom 30. September 1988 an das Versorgungsamt Osnabrück zeigt, die Hauptfürsorgestelle beim Landessozialamt Niedersachsen die Berufsförderung betrieben, später dann die Hauptfürsorgestelle in Bremen (vgl. Schreiben des Landessozialamts Niedersachsen vom 18. August 1989). Nach dem Schreiben der Hauptfürsorgestelle der Freien Hansestadt Bremen an das Arbeitsamt Bremen vom 14. September 1989 hatte der Kläger am 17. Februar 1989 auch einen ausdrücklichen Antrag auf Durchführung von beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen gestellt. Wie die Erstellung des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens vom 21. Juni 1988 und das Anschreiben der Hauptfürsorgestelle Bremen an das Arbeitsamt Bremen zeigen, haben die Dienststellen der Kriegsopferfürsorge mit den Dienststellen der damaligen Bundesanstalt für Arbeit als Rehabilitationsträger kooperiert. Der Kläger selbst hat im Übrigen im Termin beim SG Bremen vom 5. Februar 2002 auch von einer in der Zeit vor Mai 1989 geplanten "Weiterbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann mit gewerblicher Ausbildung" gesprochen. Das Gericht geht davon aus, dass sich diese berufliche Perspektive aus den Beratungen bei der Arbeitsverwaltung ergeben hat und eine kaufmännische Tätigkeit unter Einbeziehung der handwerklichen Kenntnisse des Klägers beinhaltete. Es gibt keine Hinweise darauf, dass eine solche kaufmännische Tätigkeit etwa aus Arbeitsmarktgründen nicht sinnvoll hätte ergriffen werden können. Eine solche Tätigkeit hätte im Übrigen die körperlichen Anforderungen an eine dem Kläger mögliche Berufstätigkeit, wie sie in dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 21. Juni 1988 formuliert worden sind, erfüllt; es ist allgemein bekannt, dass kaufmännische Tätigkeiten nicht mit größeren körperlichen Belastungen verbunden sind und entweder in wechselnder Körperhaltung oder in überwiegend sitzender Körperhaltung verrichtet werden. Für die Frage, ob eine Weiterbildung bzw. Umschulung im kaufmännischen Bereich eine Erfolg versprechende Maßnahme zur Rehabilitation dargestellt hätte, kommt es auch nicht darauf an, dass durch diese Maßnahme der berufliche Schaden des Klägers vollständig hätte ausgeglichen werden können. Vielmehr genügt auch eine Milderung des beruflichen Schadens (Böhm a.a.O., 112, 113).

25

Dass es zu der Durchführung von beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen nicht gekommen ist, ist nicht auf die fehlende Zumutbarkeit einer solchen Maßnahme zurückzuführen. Es mag zwar sein, dass - wie der Kläger im Termin vom 5. Februar 2001 angegeben hat - die Beratung durch das Arbeitsamt nicht sehr ausführlich gewesen ist. Von größerer Bedeutung dürfte es aber sein, dass der Kläger aus persönlichen Gründen für die Durchführung einer längerfristigen Rehabilitationsmaßnahme nicht motiviert war. Wie er in dem Termin weiter angegeben hat, versprach er sich von der bereits im Mai 1989 aufgenommenen Erwerbstätigkeit ein höheres laufendes Einkommen als das, welches er in Form von Erwerbsersatzeinkommen während einer Umschulung zu erwarten gehabt hätte. Ob diese durch den Kläger geschilderten Annahmen tatsächlich zutreffend gewesen wären, kann offen bleiben. Selbst wenn ein Erwerbsersatzeinkommen, dessen Berechnungsgrundlage sein früheres Einkommen als Maurer gewesen wäre, niedriger ausgefallen wäre als das Arbeitsentgelt während der Tätigkeit als Lagerhelfer, würde ein solches Mindereinkommen nicht die Zumutbarkeit von Rehabilitationsmaßnahmen entfallen lassen. Ebenso wie im Sozialversicherungsrecht gilt nämlich auch im Versorgungsrecht der Grundsatz "Rehabilitation vor Rente". Die Vorschrift des § 29 BVG soll gerade dazu dienen, das Interesse der Beschädigten zu verstärken, an den Rehabilitationsbemühungen mitzuwirken, um den o. a. Grundsatz besser zu verwirklichen (BSG vom 18.12.1996, SozR 3-3100 § 29 BVG Nr. 1). Dass der Kläger letztlich aus Gründen, die nicht der Beklagten angelastet werden können, an der Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen nicht im zu erwartenden Maße mitgewirkt hat, ergibt sich ferner auch aus seinen Angaben, die er in dem im September 1998 bei der Beklagten eingegangenen Antragsvordruck (betr. Leistungen wegen besonderer beruflicher Betroffenheit und Berufsschadensausgleich) gemacht hat. Die Frage, ob er bereit sei, an Maßnahmen der Arbeits- und Berufsförderung teilzunehmen (Umschulung u.Ä.), hat er sinngemäß verneint; er hat nämlich angegeben, er habe seit acht Jahren ein neues Berufsfeld als Straßenbahnfahrer gefunden.

26

Zwar war im September 1989 angesichts der zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgten Anerkennung des Knieschadens als Schädigungsfolge noch nicht klar, wer Träger einer beruflichen Rehabilitation sein würde. Wie dem Schreiben der Hauptfürsorgestelle Bremen vom 14. September 1989 aber zu entnehmen ist, sollte die Frage der endgültigen Kostenträgerschaft der Anbahnung von Rehabilitationsmaßnahmen nicht im Wege stehen. Die Hauptfürsorgestelle hat gegenüber dem Arbeitsamt nämlich ausdrücklich geäußert, berufsfördernde Maßnahmen sollten ggf. auch als Vorleistung durch die Bundesanstalt für Arbeit erbracht werden.

27

Ein zumutbarer und Erfolg versprechender Rehabilitationsversuch ist im vorliegenden Falle aber - wie oben dargelegt - aufgrund der Entscheidungen des Klägers für eine baldige Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit nicht unternommen worden. Darauf, dass die Hauptfürsorgestelle Bremen letztlich keine Entscheidung über konkrete Rehabilitationsleistungen getroffen hat, kommt es nicht an. Die Regelung des § 29 BVG, den Beginn von einkommensabhängigen Rentenleistungen so lange hinauszuschieben, bis nicht nur die Gewährung der Reha-Maßnahme, sondern sogar ihr Erfolg feststeht, ist auch anwendbar, wenn die berufliche Rehabilitation aus Gründen, die nicht dem Rehabilitationsträger anzulasten sind, nicht zustande kommt (vgl. BSG vom 18.12.1996 a.a.O.).

28

Wenn aber eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation in den Jahren 1988/89 als Erfolg versprechend und zumutbar anzusehen war, schließt dieser Umstand einen (erhöhten) Rentenanspruch des Klägers auch für die Zukunft aus. Nach dem Wortlaut des § 29 BVG kommt es ausschließlich darauf an, ob solche Maßnahmen in der Vorherschau Erfolg versprechend und zumutbar sind (Böhm a.a.O., 112). Es stellt sich demgemäß nicht die Frage, ob diese Voraussetzungen auch heute noch erfüllt sind.

29

Die Berufung konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

31

Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen worden.