Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 16.07.2004, Az.: 9 U 15/04

Wirksamkeit einer Kapitalanlage; Beurteilung des Bestehens eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung; Nichtberücksichtigung der das grobe Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung dokumentierenden empirischen Analyse der den Gesellschaftern zustehenden Auseinandersetzungswerte durch das Gericht; Vorliegen der maßgeblichen schriftlichen Risikohinweise; Unterlassen eines Hinweises auf die negative Wirtschaftspresse; Vorwurf des Schneeballsystems; Behauptung zu geringer Investitionsquoten; Anspruch auf Rückzahlung der Einlage in Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft; Anwendung der Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaften auf atypische wie auf typische stille Beteiligungen; Zivilrechtliche Haftung für den Vertrieb von Kapitalanlagen; Widerruf nach dem Haustürwiderrufsgesetz (HWiG)

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.07.2004
Aktenzeichen
9 U 15/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 35005
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2004:0716.9U15.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 20.11.2003 - AZ: 4 O 261/03

Fundstellen

  • DStR 2005, XIV Heft 6 (Kurzinformation)
  • DStZ 2005, 355 (Kurzinformation)
  • NJW-RR 2005, 545-547 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2004, 564-567
  • WM 2005, 737-742 (Volltext mit amtl. LS)
  • WuB 2006, 7-9
  • ZBB 2005, 199 (red. Leitsatz)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaften sind auch auf atypische und typische stille Beteiligungen anzuwenden.

  2. 2.

    Die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft, nach der der Gesellschafter eine Rückzahlung der Einlage nur nach Maßgabe des Abfindungsanspruchs gemäß § 235 HGB verlangen kann, können nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein Schadensersatzanspruch in die Abschichtungsbilanz eingestellt wird.

  3. 3.

    Ob sich ein Anleger zur Zeichnung einer Unternehmensbeteiligung entschließt, hängt allein von seiner autonom getroffenen Entscheidung ab. Er ist lediglich durch zutreffende und vollständige Informationen in die Lage zu versetzen, die Risiken richtig einzuschätzen.

  4. 4.

    Der Getäuschte ist nach § 123 BGB nur dann zur Anfechtung berechtigt, wenn die Täuschung für die Abgabe seiner Willenserklärung ursächlich geworden ist. Hält der Getäuschte zunächst am Vertrag fest, nachdem er vom wahren Sachverhalt Kenntnis erlangt hat, kann dies Zweifel begründen, ob er den Vertrag nicht auch in Kenntnis der Umstände geschlossen hätte.

In dem Rechtsstreit ...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und
die Richter am Oberlandesgericht Dr. W. und Prof. Dr. A.
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2004
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung gegen das Urteil des LG Verden vom 20. November 2003 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger und die Drittwiderbeklagte tragen die Kosten des Berufungsrechtszuges als Gesamtschuldner.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.

    Beschwer: unter 20.000 Euro.

  5. 5.

    Die Revision wird nicht zugelassen..

  6. 6.

    Der Streitwert wird auf 18.266,80 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kapitalanlage, bei der sich der Kläger und die Drittwiderbeklagte als atypische stille Gesellschafter an der Beklagten zu 1 beteiligt haben.

2

Der Kläger und seine Ehefrau, die Drittwiderbeklagte, zeichneten unter dem 20. Januar 1999 eine atypische stille Beteiligung an der Beklagten zu 1 mit einer Einmaleinlage von insgesamt 6.300,00 DM und Rateneinlagen von 315,00 DM für 144 Monate. Vorangegangen war ein Gespräch mit dem Anlagevermittler K., den der Kläger und die Drittwiderbeklagte beide privat kannten. Die Beklagte zu 2 wird vom Kläger, der zum Teil aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau klagt, als Anlagevermittlerin in Anspruch genommen. Vom Januar 2001 bis einschließlich Januar 2002 wurden der Kläger und seine Ehefrau von der Zahlung der Beiträge freigestellt. Seit Februar 2002 haben beide keine Einlageraten mehr erbracht. Unter dem 11. April 2002 verlangten sie die geleisteten Zahlungen zurück.

3

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der Gründe des die Klage abweisenden und den Widerklagen stattgebenden Urteils wird auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen.

4

Mit der Berufung verfolgen der Kläger und die Drittwiderbeklagte ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiter. Sie rügen wesentliche Rechtsfehler und eine unzureichende Würdigung des Tatsachenvortrags. Die Beteiligung sei auf Vermittlung hin gezeichnet worden. Der Vermittler habe sich bei dem Kläger und dessen Ehefrau unaufgefordert telefonisch gemeldet. Den Vermittlern sei das Anlageziel, eine zusätzliche Altersversorgung abzuschließen, mitgeteilt worden. Dafür hätten der Kläger und die Drittwiderbeklagte ihre kapitalbildende Lebensversicherung gekündigt und zur Bedienung der Ersteinlage 6.300,00 DM eingezahlt. Auf den Rateneinlagevertrag seien insgesamt 22 Raten in Höhe von jeweils 315,00 DM gezahlt worden.

5

Das Landgericht habe § 138 BGB unrichtig angewandt. Das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung sei nicht nach der zu Grunde liegenden Konzeption zu bewerten, sondern nach dem im Zeitpunkt der Zeichnung der Beteiligungen erkennbaren Investitionsverhalten der Göttinger Gruppe, das durch geringe Investitionsquoten und hohe "weiche Kosten" gekennzeichnet sei. Wesentliche Einlagegelder, nämlich mindestens 25 %, seien als Provisionszahlungen und für sonstige Vertriebs- und Verwaltungskosten eingesetzt worden. Nur ein geringer Teil der Einlagen habe überhaupt für Investitionszwecke zur Verfügung gestanden, sodass im operativen Geschäft nur geringe Erträge erwirtschaftet worden seien. Danach sei im Zeitpunkt der Zeichnung der Beteiligung im Jahr 1999 in hohem Maße wahrscheinlich gewesen, dass den Gesellschaftern kein relevantes Auseinandersetzungsguthaben zukommen werde und die gezahlten Einlagen zu einem Großteil verloren gehen würden. Das Landgericht habe die empirische Analyse der den Gesellschaftern zustehenden Auseinandersetzungswerte, die das grobe Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung dokumentiere, nicht ansatzweise berücksichtigt.

6

Unzutreffend habe das Landgericht § 123 BGB verneint. Im Wissen um das Anlageziel hätten die Vermittler die Beteiligung empfohlen, obwohl eine atypische stille Beteiligung grundsätzlich nicht zur Altersvorsorge geeignet sei. Notwendig gewesen sei eine ausdrückliche und unmissverständliche persönliche und mündliche Risikoaufklärung. Eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung erschöpfe sich nicht im Überreichen von Unterlagen zur eigenen Durchsicht. Aufzuklären gewesen sei insbesondere über das mit der Beteiligung verbundene Risiko eines Totalverlustes. Unzutreffend habe das Landgericht bewertet, dass der Kläger und die Drittwiderbeklagte den Zeichnungsschein nicht zur Kenntnis genommen hätten. Daraus könne nicht der Schluss gezogen werden, dass es ihnen nicht auf die mit der Anlage verbundenen Risiken angekommen sei. Wenn ein Anlageinteressent das Beteiligungskonzept als Altersvorsorge und als sichere Kapitalanlage verstehe, müsse der Anlagevermittler die Fehlvorstellung ggf. im Nachhinein korrigieren, was nicht geschehen sei. Es habe auch nicht dahingestellt bleiben dürfen, zu welchem Zeitpunkt der Kläger den Emissionsprospekt erhalten habe. Dies stehe in Widerspruch zu der Annahme, der Emissionsprospekt habe im Zusammenhang mit dem Zeichnungsschein die maßgeblichen schriftlichen Risikohinweise gegeben. Der Zeichnungsschein selbst habe keine ausreichende Risikoaufklärung enthalten. Der Emissionsprospekt habe, wie unter Beweisantritt dargelegt worden sei, bei Unterzeichnung des Zeichnungsscheins weder vorgelegen, noch sei er ausgehändigt worden. Auf die im Empfangsbekenntnis bestätigte Übergabe des Emissionsprospekts könne sich die Beklagten nicht berufen.

7

Dem Kläger und der Drittwiderbeklagten sei nicht erklärt worden, dass von dem eingezahlten Kapital 20 % Emissionskosten und 5 % Agio als "weiche Kosten" verbraucht würden. Die Beklagte zu 1 hafte auch, weil sie die Beteiligung als sicher und zum Zwecke der Altersvorsorge geeignet vertrieben habe. Der jedenfalls berechtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung stünden die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nicht entgegen. Der Schadensersatzanspruch sei in voller Höhe in die Abschichtungsbilanz einzustellen. Eine ungerechtfertigte Bevorzugung einzelner Gesellschafter sei darin nicht zu sehen, wie die ebenfalls differenzierende Behandlung im Insolvenzrecht zeige. Das angefochtene Urteil habe ferner übersehen, dass der Kläger den Widerruf nach § 1 HWiG a.F. wirksam erklärt habe. Der Lauf der Widerrufsfrist sei aus der Widerrufsbelehrung nicht klar zu entnehmen gewesen. Unklar sei für den Beitretenden gewesen, ob die Frist mit der Unterzeichnung des Zeichnungsscheins oder mit dessen Aushändigung zu laufen begonnen habe.

8

Die Beklagte zu 2 hafte, weil mit ihr konkludent ein Anlagevermittlungsvertrag zu Stande gekommen sei. Der Vermittler sei gemäß der überreichten Visitenkarte im Namen und mit Vollmacht der Beklagten zu 2 aufgetreten. Ein Anlagevermittler habe die Pflicht, das empfohlene Anlagekonzept auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit zu überprüfen, was die Beklagte zu 2 nicht getan habe. Ausführungen in der Wirtschaftspresse und in den Brancheninformationsdiensten hätten einbezogen werden müssen. Eine selbstständige Pflichtverletzung sei darin zu sehen, dass auf die negative Wirtschaftspresse schon für sich genommen nicht hingewiesen worden sei.

9

Die Beklagte zu 1 verteidigt das angefochtene Urteil. Sie bestreitet, dass die Vermittler die Beteiligung als risikolose Form der Kapitalanlage gezeichnet und das Totalverlustrisiko nicht erwähnt hätten. Der Klägervortrag sei insoweit von Prozesstaktik geprägt. Es handele sich bereits um das zweite von mehreren parallelen Verfahren, in denen in der vorgerichtlichen Korrespondenz die Übergabe eines Prospekts besonders hervorgehoben worden sei, im Prozess dann aber die Behauptung aufgestellt worden sei, ein Prospekt sei überhaupt nicht übergeben worden. Offensichtlich werde von den Klägervertretern standardmäßig zunächst eine Behauptung aufgestellt, die bei Näherrücken des Termins zur mündlichen Verhandlung eingeschränkt, relativiert oder widerrufen werde, ggf. unter Behauptung eines Bearbeiterwechsels; der Vortragswandel werde dann auf Gedächtnisschwäche der Mandanten oder auf das Ausscheiden von Mitarbeitern zurückgeführt.

10

Der Kläger und die Drittwiderbeklagte hätten in der mündlichen Verhandlung vom 9. Oktober 2003 die Übergabe eines Prospekts nicht definitiv in Abrede genommen; ihre Erklärungen könnten auch so zu verstehen sein, dass sie nach 5 Jahren keine Erinnerung mehr an die Geschehnisse gehabt hätten. Die Wahrheitswidrigkeit des Vortrags werde zudem dadurch untermauert, dass in der Klageschrift vom 30. Mai 2003 behauptet worden sei, die Drittwiderbeklagte habe ihre Ansprüche an den Kläger abgetreten, während tatsächlich die später vorgelegte Abtretungserklärung auf den 15. September 2003 datiert worden sei. Mit der Übersendung des Emissionsprospektes sei nochmals ein Widerrufsrecht von einer Woche eingeräumt worden. Unabhängig davon seien schon die Risikohinweise im Zeichnungsschein selbst zur Aufklärung über das Beteiligungsrisiko ausreichend. Die Anfechtung gem. § 123 BGB sei verfristet erklärt worden.

11

Das Kapitalanlagemodell der Beklagten sei kein Schneeballsystem und sei auch nicht aus sonstigen Gründen sittenwidrig. Die Beklagte zu 1 existiere bereits seit 1986 und emittiere seit 1987 stille Beteiligungen. Der Vorwurf des Schneeballsystems gehe auf ein Gutachten der P. Treuhandgesellschaft mbH zurück, das seit Anfang der 90er Jahre immer wieder "aufgewärmt" werde, das aber offensichtlich unrichtig sei, weil es lediglich eine Fernbegutachtung zur Unternehmensplanung der L. AG nach dem Stande von 1991 enthalten und wesentliche Ertragsquellen vernachlässigt habe. Das Gutachten sei zur Wahrung von Interessen des G.-Reports erstellt worden. Es sei durch ein gerichtliches Gutachten der B. Deutsche W. AG, das das OLG K. eingeholt habe, dezidiert widerlegt worden. Das Anlagemodell sei ein Steuersparmodell, bei dem zur Erzielung steuerlicher Vorteile vorgezogene Verluste sofort bilanziert würden, ohne dass in diesem Zeitpunkt künftige Erträge oder aufgebauter Vertragsbestand als Gegenposition bilanziell habe berücksichtigt werden können. Daraus könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, das eingezahlte Geld sei verloren. Die nach Begleichung der Emissionskosten und der laufenden Kosten verbleibenden Gelder seien plangemäß investiert worden. Den für die Emission verbrauchten Geldern stehe der Aufbau eines Vertragsbestandes mit einem erheblichen Zeichnungsvolumen vieler Gesellschafter gegenüber.

12

Die Behauptung zu geringer Investitionsquoten, die aus Schreiben des früheren Bundesamtes für das Kreditwesen und "Ermittlungen" des Prüfungsverbandes deutscher Banken e. V. abgeleitet würden, sei unzutreffend. Die entsprechenden Unterlagen seien vom VG B. als fehlerhaft und unbrauchbar bezeichnet und die Berechnungsweise als den Systemvorgaben nicht gerecht werdend beurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft B., die auf Grund des Prüfgutachtens ein Ermittlungsverfahren gegen Vorstände der G. Gruppe betrieben habe, habe in der Einstellungsverfügung vom 20. September 2002 die Auffassung des VG B. in dessen Beschluss vom 2. Juni 2000 bestätigt. Das Gutachten der B. D. Warentreuhand AG und das Gutachten der H., H. & Partner GmbH seien übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die nahezu kostenunbelasteten Folgeeinzahlungen nicht investiert würden und daraus keine angemessene Rendite erwirtschaftet werden könnte. Ein negativer Ertrag für einzelne Anleger zum jetzigen Zeitpunkt weise nicht die fehlende Tragfähigkeit des Konzeptes auf, sondern beruhe auf der Einwirkung einer Vielzahl von Sonderfaktoren, einem brach liegenden Immobilienmarkt und einigen negativ verlaufenden Investitionen, die bei der ursprünglichen Planung weder bekannt noch beabsichtigt gewesen seien. Das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft H., H. & Partner GmbH komme in der abschließenden Bewertung zu dem Ergebnis, es gebe keine Hinweise darauf, dass die stillen Gesellschafter der Segmente IV, VI und VII ihre Einlagen nicht zuzüglich einer entsprechenden Verzinsung erhalten könnten. Das gegenteilige Zitat der Berufungsbegründung betreffe lediglich ein Zwischenergebnis und berücksichtige zudem nicht das Nachtragsgutachten vom 15. Oktober 1999.

13

Eine Anwendung des § 138 BGB ergebe sich auch nicht aus dem Ansatz überhöhter Kosten. Die Emissionskosten seien im Emissionsprospekt deutlich und ausführlich beschrieben worden und seien marktüblich. Die Staatsanwaltschaft B. habe in der Einstellungsverfügung vom 20.09.2002 zutreffend darauf hingewiesen, dass zur Ermittlung der Investitionsquote auf die Anschaffungskosten statt auf die Buchwerte nach Abschreibung abzustellen sei. Das Verwaltungsgericht B. sei in seinem Beschluss vom 2. Juni 2000 zu der Feststellung gelangt, dass bei den bereits länger bestehenden Segmenten I und IV, die seit 1989 bzw. 1992 ihre Platzierungsphase beendet hätten, eine vertragskonforme Überdeckung gegeben sei, nämlich Investitionsquoten von 143,9 % und 107,2 % in Bezug auf die zugeflossenen Anlegergelder. Dabei seien die gebildeten stillen Reserven in den Investitionen noch nicht berücksichtigt. Bei einer Analyse der jüngeren Segmente, die sich noch in der Platzierungsphase oder erst kurz nach Beendigung der Platzierungsphase befänden, seien für eine Deckungsgradberechnung die zukünftige Entwicklung und insbesondere die noch ausstehenden Einlagen zu berücksichtigten. Die gegenwärtige Realisierung des unternehmerischen Risikos, nämlich das Zurückbleiben der Gewinne und der stillen Reserven hinter den Planansätzen, begründe keine Sittenwidrigkeit des Beteiligungsangebots.

14

Ein Anspruch auf Rückzahlung der Einlage sei in Anwendung der Grundsätze

15

über die fehlerhafte Gesellschaft nicht gegeben. Sämtliche im Rechtsstreit erklärten Kündigungen, Widerrufe und Anfechtungen seien ausschließlich von dem Kläger, nicht aber von der Drittwiderbeklagten abgegeben worden. Die Widerrufsbelehrung stehe in Einklang mit dem Haustürwiderrufsgesetz. Die Berechtigung der Widerklagen ergebe sich aus der Wirksamkeit der Beteiligungen.

16

Die Beklagte zu 2 verteidigt das angefochtene Urteil ebenfalls. Auf negative Presseberichterstattung habe die Beklagte zu 2 nicht hinweisen müssen. Veröffentlichungen aus den Jahren 1993 bis 1995 seien im Zeitpunkt der Zeichnung völlig veraltet gewesen und hätten überdies nicht die Beklagten zu 1 betroffen. Auf Presseberichterstattungen müsse ein Vermittler nur auf Nachfrage von Kunden eingehen. Die Beklagte zu 2 habe vor Aufnahme des Vertriebs und laufend danach die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Kapitalsuchenden geprüft.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

18

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet, da die geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen und die mit den Widerklagen erhobenen Ansprüche begründet sind.

19

1.

Fehlvorstellungen, denen der Kläger und die Drittwiderbeklagte bei der Zeichnung ihrer Beteiligungen erlegen sein wollen und die auf ein die Vertragsauflösung oder Vertragsunwirksamkeit begründendes Verhalten zurückzuführen sein sollen, das sie den Beklagten zugerechnet wissen wollen, könnten allein nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft berücksichtigt werden. Sie könnten also allein mit Wirkung für die Zukunft zu einem Ausscheiden des Klägers und der Drittwiderbeklagten aus der atypischen stillen Gesellschaft auf Grund außerordentlicher Kündigung der Beteiligung führen. Eine dem Kläger und der Drittwiderbeklagten insoweit günstigere rechtliche Regelung bestünde nur, wenn die kapitalmarktrechtliche Prospekthaftung des § 13 VerkaufsprospektG (mit Verweisung auf § 45 BörsenG) gelten würde, für die ein Vorrang vor gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen angenommen wird (vgl. nur Schwark, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, § 45 BörsenG Rz. 13; Begründung zum 3. FMFG, BT-Drucks. 13/ 8933, S. 78: § 45 ist abschließende Spezialregelung). Eine derartige Haftung gibt es für die Kapitalanlageform der Unternehmensbeteiligung jedoch derzeit nicht; das Bundesministerium der Finanzen plant lediglich eine entsprechende Ausweitung im Entwurf eines Anlegerschutzverbesserungsgesetzes (AnSVG) vom 21. April 2004.

20

2.

Der BGH wendet die Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaften auf atypische wie auf typische stille Beteiligungen an (BGH NJW 1993, 2107 [BGH 24.05.1993 - II ZR 136/92]; ebenso u.a. OLG Frankfurt/M. NJW-RR 2004, 36, 38 [OLG Frankfurt am Main 01.07.2003 - 14 U 148/02]; OLG Hamm WM 2004, 129, 130[OLG Hamm 30.04.2003 - 8 U 92/02]; OLG Stuttgart ZIP 2003, 763, 765[OLG Stuttgart 06.11.2002 - 14 U 21/02] - Real Direkt AG; OLG Dresden ZIP 2002, 1293, 1295 - Securenta; MünchKomm. HGB/K.Schmidt, 2002, § 230 Rz. 128 für atypische stille Gesellschaften, die eine den Handelspersonengesellschaften angenäherte Vermögens- und Organisationsstruktur aufweisen, insbesondere stille Publikumsgesellschaften; a.A. OLG Schleswig ZIP 2003, 74, 77 - Real Direkt AG; MünchKomm. BGB/Ulmer, 4. Aufl., § 705 Rz. 359, für alle Innengesellschaften ohne Gesamthandsvermögen u.a. wegen unerwünschter Abgrenzungsprobleme zwischen stiller Gesellschaft und partiarischen Rechtsverhältnissen); der Senat folgt dieser Auffassung. Der Gesellschaftsvertrag sieht in § 8 Abs. 4 und 5 mit-gliedschaftliche Mitverwaltungsrechte im Sinne des § 164 HGB vor (vgl. dazu MünchKomm. HGB/K. Schmidt, § 230 Rz. 134). Im vorliegenden Fall bilden die nebeneinander bestehenden, jedoch voneinander abhängigen stillen Beteiligungen eine Publikumsgesellschaft (zur Bildung mehrgliedriger stiller Gesellschaften vgl. MünchKomm. HGB/K. Schmidt § 230 Rz. 83). Aus den Minimalbeteiligungen der einzelnen stillen Gesellschafter könnten keinerlei Investitionen getätigt werden. Die Gesamtheit der Gesellschafter wird in § 11 und § 24 des Gesellschaftsvertrages zur Regelung wechselseitiger Interessen bei der Gewinn- und Verlustverteilung im laufenden Geschäftsbetrieb und bei Liquidation der Unternehmensinhaberin angesprochen. Die stillen Beteiligungen des Klägers und der Drittwiderbeklagten sind dadurch in Vollzug gesetzt worden, dass die Anleger ihre Einlagen teilweise geleistet haben (vgl. zu diesem Erfordernis BGH NJW 2000, 3558, 3560 [BGH 27.06.2000 - XI ZR 174/99]) [BGH 27.06.2000 - XI ZR 174/99].

21

Die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft, die die Konsequenz haben, dass der Gesellschafter eine Rückzahlung der Einlage nur nach Maßgabe des Abfindungsanspruchs gem. § 235 HGB verlangen kann (OLG Stuttgart ZIP 2003, 763, 765 f.[OLG Stuttgart 06.11.2002 - 14 U 21/02]; OLG Dresden ZIP 2002, 1293, 1296; s. ferner BGH NJW 2001, 2718, 2720 [BGH 02.07.2001 - II ZR 304/00]; NJW 2000, 3558, 3560 [BGH 27.06.2000 - XI ZR 174/99]) [BGH 27.06.2000 - XI ZR 174/99] können nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein Schadensersatzanspruch, wie er sich bei isolierter Betrachtung - die Richtigkeit der Behauptungen des Klägers unterstellt - aus Delikt oder cic ergeben würde, in die Abschichtungsbilanz eingestellt wird (im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt/M. NJW-RR 2004, 36, 39) [OLG Frankfurt am Main 01.07.2003 - 14 U 148/02]. Damit würde die rückwirkende Auflösung des Gesellschafterbeitritts auf einem Umweg erreicht werden. Im Übrigen steht ein Zahlungsbetrag in Höhe der geleisteten Einlage wegen der Teilnahme der atypischen stillen Gesellschafter am Verlust des Vermögensinhabers gerade nicht fest.

22

Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 20. Januar 1999 (ZIP 1999, 1128, 1129) für eine Publikums-KG dargelegt, dass der Schutz von Kapitalanlegern, die der Gesellschaft unter dem Einfluss unzureichender Anlageinformationen beigetreten sind, nicht durch Rückzahlung der Einlage oder unter Verweigerung der Erbringung der Einlage bewirkt werden darf, weil das dadurch ausgelöste "Windhundrennen" die gebotene gesellschaftsrechtliche Gleichbehandlung aller benachteiligten Anlagegesellschafter verletzen würde, nämlich die zufällig ersten prozessual erfolgreichen Gesellschafter begünstigt würden. Diese Überlegung gilt auch für die Beteiligung stiller Gesellschafter an einer stillen Publikumsgesellschaft. Eine gegenteilige Wertung ist nicht der insolvenzrechtlichen Rechtsprechung zu entnehmen. Wenn im Falle einer Insolvenz des Geschäftsinhabers diejenigen Gesellschafter, die ihre Beteiligung innerhalb der Jahresfrist vor Stellung des Antrags auf Insolvenzeröffnung auf Grund eines gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsrechts gekündigt und ihre Einlagen zurückerhalten haben, sich besser stehen als Gesellschafter, die der Gesellschaft zurzeit der Einleitung des Insolvenzverfahrens noch angehören, weil eine insolvenzrechtliche Anfechtung der vorherigen Rückgewähr gem. § 136 InsO bzw. § 237 HGB a.F. nicht zugelassen wird (vgl. OLG Stuttgart NZG 2000, 93, 94; OLG Celle NZG 2000, 85, 87 [OLG Celle 23.07.1999 - 9 U 307/98]), handelt es sich nicht um eine vergleichbare Situation.

23

Die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft sind nicht anzuwenden, wenn schützenswerte Belange der Allgemeinheit oder außenstehender Dritter einer Abwicklung nur für die Zukunft entgegenstehen. Solche Belange sind im Streitfall jedoch nicht tangiert.

24

3.

Gründe für eine außerordentliche fristlose Kündigung der stillen Beteiligung sind nicht gegeben.

25

a)

Etwaige Fehlvorstellungen, denen der Kläger bei Zeichnung der Beteiligung zum Opfer gefallen sein will und die vom Anlagevermittler in zurechenbarer Weise induziert worden sein sollen, sind weder unter dem Gesichtspunkt vorsätzlicher Täuschung (§ 123 BGB) noch unter dem Gesichtspunkt eines von dem Vermittler fahrlässig herbeigeführten Irrtums (cic) substantiiert dargetan worden. Jedenfalls sind sie für die Abgabe der Beteiligungserklärung nicht wirksam geworden. Das Landgericht hatte keinen Anlass, Beweis über die Behauptung einer Täuschung zu erheben.

26

aa)

Die Berufungsbegründung, die in Bezug auf die behaupteten Informationsmängel im Wesentlichen nur in diffuser Weise den unzureichenden erstinstanzlichen Sachvortrag wiederholt, statt sich mit behaupteten Rechtsfehlern des angefochtenen Urteils auseinanderzusetzen, unterscheidet nicht in gebotener Weise klar zwischen dem Vorwurf unzureichender Aufklärung, also der Unterlassung rechtlich notwendiger Informationen, und der Täuschung bzw. Irreführung durch positive Erklärungen, zu denen auch schönfärberische Äußerungen gehören würden. Für den sog. grauen Kapitalmarkt, zu dem der Vertrieb der streitgegenständlichen Beteiligungen gehört, können keine strengeren Anforderungen gelten als für den geregelten Markt und den Freiverkehr mit Wertpapieren. § 31 WpHG legt insoweit - aus heutiger Sicht - die Anforderungen fest. Sie schlagen sich auch in Richtlinien der Bundesanstalt für Finanzen nieder, die gem. § 35 Abs. 6 WpHG aufgestellt worden sind. Die Mitteilung zweckdienlicher Informationen ist danach geschuldet, soweit sie zur Beurteilung der Anlage erforderlich sind, nicht aber um ein nachträgliches Reurecht zu begründen, wenn sich die wirtschaftlichen Erwartungen nicht erfüllt haben. Welcher Regelungsbedarf für den grauen Markt aus fachlicher Sicht des Bundesministeriums der Finanzen - Vorschläge des Deutschen Juristentages 2002 aufgreifend - besteht, ergibt sich aus dem Gesetzentwurf des AnSVG vom 21.4.2004. Dessen Art. 2 will das VerkaufsprospektG erweitern und in § 8 f Abs. 1 die Prospektpflicht u.a. auf Unternehmensbeteiligungen anwenden. Nach dessen § 8 g Abs. 1 muss der Verkaufsprospekt alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, die notwendig sind, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlagen zu ermöglichen. In sachgerechter Weise wird als maßgebliches Informationsmedium der Verkaufsprospekt angesehen, den der Anleger in Ruhe nachlesen kann. Die zivilrechtliche Haftung für den Vertrieb von Kapitalanlagen kann keine höheren Standards setzen und insbesondere weder zur Pflicht machen, dass das Schwergewicht auf das flüchtige und u. U. missverständliche gesprochene Wort zu legen ist, noch den Informationsbedarf weiter ziehen.

27

Der Emissionsprospekt und der Zeichnungsschein der Beklagten zu 1 stellen je für sich die relevanten Informationen in verständlicher Weise zur Verfügung. Insbesondere geben sie die notwendigen Hinweise auf die für Unternehmensbeteiligungen typischen Risiken. Der Hinweis auf die mögliche Nachschusspflicht findet sich im Zeichnungsschein in Fettdruck unmittelbar über der ersten Unterschriftszeile. Dessen Warnfunktion hatte auch deshalb ein stärkeres Gewicht als eine mündliche Aufklärung durch den Anlagevermittler, weil der Vermittler den tatbestandlichen Voraussetzungen des HTWiG an den Kläger und die Zedentin herantrat, um den Vertragsabschluss anzubahnen, er also erkennbar keine neutrale Beratungsfunktion wie ein selbst ausgewählter Berater innehatte.

28

Da der Kläger und die Drittwiderbeklagte den klar gegliederten Zeichnungsschein unterschrieben haben, haben sie bereits aus diesem Papier die Risiken ersehen können. Darüber hinaus geht der Senat - ohne dass es noch darauf ankommt - in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon aus, dass der Kläger und die Drittwiderbeklagte den Emissionsprospekt erhalten haben. Sie haben dies durch gesonderte Unterschriften in einem optisch deutlich abgesetzten Teil des Zeichnungsscheins individuell bestätigt (GA I/55) und geben keinerlei Erklärung dafür, inwiefern sich die unter Zeugenbeweisantritt gestellte prozessuale Behauptung des Gegenteils damit vereinbaren lassen soll; die bloße Behauptung, den Schein nicht gelesen zu haben, reicht dafür nicht. Hinzu kommt, dass außergerichtlich im Schreiben vom 11. April 2002 der Empfang des Prospekts eingeräumt worden ist. Dies legt den Verdacht nahe, dass der Kläger und die Drittwiderbeklagte durch ihre Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, wie es ihnen nach der Prozesslage ohne Ausrichtung auf den Wahrheitsgehalt des Vortrags opportun erscheint. Deshalb war der Beweis nicht zu erheben.

29

Durch die schriftliche Informationserteilung ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass ein Anlagevermittler im mündlichen Gespräch Angaben macht, in denen die Risiken schöngeredet werden, oder dass er zutage getretene Fehlverständnisse des Anlegers unkorrigiert lässt. In substantiierter Weise, die prozessual die Verteidigungsbelange der Beklagten berücksichtigt, ist dazu nichts vorgetragen worden. Das Vorbringen erschöpft sich in dem unspezifischen globalen Vorwurf, der Kläger und die Drittwiderbeklagte hätten das Beteiligungskonzept als sichere Kapitalanlage verstanden.

30

Unzutreffend ist die Auffassung des Klägers und der Drittwiderbeklagten, eine Unternehmensbeteiligung sei schlechthin als Altersvorsorge ungeeignet. Ob sich ein Anleger zu ihrer Zeichnung entschließt, hängt allein von seiner autonom getroffenen Entscheidung ab; es gibt von Rechts wegen keine Risikobegrenzung in Form eines Verbots bestimmter Anlageformen. Der Anleger ist lediglich durch zutreffende und vollständige Informationen in die Lage zu versetzen, die Risiken richtig einzuschätzen. Die Unternehmensbeteiligung ist angesichts der Investitionsmaßnahmen gem. § 8 des Gesellschaftsvertrages (vornehmlich Immobilien) nicht in eine hohe Risikokategorie einzustufen.

31

Unzutreffend ist die Annahme, es müsse schlechthin über negative Presseberichterstattung aufgeklärt werden; Emittenten und Anlagevermittler müssen keine Gegenwerbung betreiben. Geschuldet ist nur die Information über dort geäußerte konkretisierte und substanzhaltige Verdachtsmomente u.a. zu einer negativen Entwicklung des Anlageobjekts. Auf sie kann ein Informationsmangel aber nur gestützt werden, wenn sich die anfänglichen Indizien nachträglich bewahrheiten; dadurch wird der Anlegerschutz zeitlich vorverlegt. Dazu haben der Kläger und die Drittwiderbeklagte indes nichts vorgetragen; aus den Kopien, die in diesem Verfahren sowie in den am gleichen Tage vor dem Senat verhandelten Parallelverfahren vorgelegt worden sind, ergeben sich gleichfalls keine Anhaltspunkte.

32

bb)

Eine vorsätzliche Täuschung muss ebenso wie ein fahrlässig herbeigeführter Irrtum für die Abgabe der Willenserklärung ursächlich geworden sein; dabei genügt bloße Mitverursachung (BGH NJW 1995, 2361, 2362 [BGH 12.05.1995 - V ZR 34/94]) [BGH 12.05.1995 - V ZR 34/94]. Ein etwaiges Verschulden des Getäuschten schließt die Kausalität nicht aus (BGH NJW 1997, 1845, 1847 [BGH 23.04.1997 - VIII ZR 212/96]; NJW 1989, 287, 288 [BGH 28.09.1988 - VIII ZR 160/87]; MünchKomm. BGB/Kramer § 123 Rz. 12). Die Täuschung muss nach der Lebenserfahrung angesichts der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung haben (BGH NJW 1997, 1845, 1847 [BGH 23.04.1997 - VIII ZR 212/96]; NJW 1995, 2361, 2362 [BGH 12.05.1995 - V ZR 34/94]) [BGH 12.05.1995 - V ZR 34/94]; einen Anscheinsbeweis gibt es dafür nicht (BGH NJW 1996, 1051 [BGH 20.11.1995 - II ZR 209/94]). Wenn der Getäuschte zunächst am Vertrag festhält, nachdem er vom wahren Sachverhalt Kenntnis erlangt hat, kann dies Zweifel nähren, ob er den Vertrag nicht auch in Kenntnis der Umstände geschlossen hätte (OLG Köln NJW-RR 1992, 908, 910 [OLG Köln 31.07.1991 - 2 U 53/91]; MünchKomm. BGB/Kramer a.a.O.).

33

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das LG die Kausalität zutreffend verneint. Es drängt sich die Folgerung auf, dass enttäuschte Gewinnerwartungen des unternehmerischen Engagements, nicht aber eine kausale Täuschung die Loslösung von der Beteiligung stützen sollen. Geht man davon aus, dass der Kläger und die Drittwiderbeklagte die schriftlichen Warnhinweise zur Kenntnis genommen haben müssen, bleibt nur die Erklärung, dass sie die Beteiligung auf Grund einer eigenverantwortlichen Prüfung unterzeichnet haben. Wenn sie sich in einer Überrumpelungssituation befunden hätten, hätten sie die gesetzliche Widerrufsmöglichkeit nach dem HTWiG nutzen können. Somit haben sie offenbar bewusst an den Verträgen festgehalten, was es zugleich als unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass sie die Beteiligungserklärungen unter einem kausal wirkenden Einfluss fehlerhafter Aufklärungen des Vermittlers gezeichnet haben.

34

b)

§ 138 BGB ist nicht anwendbar. Der Vorwurf eines Schneeballsystems, den der Senat bereits in seinem Urteil vom 15.05.1996 (9 U 41/95) geprüft und verworfen hat, war zuletzt Gegenstand der Prüfung durch die Staatsanwaltschaft B.. Die Staatsanwaltschaft ist der Frage auf Grund einer Strafanzeige des Präsidenten des früheren Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen eingehend nachgegangen. Im Einstellungsbescheid vom 20. September 2002 ist die Frage auf den Seiten 3 ff. untersucht und verneint worden. Das für das OLG Köln erstattete Sachverständigengutachten der B. Warentreuhand AG vom 14. Februar 1996 hat verneint, dass ein Schneeballsystem gegeben sei, bei dem die gesamte an die Anleger ausgezahlte Rendite durch "frisches Geld" neuer Anleger finanziert wird und das sich daher zu Lasten späterer Anleger am Markt tot laufen muss. Dieses Gutachten ist mit einem vom Herausgeber des Gerlach-Reports eingeholten SCHITAG-Gutachten, das zu anderen Ergebnissen kam, konfrontiert und für das OLG Köln durch ein Gutachten von Professor Dr. H. (Universität K.) überprüft worden. Das Gutachten H. ist nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft auf Seite 65 zu dem Ergebnis gekommen, bei Würdigung der Plausibilität und Konsistenz der Unternehmensplanung hätten keine Anhaltspunkte dafür festgestellt werden können, dass eine Restituierung des Kapitals der Aktionäre und stillen Gesellschafter ausgeschlossen sei. Dem hat sich die Staatsanwaltschaft Braunschweig auf Seite 18 ihres Einstellungsbeschlusses angeschlossen und damit die Ergebnisse früherer Vorermittlungsverfahren, wie sie seit dem Jahre 1994 wiederholt getroffen wurden, bestätigt. Der Kläger hat nicht aufgezeigt, in welchen Punkten die Schlussfolgerungen der Gutachter und der Staatsanwaltschaft Braunschweig unrichtig sein könnten. Demzufolge bestand kein Anlass, ein weiteres Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben.

35

Die vertragsgemäß vorgesehenen Emissionskosten, die nicht zur Investition zur Verfügung stehen, begründen für sich genommen kein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Die Emissionskosten dienten dem Aufbau eines Vertragsbestandes zur Sammlung investitionsfähigen Kapitals aus Einlagen einer Vielzahl stiller Gesellschafter. Eine Bewertung ihrer Marktangemessenheit steht dem Senat grundsätzlich nicht zu, da § 138 Abs. 1 BGB keine Preiskontrollvorschrift ist. § 138 Abs. 1 BGB wäre allerdings anzuwenden, wenn die Emissionskosten wegen ihrer Höhe einen Vertragserfolg des Anlegers systembedingt ausschließen oder wenig wahrscheinlich machen würden. Das lässt sich nicht feststellen.

36

Das Gutachten von Professor H. kommt mit seiner abschließenden Aussage (vgl. S. 17 des Einstellungsbescheides der Staatsanwaltschaft Braunschweig) zu dem Ergebnis, dass die systembedingt zur Verfügung stehenden Investitionsmittel Vermögenszuwächse als plausibel erscheinen ließen und nicht systembedingt

37

eine Restituierung des Kapitals der Aktionäre und stillen Gesellschafter ausgeschlossen sei. Letztlich ist dieser Vorwurf des Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung nur eine Variante der bereits verworfenen Behauptung eines auf Einlagevernichtung angelegten Schneeballsystems. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte haben nicht plausibel dargelegt, dass eine Disparität zwischen Einlage und unternehmerischen Gewinnchancen sowie steuerlichen Vorteilen im Zeitpunkt der Zeichnung bestand. Die beispielhaften Berechnungen sind aus Vertragsentwicklungen entnommen, die lediglich einen zeitlich nach Vertragsschluss liegenden Momenteindruck vermitteln, die aber, sollten sie vom Kläger und der Drittwiderbeklagten überhaupt richtig interpretiert worden sein, keinen Rückschluss auf schon anfänglich fehlende Entwicklungsmöglichkeiten der Konzeption und deren Umsetzung nach den Verhältnissen bei Vertragsschluss zulassen. Zudem ist im Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Braunschweig dargelegt worden, dass die Investitionen in einzelnen Kalenderjahren relevante Erträge erbracht haben.

38

4.

Der Widerruf nach dem HTWiG ist verspätet erklärt worden. Die Widerrufsbelehrung entspricht den gesetzlichen Anforderungen des § 2 Abs. 1 S. 2 HTWiG (Fassung bis 30. September 2000, danach gem. Gesetz v. 27. Juni 2000 vorübergehend § 361 a BGB a.F., jetzt § 355 BGB). Sie ergibt klar, dass die Aushändigung der Widerrufsbelehrung den Lauf der Widerrufsfrist auslöste (s. auch OLG Dresden ZIP 2003, 1293, 1294). Die vermeintliche Gefahr eines Fehlverständnisses hätte im Übrigen kein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht zur Folge gehabt, sondern nur einen Fristbeginn ab dem spätestmöglichen Zeitpunkt, der durch die Auslegungsvarianten begründet wurde.

39

5.

Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen die Abweisung der Hilfsansprüche zur Vorbereitung einer derzeit nicht anstehenden Auseinandersetzungsberechnung fehlerhaft sein soll. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte haben insoweit auch keine detaillierten Rügen erhoben. Zu einer ordentlichen Kündigung waren die Anleger nicht berechtigt.

40

6.

Aus den Gründen der Abweisung der Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 ergibt sich zugleich, dass die gegen den Beklagten zu 2. erhobenen Ansprüche unbegründet sind.

41

7.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 und 543 ZPO. Der Streitwert setzt sich aus den Einzelwerten der Zahlungsanträge von Klage und Widerklagen (6.764,39 und 2.738,02 Euro), des Feststellungsantrags (6.764,39 Euro) und des Auskunftsantrags (2.000 Euro) zusammen. Die Bewertung des Feststellungsantrags beruht auf § 9 ZPO, die Bewertung des Auskunftsantrags auf den Wertvorstellungen über den mit der Auskunft vorzubereitenden Hauptantrag, wie sie der Kläger und die Drittwiderbeklagte in der Verhandlung vor dem Senat noch einmal präzisiert haben (Behauptung zur Höhe der Einlage als Bilanzposition, Schätzung der Beteiligung am angesammelten Vermögen, Behauptung eines negativen Kapitalkontos, Abschlag für bloße Auskunft).

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 18.266,80 Euro festgesetzt.

Dr. S.
Dr. W.
Prof. Dr. A.