Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.07.2004, Az.: 14 W 63/03

Vergütung eines Sicherheitskoordinators und Gesundheitskoordinators; Anwendbarkeit der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI); Tätigkeit als Sicherheitskoordinator bei einem Bauvorhaben

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.07.2004
Aktenzeichen
14 W 63/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 16150
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2004:0705.14W63.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 20.11.2003 - AZ: 9 O 314/03

Fundstellen

  • BTR 2004, 235
  • BauR 2006, 601-603 (Volltext mit red. LS)
  • BauR 2004, 1649-1650 (Volltext mit amtl. LS)
  • BauRB 2004, XI Heft 9 (amtl. Leitsatz)
  • BauRB 2004, 297-298 (Volltext mit amtl. LS)
  • BrBp 2004, 474
  • FStBay 2005, 236-237
  • IBR 2004, 431
  • NJW-Spezial 2005, 457 (Kurzinformation)
  • NZBau 2005, VI Heft 1 (amtl. Leitsatz)
  • NZBau 2005, 529 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2004, 479-480

Amtlicher Leitsatz

Die Vergütung des Sicherheits- und Gesundheitskoordinators richtet sich nicht nach der HOAI. Deshalb gilt insbesondere kein Schriftformerfordernis für den Vertragsabschluss.

In der Beschwerdesache hat
der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 28. November/2. Dezember 2003
gegen den ihm am 27. November 2003 zugestellten Beschluss
des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 20. November 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 5. Juli 2004
beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für den in der Klageschrift vom 22. Oktober 2003 enthaltenen Antrag bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt S. K. in H. zu den Bedingungen eines in L. ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.

Gründe

1

Die gemäß § 127 Abs. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet.

2

1.

Das Landgericht hat eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage zu Unrecht mit der Begründung verneint, die Tätigkeit des Klägers als Sicherheits- und Gesundheitskoordinator ("SiGeKo") nach der Baustellenverordnung sei als eine Sonderleistung anzusehen, die nach § 5 Abs. 4 HOAI nur bei schriftlicher Honorarvereinbarung vergütungspflichtig sei. Bei dieser Tätigkeit, mit der die Beklagte den Kläger gesondert während des Bauvorhabens beauftragt hatte, handelt es sich aber nicht um eine in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) geregelte Leistung. Deshalb gilt für eine solche Leistung die HOAI nicht und es besteht deshalb insbesondere auch keinerlei Schriftformerfordernis für den Abschluss eines solchen Vertrags (ebenso Quack, BauR 2002, 541 f.; Portz, BauR 2002, 1160 f., Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rdnr. 784; dazu neigend: Vygen a. a. O. Rdnr. 8 zu § 2; anderer Ansicht Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., Rn. 177 zu § 15). Das folgt ganz einfach daraus, dass das Gesetz zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur und Architektenleistungen (MRVG) den Verordnungsgeber nicht zur Regelung der Vergütung eines Sicherheits- und Gesundheitskoordinators nach der Baustellenverordnung ermächtigt hat. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um eine arbeitsschutzrechtliche Tätigkeit, also um keine Architekten und Ingenieurtätigkeit. Die HOAI als öffentliches Preisrecht knüpft an bestimmte Leistungsbilder des Architekten und Ingenieurs an und schränkt die Vertragsfreiheit insoweit aus bestimmten Gründen ein. Diese Einschränkung auch auf anderweitige Tätigkeiten auszudehnen, ist keineswegs gerechtfertigt und war ersichtlich auch vom Gesetzgeber nicht gewollt. Ziel des MRVG war eine Begrenzung des Mietanstiegs und die Gewährleistung angemessener Architektenhonorare im Interesse der Baukultur (vgl. die Begründung zu § 1 HOAI). Dagegen ist Ziel der Baustellenverordnung der Arbeitsschutz auf den Baustellen. Beides ist so unterschiedlich, dass es nicht einmal vergleichbar ist (so völlig zu Recht Quack, a. a. O., S. 545).

3

Geschuldet wird von der Beklagten somit mangels anderer Vereinbarung gemäß §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB a. F. das übliche Honorar, wobei hier offen bleiben kann, ob ein Dienst oder Werkvertrag anzunehmen ist. Da der Kläger die Tätigkeit als Sicherheits- und Gesundheitskoordinator gesondert übernahm, stellt sich auch kein Problem im Hinblick auf das vereinbarte Architektenhonorar. Die vom Kläger geforderte Vergütung von 0,4 % der Nettobausumme liegt im Rahmen des Üblichen, jedenfalls aber nicht ohne weiteres darüber (vgl. dazu Werner/Pastor a. a. O.). Ggf. muss das Landgericht insoweit noch eine weitere Aufklärung vornehmen, z. B. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Zu berücksichtigen sein wird in diesem Zusammenhang aber auch, wenn die Beklagte tatsächlich auf die Rechnung des Klägers vom 2. Dezember 2003 (Anlage K 9) für die Tätigkeit als Sicherheitskoordinator bei einem anderen Bauvorhaben 0,6 % der Nettobausumme gezahlt haben sollte.

4

Dass die Beklagte behauptet, mit dem Kläger eine unentgeltliche Tätigkeit vereinbart zu haben, hat im Prozesskostenhilfeverfahren außer Betracht zu bleiben, weil die Beklagte für die Richtigkeit dieser Behauptung beweispflichtig ist und somit zu dieser Frage durch Vernehmung der von beiden Parteien benannten Zeugen noch Beweis zu erheben sein wird.

5

2.

Nicht entschieden zu werden braucht im Prozesskostenhilfeverfahren über die von der Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzforderung. Deshalb kann auch offen bleiben, ob die Aufrechnung überhaupt gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO zulässig ist. Denn ob die geltend gemachte Schadensersatzforderung begründet ist, kann wegen des streitigen Vorbringens der Parteien im Prozesskostenhilfeverfahren nicht abschließend beurteilt werden. Die Klärung muss ggf. vielmehr dem Klageverfahren vorbehalten bleiben.

6

3.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nicht die vom Kläger erklärte Klageerweiterung und der dazu ebenfalls gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Darüber wird das Landgericht noch befinden müssen.

7

4.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.