Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.07.2004, Az.: 4 W 128/04
Erforderlichkeit einer Zustimmung eines Nacherben zur Übereignung eines Nachlassgrundstücks durch einen nicht befreiten Vorerben; Erforderlichkeit eines Nachweises über die Befreiung eines Vorerben durch öffentliche Urkunden; Nachweis über die Befreiung einer Vorerbschaft durch einen Erbschein; Ausreichen einer beglaubigten Abschrift eines privatschriftlichen Testamtens für den Nachweis eines Vermächtnisses
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 23.07.2004
- Aktenzeichen
- 4 W 128/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 16160
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:0723.4W128.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 10.06.2004 - AZ: 5 T 220/04
- LG Hildesheim - 10.06.2004 - AZ: 5 T 221/04
Rechtsgrundlage
- § 78 S. 1 GBO
Fundstellen
- OLGReport Gerichtsort 2004, 488-489
- ZfIR 2005, 35 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Das im Grundbuch von H. Bd. .. Blatt ... eingetragene Grundstück
Amtlicher Leitsatz
Übereignet der nicht befreite Vorerbe in Erfüllung eines angeordneten fälligen Vermächtnisses ein Nachlassgrundstück an den Vermächtnisnehmer, ist hierzu die Zustimmung des Nacherben nicht erforderlich. Als Nachweis des Vermächtnisses gegenüber dem Grundbuchamt können beigezogene Nachlassakten oder eine zu den Grundakten gereichte beglaubigte Abschrift auch eines privatschriftlichen Testaments mit Eröffnungsprotokoll genügen.
In der Grundbuchsache hat
der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die weitere Beschwerde der Antragstellerinnen vom 2. Juli 2004
gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 10. Juni 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H. sowie
die Richter am Oberlandesgericht R. und S.
am 23. Juli 2004
beschlossen:
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 10. Juni 2004 aufgehoben.
Das Amtsgericht - Grundbuchamt - Hildesheim wird angewiesen, über den Antrag der Antragstellerinnen vom 23. Februar 2004 erneut zu entscheiden und dabei von den in den Verfügungen vom 22. März und 3. Mai 2004 i. V. m. dem Nichtabhilfebeschluss vom 2. Juni 2004 erhobenen Bedenken abzusehen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
Die gemäß § 78 S. 1 GBO zulässige weitere Beschwerde hat in dem aus dem Tenor dieses Senatsbeschlusses ersichtlichen Umfang Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Rechtspflegers und - ihm folgend - des Landgerichts steht der Bewilligung der beantragten Eintragung im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass die Antragstellerinnen nicht in Form öffentlicher Urkunden nachgewiesen haben, dass die Antragstellerin zu 2 befreite Vorerbin ist bzw. die Auflassung des Grundstücks nur in Erfüllung eines Vermächtnisses des Erblassers vornimmt. Denn im vorliegenden Fall ist die vom Amtsgericht - Nachlassgericht - H. zu den Grundakten gereichte beglaubigte Fotokopie des privatschriftlichen Testaments des Erblassers vom 23. Mai 1993 nebst Eröffnungsprotokoll vom 13. Mai 2003 als ausreichender Nachweis anzusehen.
1.
Allerdings ist auch heute noch in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob die Befreiung des Vorerben stets im Sinne der §§ 51, 29 GBO durch öffentliche Urkunden nachgewiesen werden muss und ob insbesondere auch bei Erfüllung von privatschriftlich angeordneten Vermächtnissen stets ein Erbschein notwendig ist, aus dem die angeordnete Befreiung ersichtlich ist. Dieser strenge Standpunkt ist allerdings vor allem in früherer Zeit überwiegend vertreten worden und wird teilweise vor allem im Schrifttum auch heute noch befürwortet (vgl. BayObLG Rpfleger 1974, 355; 1977, 285; OLG Hamm Rpfleger 1984, 312, ferner Meikel/Kraiß, Grundbuchrecht, 9. Aufl., 2004, § 51 GBO, Rdnr. 53). Demgegenüber wird vor allem in der neueren Rechtsprechung und im Schrifttum die wohl im Vordringen befindliche Auffassung vertreten, dass der entsprechende Nachweis bei einem privatschriftlichen Testament auch durch Einsichtnahme in etwa beigezogene Nachlassakten oder durch beglaubigte Abschrift des privatschriftlichen Testaments nebst Eröffnungsniederschrift geführt werden kann (so bereits Deimann, Rpfleger 1978, 244; ferner OLG Hamm NJWRR 1996, 1230; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13. Aufl., 2004, Rdnr. 3520;) Demharter, Grundbuchordnung, 24. Aufl., 2002, § 51 GBO Rdnr. 34; so ausdrücklich zuletzt auch OLG Düsseldorf DNotZ 2003, 637 [OLG Düsseldorf 07.03.2003 - 3 Wx 162/02] und ausdrücklich offen gelassen von BayObLG DNotZ 2001, 808).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Wie schon Deimann a.a.O. hervorgehoben hat, entspricht es praktischen Bedürfnissen und auch den für den Nachweis eines Vermächtnisses bei Testamentsvollstreckungen entwickelten Grundsätzen (vgl. dazu Schöner/Stöber a. a. O. Rdnr. 3439), auch die privatschriftliche Erklärung eines Erblassers, die zweifelsfrei die Pflichtmäßigkeit der Handlungen der Vorerben ergibt, grundsätzlich zum Nachweis der Erfüllung eines Vermächtnisses des Erblassers durch den Vorerben als ausreichenden Nachweis anzusehen, wobei materiellrechtlich ohnehin vorherrschende, wenn nicht heute gar einhellige Meinung ist, dass eine Zustimmung des Nacherben bei Verfügungen, die zur Erfüllung von Vermächtnissen des Erblassers dienen, der Zustimmung des Nacherben nicht bedürfen, weil sie ihn in seinen Rechten nicht beeinträchtigen können (vgl. dazu auch neben den vorstehend genannten Nachweisen ferner: Soergel/Harder/Wegmann, BGB, 13. Aufl., 2003, § 2113 Rdnr. 14; Staudinger/Avenarius, BGB, Neubearbeitung 2003, § 2113 Rdnr. 53). Es kommt hinzu, dass - vor allem bei mehreren und evtl. von der Person her noch unbekannten Nacherben - deren Zustimmung praktisch nicht zu erlangen sein wird, was ebenfalls zu einer Erschwerung des Grundbuchverfahren führen und den Erfordernissen des Rechtsverkehrs nicht gerecht werden würde. Den Nachweis über eine Befreiung der Vorerbschaft durch einen Erbschein wird der Vorerbe im Übrigen in der Regel tatsächlich auch nicht führen können, weil im Erbschein nur die Erbfolge ausgewiesen wird, wie es auch vorstehend der Fall ist.
Mit dem Oberlandesgericht Düsseldorf a. a. O. vertritt der Senat deshalb die Auffassung, dass jedenfalls dann, wenn das privatschriftliche Testament bereits einen fälligen Vermächtnisanspruch des Vermächtnisnehmers ergibt und sich dies entweder aus den beigezogenen Nachlassakten oder der vorliegenden beglaubigten Abschrift des privatschriftlichen Testaments nebst Eröffnungsprotokoll ergibt, auch diese Urkunde ausreicht und das Fehlen öffentlichrechtlicher Urkunden i. S. d. §§ 29, 35, 51 GBO kein Eintragungshindernis darstellt.
2.
Letztgenannte Voraussetzung ist hier erfüllt. Aus der vorgelegten beglaubigten Ablichtung des Testaments des Erblassers vom 23. Mai 1993 mit Eröffnungsprotokoll (Bl. 58, 59 d.A.) ergibt sich hinreichend, dass die Antragstellerin zu 2 mit der Auflassung, die Gegenstand der beantragten Eintragung ist, nur ein Vermächtnis des Erblassers erfüllen will. Aus dem privatschriftlichen Testament selbst ergeben sich auch hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser die Übertragung des Grundstücks im Vermächtniswege bereits im Fall seines Ablebens und nicht etwa erst mit Eintritt des Nacherbfalls gewollt hat. Denn in seinem privatschriftlichen Testament formuliert der Erblasser als erstes und ausschließlich die Übertragung des Einfamilienhauses an seine Tochter C., die Antragstellerin zu 1. Im nächsten Absatz spricht er davon, dass "das restliche Vermögen" seine Ehefrau, die Antragstellerin zu 2, erben solle. Diese Formulierungen zeigen deutlich und für eine Auslegung in diesem Sinne ausreichend auf, dass der Erblasser mit seinem Ableben sofort und unabhängig vom Eintritt des Nacherbfalls die Zuwendung des Grundstücks an seine Tochter verwirklicht sehen wollte. Damit ist in ausreichender Weise nachgewiesen, dass die Vorerbin mit der begehrten Auflassung und Eintragung nur die Erfüllung eines auch fälligen Vermächtnisses des Erblassers begehrt.
Aus diesen Gründen waren der angefochtene Beschluss des Landgerichts aufzuheben und der Rechtspfleger anzuweisen, den Eintragungsantrag unter Beachtung der vorstehenden Rechtsausführungen des Senats erneut zu bescheiden. Eine Vorlage nach § 79 Abs. 2 BGO an den Bundesgerichtshof im Hinblick auf die frühere abweichende Rechtsprechung des OLG Hamm Rpfleger 1984, 312 war nicht geboten, weil das OLG Hamm selbst diese Rechtsprechung inzwischen aufgegeben hat und der erkennende Senat eben dieser neuen Rechtsprechung folgt (OLG Hamm NJWRR 1996, 1230).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 1 S. 2 KostO.