Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 08.07.2004, Az.: 11 U 46/04
Verlangen des zur Herstellung einer Sache erforderlichen Geldbetrags statt der Herstellung selbst bei Beschädigung der Sache; Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten bei Beschädigung eines Pkw; Ersatz des Wiederbeschaffungswerts; Unzumutbarkeit des Begehrens wegen Unverhältnismäßigkeit; Rechtmissbräuchlichkeit des Verlangens nach Herstellung eines an sich gebotenen Zustandes; Grenze der Unverhältnismäßigkeit; Sachbeschädigung nicht anlässlich eines Verkehrsunfalles sondern durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.07.2004
- Aktenzeichen
- 11 U 46/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 34996
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:0708.11U46.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 17.12.2003 - AZ: 10 O 9/03
Rechtsgrundlagen
- § 249 BGB
- § 251 Abs. 2 BGB
Fundstellen
- IVH 2004, 250 (Kurzinformation)
- NJW 2004, X Heft 47 (Kurzinformation)
- NJW-RR 2004, 1681-1682 (Volltext mit red. LS)
- NZV 2004, IV Heft 12 (amtl. Leitsatz)
- NZV 2005, VI Heft 1 (Kurzinformation)
- NZV 2005, 144-145 (Volltext mit red. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2005, 21-22
In dem Rechtsstreit ...
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. C.......,
die Richterin am Oberlandesgericht Dr. W....... und
den Richter am Oberlandesgericht Dr. L.......
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 17. Dezember 2003 teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.322,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf 2.383,56 EUR seit dem 20. Dezember 2002 sowie auf 3.939,08 EUR seit dem 9. Juli 2003 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 7 % und der Beklagte zu 93 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beschwer des Beklagten erreicht nicht 20.000 EUR.
Gründe
Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch, den er nach der Klarstellung im Senatstermin nicht als Kostenvorschussanspruch geltend macht, zu.
Nach § 249 BGB kann der Gläubiger bei Beschädigung einer Sache statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Da der Beklagte den Pkw des Klägers beschädigt hat, besteht mithin grundsätzlich ein Anspruch des Klägers darauf, dass der Beklagte ihm die Reparaturkosten erstattet und nicht bloß den Wiederbeschaffungswert. Dieses Begehren könnte allenfalls wegen Unverhältnismäßigkeit unzumutbar und deshalb nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein. Den gesetzlichen Anhaltspunkt für so eine Opfergrenze bietet § 251 Abs. 2 BGB. Nach dem in dieser Vorschrift ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedanken kann das Verlangen nach Herstellung eines an sich gebotenen Zustandes rechtsmissbräuchlich sein, wenn ihm der in Anspruch Genommene nur unter unverhältnismäßigen billigerweise nicht zumutbaren Aufwendungen entsprechen könnte.
Die Grenze der Unverhältnismäßigkeit ist im Streitfall nicht erreicht. Zwar ist richtig, dass die Rechtsprechung bei Beschädigungen von Pkw bei Verkehrsunfällen regelmäßig annimmt, dass beim Vorliegen eines besonderen Integritätsinteresses des Geschädigten der Schädiger lediglich zur Zahlung eines höheren Betrages als des Wiederbeschaffungswertes verpflichtet ist, wenn die Reparaturkosten nicht höher als 130 % des Wiederbeschaffungswertes liegen. Diese Grundsätze sind im
Streitfall aber nicht anzuwenden, weil die Sachbeschädigung nicht anlässlich eines Verkehrsunfalles, sondern durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erfolgt ist.
Die Rechtsprechung und insbesondere die des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 2. Oktober 1997, MDR 1988, 213 f. m.w.N.) vertritt zutreffend die Ansicht, dass bei der Frage der Unverhältnismäßigkeit auch andere Umstände als das reine Wertverhältnis zu berücksichtigen sind, insbesondere hierbei der Grad des Verschuldens, weshalb dem Schädiger auch wirtschaftlich unverhältnismäßige Aufwendungen zuzumuten sein können. Im Streitfall ist dementsprechend zu berücksichtigen, wie und warum es im Streitfall zu den Beschädigungen des Pkw durch den Beklagten gekommen ist. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte ganz bewusst die Garage des Klägers aufgebrochen und den Pkw beschädigt hat, um diesen zu schädigen. Dabei war der Beklagte sich bewusst, dass es sich bei dem Pkw für den Kläger um ein Liebhaberfahrzeug handelte, das er in blinder Zerstörungswut beschädigt hat. Unter Berücksichtigung dieser Intention und der Vorgehensweise des Beklagten sieht der Senat die Grenze der Unverhältnismäßigkeit bei Reparaturkosten in Höhe von rund 100 % über den Kosten der Wiederbeschaffung als noch nicht erreicht an.
Die Reparaturkosten belaufen sich unstreitig auf 6.322,64 EUR einschließlich Umsatzsteuer. Der Kläger hat einen Anspruch auch auf Zahlung der Umsatzsteuer, da § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. im Streitfall keine Anwendung findet.
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich zum einen aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, zum anderen aus dem Gesichtspunkt der Rechtshängigkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision erschien nicht geboten, weil der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung sie nicht erfordert; die Parteien haben auch keine Anhaltspunkte aufgezeigt, die zu anderer Beurteilung Anlass gäben.
Dr. W.
Dr. L.