Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.11.2015, Az.: 1 KN 199/13

Auslegungsbekanntmachung; Biogasanlage; Industriegebiet; öffentliche Auslegung; Trennungsgrundsatz

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.11.2015
Aktenzeichen
1 KN 199/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45127
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Fällt der erste Tag der öffentlichen Auslegung gem. § 3 Abs. 2 BauGB auf einen Feiertag, so ist dieser bei der Fristberechnung nicht mitzuzählen.

Zur Nachbarschaft von Biogasanlagen und gewerblichen Bauflächen.

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin am 14. Juli 2011 beschlossene Bebauungsplan „Biogasanlage E.“ ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan „Biogasanlage E.“ der Antragsgegnerin. Sie fürchten, die mit diesem Plan ermöglichte Errichtung einer Biogasanlage werde die Nutzbarkeit ihrer in der Nähe gelegenen Grundstücke beeinträchtigen.

Die Antragsgegnerin ist eine kleine, der Samtgemeinde H. angehörige Gemeinde im Osten des Landkreises Lüchow-Dannenberg. Ihr Hauptort wird in Nord-Süd-Richtung von der I. straße (KJ.), in Ost-West-Richtung von einer Bahnlinie durchquert. Südlich der Bahn und östlich der I. straße besteht die vorhandene Bebauung aus einigen teils zum Wohnen, teils gewerblich genutzten Gebäuden entlang der I. straße, einigen Hallen weiter östlich (unmittelbar südlich der Bahnlinie und nördlich der parallel zur Bahn verlaufenden K. straße) und etwas Bebauung außerhalb des Kernorts, längs der annähernd parallel zur Bahn verlaufenden B191. Im Übrigen war dieser Bereich zum Planungszeitpunkt unbebaut. Am Ostende der K. straße liegt das Plangebiet.

Der Antragsteller zu 1. ist Eigentümer der östlich der I. straße gelegenen, mit Wohnhäusern bebauten Grundstücke I. straße L. und M. sowie der dahinter gelegenen Flurstücke 30/21, 30/73-75, 30/77-79, 30/88, 30/105-106, 30/108, Flur 1 Gemarkung E., auf denen teilweise der Tischlereibetrieb des Antragstellers zu 1. liegt. Von der rückwärtigen Grenze der bisherigen Bebauung sind es ca. 250 m in östlicher Richtung zur Westgrenze des Plangebiets (gut 300 m bis zu den Hauptemissionsquellen der gegenwärtig dort betriebenen Biogasanlage) von der rückwärtigen Grundstücksgrenze ca. 160 m. Die Antragsteller zu 2.-4. sind Miteigentümer der Flurstücke 30/57 und 30/104, die bislang ackerbaulich genutzt werden. Das Flurstück 30/104 legt sich L-förmig um den rückwärtigen Bereich des Besitzes des Antragstellers zu 1. und wahrt einen Abstand von mindestens 100 m zum Plangebiet, das Flurstück 30/57 liegt weiter nordöstlich und grenzt unmittelbar an das Plangebiet an.

Wohl 2010 trat die offenbar von einer Gruppe örtlicher Landwirte getragene Beigeladene an die Antragsgegnerin mit dem Plan heran, im Gemeindegebiet eine Biogasanlage zu errichten, deren Kapazität oberhalb der im Außenbereich privilegierten Werte liege. Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 20.1.2011 die Aufstellung eines dieses Vorhaben ermöglichenden Bebauungsplans. Da der Flächennutzungsplan der Samtgemeinde einen Teil der für die Biogasanlage vorgesehenen Flächen als Fläche für die Landwirtschaft darstellte, sollte der Flächennutzungsplan im Parallelverfahren seine 71. Änderung erfahren. Nach einer frühzeitigen Behördenbeteiligung legte die Antragsgegnerin die Planunterlagen - gleichzeitig mit den Unterlagen zur 71. Änderung des Flächennutzungsplans - vom 1.6. bis einschließlich 1.7.2011 öffentlich im Bauamt der Samtgemeinde H. aus. Die Auslegungsbekanntmachung erschien in der N. Zeitung vom 25.5.2011. Als verfügbare Umweltinformationen waren eine Grünordnerische Untersuchung zum Bebauungsplan und der Umweltbericht gemäß § 2a BauGB sowie eine umweltbezogene Stellungnahme des Landkreises Lüchow-Dannenberg angegeben. Bereits am 23.5. erhoben alle Antragsteller - der Antragsteller zu 4. für die Miteigentumsgemeinschaft der Antragsteller zu 2.-4. - Einwendungen. Die Antragsgegnerin erklärte mit Schreiben vom 24.5.2011 dem Antragsteller zu 4., er brauche seine Einwendungen im Rahmen der öffentlichen Auslegung nicht zu wiederholen. Der Antragsteller zu 1. erhob nochmals Einwendungen am 29.6.2011 sowie im Rahmen von Sammeleinwendungen. Parallel zur Öffentlichkeits- fand die Behördenbeteiligung statt. In seiner Sitzung vom 14.7.2011 entschied der Rat der Antragsgegnerin über die eingegangenen Stellungnahmen und beschloss den Bebauungsplan als Satzung. Der Rat der Samtgemeinde beschloss die 71. Änderung des Flächennutzungsplans ein erstes Mal am 22.9.2011, legte diese dann aber nach Vornahme von Änderungen erneut vom 15.5.2012 bis zum 1.6.2012 öffentlich aus, beschloss die 71. Änderung erneut am 12.7.2012 und machte den Satzungsbeschluss am 1.10.2012 bekannt. Die Bekanntmachung des Bebauungsplans folgte am 26.10.2012 in der N. Zeitung. Am 29.10.2012 unterzeichnete der Bürgermeister der Antragsgegnerin die Verfahrensvermerke auf der Planurkunde.

Der Bebauungsplan sieht im Osten des unregelmäßig geschnittenen Plangebiets ein Industriegebiet vor, das in ein GI-1 und ein GI-2 gegliedert ist. Im GI-1 sind nach der textlichen Festsetzung 1.1 Biogasanlagen und näher beschriebene zugeordnete Nutzungen zulässig. Im letzten Absatz der textlichen Festsetzung heißt es: „Die für die Erzeugung von Biogas möglichen Einsatzstoffe (Biomasse) werden auf Stoffe beschränkt, die zum Bezug des NaWaRo-Bonus im Sinne des EEG berechtigen. Als Grundlage für die Einsatzstoffe dient die Positivliste des aktuellen EEG 2009.“ Die textliche Festsetzung zum GI-2 lässt Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe sowie ausnahmsweise betriebsbezogenes Wohnen zu. Ausgeschlossen sind in beiden Gebieten nach der textlichen Festsetzung 1.3 Tankstellen, Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke sowie Einzelhandelsnutzungen. Südlich und westlich an das Industriegebiet schließen sich verschiedene in das Plangebiet einbezogene private Grünflächen, für die die textlichen Festsetzungen Ausgleichsmaßnahmen vorsehen, an. Ein ca. 2.000 m² großes Quadrat östlich des GI-1 ist als Fläche für Wald festgesetzt. Zwischen dem GI und der östlichen Plangebietsgrenze ist ein schmaler Streifen als private Verkehrsstraße festgesetzt. In das Plangebiet einbezogen ist ebenfalls der Bereich des östlich des Plangebiets verlaufenden öffentlichen O. Weges von der Einmündung der Privatstraße nach Süden bis zur B191.

Bereits am 31.10.2011 war der Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Biogasanlage im Plangebiet erteilt worden. Unter dem 5.9.2012 erhielt die Beigeladene eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine erweiterte Anlage am selben Standort. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Antragstellers zu 1. wies das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg mit Bescheid vom 13.3.2013 zurück; zur Begründung führte es unter Berufung auf verschiedene Gutachten aus, von dem Vorhaben gingen keine Beeinträchtigungen für den Antragsteller zu 1. aus. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos (Urt. des VG Lüneburg v. 23.6.2014 - 2 A 106/13 -; Beschluss des Nieders. Oberverwaltungsgerichts v. 23.9.2015 - 12 LA 147/14 -). Mittlerweile hat die Beigeladene eine weitere Änderungsgenehmigung erhalten, gegen die Widerspruch erhoben ist.

Am Montag, dem 28.10.2013 haben die Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Sie halten ihre Anträge für zulässig. Der Antragsteller zu 1. könne sich auf Beeinträchtigungen seiner Wohn- und Gewerbegrundstücke berufen, der Antragsteller zu 2. insbesondere darauf, dass die Vermarktbarkeit seines Flurstücks 30/104 darunter leide, dass sich aufgrund der planbedingten Immissionen dort nun nicht mehr - wie seit langem von der Antragsgegnerin vorgesehen und inzwischen auch planerisch abgesichert - Gewerbe ansiedeln könne; dieses Interesse hätten sie auch in ihrem Einwendungsschreiben geltend gemacht. In der Sache tragen die Antragsteller eine Vielzahl von Rügen vor, die sich unter anderem gegen das Zustandekommen des Plans, die Behandlung der raumordnungsrechtlichen Vorgaben, den Flächennutzungsplan, die Alternativenprüfung und die Behandlung immissionsschutzrechtlicher Belange in der Abwägung richten.

Mit Schreiben vom 30.9., 1.10. und 28.10.2010 haben die Antragsteller eine Vielzahl von Verfahrens- und Abwägungsrügen gegen den Plan gegenüber der Antragsgegnerin und der Samtgemeinde erhoben.

Die Antragsteller beantragen,

den vom Rat der Antragsgegnerin am 14. Juli 2011 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan „Biogasanlage E.“ für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hält die Anträge für unzulässig. Dem Antragsteller zu 1. fehle die Antragsbefugnis. Der Widerspruchsbescheid des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes vom 13.3.2013 zeige, dass die Planauswirkungen den Antragsteller zu 1. nur im Bagatellbereich träfen. Die Antragsteller zu 2.-4. seien ebenfalls unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in abwägungserheblichen Belangen betroffen. Ihre Grundstücke lägen im Außenbereich und würden landwirtschaftlich genutzt. Darüber hinaus seien die Antragsteller zu 2.-4. präkludiert, da sie mit ihrem Einwendungsschreiben vom 23.5.2011 nur öffentliche Belange geltend gemacht hätten.

Die Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Antrag hat Erfolg.

Er ist zulässig. Der Antragsteller zu 1. ist antragsbefugt. Es ist nicht nach jeder denkbaren Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass einige Belange, die er geltend macht, in die Abwägung eingestellt werden mussten. Zwar ergeben die von der Antragsgegnerin vorgelegten Gutachten aus dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, dass seine Lärm-, Geruchs- und Staubschutzbelange durch die derzeit im Plangebiet genehmigte Anlage nur unterhalb der Bagatellgrenze berührt werden. Der angegriffene Bebauungsplan ist jedoch ein Angebotsbebauungsplan, der auch die Errichtung weit größerer Anlagen - namentlich unter Einbeziehung des als Erweiterungsfläche vorgesehenen GI-2 - oder im GI-2 von anderen Industrieanlagen als Biogasanlagen zuließe. Auch stellt der Bebauungsplan selbst nicht durch entsprechende Festsetzungen eine Bau- und Betriebsweise sicher, die Immissionen unter der Bagatellgrenze hält; die Beschränkung der Inputstoffe im letzten Absatz der textlichen Festsetzung 1 genügt hierfür nicht. Angesichts dessen wäre auch eine den Antragsteller zu 1. stärker als der genehmigte Betrieb beeinträchtigende Nutzungsweise zulässig.

Aus dem gleichen Grund ist das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers zu 1. nicht durch die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung erloschen. Der Antragsteller zu 1. hat weiterhin ein Interesse an einer Feststellung der Unwirksamkeit des Plans, da dieser zu seinem Nachteil noch weitergehend als bisher ausgenutzt werden könnte.

Auch der Antrag der Antragsteller zu 2.-4. ist zulässig.

Die Antragsbefugnis der Antragsteller ist zu bejahen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses waren ihre Grundstücke FlSt. 30/57 und 30/104 zwar unbebautes Ackerland und lagen im Außenbereich der Antragsgegnerin; inwieweit diese Nutzung durch die Planung beeinträchtigt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Die Antragsteller tragen allerdings unwidersprochen vor, jedenfalls das Flurstück 30/104 habe nach einem bereits bei Satzungsbeschluss im Verfahren befindlichen und inzwischen in Kraft getretenen Bebauungsplan als Gewerbe- bzw. Mischgebiet ausgewiesen werden sollen. Gerade auf die Beeinträchtigung einer gewerblichen Nutzung durch Immissionen der Biogasanlage berufen sich die Antragsteller zu 2.-4. Es ist zwar zweifelhaft (s. u.), aber nicht nach jeder denkbaren Betrachtungsweise ausgeschlossen, die solcherart gesteigerte Erwartung der Antragsteller, ihr Grundstück künftig gewerblich nutzen zu können, als abwägungserheblichen Belang anzusehen.

§ 47 Abs. 2a VwGO steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Zwar haben die Antragsteller nur mit E-Mail vom 23.5.2012 und damit ausschließlich vor Beginn der öffentlichen Auslegung der Planunterlagen Einwendungen erhoben; ob die Antragsgegnerin dieses Versäumnis durch eine Erklärung, die Stellungnahme als fristgerecht eingegangen zu behandeln, heilen könnte, ist fraglich. Das Fehlen fristgerechter Einwendungen ist allerdings unerheblich, da die Auslegungsbekanntmachung vom 25.5.2012 keine Anstoßfunktion entfaltet (vgl. zu diesem Erfordernis Senatsurt. v. 10.2.2015 - 1 KN 124/13 -, BauR 2015, 785 = juris Rn. 24 ff.). Zum einen fehlen hinreichende Angaben zu verfügbaren Umweltinformationen. Die Auslegungsbekanntmachung benennt als verfügbare umweltbezogene Informationen lediglich die grünordnerische Untersuchung zum Bebauungsplan, den Umweltbericht und die Stellungnahmen des Landkreises, ohne darzulegen, zu welchen Umweltgütern diese Aussagen enthalten. Zum anderen verfehlt die Darstellung des Plangebiets in der einheitlichen Auslegungsbekanntmachung für die 71. Flächennutzungsplanänderung und den Bebauungsplan die Anstoßfunktion. Dort ist nur das Gebiet der 71. Flächennutzungsplanänderung umrissen; für den Geltungsbereich des Bebauungsplans gibt es zwar einen Eintrag, aber keine Grenze. Dass die Antragsteller diese Fehler nicht innerhalb der Frist des § 215 Abs. 1 BauGB gerügt haben, ist für die Frage der Anwendbarkeit von § 47 Abs. 2a VwGO unbeachtlich (Senat a.a.O.).

Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.

Das Planaufstellungsverfahren leidet unter mehreren Verfahrensfehlern.

Der Plan ist nicht, wie erforderlich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.5.1996 – 4 B 60.96 –, NVwZ-RR 1996, 630 = BRS 58 Nr. 41 = juris Rn. 3 m.w.N.; Senatsurt. v. 9.9.2014 – 1 KN 215/12 –, DVBl. 2014, 1473 = juris Rn. 22; Senatsbeschl. v. 25.2.2014 – 1 MN 245/13 –, NVwZ-RR 2014, 463 = juris Rn. 31 m.w.N.) vor seiner Verkündung ausgefertigt worden. Der Satzungsbeschluss wurde in der N. Zeitung vom 26.10.2012 bekannt gemacht, der Vermerk über den Satzungsbeschluss und die Präambel sind – wie alle anderen vom Bürgermeister gezeichneten Verfahrensvermerke – auf den 29.10.2012 datiert. Eine Heilung gemäß § 214 Abs. 4 BauGB durch Neubekanntmachung ist offenbar nicht erfolgt.

Zur Planunwirksamkeit führt ferner der innerhalb der Frist des § 215 Abs. 1 BauGB gerügte Umstand die Antragsgegnerin habe Ort und Zeitpunkt der öffentlichen Auslegung der Planunterlagen entgegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht mindestens eine Woche vor Auslegungsbeginn ortsüblich bekannt gemacht. Die ortsübliche Bekanntmachung geschah am Mittwoch, dem 25.5.2011. Die Bekanntmachungsfrist begann mithin am Donnerstag, dem 26.5.2011 zu laufen und endete am Mittwoch, dem 1.6.2011. Die öffentliche Auslegung hätte mithin erst am Donnerstag, dem 2.6.2011 beginnen dürfen, begann jedoch schon am 1.6.2011. Zu Recht weisen die Antragsteller auch darauf hin, dass dies nicht dadurch geheilt werden kann, dass die öffentliche Auslegung nicht, wie es bei einem Auslegungsbeginn am 1.6.2011 eigentlich nur erforderlich wäre, bis einschließlich zum 30.6.2011 lief, sondern bis einschließlich zum 1.7.2011. Denn der 2.6.2011, der dann der Anfangstag der öffentlichen Auslegung wäre, war ein gesetzlicher Feiertag (Christi Himmelfahrt); fällt der Fristbeginn auf einen solchen, so verschiebt er sich bis zum nächsten Werktag (Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 3 Rn. 44; Korbmacher, in: Brügelmann, BauGB, § 3 Rn. 52 m.w.N.), hier also dem 3.6.2011. Für eine erfolgreiche Heilung der verkürzten Bekanntmachungsfrist wäre mithin eine Auslegung bis einschließlich zum 2.7.2011 erforderlich gewesen. So lange dauerte sie nicht.

Der Plan ist auch materiell rechtswidrig.

Er verstößt gegen das Anpassungsgebot (§ 1 Abs. 4 BauGB), da er mit Ziel 3.3 (07) des RROP des Landkreises Lüchow-Dannenberg 2004 unvereinbar ist. Dieses lautet:

„Zwischen Waldrändern und baulicher Nutzung ist ausreichend Abstand zu halten, wobei vorhandene bauliche Nutzungen Bestandsschutz genießen:

 […]

- mindestens 35 m zu den sonstigen Waldgebieten.“

Die östliche Baugrenze des GI-1 wahrt nur einen Abstand von 12 m zu dem planerisch festgesetzten östlich gelegenen Waldstückchen. Die Planbegründung rechtfertigt dies damit, dass die Zielfestsetzung des RROP dem Brandschutz und der Sicherung der Erholungsfunktion von Wäldern Rechnung tragen solle; diese Ziele seien nicht tangiert, da das fragliche Waldstück schwer entflammbarer Laubwald sei, im östlichen Bereich des Industriegebietes lediglich die Unterbringung von Silagen vorgesehen sei und das Waldstück aufgrund seiner isolierten Lage und fehlender Zugänglichkeit keinen besonderen Erholungswert habe. Insofern sei eine Abweichung vom RROP hinreichend begründbar. Das genügt den Anforderungen des § 1 Abs. 4 BauGB nicht.

Die o.g. Regelung ist, anders als etwa das Abstandsgebot im RROP der Region Hannover (vgl. Verfahren 1 KN 217/11) unbedingt formuliert und damit tatsächlich ein Ziel der Raumordnung. Die ca. 2.000 m² große Fläche östlich des GI-1 ist auch Wald im Sinne der insoweit maßgeblichen Definition des § 2 Abs. 3 Satz 1 NWaldLG; dies hat die Antragsgegnerin in ihrem Umweltbericht, S. 14, ermittelt; der Senat sieht keinen Anlass, von dieser fachkundigen Einschätzung abzuweichen. Der Plan ermöglicht innerhalb der Baugrenzen bauliche Anlagen. Ob die derzeit dort vorhandene Silagemiete eine „bauliche Nutzung“ i.S.d. RROP ist, kann dahinstehen, da der Angebotsbebauungsplan jederzeit eine Änderung zulässt.

Ziele der Raumordnung sind strikt zu beachten. Erwägungen, nach denen die Zielbefolgung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht erforderlich sein könnte, um der Intention der Zielfestlegung gerecht zu werden, sind dem Zielabweichungsverfahren gem. § 6 Abs. 2 ROG, § 8 NROG vorbehalten. Ein Zielabweichungsverfahren wurde unbestritten nicht durchgeführt. Die Stellungnahme des Landkreises Lüchow-Dannenberg als für das Zielabweichungsverfahren zuständiger unterer Landesplanungsbehörde (§ 19 Abs. 2 Satz 1 LROG) vom 30.6.2011 kann nicht als Zielabweichungsentscheidung gewertet werden. Erstens müsste eine solche Entscheidung deutlicher formuliert sein, zweitens fehlt eine Beteiligung der in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen (§ 8 LROG), drittens erklärt der Landkreis nicht einmal sein Einverständnis mit der Zielabweichung, sondern gibt auf, weitere Belange zu betrachten. Das hat die Antragsgegnerin dann zwar getan, ein abschließendes Einverständnis des Landkreises mit der Zielabweichung fehlt aber.

Bereits die genannten Mängel des Plans tragen den Entscheidungsausspruch. Eine ausführliche Erörterung aller von den Antragstellern erhobenen, nach Einschätzung des Senats im Wesentlichen unbegründeten Rügen erübrigt sich damit. Für den Fall der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens weist der Senat allerdings auf Folgendes hin:

Ob die Beschränkung der bauliche Nutzung im GI-2 auf Biogasanlagen und flankierende Nutzungen von § 9 Abs. 1 BauGB i.V.m. §§ 1, 9 BauNVO gedeckt ist, ist fraglich. Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO können zwar für die in den §§ 4-9 BauNVO bezeichneten Baugebiete, also auch für Industriegebiete, im Bebauungsplan Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet nach der Art der Betriebe und Anlagen gliedern. Nach Satz 2, 2. Hs. können solche Gliederungen bei Gewerbe- und Industriegebieten auch gebietsübergreifend erfolgen. Der Gebietscharakter eines Industriegebiets nach § 9 BauNVO muss dabei nur in der Summe des gegliederten Gebiets bzw. der gegliederten Gebiete gewahrt sein (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Stand Mai 2015, BauNVO § 1 Rn. 49, 63). Schon dies ist hier aber fraglich. Das auf Biogasanlagen beschränkte GI-1 nimmt rund 2/3 der nach § 1 Abs. 4 Satz 2, 2. Hs. BauNVO zusammengefassten Industriegebietsfläche ein. Ob angesichts dessen das Gesamtgebiet noch einer Mischung von Industriebetrieben aller Art, wie sie den Charakter eines Industriegebiets ausmacht, zugänglich ist, begegnet zumindest Bedenken.

Demgegenüber dürfte die Rüge der Antragsteller, der Plan widerspreche dem Trennungsgrundsatz, nicht durchgreifen. Das Vorhaben wird bislang in beträchtlichem Umfang von landwirtschaftlich genutzten Flächen, an die sich nach Osten hin Gewerbeflächen anschließen, umgeben. Selbst wenn das Vorhaben nach den auch in die Abwägung eingestellten Vorstellungen der Antragsgegnerin mittelfristig von Osten her direkt an gewerblich genutzte Flächen angrenzen sollte, wäre das Trennungsgebot nicht verletzt. Eine Biogasanlage ist mit einer - Einzelhandel, wie geplant, ausschließenden - gewerblichen Nachbarschaft verträglich. Entgegen der Auffassung der Antragsteller hat der Senat weder in seinem Urteil vom 21.10.2015 - 1 KN 203/11 -, n.v., noch in seinem Beschluss vom 4.1.2011 - 1 MN 130/10 -, juris, eine grundsätzliche Skepsis hinsichtlich der Nähe zwischen Biogasanlagen und Gewerbegebieten geäußert (für die Zulässigkeit in Gewerbegebieten - u.U. sogar in Dorfgebieten - auch Fillgert, AgrarR 2002, 341 [346]). In Gewerbegebieten ist ein relativ hohes Maß an Immissionen hinzunehmen (15% Jahresgeruchsstunden, vgl. Nr. 3.1, Tabelle 1 GIRL, bzw. 65/50 dB(A), vgl. Nr. 6.1 Buchst. b) TA Lärm). Selbst gegenüber Störfallbetrieben sind sie nicht grundsätzlich schutzbedürftig. § 50 Satz 1 BImSchG, der die Anforderungen des § 12 der Seveso-Richtlinie rechtskonform umsetzt (BVerwG, Beschl. v. 16.1.2013 - 4 B 15/10 -, ZfBR 2013, 363 = juris Rn. 14), sieht nur Abstände zu „ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden“ Gebieten sowie sonstigen schutzbedürftigen, insbesondere öffentlich genutzten Gebieten, wichtigen Verkehrswegen, Freizeit- und ökologisch wertvollen Gebieten vor. Gewerbegebiete würden hierunter nur fallen, wenn sie Einzelhandel (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.12.2012 - 4 C 11.11 -, BVerwGE 145, 290: Gartencenter nahe Störfallbetrieb) beinhalteten, und den möchte die Antragsgegnerin ja offenbar ohnehin auf ihr Ortszentrum konzentrieren. Im Übrigen spricht die Antragsgegnerin von gewerblichen Flächen und hat auch im Flächennutzungsplan nur gewerbliche Bauflächen dargestellt. Das können neben Gewerbe- auch Industriegebiete sein.

Ohne Erfolg haben die Antragsteller namentlich in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die Ausnutzung des Industriegebiets könne dazu führen, dass etwaige künftige gewerbliche Nutzungen auf ihren Grundstücken auf die westlich davon gelegene Wohnbebauung verstärkt Rücksicht nehmen müssen, weil sich in der Summe mit den Nutzungen im Industriegebiet eine erhöhte Gesamtbelastung ergebe. Dies gilt schon deshalb, weil das Bedürfnis nach einer künftigen Betriebsausweitung nur dann abwägungserheblich ist, wenn es hinreichend konkretisiert wurde; unbeachtlich sind unklare oder unverbindliche Absichtserklärungen oder die Äußerung nur vager Erweiterungsinteressen (Senatsurt. v. 13.1.2009 - 1 KN 69/07 -, BRS 74 Nr. 27 = juris Rn. 87 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 5.9.2000 - 4 B 56.00 -, NVwZ-RR 2001, 82 = juris Rn. 7). Erst recht gilt dies für Erstnutzungsabsichten; hinsichtlich der Antragsteller zu 2.-4. kommt hinzu, dass ihre Nutzungsabsichten zum Abwägungszeitpunkt noch nicht vom Planungsrecht gedeckt gewesen sein dürften.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.