Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.11.2015, Az.: 12 PA 150/15
isolierte Sperre; Sperrfrist
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.11.2015
- Aktenzeichen
- 12 PA 150/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 45145
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 13.08.2015 - AZ: 15 A 2250/15
Rechtsgrundlagen
- § 69a Abs 1 S 3 StGB
- § 69a Abs 6 StGB
- § 69a Abs 5 StGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Lauf einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis beginnt mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung (§ 69a Abs. 5 Satz 1 StGB). Satz 2 dieser Vorschrift ist im Fall einer isolierten Sperre (§ 69a Abs. 1 Satz 3 StGB) nicht anwendbar.
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 15. Kammer - vom 13. August 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen den seinen Prozesskostenhilfeantrag ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts ist nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu bewilligen, mit dem sich der Kläger gegen die Ablehnung seines Antrags auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis wendet, zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zur Begründung heißt es in dem angegriffenen Beschluss: Die beantragte Fahrerlaubnis habe wegen der mit Strafbefehl des Amtsgerichts D. vom 29. Januar 2013 angeordneten und noch bis zum 29. April 2016 laufenden Sperrfrist nicht erteilt werden dürfen. Die Sperrfrist beginne mit der (am 30.10.2014 eingetretenen) Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung. Eine analoge Anwendung des § 69a Abs. 5 Satz 2 StGB, wonach die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis in die Frist eingerechnet werde, auf die (hier verfügte) isolierte Sperrfrist mit der Folge, dass die Frist vorliegend bereits ab dem 29. Januar 2013 zu laufen begonnen hätte, komme angesichts des Gesetzeswortlauts und einer insoweit fehlenden planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht.
Der Kläger vertritt demgegenüber die Auffassung, dass die Sperrfrist von einem Jahr und sechs Monaten hier bereits am 29. Juli 2014 abgelaufen sei, weil nach der Hauptverhandlung vom 29. Januar 2013 keine gerichtliche Prüfung mehr stattgefunden habe, ob er weiterhin zum Führen von Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr als ungeeignet anzusehen sei, sondern es im Rechtsmittelverfahren allein darum gegangen sei, ob sein Nichterscheinen im Hauptverhandlungstermin als entschuldigt anzusehen war. Diese Erwägungen des Klägers geben zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass. Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht und der seit langem herrschenden Meinung (vgl. nur König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. § 69a StGB Rdnr. 10 m. w. N.; OLG Nürnberg, Beschl. v. 31.10.1986 - Ws 824/86 -, DAR 1987, 28; siehe auch VG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.2004 - 6 B 297/04 -, juris) darin, dass eine analoge Anwendung von § 69a Abs. 5 Satz 2 StGB auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art, in denen eine isolierte Sperre verhängt wurde, nach dem klaren, an eine vorläufige Entziehung bzw. Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 i. V. m. § 94 StPO) anknüpfenden Wortlaut der Vorschrift und angesichts des Regelungsgehalts des § 69a Abs. 5 Satz 2 StGB ausscheidet, so dass es bei der Regel bleibt, wonach die Sperre mit der Rechtskraft des Urteils oder dementsprechend des Strafbefehls beginnt (§ 69a Abs. 5 Satz 1 StGB). In seinem Beschluss vom 25. September 2009 (- 1 B 430/09 -, DAR 2009, 718) hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes zur Begründung dieser Auffassung Folgendes ausgeführt:
„Die dort (gemeint: § 69a Abs. 5 Satz 2 StGB) vorgesehene Anrechnung findet ihre Rechtfertigung darin, dass der Fortbestand der vorläufigen Entziehung bzw. - gemäß § 69a Abs. 6 StGB - der Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins nach Maßgabe des § 94 StPO in der Zeit zwischen Verkündung und Rechtskraft des Urteils weiterhin maßregelnd auf den Verurteilten einwirkt. Demgegenüber wirken in Fällen der isolierten Sperrfrist keine den in § 69a Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 StGB genannten Maßnahmen vergleichbaren Umstände auf den Verurteilten ein, so dass die geforderte Einrechnung der seit Urteilserlass verstrichenen Zeit allein durch den Zeitablauf bedingt wäre. Aus dem Regelungsgefüge des Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 des § 69a StGB ergibt sich aber unmissverständlich, dass bloßer Zeitablauf an sich nicht zu einem Beginn der Sperre vor Rechtskraft führen soll. Nur ausnahmsweise soll unter den Voraussetzungen des Satzes 2 eine Einrechnung erfolgen. Die vom Antragsteller befürwortete analoge Anwendung dieser Vorschrift stünde daher im Widerspruch zum Regelungsgehalt der bewusst als Ausnahme konzipierten Einrechnung nur ganz bestimmter Zeiten, in denen eine Maßregel der Besserung und Sicherung (§§ 61 Nr. 5, 69a Abs. 5 Satz 2 StGB) bzw. eine gemäß § 69a Abs. 6 StGB gleichgestellte strafprozessuale Maßnahme auf den Verurteilten einwirkt.“
Der Senat macht sich diese Erwägungen zu eigen. Es besteht kein Grund zu der Annahme, der Gesetzgeber habe bei der Schaffung der hier in Rede stehenden Einrechnungsregelung die Fälle der isolierten Sperre übersehen. Diese Fälle sind den in § 69a Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 StGB geregelten Fallgestaltungen, in denen dem Betroffenen durch die endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis vorwegnehmende strafprozessuale Maßnahmen eine Rechtsposition genommen wird, auch nicht so ähnlich, dass sich eine Gleichbehandlung aufdrängen müsste. Auch in Ansehung der Verwaltungspraxis und in Kenntnis der in der Rechtsprechung herrschenden Auffassung hat der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen, das Gesetz anders zu fassen (dazu näher etwa OLG Nürnberg, Beschl. v. 31.10.1986 - Ws 824/86 -, DAR 1987, 28). Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Frage, ob der Strafbefehl des Amtsgerichts D. vom 29. Januar 2013 in einem Rechtsmittelverfahren einer inhaltlichen Überprüfung unterzogen worden ist, nicht entscheidend an. Ist der Betroffene - wie hier der Kläger - der Ansicht und ergibt sich Grund zu der Annahme, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das zuständige Gericht die Sperre nach Maßgabe des § 69a Abs. 7 StGB vorzeitig aufheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO i. V. m. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).