Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.11.2015, Az.: 7 ME 90/15

Beteiligungsfähigkeit; Erbengemeinschaft; Weihnachtsmarkt

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.11.2015
Aktenzeichen
7 ME 90/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45154
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 12.11.2015 - AZ: 11 B 5428/15

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 11. Kammer - vom 12. November 2015 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 8.400,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die Erbengemeinschaft nach dem verstorbenen C. in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als rechtsschutzsuchende Antragstellerin anzusehen ist. Für diese Annahme spricht - insoweit abweichend von der Auffassung der Vorinstanz - der Vortrag ihrer Prozessbevollmächtigten, demzufolge der Antrag auf Zulassung zu dem Weihnachtsmarkt 2015 von der Erbengemeinschaft gestellt und ihr gegenüber mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Mai 2015 abgelehnt worden sei. Soweit die Beteiligungsfähigkeit der Erbengemeinschaft nach § 61 Nr. 2 VwGO in Frage steht (vgl. dazu ablehnend: OVG Sachsen, Beschl. v. 11.03.2013 - 5 A 751/10 -, juris; Bier in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Loseblattsammlung, § 61 Rdnr. 6), ist diese in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zu unterstellen (OVG Sachsen, a.a.O.).

Der Beschwerde bleibt der Erfolg versagt, weil für den Erlass der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Anordnung kein Raum mehr ist.

Nach der Rechtsprechung des Senats zur „Kapazitätserschöpfung“ in Marktzulassungssachen ist ein nicht berücksichtigter Bewerber um eine Marktzulassung, der den einem Mitbewerber zugesprochenen Standplatz erstreiten will (sog. "Konkurrentenverdrängungsklage"), gehalten, neben dem Verpflichtungsantrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine (Dritt-) Anfechtungsklage gegen dessen Zulassung zu erheben und deren vorläufige Suspendierung nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beantragen, weil sein Begehren sonst mangels verfügbarer Kapazität regelmäßig keinen Erfolg haben kann (Senat, Beschl. v. 17.11.2009 - 7 ME 116/09 -; juris, ebenso Bay. VGH, Beschl. v. 12.07.2010 - 4 CE 10.1535 -, juris; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 14.01.2004 - 1 BvR 506/03 - , juris; zu der Möglichkeit, sich ausnahmsweise auf einen Neubescheidungsantrag zu beschränken, s. Beschl. d. Senats v. 13.06.2012 - 7 LA 77/10 -, juris). Der Senat hat in seinem Beschluss vom 17. November 2009 ausgeführt:

„Durch den Erlass der (positiven) Zulassungsbescheide an die berücksichtigten Bewerber wird (unter der regelmäßigen Voraussetzung der vollständigen Vergabe der vorhandenen Plätze) die Kapazität erschöpft. Will ein nicht berücksichtigter Bewerber um eine Marktzulassung den einem Mitbewerber zugesprochenen Standplatz erstreiten - erstrebt er also seine Zulassung "innerhalb der festgelegten Kapazität" unter Verdrängung eines bei der Vergabe berücksichtigten Konkurrenten ... -, muss er daher neben dem Verpflichtungsantrag grundsätzlich Anfechtungsklage erheben, um die dem begünstigten Konkurrenten erteilte Zulassung für eine erneute Auswahlentscheidung wieder verfügbar zu machen. … Unterlässt der abgelehnte Bewerber dies, kann sein Begehren auf Marktzulassung schon mangels verfügbarer Kapazität regelmäßig keinen Erfolg haben, weil mit der Vergabe des Kontingents der materielle Teilhabeanspruch erlischt. Ihn trifft daher insoweit eine Anfechtungslast. Ein ohne gleichzeitige Erhebung einer (Dritt-) Anfechtungsklage formulierter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geht "ins Leere", wenn keine freie Kapazität (mehr) vorhanden ist, die der Behörde seine Zulassung zu der Veranstaltung ermöglichen würde. Ein (alleiniger) Verpflichtungsantrag kommt nur dann in Betracht, wenn der Bewerber die Marktzulassung - etwa bei nicht ausgeschöpfter Kapazität - ohne Verdrängung eines zugelassenen Mitbewerbers erstrebt.

Auf einen bloßen "Neubescheidungsantrag" - wie hier - über seine (abgelehnte) Bewerbung kann der nicht berücksichtigte Bewerber sich nur dann beschränken, wenn er darauf vertrauen will, dass die Behörde aufgrund der gerichtlichen Entscheidung über sein Rechtsschutzbegehren - von Amts wegen – sich entschließt, die Auswahlentscheidung(en) über die Zulassung der Marktteilnehmer zu überprüfen und die - abgeschlossenen - Verwaltungsverfahren der Mitbewerber nach §§ 48, 49 VwVfG mit dem Ziel einer Aufhebung der (positiven) Zulassungsakte wieder aufzugreifen … . Eine rechtliche Verpflichtung der Behörde zu einem umfassenden Wiederaufgreifen des Verfahrens wird indes durch den - im gerichtlichen Verfahren ausschließlich beantragten - Bescheidungsausspruch nicht begründet. Denn die Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung reicht über den Gegenstand des konkreten Verfahrens, d.h. den gegenüber dem jeweiligen Antragsteller ergangenen Versagungsbescheid (der z.B. auch aus lediglich formellen Gründen rechtswidrig sein kann, s. §§ 28, 39, 40 VwVfG, ohne dass ein Zulassungsanspruch bestünde), nicht hinaus, während positive Zulassungsentscheidungen zu Gunsten von Mitbewerbern durch den bloßen Neubescheidungsantrag nicht zum Streitgegenstand des Verfahrens geworden sind und es - ohne Drittanfechtungsklage - auch nicht werden, auch nicht durch deren Beiladung (§ 65 VwGO) im gerichtlichen Verfahren. Durch einen Bescheidungsantrag vermag der übergangene Bewerber sich mithin nicht eine "anfechtungsgleiche" Rechtsstellung im Hinblick auf - sämtliche - (positiven) Zulassungsakte gegenüber konkurrierenden Bewerbern zu verschaffen, die ihm selbst bei einer erfolgten Drittanfechtung nur gegenüber dem jeweils angefochtenen Zulassungsakt zukommt. Die Frage, ob die zugrunde liegende Auswahlentscheidung rechtswidrig gewesen ist, ist als Vorfrage inzident zu prüfen - auch ihre Bejahung unterstellt, vermag die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheides dem Kapazitätsmangel, der einer nachträglichen Zulassung entgegensteht, aber nicht abzuhelfen, … (zumal) allein die - theoretische - Möglichkeit der Rücknahme der einem Konkurrenten erteilten Zulassung noch keine freie Kapazität schafft, wenn eine erneute Abwicklung des Auswahlverfahrens aus zeitlichen Zwängen praktisch ausscheidet. Vor einer Rücknahme oder einem Widerruf der einem Konkurrenten erteilten Marktzulassung muss dieser aus Gründen rechtlichen Gehörs angehört, ihm oder einem aufgrund dieser Ankündigung bestellten Verfahrensbevollmächtigten ggf. Akteneinsicht gewährt und Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. In materieller Hinsicht ist zu beachten, dass die Aufhebung eines Marktzulassungsbescheides nach §§ 48, 49 VwVfG eine behördliche Ermessensentscheidung voraussetzt, bei der Dispositionen des zugelassenen Bewerbers (etwa Vorhalten von Personal, Anschaffung von Waren, Verzicht auf anderweitige Standplatzbewerbungen) im Rahmen des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen sind. Stellt man weiter in Rechnung, dass der Rücknahme- oder Widerrufsbescheid seinerseits anfechtbar ist und eingelegte Rechtsmittel aufschiebende Wirkung haben, die nur durch die Anordnung des Sofortvollzuges überwunden werden kann, gegen den seinerseits gerichtlicher Rechtsschutz gegeben ist, und dass für die Abwicklung all dieser Vorgänge unter Rechtsschutzgesichtspunkten ausreichend Zeit zur Verfügung stehen sowie nach deren Abschluss auch noch eine Frist für den Aufbau des Fahrgeschäftes verbleiben muss, zeigt sich, dass schon aus faktischen Gründen bei einem solchen Verfahrensweg die Rechtsvereitelung droht. …“

Der Weihnachtsmarkt der Antragsgegnerin beginnt bereits am 25. November 2015. Dem schriftsätzlichen Vortrag der Antragstellerin im beim Verwaltungsgericht noch anhängigen Klageverfahren 11 A 3147/15 und im vorläufigen Rechtsschutzverfahren lässt sich zwar entnehmen, dass sie ihre Bewerbung um einen Glühweinstand in der auf 16 Standplätze beschränkten Kategorie „Getränke“ für attraktiver hält als die Bewerbungen einiger von ihr benannter, vorrangig zum Zuge gekommener Konkurrenten. Dass sie deren Zulassung zum Weihnachtsmarkt mit einem Rechtsbehelf angefochten hätte, ist aber nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht behauptet. Unter diesen Umständen ist eine realistische Chance auf Zulassung der Antragstellerin zur Marktteilnahme nicht mehr gegeben, so dass es sowohl dem Antrag auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zuweisung eines Standplatzes als auch dem hilfsweise gestellten Antrag auf Neubescheidung ihres Zulassungsantrags an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt (vgl. Beschl. d. Sen. v. 24.09.2013 - 7 MC 85/13 -, juris). In tatsächlicher Hinsicht kommt hinzu, dass die Antragstellerin selbst vorgetragen hat, wegen der erforderlichen Vorbereitung sei ihr eine Teilnahme nur möglich, wenn das Gericht - gemeint das Verwaltungsgericht - bis zum 13. November 2015 über ihr Begehren entscheide. Dieser Zeitpunkt war bereits vor Einlegung der Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht verstrichen.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt ohne Weiteres, dass die Beschwerde auch dann keinen Erfolg hätte, wenn anstelle der Erbengemeinschaft deren Mitglieder oder auch nur ein Mitglied als Antragsteller des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens anzusehen wären.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 54.5 und 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).