Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.11.2015, Az.: 10 LB 7/14

Missbrauch; Missbräuchliche Nutzung; Paralleleinfuhr; Parallelhandel; Parallelhändler; Parallelimport; Parallelimporteur; Pflanzenschutzmittel; Pflanzenschutzrecht; Verkehrsfähigkeitsbescheinigung; Widerruf

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.11.2015
Aktenzeichen
10 LB 7/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45136
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 10.04.2013 - AZ: 2 A 1194/12

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilte Verkehrsfähigkeitsbescheinigung gilt als Parallelhandelsgenehmigung fort.

2. Der Inhaber einer Parallelhandelsgenehmigung (Parallelhändler) darf nur ein solches Importmittel in den Verkehr bringen, das in seinen Ursprungsmitgliedstaat zulassungskonform hergestellt worden ist.

3. Ein zum Widerruf der Parallelhandelsgenehmigung nach § 50 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG führender Missbrauch ist gegeben, wenn der Parallelhändler wenigstens bedingt vorsätzlich handelt, d.h. er es zumindest billigend in Kauf nimmt, ein anderes Pflanzenschutzmittel in den Verkehr zu bringen, als das, für das ihm die Genehmigung erteilt worden ist.

4. Ein Parallelhändler handelt demnach missbräuchlich, wenn er eindeutige Hinweise auf die fehlende Identität eines ihm gelieferten Pflanzenschutzmittels mit dem Importmittel hat - hier die zweimalige Lieferung unter einer abweichenden Handelsbezeichnung - , diesen Hinweisen jedoch nicht mit geeigneten Mitteln nachgeht, sondern sein Produkt weiterhin vertreibt.

5. Ein Parallelhändler kann zur Klärung der Identität zwischen dem ihm gelieferten Pflanzenschutzmittel und dem Importmittel auch verpflichtet sein, das ihm gelieferte Pflanzenschutzmittel eigenständig gutachterlich auf seine Übereinstimmung prüfen zu lassen.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer - vom 10. April 2013 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte  zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung.

Diese Verkehrsfähigkeitsbescheinigung erteilte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (= Bundesamt) der Klägerin mit Bescheid vom 13. Juni 2008 auf der Grundlage von § 16c PflSchG 1998 (= a. F.) für ein von der Klägerin „Ares Flo“ genanntes Pflanzenschutzmittel unter der Zulassungsnummer F.. Die Bescheinigung bezog sich auf das in Großbritannien für die G., ein Unternehmen des H., unter der Zulassungsnummer 10768 bis Ende März 2009 zugelassene Pflanzenschutzmittel Kerb Flo (= „Kerb Flo alt“) als sog. Importmittel. Als Referenzmittel wurde das in Deutschland zugelassene herstelleridentische Pflanzenschutzmittel Kerb Flo mit der deutschen Zulassungsnummer I. bezeichnet. „Kerb Flo alt“ enthält den Wirkstoff Propyzamid mit einem Gehalt von 400 g/l sowie das Frostschutzmittel Ethylenglykol; es hat laut Zulassung eine hellbraune Farbe. Die der Klägerin erteilte Bescheinigung lautet deshalb zu Ziffer 1 auszugsweise wie folgt:

„Es wird festgestellt, dass das im Ursprungsmitgliedstaat Großbritannien unter der Zulassungsnummer J. zugelassene Pflanzenschutzmittel Kerb Flo … verkehrsfähig ist. … Es darf von Ihnen auf Grund dieser Feststellung unter der Bezeichnung Ares Flo eingeführt und in den Verkehr gebracht werden. “

Bei dem/den in Rede stehenden Pflanzenschutzmittel/n handelt es sich um selektive Herbizide zur Bekämpfung von Unkräutern u.a. in Winterraps, Salaten und verschiedenen Obstsorten, und zwar überwiegend zur Winteranwendung.

Zum Verfahrensablauf im Einzelnen hat die Klägerin geltend gemacht, noch vor der Erteilung der o.a. Verkehrsfähigkeitsbescheinigung im Jahr 2007 bei der Fa. K. eine Vergleichsuntersuchung in Auftrag gegeben zu haben. Laut deren Gutachten vom 13. November 2007 wurde im Mai 2006 hergestelltes „Kerb Flo alt“, also mit der britischen Zulassungsnummer J., mit einem nicht näher konkretisierten „Propyzamid 400 g/l SC ohne Chargenummer“ - nach Angaben der Klägerin „eine Probe Propyzamid der Fa. L.“ (vgl. Bl. 230 Beiakte = BA) bzw. „eines seinerzeit von der Fa.  M. angebotenen Pflanzenschutzmittels“ (vgl. Bl. 251 BA) - jeweils mit weißer Farbe verglichen. Im Ergebnis wurde die Identität zwischen „Prüf- und Vergleichsgegenständen“ festgestellt.

Im Jahr 2008 (vgl. Bl. 58, 78 Gerichtsakte = GA) bzw. im Jahr 2009 (vgl. Bl. 87 BA) bzw. „im Herbst 2008/Anfang 2009“ (vgl. Bl. 152, 157 GA) habe sie, die Klägerin, sich dann mit Herrn N. O., der in Großbritannien u.a. für die Fa. M. Ltd. tätig sei, über die Lieferung des Pflanzenschutzmittels Kerb Flo mit der britischen Zulassungsnummer J., also „Kerb Flo alt“, zum Literpreis von 20 EUR geeinigt. Nachdem Herr O. darauf hingewiesen habe, die Ware aus Beständen des Herstellers in 200 Liter-Fässern zu beziehen, sei im Hinblick auf die Vermarktbarkeit in Deutschland die Umfüllung in 5 Liter-Gebinde verabredet worden. Die Rechnungsstellung habe durch die in Österreich ansässige Firma P. GmbH, die die Finanzierung der Geschäfte der Firma M. übernommen habe, erfolgen sollen, die Lieferung ungeachtet dessen unmittelbar aus Großbritannien „aus den Beständen des Herrn O.“ (vgl. Bl. 152 GA). Formell sei „P.“ Verkäufer gewesen (vgl. Bl. 252 BA, 164 GA) bzw. sei bei der FaQ. bestellt worden (vgl. Bl. 78 GA). Schriftliche Unterlagen über die Bestellung liegen nicht vor.

Auf vorherige Bitte der Klägerin an die nach ihren Angaben ebenfalls von Herrn Power geleitete Fa. R. (vgl. Bl. 80 f., 86 BA) gab die P. GmbH allerdings mit Schreiben vom 10. Februar 2011 an (vgl. Bl. 68 BA), dass die Klägerin bei ihr „im Jahr 2009 … ein in Großbritannien zugelassenes Produkt, Kerb Flo, MAPP S., bestellt“ habe. Bei diesem „Kerb Flo neu“ mit der Zulassungsnummer S. handelt es sich um das nicht mit dem o.a. „Kerb Flo alt“ mit der britischen Zulassungsnummer J. identische, ab dem September 2008 in Großbritannien zugelassene Nachfolgeprodukt (vgl. Bl. 176 BA). Sie, die  P. GmbH, hätte die Lieferung des Produkts über die Fa. M. Ltd. organisiert, u.a. auch der Chargen 3909311001 und 3908316005. Nach Reklamationen habe die Fa. M. „nochmals die Bezugsquellen geprüft und bestätigt, dass es sich bei dem Produkt um original Dow Kerb Flo mit der MAPP Nr. S. handelt“. Eine mit gerichtlicher Verfügung vom 21. Februar 2014 von der Klägerin erbetene Stellungnahme dazu, ob es bei der im Schreiben angegebenen Zulassungsnummer vermeintlich um einen Irrtum handele, ist nicht erfolgt.

In der Beiakte findet sich mit Datum vom 10. August 2009 eine weitere von der Klägerin bei der Fa. T. Service in Auftrag gegebene Vergleichsstudie von „britischem Kerb Flo alt und neu“; beide seien danach mit brauner Farbe identisch (vgl. Bl. 12 der Studie, Bl. 243 BA).

Die Lieferung sei - so die Klägerin selbst weiter - dann tatsächlich entsprechend ihres o.a. Auftrages in der Zeit vom 31. August bis 4. November 2009 erfolgt. Die einzelnen gelieferten Gebinde hätten wegen der vereinbarten Umfüllung keine Originalkennzeichnung getragen. Die Lieferungen seien auf Paletten mit jeweils 800 Liter Ware erfolgt. Insgesamt habe sie rund 19.200 Liter importiert.

Zu den Einzellieferungen legte die Klägerin auf Aufforderung des Bundesamtes Rechnungen und Frachtbriefe vor:

Im Einzelnen handelt es sich um Rechnungen

- der Fa. P. GmbH per E-Mail vom 2. September 2009 (vgl. Bl. 127 BA) über 4.800 Liter „Propyzamide 400 SC“, vom 25. September 2009 (Lieferdatum 31. August 2009) über 10 Paletten je 800 Liter zu 20 EUR/Liter „Propyzamide 400 SC“ (Bl. 69 BA), vom 2. Oktober 2009 (Lieferdatum = Rechnungsdatum) über 4 Paletten je 800 Liter zu 20 EUR/Liter „Propyzamide 400 SC“ (Bl. 71 BA), vom 7. Oktober 2009 (Lieferdatum = Rechnungsdatum) über 8 Paletten je 800 Liter zu 20 EUR/Liter „Propyzamide 400 SC“ (Bl. 73, 130 BA), vom 16. Oktober 2009 (vgl. Bl. 136 BA) über 1.600 Liter, vom 28. Oktober 2009 (Bl. 144 f. BA), vom 30. Oktober 2009 (Lieferdatum = Rechnungsdatum) über 2 Paletten je 800 Liter zu 20 EUR/Liter „Propyzamide 400 SC“ (Bl. 76,149 BA) und vom 3./4. November 2009 (Lieferdaten 30. Oktober/6. November 2009) über je 2  Paletten je 800 Liter zu 20 EUR/Liter „Propyzamide 400 SC“ (Bl. 77, 150 BA) sowie

- der Fa. U. (über Transportleistungen) vom 6. Oktober 2009 (Bl. 164 BA) über „8 Pallets Pizza“, über Propyzamide und Propyzamide 400 SC jeweils vom 31. Oktober 2009 (Bl. 163, 165 - 167 BA), und vom 4. November 2009 als Liefertag (Bl. 168 BA) über Propyzamide 400 SC.

Frachtbriefe liegen vor von der o.a. Fa. V. als Absender an die Klägerin vom 31. August 2009 über 16 nicht näher bezeichnete „palets“ (Bl. 70, 101, 123 BA), von der Fa. Goldengrass an die Klägerin vom 5. Oktober 2009 u.a. über „Pallets Propyzamine“ (Bl. 72, 99, 121 BA), ein teilweise unleserlicher (franz.) über die Lieferung von „ 8 Pal Pizza Propyzamide 400 SC“ Ankunft am 7. Oktober 2009 (Bl. 74, 96, 118 BA), vom 6. Oktober 2009 (Bl. 75, 97, 119 BA) und vom 28. Oktober 2009 (Bl. 78, 94, 116 BA).

Weiter findet sich ein Schreiben der Fa. P. GmbH an die Klägerin zu Händen einer belgischen Anschrift vom 3. November 2009 u.a. über die Lieferung von „Pizza 400 SC - Propyzamide 400 SC“ (Bl. 147 BA). Bei „Pizza 400 SC“ handelt es sich um ein seit dem 24. März 2009 auf die Fa. Goldengrass Ltd. in Großbritannien zugelassenes Parallelhandelsprodukt für „Kerb Flo neu“ (vgl. Bl. 179 BA sowie Bl. 5 des Widerspruchsbescheides).

Die Klägerin führte dazu aus, es sei international üblich, (nur) den Wirkstoff anzugeben. Mangels Kennzeichnung der Ware als Kerb Flo hätten auch die Frachtbriefe diese Bezeichnung nicht enthalten dürfen, denn für den Transport müssten sie mit der auf der Ware angebrachten Aufschrift übereinstimmen.

Es sei richtig, dass ein Lagerarbeiter im ca. 30 Kilometer vom Verwaltungssitz der Klägerin entfernten Lager W. den auch im Frachtbrief vom 7. Oktober 2009 verzeichneten Aufdruck „Pizza“ erkannt und beim Geschäftsführer der Klägerin nachgefragt habe; man habe aber nichts von einer Zulassung eines Produkts namens „Pizza 400 SC“ gewusst, sondern angenommen, es habe sich um eine falsche Kennzeichnung gehandelt. Denn auf der Rechnung (der Verkäuferin) habe sich kein entsprechender Hinweis befunden. Nach einem Gesprächsvermerk des Bundesamtes vom 25. Januar 2012 gab der Geschäftsführer der Klägerin auf Nachfrage am Vortage mündlich an, die äußere Verpackungsfolie der am 7. Oktober 2009 gelieferten Palette mit Pflanzenschutzmitteln sei mit der Aufschrift „Pizza“ versehen gewesen. Deshalb sei diese Bezeichnung auch im Lieferschein vermerkt gewesen. Die einzelnen Gebinde und Umkartons hätten hingegen die Bezeichnung des Wirkstoffs getragen. Auf Nachfrage von Mitarbeitern, die mit der Überprüfung der Ware betraut gewesen seien, habe er die Ware wegen der Auszeichnung der Gebinde als „Propyzamide“ für in Ordnung befunden.

Über die Bestellungen und Lieferungen erfolgte außerdem zwischen der Klägerin sowie den Firmen M. und P. E-Mail-Verkehr. Darunter befindet sich auch eine u.a. an den Geschäftsführer der Klägerin gerichtete E-Mail der Fa. X.. vom 3. November 2009, in deren Anlage die Lieferung von „Pizza 400 SC - Propyzamide 400 SC“ angekündigt wird; wegen der Einzelheiten insoweit wird auf die Kopien in der Beiakte verwiesen (ab Bl. 126 ff., 146 f.).

Mit Schreiben vom 9. November 2009 machte die Firma Y. GmbH als Zulassungsinhaberin für das deutsche Kerb Flo der Klägerin gegenüber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend; eine Charge des von der Klägerin eingeführten Mittels sei u.a. schon wegen unterschiedlicher Farbe (weiß statt braun) nicht mit dem Referenzmittel identisch. Zudem habe ein Marker gefehlt. Die Klägerin stellte daraufhin nach ihren Angaben zunächst den weiteren Vertrieb ein und teilte dies der Fa. Y. GmbH mit Schreiben vom 16. November 2009 mit. Außerdem habe sie gemeinsam mit dem Vorlieferanten die Fa.  K. mit einer weiteren Vergleichsuntersuchung von Ares Flo und dem deutschen Kerb Flo beauftragt. Nach dem vorläufigen - nicht schriftlich dokumentierten - Ergebnis der Laboruntersuchung vom 7. Dezember 2009 hätten beim deutschen Kerb Flo als Referenzmittel Verunreinigungen im Wirkstoffmolekül vorgelegen. Sie, die Klägerin, habe die Untersuchung daraufhin beenden lassen, die Ware bei ihren Kunden zurückgerufen und sich gegenüber der Firma Y. GmbH am 9. Dezember 2009 unter Zusage der Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet, es zu unterlassen, das Pflanzenschutzmittel Ares Flo in Deutschland in Verkehr zu bringen, sofern es nicht von der erteilten Verkehrsfähigkeitsbescheinigung gedeckt sei. Im Zuge des Rückrufs habe sie eine Teilmenge ihres Produkts zurückerhalten.

Auch hierzu finden sich in der Beiakte Kopien des E-Mail-Verkehrs zwischen der Klägerin sowie den Firmen M. und P.. So nahm Herr O. mit      E-Mail vom 18. November 2009 u.a. zu den aus seiner Sicht gegebenen Unterschieden zwischen „Kerb Flo alt und neu“ mit britischer Zulassung Stellung; es hätte sich inhaltlich abgesehen von der von weiß auf braun geänderten Farbe keine Änderung ergeben. Der Wirkstoff in Ares Flo sei sogar reiner als „the Dow material“; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die E-Mail, Bl. 153 der Beiakte, verwiesen. Die Firma P. GmbH zahlte schließlich einen Betrag in Höhe von 60.000 EUR an die Klägerin, über die diese am 22. September 2010 nachträglich eine entsprechende Rechnung wegen „Kosten durch Qualitätsmangel bei Propyzamid“ ausstellte (vgl. Bl. 61 GA, Bl. 160 BA).

Im Rahmen des Pflanzenschutzkontrollprogramms (vgl. dazu das entsprechende, im Internet veröffentlichte Handbuch des Bundesamtes) erhielt das Bundesamt am 3. September 2010 eine Verdachtsprobe des Pflanzenschutzmittels Ares Flo der Klägerin mit einem Produktionsdatum vom 23. Juli 2009 und der Chargennummer 3909311001. Es handelte sich um eine angebrochene Probe eines 5 Liter Gebindes. Das Produkt war einem Landwirt bei der Unkrautbekämpfung wegen der fehlenden Wirkung aufgefallen, worauf er sich an die Landwirtschaftskammer in Schleswig-Holstein gewandt hatte. Das Bundesamt stellte fest, dass in der untersuchten Ware statt des Frostschutzmittels Ethylenglykol, das laut Zulassung in Großbritannien für „Kerb Flo alt“ vorgeschrieben ist, das Frostschutzmittel Propylenglykol enthalten war. Zudem lag der Wirkstoffgehalt knapp oberhalb der an sich zulässigen Schwankungsbreite und war die Oberflächenspannung geringer als in der Zulassung beschrieben. Schließlich sei die Probe „cremeweiß“ bei einem Sollwert von „hellbraun“ gewesen. Das untersuchte Pflanzenschutzmittel sei nicht verkehrsfähig.

Mit Schreiben vom 29. September 2010, 26. Januar 2011, 17. März 2011 und 22. September 2011 hörte das Bundesamt die Klägerin deshalb schriftlich zum Verdacht an, ein nicht der Zulassung ihres Importmittels im Ursprungsmitgliedstaat entsprechendes Pflanzenschutzmittel in den Verkehr gebracht zu haben, so dass die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung zu widerrufen sei. Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 22. November 2010, 24. Februar 2011, 30. März 2011 und 21. Oktober 2011.

Mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 18. November 2011 widerrief das Bundesamt die der Klägerin erteilte Verkehrsfähigkeitsbescheinigung wegen missbräuchlicher Verwendung. Die Klägerin habe mit dem vom Bundesamt auf Veranlassung aus Schleswig-Holstein untersuchten Produkt ein Pflanzenschutzmittel als Ares Flo in Verkehr gebracht, das wegen stofflicher Abweichungen - das zugelassene Frostschutzmittel habe gänzlich gefehlt - nicht von der erteilten Verkehrsfähigkeitsbescheinigung abgedeckt gewesen sei. Der Klägerin sei die fehlende Übereinstimmung der von ihr in Verkehr gebrachten Ware mit dem in Großbritannien zugelassenen „Kerb Flo alt“ auch bewusst gewesen. Denn die ihr gelieferte Ware sei nie als Kerb Flo bezeichnet worden. Der einzige in den Dokumenten verwandte Handelsname sei stattdessen in einem Frachtbrief vom 7. Oktober mit „Pizza“ der eines abweichenden Mittels. Ob tatsächlich dieses oder noch ein anderes Mittel geliefert worden sei und ob die Klägerin das richtige Mittel bestellt habe, sei unerheblich. Sie sei - zumal als auf den Parallelhandel mit Pflanzenschutzmitteln spezialisiertes Unternehmen mit nahezu 200 Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen - gehalten gewesen, ihre Betriebsabläufe so zu organisieren, dass ihre Mitarbeiter die Lieferung eines anderen Pflanzenschutzmittels hätten erkennen müssen.

Die Klägerin legte am 19. Dezember 2011 Widerspruch ein. Sie bestritt die fehlende Übereinstimmung ihres Ares Flo mit dem britischen „Kerb Flo alt“; bereits dessen Herstellung könne sich geändert haben. Jedenfalls habe sie diese Abweichung nicht gekannt und nicht - wie erforderlich - bewusst und gewollt gehandelt. Ihr sei vielmehr im Gegenteil von der P. GmbH sowie Herrn O. die Identität beider Mittel versichert worden. Zumindest sei der Sofortvollzug aufzuheben.

Das Bundesamt folgte dem letztgenannten Antrag nicht und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2012, zugestellt am 18. Mai 2012, nunmehr gestützt auf § 50 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG n. F. als unbegründet zurück. Die Klägerin habe ein nicht zugelassenes Generikum erhalten und in den Verkehr gebracht. Denn Abweichungen in den Beistoffen - wie sie hier durch das Bundesamt festgestellt worden seien - seien nur durch eine bewusste Entscheidung des Formulierers zu erklären, was auf den „Nachbau“ eines Pflanzenschutzmittels hinweise. Für ein bewusstes Fehlverhalten spreche auch, dass zwischenzeitlich fünf der Firma Z. erteilte Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen wegen Missbrauchs widerrufen worden seien. Der Geschäftsführer der Klägerin habe zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Spätestens bei Erhalt einer Lieferung im Oktober 2009 mit der Aufschrift „Pizza“, die ihm nach eigener Einlassung zur Kenntnis gelangt sei, habe er für die Klägerin mit entsprechender Marktkenntnis skeptisch werden müssen, zumal die Zulassung von „Kerb Flo alt“ bereits seit dem 31. März 2009 abgelaufen gewesen sei. Auch dieser Umstand habe zu Zweifeln an der Identität der im Herbst 2009 gelieferten Ware führen müssen. Die gleichwohl bis zur Abmahnung gezeigte Untätigkeit belege, dass es der Klägerin im Zeitpunkt des Erwerbs und Vertriebs der Ware letztlich gleichgültig gewesen sei, ob es sich um Originalware oder ein Produkt unklarer Herkunft gehandelt habe, was ein bedingt vorsätzliches Handeln begründe.

Die Klägerin hat am 18. Juni 2012 den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Über ihr bisheriges Vorbringen hinaus hat sie darauf hingewiesen, dass im Jahre 2009 noch kein Anlass bestanden habe, an der Seriosität von Herrn O. und der von ihm bestimmten Unternehmen zu zweifeln. Insbesondere seien ihm gegenüber Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen erst im Jahre 2011 widerrufen worden. Das Ende der Zulassung für „Kerb Flo alt“ zum März 2009 habe nicht ausgeschlossen, dass im Sommer und Herbst dieses Jahres noch größere Restmengen auf dem englischen Markt verfügbar gewesen seien, und habe deshalb keine Zweifel an der Identität der Ware wecken müssen. Der Widerruf einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung wegen missbräuchlicher Verwendung setze im Übrigen eine Absicht, also wenigstens direkten Vorsatz voraus, an dem es ihr erst recht gefehlt habe. Sämtliche Vorwürfe begründeten allenfalls einen fahrlässigen Sorgfaltspflichtverstoß. Es habe für einen Parallelhändler aber im Jahr 2009 nicht einmal normativ geregelte Pflichten gegeben, sich über die Identität seines Produkts zu informieren.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 18. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2012 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat noch einmal darauf verwiesen, dass es für den objektiven Tatbestand unerheblich sei, ob die bei der Untersuchung der Verdachtsprobe festgestellte zulassungsrelevante Abweichung hinsichtlich des verwandten Frostschutzmittels vom Hersteller oder einem Dritten stamme. Unabhängig hiervon fehlten jegliche Anhaltspunkte für eine bereits herstellerbedingte Abweichung. Von der Klägerin im Übrigen geltend gemachte Wirkstoffverunreinigungen seien mit der grundsätzlich zielgerichtet erfolgenden Änderung des Frostschutzmittels nicht vergleichbar; eine solche Änderung spreche für einen Nachbau. Weitere Indizien hierfür seien der Zeitabstand zwischen dem Ende der Zulassung (März) und der Lieferung (Herbst 2009), die Zahlung von 60.000 EUR durch die Verkäuferin an die Klägerin und die zwischenzeitlich gegen die Fa. X.. ergangenen Widerrufe. Subjektiv habe die Klägerin zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. Zwar müsse ein Parallelhändler die Zusammensetzung seiner Ware nicht im Einzelnen kennen. Um so wichtiger sei es für ihn jedoch, dass die bestellte Ware im Geschäftsverkehr eindeutig bezeichnet werde und die richtige Belieferung mit dieser Ware zu überwachen. Die Klägerin hätte daher jedenfalls die Belieferung mit „Pizza“ im Herbst 2009 ernsthaft überprüfen müssen, zumal ihr zu diesem Zeitpunkt das Auslaufen der Zulassung des nach ihren Angaben bestellten „Kerb Flo alt“ bekannt gewesen sei. Außerdem sei laut Lieferscheinen „Pizza“ nicht nur im Oktober, sondern nochmals im November 2009 geliefert worden; dies spreche entschieden gegen einen Irrtum. Angaben der Vorlieferanten seien spätestens im Herbst 2009 wenig glaubhaft gewesen.

Das Verwaltungsgericht Braunschweig - 2. Kammer - hat der Anfechtungsklage mit Urteil vom 10. April 2013 stattgegeben. Zwar sei der objektive Tatbestand des § 50 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG gegeben. Die Klägerin habe - zu einem im Urteil nicht näher bezeichneten - Zeitpunkt ein nicht von ihrer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung gedecktes Pflanzenschutzmittel in den Verkehr gebracht. Ein (bedingt) vorsätzliches Verhalten sei ihr aber nicht nachzuweisen. Welche Pflichten der Klägerin dabei obliegen, hat das Verwaltungsgericht nicht näher ausgeführt; dies sei nur für einen - hier unzureichenden - Sorgfaltspflichtverstoß erheblich. Sinngemäß ist es aber von der Annahme ausgegangen, dass der Klägerin als Parallelhändlerin jedenfalls keine Untersuchungspflichten oblägen. Es sei weder zu beanstanden, dass der Klägerin die Mittel lediglich unter der Angabe des Wirkstoffes geliefert worden seien, noch, dass sie auch Lieferungen von „Pizza“ akzeptiert habe. Die irrtümliche Annahme, sie habe jeweils das bestellte „Kerb Flo alt“ erhalten, werde weder durch die Tatsache erschüttert, dass dessen britische Zulassung bereits Ende März 2009 ausgelaufen sei, noch durch die gegenteilige Angabe im Schreiben der Verkäuferin vom 10. Februar 2011 über die Lieferung von „Kerb Flo neu“. Es handele sich - aus vom Verwaltungsgericht nicht näher benannten Gründen - um ein „Versehen“. Auch die Beklagte nehme nicht an, dass die Klägerin „Kerb Flo neu“ erhalten habe; dies hätte zudem durch die geänderte Farbe des Mittels auffallen müssen.

Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 27. Januar 2014 - 10 LA 43/13 - die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Es könne offen bleiben, ob der Klägerin im Zeitpunkt der Lieferung von „Pizza“ die Zulassung eines Mittels mit dem Namen „Pizza 400 SC“ bekannt gewesen sei. Jedenfalls vermöge auch sie nicht überzeugend zu erklären, warum ihr im Herbst 2009 das unter der Nummer 10768 zugelassene und nach ihren Angaben bestellte „Kerb Flo alt“ nicht allein mit der neutralen Bezeichnung des in allen in Betracht kommenden Mitteln enthaltenen Wirkstoffes “Propyzamide“, sondern nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch auf Lieferscheinen mit den Zusätzen „400 SC“ und insbesondere mit dem - auch nach den eigenen Angaben der Klägerin für ein Pflanzenschutzmittel sehr ungewöhnlichen - Namen „Pizza“ geliefert worden sein soll. Wenn der Geschäftsführer der Klägerin auf einen entsprechenden ausdrücklichen Hinweis eines Mitarbeiters gleichwohl keine Klärung der Identität des gelieferten mit dem allein verkehrsfähigen Pflanzenschutzmittel veranlasst, sondern es in den Verkehr gebracht habe, so spreche dies dafür, dass ihm die Identität letztlich egal gewesen sei und er eine Abweichung billigend in Kauf genommen habe, nach dem zutreffenden Maßstab des Verwaltungsgerichts also ein Missbrauch zu bejahen sei. Die erst nach dem Inverkehrbringen erfolgte Rückfrage bei dem Vorlieferanten nach der Identität reiche insoweit nicht aus. Ebenso wenig überzeuge der Vortrag, angenommen zu haben, es habe sich nur um eine versehentlich falsche Etikettierung gehandelt, die nichts mit dem gelieferten Mittel zu tun habe.

Die Beklagte hat ihre Berufung am 19. Februar 2014 unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Zulassungsverfahren hinsichtlich des Vorliegens ernstlicher Zweifel sowie auf die Begründung des Senatsbeschlusses vom 27. Januar 2014 begründet. Insbesondere sei die abschließende Feststellung des Verwaltungsgerichts falsch. Könne man bei isolierter Betrachtung ggf. noch am Vorsatz der Klägerin zweifeln, so jedenfalls nicht mehr bei der gebotenen Gesamtschau. Im Übrigen müsse die Frage gestellt werden, welche Aspekte die Klägerin eigentlich habe glauben lassen dürfen, Original-Ware geliefert zu bekommen. Soweit die Ware nicht lediglich mit dem Wirkstoff umschrieben worden sei, habe sie nämlich jeweils einen anderen Namen als „Kerb Flo (alt)“ getragen. Auf gerichtliche Nachfrage ist mit Schriftsatz vom 7. September 2015 ergänzend vorgetragen worden, dass Kerb Flo des AA. jeweils cremefarben/hellbraun, nicht aber weiß gewesen sei. Die Farbe sei bewusst auf einen Beistoff zurückzuführen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer - vom 10. April 2013 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wiederholend bzw. vertiefend zu ihrem erstinstanzlichen und zum Zulassungsvorbringen vertritt die Klägerin die Ansicht, der objektive Widerrufstatbestand setze voraus, dass das von ihr vertriebene Ares Flo tatsächlich aus illegaler Herkunft stamme sowie in seiner stofflichen Zusammensetzung nicht mit Kerb Flo im damaligen Toleranzbereich übereinstimme. Dies setze zunächst den nicht erbrachten Nachweis voraus, dass sich der Hersteller des Originals zulassungskonform verhalten habe. Angaben des Herstellers hierzu seien wegen der Wettbewerbssituation nicht objektiv und verlässlich. Jedenfalls sei der subjektive Widerrufstatbestand nicht verwirklicht worden; ihr sei es nicht egal gewesen, ob ihr Produkt verkehrsfähig gewesen sei. Aufgrund der Bezeichnung als „Pizza“ sei die Lieferung eines anderen Pflanzenschutzmittels vielmehr nicht einmal erwogen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht und durch die statthafte weitgehende Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen ausreichend begründete (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 124a, Rn. 68, m. w. N.) Berufung der Beklagten gegen das der Anfechtungsklage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts ist auch in der Sache begründet. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 18. November 2011 i. d. F. ihres Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Unabhängig von dem tatsächlich nicht mehr möglichen Vertrieb weiteren „Kerb Flo alt“ aus Großbritannien als Ares Flo im Bundesgebiet gehen von dem angegriffenen Bescheid jedenfalls wegen der drohenden Sanktionen, die gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 PflSchG n. F an den in dem Bescheid enthaltenen, streitigen Widerruf einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung bzw. einer Parallelhandelsgenehmigung wegen ihres Mißbrauchs nach § 50 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG n. F. anknüpfen, auch weiterhin Rechtswirkungen aus; er hat sich also nicht erledigt, so dass damit die Anfechtungsklage weiterhin zulässig ist.

Die Klage ist aber unbegründet, weil der Widerrufsbescheid entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts rechtmäßig ist.

Rechtsgrundlage für den Widerruf ist § 50 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG n. F.. Danach ist die Genehmigung für den Parallelhandel zu widerrufen, wenn der Inhaber der Genehmigung eine erteilte Genehmigung dazu missbraucht hat, ein anderes Pflanzenschutzmittel als das, für das die Genehmigung erteilt worden ist, in Verkehr zu bringen; weitere ungeschriebene Voraussetzungen bestehen nicht (vgl. Senatsbeschl. v. 29.7.14 - 10 LA 95/13 -, S. 3 f., S. 10 f.).

Wie das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat, ist auf diese aktuelle Gesetzesfassung abzustellen, weil das mit Wirkung ab dem 14. Februar 2012 durch das Gesetz vom 6. Februar 2012 (BGBl. I S. 148, ber. S. 1281) novellierte Pflanzenschutzgesetz (= n. F.) in § 74 zwar umfangreiche Übergangsregelungen enthält, sich diese aber nicht auf den hier in Rede stehenden Widerruf beziehen. Außerdem dient das Pflanzenschutzgesetz n. F. ausweislich seiner Einführung auch der Anpassung an die Verordnung (EG) Nr.  AB., die wiederum nach ihrem Art. 84 bereits ab dem 14. Juni 2011 galt und ebenfalls insoweit keine Ausnahmen enthält.

Dass § 50 PflSchG den Widerruf einer sog. Parallelhandelsgenehmigung regelt, während der Klägerin noch nach altem Recht (§ 16 c PflSchG a. F.) eine sog. Verkehrsfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden ist, steht dem nicht entgegen. Vielmehr ist aus den folgenden Gründen eine vormals in Ermangelung von sekundärrechtlichen europäischen Bestimmungen allein nach nationalem Recht erteilte, weiterhin wirksame Verkehrsfähigkeitsbescheinigung ab dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) NrAC. als Parallelhandelsgenehmigung anzusehen (so im Ansatz auch Ziffer 9 Abs. 2 des sog. Guidance document der EU-Kommission „concerning the parallel trade of plant protection products“). Eine automatische Unwirksamkeit einer solchen Verkehrsfähigkeitsbescheinigung wird man hingegen (mit der Beklagten nach der Protokollerklärung zu dem sog. Guidance document der EU-Kommission) nach dem insoweit weiterhin maßgebenden deutschen Recht auch dann nicht annehmen können, wenn eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nicht allen materiellen Anforderungen der heutigen Parallelhandelsgenehmigung entsprochen hat. Dies wäre vielmehr nur ein möglicher Grund zu ihrer Aufhebung nach § 50 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 PflSchG. Ob sich insoweit durch die o.a. Novellierung des PflSchG bzw. durch die unionsrechtliche Kodifizierung (vgl. Erwägungsgrund 31 zur Verordnung (EG) Nr.  AB.) der bis dahin ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Parallelhandel (vgl. die Nachweise im jüngsten EuGH-Urteil v. 6.11.2014 - C-108/13 - zum Kettenparallelhandel mit Pflanzenschutzmitteln) in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 überhaupt eine Rechtsänderung ergeben hat, was insbesondere hinsichtlich des Merkmals der Herstelleridentität (vgl. Senatsbeschl. v. 10.4.2014 - 10 LA 32/13 -, juris, sowie BGH, Urt. v. 11.6.2015 - I ZR 226/13 -, juris, Rn. 26) in Betracht käme, kann deshalb hier offen bleiben. Auch aus den Übergangsvorschriften in § 74 Abs. 2 Satz 2 PflSchG lässt sich ein Erlöschen der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung oder ihr Fortbestand allein als solche für den Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. AB. und dem hier später erfolgten Widerruf nicht entnehmen.

Die vorgenannten Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG sind gegeben, weil die Klägerin mit dem von ihr unter der Bezeichnung Ares Flo vertriebenen Pflanzenschutzmittel objektiv ein anderes Pflanzenschutzmittel als das, für das die Genehmigung erteilt worden ist - hier: britisches Kerb Flo mit der Zulassungsnummer J.  -, in den Verkehr gebracht hat (1.) und sie dies jedenfalls ab dem 3. November 2009 zumindest billigend in Kauf genommen hat, sie also missbräuchlich handelte (2.).

1.Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 29. Juli 2014 (- 10 LA 95/13 -) ausgeführt hat, kommt es für die Frage, auf welches Pflanzenschutzmittel sich die (bestandskräftige) Verkehrsfähigkeitsbescheinigung vom 13. Juni 2008 bezog, vorrangig auf deren Inhalt und nur, soweit danach Zweifel verbleiben, für die Auslegung ergänzend auf die damalige Rechtslage an. Nach dem insoweit eindeutigen, im Tatbestand dieses Urteils angeführten Inhalt war der Klägerin auf Grund der vom Bundesamt erteilten Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nur die Verkehrsfähigkeit des im Ursprungsmitgliedstaat Großbritannien unter der Zulassungsnummer J. zugelassenen Pflanzenschutzmittels Kerb Flo bescheinigt und hieran anknüpfend festgestellt worden, dass „es“, also dieses Mittel, von der Klägerin auf Grund dieser Feststellung unter der Bezeichnung Ares Flo eingeführt und in den Verkehr gebracht werden durfte; die Genehmigung erstreckte sich also nicht auf die Einführung sonstiger, ggf. mit dem britischen „Kerb Flo alt“ inhaltlich übereinstimmender Pflanzenschutzmittel.

Das Pflanzenschutzmittel, das die Klägerin als Ares Flo im Bundesgebiet vertreiben durfte, musste also das genannte Importmittel sein und daher zugleich vom Hersteller des britischen „Kerb Flo alt“ stammen, d.h. insofern herstelleridentisch sein. Diese sog. Herstelleridentität auch des in den Verkehr gebrachten Mittels mit dem Importmittel ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für das rechtmäßige Inverkehrbringen des Parallelhandelsmittels Ares Flo.

Hinzukommen muss, dass das vom Parallelhändler eingeführte Importmittel auch inhaltlich dessen Zulassungsvoraussetzungen entspricht. Das ist für den jeweiligen Zulassungsinhaber selbstverständlich; für den Parallelhändler gelten insoweit keine weitergehenden Rechte. Denn nur bei einer der Zulassung im Ursprungsmitgliedstaat entsprechenden Herstellung ist das Importmittel i. S. d. § 16 c Abs. 1 Satz 1 PflSchG a. F. bzw. heute des Art. 52 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. AB. „zugelassen“ und entspricht es dem im Bundesgebiet zugelassenen Referenzmittel. Dass eine etwaige nicht zulassungskonforme Herstellung des Importmittels für den Parallelhändler nur schwer oder ggf. gar nicht zu erkennen ist, ändert hieran nichts, sondern kann allenfalls beim subjektiven Widerrufstatbestand berücksichtigt werden. Soweit die Klägerin in den Raum stellt, sie dürfe jedes Originalprodukt des Zulassungsinhabers unabhängig von dessen Zulassungskonformität in den Verkehr bringen, kann ihr daher nicht gefolgt werden. Andernfalls stünden dem Parallelhändler damit weitergehende Rechte als dem Zulassungsinhaber zu, dem ein solches nicht zulassungskonformes Verhalten natürlich untersagt ist. Außerdem würde so das grundlegende Regelungsziel des Pflanzenschutzgesetzes sowie der Verordnung (EG) Nr. AB. ersichtlich verfehlt, Gefahren, die durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln insbesondere für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Naturhaushalt entstehen können, abzuwenden oder ihnen vorzubeugen.

Ob die zulassungskonforme Herstellung des Importmittels bereits mit dessen Formulierung, d.h. etwa der Abfüllung in Großgebinde, endet - wofür § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG a. F. sprechen könnte - oder nicht darüber hinaus auch die Konfektionierung einschließt, d.h. die Verpackung in der für den Endverbraucher (im Ursprungsmitgliedstaat) bestimmten Abgabegröße entsprechend den Zulassungsbedingungen - wofür jedenfalls heute die Regelungen in Art. 31 Abs. 4 i) Verordnung (EG) Nr. AB. für den Zulassungsinhaber und in Art. 52 Abs. c) dieser Verordnung für den Parallelhändler sprechen können -, kann hier offen bleiben.

Denn das nach den eigenen Angaben der Klägerin zumindest noch bis zum 9. November 2009, ggf. nach der erst im Jahr 2010 aufgefallenen Verdachtsprobe auch danach noch im Bundesgebiet erfolgte Inverkehrbringen von Ares Flo war von der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung des Bundesamtes vom 13. Juni 2008 schon deshalb nicht gedeckt, weil dieses von der Klägerin vertriebene Produkt aus den folgenden Gründen inhaltlich nicht den Zulassungsbedingungen des allein vertriebsfähigen britischen „Kerb Flo alt“ entsprach und nicht herstelleridentisch war.

Das in Großbritannien zugelassene „Kerb Flo alt“ enthielt ebenso wie im Übrigen das Referenzmittel nach der Zulassung das Frostschutzmittel Ethylenglykol, in der Ware der Klägerin war nach der Untersuchung durch das Bundesamt im September 2010 stattdessen das Frostschutzmittel Propylenglykol enthalten. Zudem lag danach der Wirkstoffgehalt des von der Klägerin vertriebenen Mittels mit 420 - 424 g/L knapp oberhalb der an sich zulässigen Schwankungsbreite von 5 % und war die Oberflächenspannung geringer als in der Zulassung beschrieben. Schließlich ist die Probe „cremeweiß“ bei einem Sollwert von „hellbraun“ gewesen. Jedenfalls der Austausch des zulässigen Frostschutzmittels ist zulassungsrelevant und kann nicht auf Mängeln bei der Untersuchung oder dem Umgang mit dem angebrochenen, untersuchten Gebinde beruhen. Denn dies würde ggf. Vermischungen oder Verunreinigungen, nicht aber den o.a. Befund erklären. Gleiches gilt für die abweichende, auf einen Beistoff zurückzuführende Farbe. Wie das Bundesamt im Zulassungsverfahren mit Schriftsatz vom 13. August 2013 zutreffend ausgeführt hat, auf dessen S. 4 f. wegen der Einzelheiten verwiesen wird, gibt es auch keine Bestimmung, nach der für die Feststellung des in Rede stehenden Missbrauchs die Untersuchung von mindestens fünf Chargen/Proben erforderlich sei - wie die Klägerin eingewandt hatte.

Eine Feststellung, welches abweichende Mittel die Klägerin stattdessen als Ares Flo vertrieben hat, ist nicht erforderlich.

Gegen eine zulassungskonforme Herstellung des untersuchten Ares Flo mit der Chargennummer 3909311001 spricht außerdem das Produktionsdatum vom „23. Juli 2009“. Da die britische Zulassung für „Kerb Flo alt“ bereits seit dem März 2009 abgelaufen war und für „Kerb Flo neu“ seit dem Herbst 2008 eine Zulassung bestand, ist nicht ersichtlich, warum der Hersteller noch im Juli 2009 weiter „Kerb Flo alt“ hätte produzieren sollen, das er mangels Zulassung in Großbritannien dort nicht mehr legal in den Verkehr hätte bringen können. Die Klägerin selbst hat u.a. die hier betroffene Charge 3909311001 frühestens Ende August 2009 erhalten, so dass eine „Herstellung“ im davor liegenden Juli 2009 auch bei ihr nicht erfolgt sein kann. Wer stattdessen legal diese Charge hergestellt haben soll, ist auch in der mündlichen Verhandlung offen geblieben. Die Klägerin hat nur abstrakt auf denjenigen verwiesen, der die Ware umgefüllt habe.

Auch wenn auf einzelne der folgenden Indizien jeweils allein tragend eine Abweichung nicht gestützt werden könnte, so kommt doch den folgenden weiteren Gesichtspunkten zusammengenommen eine zusätzliche maßgebende Indizwirkung für die Annahme zu, dass die Klägerin statt des zulassungskonformen britischen „Kerb Flo alt“ ein anderes Mittel vertrieben hat:

- Wie der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, hätte es andernfalls keinen erkennbaren Grund für die P. GmbH als Verkäuferin gegeben, der Klägerin 60.000 EUR als Schadenersatz zu zahlen.

- Zudem hat diese GmbH der Klägerin auf ihre Anfrage mit dem nicht korrigierten Schreiben vom 11. Februar 2011 die Lieferung von britischem „Kerb Flo neu“ statt „Kerb Flo alt“ bescheinigt.

- Die Klägerin hat am 22. September 2010 nachträglich selbst eine entsprechende Rechnung über 60.000 EUR wegen „Kosten durch Qualitätsmangel bei Propyzamid“ erstellt.

- In keiner/m der zahlreichen Rechnungen oder Lieferscheine ist der Klägerin je die Lieferung von „Kerb Flo alt“, dessen britische Zulassung im Übrigen im Lieferzeitraum bereits mehr als ein halbes Jahr erloschen war, stattdessen aber mehrfach des abweichenden Produkts „Pizza (400 SC)“ angekündigt bzw. bescheinigt worden.

- Wenn die Klägerin ab Ende August 2009 die Lieferung von „Kerb Flo alt“ erwartet hätte, so ist nicht verständlich, warum sie dann zu Monatsbeginn eine Vergleichsuntersuchung von „Kerb Flo alt“ und „neu“ in Auftrag gegeben hat.

- Andernfalls hätte die im November 2009 von der Klägerin bereits in Auftrag gegebene, dann aber nach ihren Angaben abgebrochene Untersuchung bei der Fa.  AD. die Identität von Ares Flo und „Kerb Flo alt“ und keine vermeintliche Verunreinigung des Originalmittels ergeben. Zudem hätte die nach den Angaben der Klägerin „im Zuge des Rückrufs zurückerhaltene Teilmenge ihres Produkts“ für eine ergänzende eigene Untersuchung oder auch durch Dritte zur Verfügung gestanden.

- Zusätzlich hat der Hersteller des in Deutschland zugelassenen Referenzmittels Kerb Flo wegen unterschiedlicher Farbe und des in Ares Flo fehlenden Markers die notwendige Identität beider Produkte verneint.

- Schließlich ist andernfalls unverständlich, warum nach den Angaben von Herrn O. in dessen E-Mail vom 18. November 2009 der Wirkstoff in Ares Flo (generell) sogar reiner als „the Dow material“ gewesen sein soll. Bei der gebotenen Übereinstimmung beider Produkte wäre dies jenseits üblicher Schwankungsbreiten nicht möglich.

Aus der fehlenden inhaltlichen Übereinstimmung von Ares Flo mit dem zugelassenen  britischen „Kerb Flo alt“ und den o.a. weiteren Indizien folgt zugleich, dass Ares Flo auch nicht von dem Hersteller, einem Unternehmen des AE., stammte. Für die von der Klägerin vorgetragene Annahme, der Hersteller selbst könne sich nicht an die Zulassungsbedingungen gehalten haben, fehlen jegliche Anhaltspunkte; es ist insbesondere nicht nachvollziehbar, warum der Hersteller bewusst ein anderes als das für „Kerb Flo alt und neu“ zugelassene Frostschutzmittel Ethylenglykol verwendet haben soll.

2. Wie der Senat ebenfalls schon in seinem o.a. Beschluss vom 29. Juli 2014 ausgeführt hat, erfordert der „Missbrauch“ i. S. d. § 50 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG subjektiv lediglich bedingten Vorsatz.

So ist schon einfach-rechtlich weder nach dem Wortlaut noch bei systematischer Auslegung zu erkennen, dass im deutschen (Verwaltungs-)Recht ein missbräuchliches Verhalten mehr als Eventualvorsatz verlangt:

„Missbrauchen“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch normalerweise im Sinn von „(vorsätzlich) falsch, der eigentlichen Bestimmung zuwiderlaufend gebrauchen“ verwendet (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 2. Aufl.). „Missbräuchlich“ bedeutet danach „einen Missbrauch darstellend; zu einem schlechten, falschen Zweck“ (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 25.7.2013 -1 S 733/13 -, juris, Rn. 37).

Auch in anderem Zusammenhang, nämlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a WaffG, ist ein missbräuchliches Verhalten bereits bei einem „nur“ bedingten Vorsatz zu bejahen (vgl. nur Gade/Stoppa, WaffG, § 5, Rn. 9, m. w. N.).

Das Gebot verfassungskonformer Auslegung wegen des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs gebietet keine Begrenzung des missbräuchlichen Verhaltens auf ein Handeln mit direktem Vorsatz. Etwaigen Bedenken gegen die einschneidenden Rechtsfolgen des Widerrufs wird anderweitig Rechnung getragen, nämlich durch die nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PflSchG gerade unter einem Härtefallvorbehalt stehende Länge der Sperrfrist, nicht aber durch eine Modifikation der hier streitigen Widerrufsvoraussetzungen. Dass dieser Widerruf im Einzelfall unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit der Klägerin eingreifen würde, ist weder dargelegt worden noch sonst zu erkennen. Die Klägerin wäre auch beim Fortbestand ihrer Genehmigung rechtlich und tatsächlich nicht mehr in der Lage (gewesen), „Kerb Flo alt“ legal zu erwerben und als Ares Flo zu vertreiben.

Schließlich besteht schon nach Unionsrecht (Art. 72 Satz 1 und 2 Verordnung (EG) Nr.  AB.) die Pflicht, bei einem Verstoß u.a. gegen die Pflichten eines Parallelhändlers, abschreckende und verhältnismäßige Sanktionen zu verhängen. Diese unionsrechtliche Vorgabe spricht ebenfalls nicht dafür, für einen „Missbrauch“ i. S. d. § 50 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG als Widerrufsvoraussetzung hohe Voraussetzungen, wie etwa eine Absicht, zu verlangen. Andernfalls würde zur Entkräftung der regelmäßig erhobene Einwand ausreichen, man kenne als Parallelhändler sein Produkt nicht und man dürfe es bis zu dem von Dritten zu erbringenden (eindeutigen) Nachweis seiner mangelnden Genehmigungsfähigkeit weiter vertreiben. Damit würde aber nicht nur das schon auf die Vorsorge von Gefahren ausgerichtete Schutzniveau nach § 1 PflSchG weit verfehlt, sondern ein Parallelhändler öffentlich-rechtlich auch unzulässig gegenüber sonstigen Wettbewerbern von der Verantwortlichkeit für das Produkt befreit, das er unter seinem Namen gewinnbringend vertreibt.

Reicht damit bedingter Vorsatz aus, so ist ein solcher in Übereinstimmung mit der Auffassung der Beklagten u.a. gegeben, wenn ein Parallelhändler eindeutige Hinweise auf die fehlende Identität seines Produkts mit dem Importmittel oder dem Referenzmittel hat, diesen Hinweisen jedoch nicht mit geeigneten Mitteln nachgeht, sondern sein Produkt weiterhin vertreibt und damit billigend in Kauf nimmt, dass es mangels Übereinstimmung nicht in den Verkehr gebracht werden darf. Nach der bereits dem Zulassungsbeschluss in diesem Verfahren zu Grunde liegenden Ansicht des Senats gehören zu den geeigneten und notwendigen Mitteln zur Identitätsklärung nicht nur etwaige Rückfragen beim Hersteller oder Vorlieferanten, sondern besteht darüber hinaus einzelfallbezogen bei Hinweisen auf eine fehlende Identität auch die Pflicht, die als vermeintliche Originalware angelieferten Pflanzenschutzmittel eigenständig auf ihre Übereinstimmung prüfen zu lassen, wie dies im Hinblick auf die Identität von Import- und Referenzmittel auf Verlangen des Bundesamtes vormals in § 16c Abs. 3 PflSchG a. F. und heute in §§ 46 Abs. 2, 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG n . F. ausdrücklich bestimmt ist. Denn anders können insbesondere dann, wenn Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines Vorlieferanten bzw. der Glaubhaftigkeit seiner Angaben bestehen und andere objektive Nachweise etwa über eine eindeutige Lieferkette vom Originalhersteller an den Parallelhändler fehlen - wie hier -, diese bestehenden Zweifel nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeräumt werden. Ebenso wenig kann sich der Parallelhändler in dieser Situation erfolgreich auf sein fehlendes Wissen über den genauen Inhalt seines Produkts und des Originals berufen. Da er für das Inverkehrbringen seines parallelgehandelten Produkts verantwortlich ist, muss er entweder die Zweifel an dessen Konformität verlässlich ausräumen oder den Vertrieb einstellen. Hingegen steht ihm von Rechts wegen nicht die von der Klägerin reklamierte Möglichkeit offen, sich zumindest solange auf seine Unwissenheit zu berufen, bis ihm von Dritten, d.h. regelmäßig Wettbewerbern oder der Beklagten, die fehlende Identität nachgewiesen worden sei.

Hiermit übereinstimmend geht auch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Beschl. v. 12.10.2009 - 20 F 19/08 -, juris, Rn. 20) davon aus, dass sich ein Parallelhändler

„nicht darauf zurückziehen kann, als bloßer Importeur keine zumutbaren Möglichkeiten zu haben, anders als über das prozessuale Mittel der Akteneinsicht Kenntnis von der Zusammensetzung der von ihr (ihm) gehandelten Pflanzenschutzmittel zu erhalten. Auch dem Importeur als Antragsteller einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung können Ermittlungen in Bezug auf das von ihm importierte Pflanzenschutzmittel obliegen. Nach § 16c Abs. 3 PflSchG darf die Behörde, soweit es zur Feststellung der Verkehrsfähigkeit erforderlich ist, eine Vergleichsuntersuchung des Importmittels mit dem Referenzmittel verlangen. Die Vorschrift zeigt, dass der Gesetzgeber solche Untersuchungen für grundsätzlich möglich und zumutbar hält. Die Behauptung der Klägerin, ohne Kenntnis der konkreten Beistoffe dazu nicht in der Lage zu sein, erscheint vor diesem Hintergrund unsubstanziiert. Die Wertung des Gesetzgebers ist auch hier von Bedeutung. Danach ist es nicht schlechterdings unzumutbar, die Klägerin auf eine solche Untersuchung zu verweisen“.

Hieran gemessen handelte die Klägerin missbräuchlich. Denn ihr lagen spätestens am 3. November 2009 eindeutige Hinweise auf eine Belieferung mit einem anderen Mittel als mit dem allein zulässigen britischen „Kerb Flo alt“ vor, denen sie nicht durch geeignete Aufklärungsmaßnahmen nachgegangen ist. Mit der nach eigenen Angaben zumindest bis zum 9. November 2009 fortgesetzten Auslieferung nahm die Klägerin damit sehendes Auges, d.h. billigend in Kauf, ein abweichendes Mittel in den Verkehr zu bringen.

Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin bereits wegen der wiederholten Lieferung eines lediglich mit seinem Wirkstoff beschriebenen Mittels aus Großbritannien über einen Zwischenfinanzierer/Verkäufer in Österreich hätte misstrauisch werden müssen, zumal die Zulassung von britischem „Kerb Flo alt“ ein halbes Jahr vor Beginn der (mindestens) 19.200 Liter umfassenden Lieferung ab Ende August 2009 ausgelaufen war und die Lieferungen nach dem E-Mailverkehr mit den beteiligten Firmen nicht erkennbar vorab sichergestellt waren, also offenbar nicht bereits von ihr vertraglich gebundenen Vorlieferanten der Klägerin angekauft worden waren (vgl. etwa die E-Mail v. 8. Oktober 2009, Bl. 129 BA).

Jedenfalls wurde die Klägerin danach am 7. Oktober 2009 erstmals mit einem in einem Lieferschein ausdrücklich als „Pizza“, in einem weiteren noch deutlicher als „Pizza Propyzamide 400 SC“ bezeichneten Produkt beliefert, was auch dem Geschäftsführer der Klägerin nach eigenen Angaben zur Kenntnis gegeben wurde. Am 3. November 2009 ist dann u.a. dem Geschäftsführer der Klägerin durch E-Mail die erneute Lieferung von 1.600 Litern „Pizza 400 SC“ angekündigt worden. Da die Ankündigung gemeinsam von der Fa. X.. und von der im Begleitschein in Bezug genommenen Fa. P. GmbH, also von dem Verkäufer und keinem unbeteiligten Transporteur, stammte, war die irrtümlich angekündigte Übersendung von Pizza ebenso auszuschließen wie die Verwechselung mit „Kerb Flo alt“. Wenn der Geschäftsführer der Klägerin gleichwohl keine Maßnahmen zur Aufklärung unternommen, sondern die am 3. November 2009 angekündigte und nach eigenen Angaben spätestens am Folgetag eingetroffene Lieferung und Vorlieferungen unbeanstandet in den Verkehr gebracht hat, so hat er damit zumindest billigend in Kauf genommen, eben nicht das allein zulässige „Kerb Flo alt“, sondern allenfalls „Kerb Flo neu“, „Pizza 400 SC“ oder ein unbekanntes Drittprodukt zu vertreiben. Eine nachvollziehbare Erklärung für dieses Verhalten hat die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung nicht abgegeben, sondern sich auf die vom Senat nicht geteilte Annahme berufen, es habe sich lediglich um ein fahrlässiges Verhalten gehandelt; erst in den Folgejahren habe sich bei den Parallelhändlern ein größeres Problembewusstsein entwickelt. Ob der Klägerin - wie sie schriftsätzlich in den Raum stellt - bei einer Rückfrage etwa von Herr O. ohnehin angegeben worden wäre, es sei trotz der abweichenden Bezeichnung ordnungsgemäß „Kerb Flo alt“ geliefert worden, kann offen bleiben; Herr O. brauchte deshalb hierzu und zum vereinbarten Kaufgegenstand auch nicht als Zeuge vernommen werden. Denn entscheidend ist, dass die Klägerin die Weitergabe einer zum zweiten Mal, und dies nicht nur durch einen Lieferanten, anderweitig bezeichneten Ware schlicht hingenommen hat, ohne jedenfalls nunmehr eindeutige Beweise über die allein rechtmäßige Lieferung von zulassungskonformem britischem „Kerb Flo alt“ zu verlangen und zu besitzen.

Nach eigenen Angaben hat die Klägerin erst nach Intervention des deutschen Zulassungsinhabers die weitere Auslieferung von Ares Flo frühestens am 9. November 2009 und damit verspätet unterbrochen. Ob dies zutrifft oder noch später Auslieferungen erfolgt sind oder die Klägerin zu einem Rückruf (vor dem 9. Dezember 2009) verpflichtet war, kann offen bleiben.

Lagen somit die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG vor, so war danach der Widerruf zwingend („ist“).

Eine für die Klägerin günstigere Rechtsfolge ergibt sich jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung, in der die Klägerin nach eigenen Angaben den Verkauf von sich aus wegen zivilrechtlicher Unterlassungsansprüche bereits eingestellt hatte und keine Wiederaufnahme beabsichtigte, insbesondere offenbar auch die notwendigen Kosten für Vergleichsuntersuchungen scheute, auch nicht aus § 50 Abs. 3 PflSchG; ein Ruhen der Genehmigung an Stelle ihres Widerrufs hätte bei dieser Sachlage keinen Sinn gemacht.

Im Übrigen geht der Senat nach seinem mehrfach zitierten Beschluss vom 29. Juli 2014 ohnehin davon aus, dass das Ruhen gemäß § 50 Abs. 3 PflSchG nur angeordnet werden kann, wenn der Sachverhalt noch nicht abschließend geklärt ist, mutmaßlich eine Rücknahme oder ein Widerruf nach § 50 Abs. 1 oder 2 PflSchG in Betracht kommt und deshalb an die Stelle dieser endgültigen Aufhebung der Genehmigung für einen Übergangszeitraum zur Abwehr (konkreter) Gefahren eine vorläufige Aussetzung der  Genehmigung geboten ist. Eine solche Fallgestaltung ist hier jedoch nicht gegeben. Das Bundesamt hatte den Sachverhalt hinreichend ausermittelt und zu Recht eine endgültige Regelung getroffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.