Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 15.10.2018, Az.: 13 A 1911/17
Behinderter; Bewerbung; Diskriminierung; Einstellungsgespräch; Entshcädigung; Schadenersatz
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 15.10.2018
- Aktenzeichen
- 13 A 1911/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74037
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 15 Abs 2 AGG
- § 24 Nr 1 AGG
- § 82aF SGB 9
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Entschädigung nach dem AGG.
Der C. geborene Kläger gibt an, ausgebildeter Industriekaufmann mit einem IHK-Abschluss zu sein. Außerdem war er nach seinem vorgelegten Lebenslauf in den Jahren D. selbstständig als TV-Redakteur, Künstler, im Management und als Journalist mit sieben Mitarbeitern tätig. Am E. bestand er sein 2. Juristisches Staatsexamen. Der Kläger ist mit einem Grad von 50 GdB schwerbehindert.
Die Beklagte schrieb im Jahr 2016 die Stelle eines Kreisrates (Besoldungsgruppe B3) aus. Unter anderem wurden in der Ausschreibung „umfassende Kenntnisse und Führungserfahrung in der öffentlichen Verwaltung“ gefordert. Wegen des näheren Inhaltes der Ausschreibung wird auf Blatt 15 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Noch zu einer Zeit als sich der Kläger im Referendariat befand, bewarb er sich im September 2016 um diese Stelle. Mit Schreiben vom 03.01.2017 teilte ihm die Beklagte mit, dass er nicht berücksichtigt worden sei. Daraufhin wandte er sich mit einem Beschwerdebrief an die Beklagte. In diesem Brief meinte der Kläger, er sei wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden. Mit Schreiben vom 17.01.2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es sei keine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch erfolgt, weil die Eignung für den ausgeschriebenen Dienstposten ihm offensichtlich fehle. Der Kläger könne keine Führungserfahrung im öffentlichen Dienst nachweisen.
Mit Schreiben vom 17.01.2017 forderte der Kläger von der Beklagten daraufhin eine Entschädigung nach dem AGG wegen Diskriminierung in Höhe von 42.420,68 €.
Unter dem Datum 16.02.2017 lehnte die Beklagte eine Entschädigungszahlung ab.
Der Kläger hat am 05.03.2017 Klage erhoben.
Der Kläger erhob zunächst Untätigkeitsklage und trugt vor, er habe das Schreiben der Beklagten vom 16.02.2017 erst nach Klageerhebung erhalten. Er bezog dieses Schreiben jedoch in das Klageverfahren ein.
In der Sache rügt er verschiedene Verletzungen von Verfahrensvorschriften des SGB IX, insbesondere, dass er entgegen der Vorschrift des § 82 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei.
Außerdem ist er der Ansicht, dass er für die ausgeschriebene Stelle durchaus qualifiziert gewesen sei. Als freier TV-Redakteur mit sieben Mitarbeitern habe er hinreichende Führungserfahrung.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn, dem Kläger, eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung, jedoch mindestens 11.210,34 €, zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.02.2017 zu zahlen
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt der Klage entgegen. Der Kläger erfülle das Anforderungsprofil nicht. Nach § 82 Satz 3 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sei deshalb auch eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch entbehrlich gewesen. Im Übrigen seien alle Vorschriften insbesondere hinsichtlich des Schutzes der Schwerbehinderten eingehalten worden.
Die Beklagte weist ferner darauf hin, dass sich der Kläger auch auf eine andere Stelle bei ihr beworben habe; als er zu einem Bewerbungsgespräch geladen worden sei, habe er die Stelle abgelehnt.
Aus dem Parallelverfahren 13 A 1050/17, in dem der Kläger wegen Nichtberücksichtigung bei einem Bewerbungsverfahren ebenfalls Ansprüche nach dem AGG gelten macht, ist dem Gericht bekannt, dass er zumindest in einem dritten Verfahren auch Ansprüche nach dem AGG geltend gemacht hat und diese Klage vor dem Arbeitsgericht Hannover durch einen Vergleich endete (dortige Gerichtsakte Bl. 229, 241).
Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig. Der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bedurfte es nach § 105 Abs. 1 NBG nicht. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites sind ausschließlich Entschädigungsansprüche.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG nicht zu.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund grundsätzlich in Bezug auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position unzulässig. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden nach § 15 Abs. 1 AGG zu ersetzen. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der/die Beschäftigte gem. § 15 Abs. 2 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Dieser - verschuldensunabhängige - Anspruch greift aber nur dann ein, wenn eine Benachteiligung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründen vorliegt. Hier fehlt es indes bereits an einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot.
Der Kläger hat nicht darlegen können, dass er allein aufgrund seiner Schwerbehinderung nicht in das Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle eines Kreisrates einbezogen wurde. Dafür liegen auch keinerlei Anhaltspunkte vor. Denn der Kläger erfüllte seinerzeit offensichtlich nicht das Anforderungsprofil für die zu vergebene Stelle.
Ob der Kläger zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung bereits die Befähigung für die Laufbahngruppe 2, 2. Eingangsamt, hatte und dies der Beklagten auch bekannt war, bedarf hier keiner weiteren Klärung. Zum Zeitpunkt seiner Bewerbung befand sich der Kläger noch im Referendariat. Als Ende der Referendariatszeit gab der Kläger in seinen Lebenslauf „12/16“ an. Die Auswahlentscheidung der Beklagten muss vor dem 03.01.2017 gefallen sein, denn unter diesem Datum wurde dem Kläger bereits mitgeteilt, dass er nicht ausgewählt worden ist.
Letztendlich kommt es aber nicht darauf an, denn dem Kläger fehlten seinerzeit ersichtlich bereits die in der Ausschreibung geforderten „umfassenden Kenntnisse und Führungserfahrung in der öffentlichen Verwaltung“, die, dies ergibt sich aus dem Zusammenhang mit der zuvor geforderten Befähigung für die Laufbanggruppe 2, 2. Einstiegsamt, eben auch im früheren höheren Dienst erworben werden mussten.
Dass das geforderte Anforderungsprofil nicht erfüllt ist. liegt bei einem Juristen, der gerade eben sein 2. Staatsexamen abgeschlossen hat, auf der Hand. Nach seinem eigenen Lebenslauf hatte der Kläger außer Praktika keine Berufserfahrung im öffentlichen Dienst. Die selbstständige Tätigkeit als TV-Redakteur mit sieben Mitarbeitern vermittelt keine Führungserfahrung für die Tätigkeit in einer Behörde als Kreisrat.
Auch der Umstand, dass der Kläger erst gar nicht zu einem Vorstellungsgespräch geladen wurde, belegt keine Diskriminierung im Sinne des AGG. Zwar musste seinerzeit nach § 82 Satz 2 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung ein öffentlicher Arbeitgeber grundsätzlich schwer behinderte Menschen, die sich für eine Stelle beworben haben, zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Dies hat die Beklagte unstreitig nicht getan. Nach Satz 3 der genannten Vorschrift ist eine Einladung jedoch entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Wie ausgeführt, ist das hier der Fall.
Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ist nicht die Frage der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung selbst, sondern vielmehr nur, ob der Kläger im Rahmen des Stellenbesetzungsverfahrens diskriminiert worden ist. Deshalb kommt es auch nicht auf weitere vom Kläger behauptete Verfahrensfehler im Auswahlverfahren an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.