Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.12.1998, Az.: XII 495/98
Gewährung einer Kinderzulage nach § 9 Abs. 5 EigZulG (Eigenheimzulagegesetz); Zugehörigkeit eines Kindes im Förderzeitraum zum Haushalt des Anspruchsberechtigten als Voraussetzung für die Gewährung einer Kinderzulage; Inanspruchnahme von Baukindergeld gemäß § 34 f Abs. 2 EStG (Einkommensteuergesetz)
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 23.12.1998
- Aktenzeichen
- XII 495/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18654
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:1223.XII495.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 5 EigZulG
- § 9 Abs. 2 EigZulG
- § 10e Abs. 1 S. 2 EStG
- § 34f Abs. 2 EStG
- § 3 EigZulG
- § 11 Abs. 1 S. 2 EigZulG
Fundstellen
- DStRE 1999, 507-508 (Volltext mit amtl. LS)
- KFR 1999, 219
- NWB 1999, 669
- SteuerBriefe 1999, 773
Verfahrensgegenstand
Kinderzulage gemäß § 9 Abs. 5 (EigZulG)
Amtlicher Leitsatz
Die Kinderzulage nach § 9 Abs. 5 EigZulG ist auch dann zu gewähren, wenn das Kind in dem Förderobjekt einen eigenen Hausstand begründet. Voraussetzung ist nur, dass das Kind im Förderzeitraum zum Haushalt des Anspruchsberechtigten gehört hat (sog. materielles Jahresprinzip).
In dem Rechtsstreit
hat der XII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
durch
den Richter am Finanzgericht als Berichterstatter
gemäß § 79 a Abs. 3, 4 FGO
am 23. Dezember 1998
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 1998 und Änderung des Bescheides für die Gewährung der Eigenheimzulage ab 1997 vom 05.01.1998 wird die Kinderzulage von 1.500,00 DM pro Jahr auch für den Sohn gewährt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird Vollstreckungsnachlass gegen Sicherheitsleistung gewährt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Kinderzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) für ein auswärtig studierendes Kind der Kläger streitig. Die Kläger wohnen in. Sie erwarben mit notariellem Vertrag vom 31.07.1997 eine Neubau-Eigentumswohnung in, zum Kaufpreis von 153.000 DM (125.490,60 DM für die Wohnung und 27.509,40 DM für Grund und Boden). Diese Wohnung wird seit dem 01.10.1997 durch den in studierenden Sohn (geb. am 21.01.1977) genutzt.Er ist hier mit Nebenwohnung gemeldet. Weitere Personen nutzen die Wohnung nicht. Die Kläger beantragten für diese Eigentumswohnung in Eigenheimzulage ab 1997 und Kinderzulage für ihren Sohn und eine weitere Tochter (geb. am 16.01.1979).
Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) gewährte im Bescheid über die Eigenheimzulage ab 1997 vom 05.01.1998 neben der Grundförderung nur die Kinderzulage in Höhe von 1.500,00 DM für die Tochter der Kläger. Die Kinderzulage für den in studierenden und in der Wohnung wohnenden Sohn gewährte das FA nicht, weil es die Auffassung vertrat, diese Wohnung sei dem Sohn zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellt.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger gegen diese Entscheidung Klage erhoben. Sie sind weiterhin - wie schon im Verwaltungsverfahren - der Auffassung, dass die Kinderzulage nicht nur für ihre Tochter, sondern darüber hinaus auch für den in studierenden Sohn zu gewähren sei. Nach der Neuregelung des Rechtes über die Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums bestehe sowohl ein Anspruch auf den Fördergrundbetrag nach § 9 Abs. 2 EigZulG als auch auf die Kinderzulage nach § 9 Abs. 5 EigZulG, und zwar im Streitfall für beide Kinder. Soweit das FA hinsichtlich des Sohnes darauf verweise, dass eine Haushaltszugehörigkeit nicht gegeben sei, sei diesem Vorbringen nicht zu folgen. Zum einen ergebe sich die Gewährung der Kinderzulage schon aus den Erläuterungen, die die Finanzverwaltung zur Eigenheimzulage verteile. Außerdem sei eine Haushaltszugehörigkeit auch deshalb anzunehmen, weil der Sohn von den Klägern finanziell abhängig sei, d. h. es bestehe im Streitfall vollständige Unterhaltspflicht einschließlich der Wohnung des unterhaltsberechtigten Sohnes durch die Eltern bis zum Ende der Ausbildung. Soweit das FA darauf verweise, dass eine Kinderzulage schon wegen Gewährung des Ausbildungsfreibetrages nach § 33 a EStG nicht gewährt werden könne, sei demebenfalls nicht zu folgen, denn der Ausbildungsfreibetrag dieneanders als die Kinderzulage - dem Ausgleich der bei den Eltern zusätzlich entstehenden Kosten für die Ausbildung des Kindes.
Die neu geregelte steuerrechtliche Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums habe durch eine familiengerichtete Gestaltung zum Ziel, dass vor allem Familien mit Kindern Wohnungseigentum erwerben sollten. Die Vermögensbildung durch Wohneigentum solle u. a. zum Zwecke der Altersvorsorge gefördert werden. Aus diesem Zweck ergebe sich eine weite Auslegung des Begriffes "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken". Demgemäß werde grundsätzlich auch für eine Zweitwohnung - soweit sie zu eigenen Wohnzwecken genutzt werde - die Eigenheimzulage gewährt. Daraus ergebe sich zwangsläufig, dass auch die Kinderzulage zu gewähren sei, und zwar unabhängig davon, ob das jeweilige Kind diese Wohnung mit einem eigenen Haushalt bewohne oder aber - wie im Streitfall die Tochter der Kläger - dem Hauptwohnsitz der Eltern angehöre.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30.06.1998 und Änderung des Bescheides über die Gewährung der Eigenheimzulage ab 1997 vom 05.01.1998 die Eigenheimzulage einschließlich Kinderzulagen von 6.500,00 DM auf 8.000,00 DM pro Jahr ab 1997 zu erhöhen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist zur Begründung auf das BFH-Urteil vom 25.01.1995 (BStBl II 1995, 378), das zwar zu §§ 10 e und 34 f EStG ergangen sei, jedoch auf das Eigenheimzulagengesetz anwendbar sei. Aus dieser Entscheidung ergebe sich, dass Baukindergeld (§ 34 f EStG) dann nicht gewährt werde könne, wenn das Kind einen eigenen selbständigen Haushalt führe. Diese Voraussetzung sei im Streitfall erfüllt, denn der Sohn der Kläger habe in der von den Klägern erworbenen Eigentumswohnung in einen eigenen Haushalt begründet. Demgemäß gehöre der Sohn nicht zum Haushalt der Eltern, so dass eine Kinderzulage nicht zu gewähren sei. Dies ergebe sich auch aus dem Erläuterungsschreiben des BMF zum Eigenheimzulagengesetz vom 10.02.1998 (BStBl I 1998, S. 190) sowie aus einer Verfügung der OFD Hannover vom 05.02.1997 (DB 1997, 605). Etwas anderes könne allenfalls danngelten, wenn die am Studienort des Kindes belegene Eigentumswohnung gleichzeitig von den Eltern als Zweitwohnung mitbenutzt werde. Diese Ausnahme sei im Streitfall unstreitig jedoch nicht gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Kläger haben im Streitfall einen Anspruch auf Kinderzulage gemäß § 9 Abs. 5 EigZulG auch für ihren Sohn in Höhe von 1.500,00 DM. Die ab 1997 zu gewährende Eigenheimzulage erhöht sich demgemäß auf 8.000,00 DM pro Jahr (5.000,00 DM Grundförderung zuzüglich zweimal 1.500,00 DM Kinderzulage).
Die Kläger haben mit notariellem Vertrag vom 31.07.1997 eine Eigentumswohnung in, gekauft.Ihnen steht hierfür gemäß § 9 Abs. 2 EigZulG der Fördergrundbetrag von jährlich 5.000,00 DM zu. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Unstreitig ist auch, dass den Klägern für ihre Tochter, die sich überwiegend im Haushalt der Kläger in aufhält, eine Kinderzulage von 1.500,00 DM pro Jahr gemäß § 9 Abs. 5 EigZulG zu gewähren ist.
Im Streitfall haben die Kläger jedoch darüber hinaus auch Anspruch auf die Kinderzulage von 1.500,00 DM für ihren in studierenden, die Wohnung bewohnenden Sohn. Soweit das FA die Kinderzulage in diesem Punkt mit der Begründung abgelehnt hat, gehöre seit seinem Einzug am 01.10.1997 nicht mehr zum Haushalt der Kläger, mit der Folge, dass die Kinderzulage für ihn nicht gewährt werden könne, folgt das Gericht diesem Vorbringen nicht. Zwar hat der BFH in der vom FA angeführten Entscheidung vom 25.01.1995 (BStBl II 1995, 378) ausgeführt, dass eine Haushaltszugehörigkeit dann nicht (mehr)anzunehmen sei, wenn das Kind am Studienort einen eigenen Hausstand begründet habe. Der BFH stützt diese Entscheidung vor allem darauf, dass im Hinblick auf den erhöhten Ausbildungsfreibetrag (§ 33 a EStG) eine dem Kind des Eigentümers zur Nutzung überlassene Wohnung kein Teil des elterlichen Haushalts sei. Demgemäß erhielten die Eigentümer (Eltern) des Kindes kein Baukindergeld gemäß § 34 f EStG. Dem stehe nicht entgegen, dass die Grundförderung nach § 10 e Abs. 1 Satz 2 EStG gewährt werde;denn das Wohnen des Kindes werde dem Eigentümer als eigenes Wohnen zugerechnet, weil er dem Kind die Wohnung in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht zur Verfügung stelle. Weiter hat der BFH ausgeführt, dass es für die Inanspruchnahme des Baukindergeldes nach § 34 f Abs. 2 EStG nicht ausreiche, dass das Kind vor Bezug der Wohnung am Studienort noch zum Haushalt der Eltern gehört habe. Denn die Haushaltszugehörigkeit - so der BFH in der Entscheidung vom 25.01.1995 - müsse "in dem für die Steuerbegünstigung maßgebenden Zeitraum" bestanden haben. Mit Beginn der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken - Bezug der Eigentumswohnung durch das Kind - gehörte dieses Kind aber nicht mehr zum Haushalt der Eltern.
Diese zur alten Rechtslage (Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums gemäß §§ 10 e, 34 f EStG) ergangene Entscheidung des BFH ist auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Voraussetzung für die Gewährung des Baukindergeldes nach § 34 f EStG war u. a., dass das Kind zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehört oder gehört hat, "wenn diese Zugehörigkeit auf Dauer angelegt ist oder war" (§ 34 f Abs. 1 Nr. 2 EStG).
Im Gegensatz dazu ist Voraussetzung für die Kinderzulage nach der Neuregelung im Eigenheimzulagengesetz (§ 9 Abs. 5 EigZulG), dass das Kind im Förderzeitraum zum inländischen Haushalt des Anspruchsberechtigten gehört oder gehört hat. Daraus folgt, dass die Eigenheimzulage grundsätzlich nach den Merkmalen gewährtwird, die der für die Eigenheimzulage Anspruchsberechtigte in dem jeweiligen Jahr des Förderzeitraumes verwirklicht. Nach der im Schrifttum hierzu vertretenen zutreffenden Auslegung (vgl. z. B. Wacker, Kommentar zum Eigenheimzulagengesetz, 2. Aufl. 1998, § 9 Rnr. 161) wird dieses sog. "materielle Jahresprinzip" im Hinblick auf die Haushaltszugehörigkeit in dem Sinne gelockert, dass die Zugehörigkeit zum Haushalt des Anspruchsberechtigten zu irgendeinem Zeitpunkt des Förderzeitraums ausreichend ist. Der Förderzeitraum umfasst jedoch nach § 3 EigZulG das gesamte Jahr der Anschaffung (oder Herstellung) des Förderobjektes. Daraus schließt das Gericht, dass nach den Regelungen des Eigenheimzulagengesetzes die Kinderzulage auch für solche Kinder zu gewähren ist, die zu Beginn des ersten Jahres des 8jährigen Förderzeitraums zum Haushalt des Anspruchsberechtigten gehört haben. Gegenüber der alten Rechtslage in§ 34 f EStG zum Baukindergeld ist nämlich nicht mehr Voraussetzung, dass die Haushaltszugehörigkeit auf Dauer angelegt ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 11 Abs. 1 Satz 2 EigZulG, wonach für die Zahl der Kinder nach § 9 Abs. 5 Satz 1 und 2 EigZulG die Verhältnisse bei Beginn der Nutzung der hergestellten oder angeschafften Wohnung zu eigenen Wohnzwecken maßgeblich ist. Diese Regelung ist nach Auffassung des Gerichts schon deshalb nicht einschlägig, weil es hier nur um die Frage der "Zahl der Kinder" geht, nicht hingegen um die Frage der Haushaltszugehörigkeit (so auch Wacker a.a.O., Rnr. 161).
Soweit die Finanzverwaltung (vgl. OFD Hannover vom 05.02.1997 -EZ 1230-1-STO 222/EZ 1230-1-STH 223, Der Betrieb 1997, 605) eine davon abweichende Auffassung vertritt, folgt das Gericht dem nicht.
Im vorliegenden Fall gehörte bis zu seinem Umzug nach dem Haushalt der Kläger an, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Kinderzulage danach erfüllt sind.
Die Einspruchsentscheidung war nach alldem aufzuheben. Der Bescheid vom 05.01.1998 über die Gewährung einer Eigenheimzulage war dahingehend zu ändern, dass den Klägern neben dem Fördergrundbetrag von 5.000,00 DM (§ 9 Abs. 1 EigZulG) auch zweimal die Kinderzulage in Höhe von jeweils 1.500,00 DM gemäß § 9 Abs. 5 EigZulG, insgesamt also eine Förderung von 8.000,00 DM ab 1997 zu gewähren ist.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Das Gericht hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO grundsätzliche Bedeutung hat und das Gericht mit seiner Entscheidung auch von dem BFH-Urteil vom 25.01.1995 (BStBl II 1995, 378) abweicht.
Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.